Protocol of the Session on January 28, 2009

Besonders peinlich, Frau Thoben, ist: Sie begründen dies ausgerechnet mit dem völlig unnötigen Vorziehen der Kommunalwahl. Hier steht sich die Regierung Rüttgers offensichtlich selbst im Weg. Also: Bei der Rechtsetzung im Bereich Landesplanung Fehlanzeige.

Ich will aus aktuellem Anlass heute jedoch auf den Vollzug von geltendem Landesplanungsrecht eingehen. Deshalb rede ich auch anstelle meines Kollegen Gerd Bollermann.

Frau Thoben, ddp berichtete am 22. Januar 2009 – das hat ja vorhin auch schon eine Rolle gespielt –, dass Johannes Lambertz am 21. Januar 2009 in Berlin gesagt habe: Wegen der vollen Auktionierung der Kohlendioxidrechte ab 2013 wird RWE große Projekte für Kohlekraftwerke in westeuropäischen Ländern wie Deutschland oder Großbritannien aussetzen.

Frau Thoben, wir gehen nicht davon aus, dass sich diese Aussage auf das Kraftwerkserneuerungsprogramm im rheinischen Braunkohlenrevier bezieht. Denn alle Beteiligten wissen: Es gibt eine verbindli

che Vereinbarung vom 20. Oktober 1994 zum Kraftwerkserneuerungsprogramm zwischen der Landesregierung und RWE. Aus dieser Vereinbarung nur zwei Passagen, die von RWE unterschrieben wurden:

Erstens. „RWE Energie verpflichtet sich, Zug um Zug die vorhandenen Braunkohlenkraftwerksblöcke durch Anlagen mit jeweils bester zur Verfügung stehender Technologie zu ersetzen.“

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: 1994!)

Weiter: „Wir bestätigen, dass eine Neuverhandlung der Verpflichtungen sowie eine Überprüfung der Genehmigung des Braunkohleplans Garzweiler II erfolgt, wenn die Planungsgrundlagen der oben genannten Maßnahmen sich in einem Umfang ändern, der eine wettbewerbsfähige Braunkohleverstromung so nachhaltig beeinflusst, dass die Verwirklichung von Teilen der Verpflichtung gefährdet ist.“

So weit die Vereinbarung.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Interes- sante Vereinbarung!)

RWE hat zugesichert, seinen Kraftwerkspark Zug um Zug zu erneuern. Diese Zusicherung ist ja nicht nur Bestandteil der Rahmenvereinbarung. Sie ist auch Bestandteil der Genehmigung des Rahmenbetriebsplans Garzweiler II.

Ich zitiere von Seite 19 der Genehmigung, die damals das für die Landesplanung zuständige Umweltministerium am 31. März 1995 erlassen hat:

Durch die vereinbarten Maßnahmen werden ökologisch begründete Investitionen mit einem Volumen von über 20 Milliarden DM ausgelöst, die einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung hochwertiger Arbeitsplätze und zur Stabilisierung der Wirtschaftsregion darstellen und zukunftsweisende industrie- und technologiepolitische Chancen für Nordrhein-Westfalen eröffnen. Mit dem verbindlich zugesagten Gesamtprogramm sind die Forderungen der Landesregierung und des Landtags Nordrhein-Westfalen an die Unternehmen erfüllt.

Und weiter heißt es auf Seite 19:

Eine Überprüfung der Genehmigung des Braunkohlenplans Garzweiler II wäre notwendig, wenn die Verwirklichung von Teilen der Vereinbarung zwischen der RWE Energie AG und Rheinbraun AG mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 1994 gefährdet würde.

Damit war immer klar: Die wirtschaftliche Nutzung des Rohstoffschatzes Garzweiler II ist untrennbar mit der Umsetzung des Kraftwerkserneuerungsprogramms verbunden.

(Zustimmung von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

Nichts anderes hat der RWE-Vorstand bestätigt.

Deshalb, Frau Thoben, gehen wir nach wie vor davon aus, dass diese Vereinbarung gilt – und Zug um Zug gilt. Deshalb erwarte ich von Ihnen, dass Sie als die für die Landesplanung zuständige Ministerin Klarheit in die Öffentlichkeit bringen, ob denn mit der Ankündigung des RWE-Chefs Lambertz, keine neuen Kohlekraftwerke in Westeuropa mehr bauen zu wollen, das Kraftwerkserneuerungsprogramm gefährdet wäre. – Ich hoffe nicht.

Es kommt jetzt, Frau Thoben, aber darauf an, dass wir nicht nur in diesem Hohen Hause Klarheit darüber bekommen,

(Lachen von Ministerin Christa Thoben)

sondern dass vor allem die Menschen im Braunkohlerevier Klarheit bekommen, dass beides passiert, dass es mit dem Kraftwerkserneuerungsprogramm ebenso weitergeht wie mit dem Braunkohleabbau und dass der voranschreiten kann, wie das in der Planung festgelegt ist. Ich hoffe, Sie können heute oder in absehbarer Zeit die dafür nötige Klarheit bringen. Das ist Ihre Aufgabe, Frau Ministerin. Sie sind auch für die Landesplanung verantwortlich. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Als nächster Redner hat der Kollege Hubert Schulte für die Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Jetzt bin ich mal gespannt! Keine Rede wie alle Jahre wieder!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Klein, aber fein“ und „besonders wichtig“ kann man im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen zum Ansatz für die Landesplanung sagen. Allein, dass der Etat der Landesplanung eine eigene Beratung erhält, zeigt die Bedeutung für unser Land.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: So ist es, Herr Kollege! – Weiterer Zuruf von der SPD)

Insofern hätte ich mir gewünscht, Herr Römer, wenn Sie vielleicht doch Herrn Prof. Bollermann hätten sprechen lassen. Der hätte sicherlich zum Thema Landesplanung gesprochen und nicht konsequent daran vorbei.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Nein, das ist ein wesentlicher Teil des Landesplans, Herr Kollege!)

Bei der Landesplanung ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Handlungs- und Problemfeldern zu berücksichtigen. Deswegen ist auch eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich. Die wird auch entsprechend erfolgen.

Welche Fragestellungen dort aufgeworfen sind, das beginnt bereits damit, wie weit wir als Land eigentlich in das Selbstbestimmungsrecht der Städte und Gemeinden eingreifen. Wie weit müssen Regelungen vorgenommen werden, um konkurrierende Interessen von Nachbargemeinden auszugleichen?

Ich will ein Beispiel nennen. Ein Möbelhaus einer Mittelstadt beabsichtigt aktuell eine Verkaufsfläche von 60.000 m² auszuweisen – natürlich mit eigenem Autobahnanschluss. Dadurch entsteht ein Angebot, das weit über das für die eigene Bevölkerung erforderliche hinausgeht und aus einem weiten Umkreis Käuferschichten anzieht und damit auch Käuferströme in einer ganzen Reihe von Nachbarstädten beeinflusst und verändert.

Nun kann man sagen: Gut, das sind ja nur Möbel, das ist eine Branche. Aber das Beispiel lässt sich auch auf andere Branchen übertragen; genannt seien nur Kleidung, Lebensmittel oder Elektrogeräte. Da stellt sich die Frage: Will das Land diese Entwicklung in der konkurrierenden Nachbarstadt weiterlaufen lassen oder ist es erforderlich, als Land einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen?

Eine Entwicklung dieser Art kann dazu führen – das muss man klar und deutlich sagen –, dass in den Nachbarstädten alle Bemühungen zur Attraktivitätssteigerung der Innenstädte ins Leere gehen. Noch einmal die Frage: Müssen wir da Regelungen treffen, ja oder nein? – Sicherlich ein Punkt, der bei der Aufstellung des neuen Landesplans eine Bedeutung haben wird.

Meine Damen und Herren, ein weiteres Ziel der Landesplanung muss es sein, bei gleichzeitig attraktivem Flächenangebot für Gewerbe und Industrie den Flächenverbrauch zu reduzieren. In unserem dicht besiedelten Land führt gerade die Ansiedlung oder auch Erweiterung produzierender Betriebe häufig zu Konflikten mit bereits bestehenden, anderen Nutzungen. Da wir auf unsere Industrie- und Gewerbebetriebe als Grundlage unserer Wirtschaft angewiesen sind und auch dazu stehen, müssen Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden.

Hierzu bieten interkommunale Gewerbegebiete einen Lösungsansatz. Zurzeit gibt es in NRW 38 interkommunale Gewerbegebiete; weitere 18 sind in Planung. Diese interkommunalen Gewerbegebiete führen zu einer stärkeren Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden. Durch die Konzentration der Flächen wird die Zersiedelung gemindert. – Nicht verhindert, vermindert.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Unser Ziel!)

Es muss nicht mehr jede Stadt ein neues Gewerbegebiet haben.

Damit wird ein weiteres Ziel in die Zukunft gerichteter Landesplanung erleichtert

(Zuruf von der SPD: Ein alter Hut!)

Ja, richtig; aber auch alte Hüte sind nicht immer schlecht –: der Schutz unserer Natur und Landschaft. Auch hier gilt es, das richtige Augenmaß zu haben. Der ländliche Raum ist weiterzuentwickeln. Seine Bewohner haben ein Recht darauf, dass sie nicht von der Entwicklung des städtischen Raumes abgekoppelt werden.

Und, meine Damen und Herren, mein Lieblingsthema: In die Landesplanung gehört auch die Sicherung der Rohstoffreserven.

(Beifall von der FDP)

Rohstoffe sind nicht nur Braunkohle, Kalkstein und Kies – und sicherlich wird auch „Steinkohle“ als Zwischenruf kommen –, sondern hierzu gehören auch die bei heutigen Preisen noch nicht abbauwürdigen Metallvorkommen wie sie im Sauerland, Bergischen Land und in der Eifel in der Vergangenheit abgebaut wurden, die jedoch mit Blick auf Preisentwicklungen in die Zukunft hinein zu sichern sind, damit unsere Nachkommen die Möglichkeit haben, darauf zuzugreifen.

Die aufgezeigten Handlungsfelder sind nicht vollständig. Landesplanung hat viele, teilweise konkurrierende Interessen zu berücksichtigen.

Wir werden bei der Aktualisierung und bei der Aufstellung alle Städte, Gemeinden, Verbände, Regionalvertretungen und alle, die daran interessiert sind, beteiligen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wann kommt es denn, Herr Schulte?)

Unser Ziel ist es, unser Land mit der Landesplanung für die Zukunft gut aufzustellen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Ich bin überzeugt, dass uns das gelingt. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)