Protocol of the Session on January 29, 2009

Die Stadt Münster hat damals finanziell in den sauren Apfel gebissen und ganz auf ihre eigenen Kosten ein neues Schulgebäude geplant. Das war die eine Seite, die finanzielle.

Die andere Seite war aber, glaube ich, ein Glücksfall. Denn aufgrund dieser Tatsache, dass die Stadt es alleine machen musste, gab es die Möglichkeit, das Schulkonzept, das damals von der früheren Schulleiterin ausgearbeitet war, und die Architektur miteinander zu verbinden.

Wenn Sie jetzt einmal in die Begründung für den Schulpreis gucken, dann werden Sie hier einen entscheidenden Punkt dafür finden, warum die Schule den Schulpreis gewonnen hat. Die Architektur – das heißt: kleine, überschaubare Einheiten für jedes Kind – war nämlich ein bedeutender Grund, diesen Schulpreis zu erringen. Sie gestatten mir, dass ich als Münsteranerin, die damals im Rat der Stadt war, relativ stolz darauf bin.

Drittens. Die Wartburgschule gehörte dann wiederum zu den ersten Schulen auch in Münster, die sich trauten, behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam zu beschulen.

Viertens. Die Wartburgschule zeichnete sich seit vielen Jahren durch ihr pädagogisches Engagement aus. Das Kollegium ist fortbildungs- und innovationsfreudig, und zwar das gesamte Kollegium. Das muss man dabei betonen. Denn es nützt nichts, wenn es nur einzelne Lehrer sind. Es muss immer das gesamte Kollegium sein.

Fünftens. Elternbeteiligung und Schülerbeteiligung – gerade dieser demokratische Aspekt in der Schule ist, meine ich, ganz wichtig – sind an dieser Schule selbstverständlich. Es wird jahrgangsübergreifend projektorientiert unterrichtet. Individuelle Förderung bedurfte hier sicherlich nur der Bestätigung durch unser Schulgesetz. Im Übrigen hat die Schule für die individuelle Förderung auch das Gütesiegel erhalten.

Sechstens. Die Schule versteht sich – das finde ich ganz wichtig – als Leistungsschule und ist stolz auf ihre Übergangsquote. Genau an dieser Stelle setze ich auch meine Hoffnung auf die Evaluation. Ich sage das ganz deutlich. Ich erhoffe mir nicht nur eine prozentuale Beschreibung der Übergangsquote, sondern ich erhoffe mir auch die Darstellung – das wäre sehr wichtig bei einer wissenschaftlichen Evaluation –, dass die Überweisung auf die weiteren Schulen auch den Erfolg hat, den man generell annimmt, das heißt, dass die Schüler auf den Schulen verbleiben und nicht an andere Schulen weitergegeben werden.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Schule erfreut sich natürlich einer großen Anerkennung. Das liegt aber – das sage ich auch ganz deutlich – in Münster jedenfalls nicht daran, dass an ihr Notenfreiheit herrscht.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Beer?

Nein, ich möchte jetzt erst zu Ende vortragen. Wenn ich meine Rede beendet habe, dann beantworte ich Ihre Frage gerne, Frau Beer.

Das hat für manche Eltern durchaus zunächst etwas Suspektes gehabt. Aber für uns ist es ein Glücksfall, dass es im Stadtteil drei Grundschulen gibt und die Eltern jetzt dank der Aufhebung der Schulgrenzen sehr wohl entscheiden können, an welcher Schule sie ihr Kind anmelden, sodass auch das Konzept der Schule bei der Anmeldung im Vordergrund steht.

Bei der Verleihung des Schulpreises hat die Schulleiterin in sehr bewegten Worten gedankt: erstens ihren Schülerinnen und Schülern, die jeden Tag die Schule besuchen, und zweitens den Kollegen, die den pädagogischen Mehraufwand seit Jahren mittragen. Mir hat eine Kollegin bei der Preisverleihung erzählt, dass das unter den Kollegen durchaus nicht en vogue ist, an dieser Schule zu unterrichten. Manche sagen: Warum wollt ihr dort überhaupt hin? Ihr müsst doch dort entscheidend mehr arbeiten! – Drittens hat sie den Eltern gedankt, die das Vertrauen in diese pädagogischen Konzepte gehabt haben. Sie hat dem Schulträger gedankt, der mit außergewöhnlich vielen Eigenmitteln in die Qualitätssteigerung dieser Schule mit eingestiegen ist. Sie hat außerdem dem Land für die Möglichkeit gedankt, manchen Sonderweg zu gehen.

Diesen Sonderweg haben wir mit der Genehmigung des Projektes und mit der wissenschaftlichen Begleitung beschritten. Deshalb werden wir diesen Sonderweg der Schule begleiten und begrüßen. Wir hoffen durch die vereinbarte Evaluation auf Ergebnisse. In diesem Sinne wünschen wir der Schule alles Gute auf dem Weg, vor allem zum Erfolg der Kinder.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Kastner. – Als nächste Rednerin spricht für die SPD-Fraktion Frau Schäfer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch ich habe Frau Gravelaar zum Schulpreis gratuliert. Ich finde, es ist eine ganz tolle Leistung, dass diese Grundschule in Münster den Deutschen Schulpreis bekommen hat. Aber ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich:

Das ist für mich nicht so ungewöhnlich, weil unsere Grundschulen im Land sehr innovative Schulen sind und eine sehr innovative Schulkultur leben, wie auch diese Schule in Münster.

(Beifall von der SPD)

Interessant ist aber doch, warum diese Grundschule jetzt den Schulpreis bekommen hat. Sie zeichnet sich durch innovative pädagogische Arbeit aus. Sie ist Münsters erste Ganztagsgrundschule gewesen, in der sowohl jahrgangsübergreifend als auch integrativ unterrichtet wird. Schulnoten gibt es eben erst ab Klasse 4. Bis dahin bekommen alle Schülerinnen und Schüler Lernentwicklungsberichte.

Jetzt gab es die Diskussion: Kann die Schule so verfahren? Ich freue mich, dass das Ministerium entschieden hat, dass die Schule so weitermachen kann. Denn nach dem geltenden Schulgesetz hätte sie es nicht mehr tun können, weil der Schulversuch „Selbstständige Schule“ ausgelaufen ist.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Genau!)

Ich frage mich allerdings auch, warum eine andere Schule in Nordrhein-Westfalen, nämlich die PeterPetersen-Schule in Köln, die auch jahrgangsübergreifend und integrativ arbeitet, die auch den Ganztag hat, die auch eine Verständigung mit den Eltern darüber hat, dass es keine Ziffernoten, sondern Lernentwicklungsberichte, mit anderen Worten Wortzeugnisse gibt, seit dem letzten Schuljahr, seit August, Noten ab Klasse 2 geben muss. Ich verstehe das nicht.

Diese Schule macht die gleiche reformpädagogische Arbeit wie die andere Schule auch. Sie hatte nur nicht den Vorteil, dass sie im Modellprojekt „Selbstständige Schule“ war, und sie hatte nicht den Vorteil, dass sie den Schulpreis gewonnen hat. Das ist mir unerklärlich.

Frau Beer hat eben eine andere Schule in Bonn zitiert. Die hat die Ministerin jetzt angeschrieben; wir haben diese Mail am 23. Januar ebenfalls bekommen. Auch hier gibt es über Jahre hinaus die Überlegungen, auf Ziffernoten zu verzichten und die Noten nur in Klasse 4 zur erteilen, was ich für eine Grundschule als pädagogisch sehr sinnvoll erachte, wenn die Eltern vor Ort das in der Schulkonferenz mit der Schule so abstimmen.

(Ralf Witzel [FDP]: Das hat in der Schule so nicht stattgefunden!)

Herr Witzel, nehmen Sie doch bitte den Mund nicht so voll!

Ich sage Ihnen jetzt, was im rot-grünen Schulgesetz gestanden hat: Da gab es die Möglichkeit, in Klasse 3 – je nach Beschluss der Schulkonferenz – entweder Ziffernoten zu erteilen oder auf Ziffernoten zu verzichten und Wortlautzeugnisse zu erstellen, eigenständig, selbstverantwortlich, wenn die Schulgemeinde dies so wollte. Das rot-grüne Schulgesetz

sah vor, dass alle Schulen die Wahlmöglichkeiten hatten, bis zur dritten Klasse entsprechend zu verfahren. Es gab keine Ziffernoten in Klasse 2. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich erwähnen, weil ich auch dieses für pädagogisch unsinnig halte.

Diese Notengläubigkeit in der Grundschule erhöht den Druck, und das wollen wir eigentlich nicht. Kinder sollen motiviert lernen, aber möglichst ohne den Notendruck, aus sich heraus, weil ihnen das Lernen Freude und Spaß macht.

Jetzt sind wir gespannt, wie das weitergeht. Wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen das wissenschaftlich begleiten, Frau Kastner – Sie haben das lobend hervorgehoben –, dann sage ich Ihnen: Nichts ist in der Schulpädagogik so gut erforscht wie die Notengebung. Sie brauchen keine wissenschaftliche Evaluation. Sie können einfach in die Bibliothek gehen und die gesamten Untersuchungen lesen, die Ihnen den Sinn und den Widersinn von Noten darlegen. Eine Evaluation ist gar nicht nötig. Ich halte es für ein fadenscheiniges Argument, weil Sie Mühe haben, aus Ihrem Schulgesetz wieder herauszukommen. Denn dieses Schulgesetz ist nicht das modernste, sondern in der Weise eines der antiquiertesten, das wir in Deutschland haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Recker, geben Sie sich einen Ruck! Wenn Sie schon nicht dem Antrag der Grünen zustimmen können, dann nehmen Sie vielleicht unseren, der ist nicht ganz so weit gehend,

(Zurufe von den GRÜNEN: Ooh!)

weil er sich auf die Grundschulen konzentriert.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Dann lieber un- seren Antrag!)

Insofern machen wir noch einen kleinen Unterschied. Wir stimmen übrigens auch dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu. Wir haben da keine Sorge, aber ich habe gedacht, vielleicht legt man die Hürde etwas niedriger, um sie überwinden zu können.

Die Grundschulen in Nordrhein-Westfalen haben übrigens sehr beklagt – das möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen –, dass sie nicht mehr die Freiheit der Entscheidung in Klasse 3 hatten. Herr Witzel, Sie wissen das vielleicht nicht, aber es haben viele schon so verfahren und mussten alles wieder zurückdrehen und sich auf Noten konzentrieren. Die Grundschulen im Land würden es Ihnen danken, und ich kann Sie nur ermuntern.

Auf eines bin ich gespannt. Die Ministerin wird es vielleicht gleich auch noch sagen: Wie geht es denn jetzt mit dem Modellversuch bzw. mit dem Projekt in Münster weiter? Da es sich um einen Modellversuch handelt – das haben Sie ja selbst hier an dieser Stelle schon gesagt –, würden Sie ihn, wenn er

positiv ist, auf das Land übertragen. So haben Sie den Modellversuch damals für Horstmar und Schöppingen abgelehnt, weil Sie ihn nicht in die Fläche übertragen wollen. Ich gehe davon aus, dass Sie das jetzt gerne landesweit ausweiten wollen. Dann würde ich mich sehr freuen, denn Sie würden das alte rot-grüne Schulgesetz an der Stelle wieder in Funktion setzen. Daran hätte ich Spaß. Das gebe ich unumwunden zu.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Über Schulentwicklungskonferenzen – darüber haben Sie auch nachgedacht – wird es nicht funktionieren. Ich glaube, dass wissen Sie auch. Sie haben ja Schulentwicklungskonferenzen eingerichtet, um innovative Schulentwicklung vor Ort zu begleiten. Aber Sie haben eines bei Schulentwicklungskonferenzen außen vor gelassen: Über Notengebung dürfen Schulentwicklungskonferenzen keine Versuche laufen lassen. Insofern laden Sie zwar die Arnold-von-Wied-Schule in Bonn ein, dort vorzutragen, aber ein Gremium, in dem eine solche Sache seine Fortsetzung finden könnte, ist die Schulentwicklungskonferenz nicht, weil sie leider die Noten ausschließt.

In dem Sinne kann ich Sie wirklich nur ermuntern: Geben Sie sich einen Ruck und überlegen Sie, ob Sie nicht das, was an vielen Grundschulen schon vor Ihrer Regierungszeit wunderbar eigenverantwortlich, im Einvernehmen mit Eltern und Schülern geregelt worden ist, für wieder Nordrhein-Westfalen einführen können. Sie lesen das, was alles schon erarbeitet worden ist, können sich wissenschaftliche Begleitung sparen und sparen gleichzeitig noch viel Geld. Ich glaube, Sie hätten damit in den Schulen einen Riesenerfolg. Ich kann Sie nur dazu ermuntern. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Schäfer. – Herr Witzel von der FDP-Fraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann die Frage meiner geschätzten Vorrednerin auch gerne beantworten. Für die FDP-Landtagsfraktion ist die notenfreie Schule kein Leitbild, das genereller Standard in Nordrhein-Westfalen werden sollte. Sie haben angesprochen, dass es bestimmte Wahloptionen im Schulwesen gibt, bei denen Eltern auch Entscheidungen treffen können.

Ich finde es interessant, zu welchen Ergebnissen das führt. Ich weiß, wie Sie sich in der letzten Legislaturperiode lange Zeit dafür eingesetzt haben, dass die flexible Schuleingangsphase das Regelmodell für alle Grundschulen wird. Wir sind der Meinung, dass die Schulen dies selber in freier Verantwortung entscheiden können, ob sie darin einen Vorteil für

sich sehen und es dann machen wollen oder ob sie das für einen Nachteil halten und es nicht einführen wollen. Ergebnis ist bei unserem Modell der Freiheit, der Entscheidung des pädagogischen Konzeptes: Es haben sich 16 % für die flexible Schuleingangsphase – Ihr Modell –

(Ute Schäfer [SPD]: Dann lassen Sie bei den Noten auch entscheiden!)

und der Rest hat sich für unseren Ansatz – dem bisher bewährten System – entschieden. Sie sollten genauer schauen, wie sich das landesweit darstellt.

Gerade deshalb und wenn man Verantwortung für das Land trägt, ist es richtig, Standards und Grundsätze zu formulieren, die auch für die Breite der Schullandschaft entsprechend tragen.