(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich höre zu! Ihre Rede ist nicht so anspruchsvoll, dass ich ne- benbei nicht noch etwas anderes machen könnte!)
Wir gehen fest davon aus, dass es auch zukünftig bürgerliche Koalitionen in Nordrhein-Westfalen geben wird. Wir sind die Koalition der Erneuerung. Sie sind die Koalition der Vergangenheit.
Vielen Dank, Kollege Witzel. – Jetzt bittet noch einmal Frau Löhrmann um das Wort. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Zeit begrenzt ist.
Das weiß ich, Herr Präsident, und ich möchte nicht, dass Sie lange leiden. Das kann ich aber so nicht stehen lassen.
Ich finde es interessant, dass der Stich offenbar so gesessen hat, dass Herr Witzel meint, Herrn Brockes verteidigen zu müssen. Das finde ich interessant.
Es gibt ja so viele Orden im Land. Ich finde, auf einen mehr oder weniger kommt es auch nicht an. Wir sollten den Mimosen-Orden in diesem Land einführen. Der Anwärter Nummer eins ist der Ministerpräsident. Der Anwärter Nummer zwei ist für mich inzwischen Herr Lindner, weil er sich gestern so echauffiert hat. Und wir können Sie auf Platz drei nehmen, Herr Brockes. Dann bekommen auch Sie vielleicht mal einen Orden vom Ministerpräsidenten überreicht.
Um noch einmal einen ganz zentralen Punkt zu nennen, Herr Witzel: In dieser Zukunftskommission wird aus unserer Sicht mit dem Geld geaast. Es wurde schon gesagt: Die Ergebnisse fließen nicht ein in den Koalitionsvertrag. Es darf sich über bestimmte Zukunftsfragen gar nicht geäußert werden. Das habe ich hier kritisiert. Das lasse ich mir auch in Zukunft nicht nehmen.
Ich finde es wirklich bezeichnend, dass Sie hier meinen, das richtigstellen zu müssen. Und wer aufgrund welcher Wahlergebnisse in welchen Landesregierungen vertreten ist, entscheiden Gott sei Dank nicht Sie durch Abstimmung, so wie Sie das hier peinlicherweise bei anderer Gelegenheit gemacht haben.
Wir lehnen den Haushalt der Staatskanzlei ab. Wir haben als Opposition sehr viele konkrete Anträge gestellt. Denen können Sie gerne zustimmen, damit sich an diesem Haushalt etwas zum Positiven verändert. – Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Meine Damen und Herren, jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich kann damit den Teilbereich Staatskanzlei und Europa-Angelegenheiten schließen.
Hier wird die Debatte durch einen Beitrag der Frau Kollegin Nell-Paul von der SPD-Fraktion eröffnet. Bitte schön.
Herr Präsident! Das vierte Mal in Folge können wir gemeinsam die Steigerung des Kulturhaushalts feiern.
Herzlichen Glückwunsch! Das finde ich toll. Darüber freue ich mich. Dazu kann ich mich hier ganz klar und offen bekennen. Jede Mark, die mehr in die Kultur fließt, ist eine gut angelegte Mark.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Klarheit und Wahrheit gehört eben auch – das muss man sehen, wenn man die Zahlen nimmt –, dass von den 19,5 Millionen €, die wir nun mehr im Kulturhaushalt haben, 12 Millionen € in den Erweiterungsbau der Kunstsammlung K20, in Projekte wie RUHR.2010 oder in die Kunststiftung fließen. Es ist also eine ganze Menge Geld, das zwar auch in die Kultur fließt, aber nicht direkt der Kulturförderung vor Ort zugute kommt.
Es bleiben immerhin noch 7 Millionen €, die wir hier feiern sollten – die anderen feiern wir natürlich auch, aber in anderem Zusammenhang –, und von diesen 7 Millionen € fließt fast die Hälfte in die Musikpflege. Das finde ich sehr beachtlich und auch sehr begrüßenswert, insbesondere deswegen, weil ein Großteil dieser Gelder in „JeKi“ fließt, ein Projekt, das sich die neue Landesregierung hier gerne selbstlobend ans Revers heftet.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es ein Projekt ist, das von der Stadt Bochum ausging, dort viel Lob erfuhr und erst mit der Bundeskulturstiftung in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas 2010 ermöglicht wurde. Es ist ein Projekt, das wir alle gemeinsam begrüßen und tragen können. Insofern können wir uns alle freuen, wenn hier ein Fortschritt erzielt wird; wir werden darüber in den nächsten Tagen mit einem Antrag der Koalitionsfraktionen beraten. Es gibt natürlich auch ein paar Probleme und Fragezeichen; darauf möchte ich schon jetzt hinweisen.
Das Vorzeigeprogramm der Landesregierung, nämlich „Kultur und Schule“, tritt mit Blick auf den Haushalt dagegen etwas auf der Stelle. Hier haben wir – in Anführungszeichen – „nur“ einen Zuwachs um 100.000 € bei einem Volumen von 4,4 Millionen €. Ich sage Ihnen: Sie werden in Zukunft keine großen Zuwächse realisieren können, wenn Sie nicht konkretisieren, wie denn hier konzeptionell weiter vorzugehen ist.
Wir haben immer wieder warnend gesagt: Es ist ein gutes Projekt, das aus der offenen Ganztagsschule entstanden ist. Es ging darum, Künstler, Musikschulen, Kunstschulen an Schule zu bringen und zu einem gemeinsamen kulturellen Bildungsprojekt zu kommen.
Inzwischen stellt sich die Sache allerdings so dar, dass ein Großteil der Kinder und Jugendlichen von diesen Projekten nichts mitbekommen, während andere Kinder, die in gut situierten Kommunen leben, davon mehr mitbekommen. Wir haben es eigentlich immer als kulturelle Bildung für alle und nicht nur für einen Teil von Kindern und Schülerinnen und Schülern und insbesondere nicht nur für einen Teil von Kommunen, Städten und Gemeinden, die sich die Kofinanzierung leisten können, verstanden; das können sich nämlich nicht alle Kommunen leisten, wie wir wissen; aber darauf werde ich gleich noch an anderer Stelle zu sprechen kommen.
Wenn wir weiter in den Haushalt schauen, dann finden wir auch Bereiche, die überhaupt nicht im Fokus der Landesregierung stehen. Ich will hier nur das Thema Integration nennen: bedauerlicherweise seit Jahren ein gleich bleibender Zuschuss, keine Erhöhung zu verzeichnen, eine kleine Summe von 500.000 €. Wer die letzten Tage Zeitung gelesen und mitbekommen hat, was für ein enormes Problem sich nach wie vor in Nordrhein-Westfalen gerade beim Thema Integration abzeichnet, kann nur sagen: Diese Summen sind kulturpolitisch betrachtet ein Offenbarungseid, was das Thema „Kultur und Integration“ angeht.
Aber all das ist von geringer Dramatik, wenn man zu den wirklichen Problemen kommt: die Schere zwischen dem Anspruch der Landesregierung zur Kulturpolitik auf der einen Seite und der katastrophalen finanziellen Situation der Kommunen auf der anderen Seite. Das gehört auch zur Wirklichkeit.
Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir uns, wenn wir von der Kulturförderung des Landes sprechen, in etwa in der Größenordnung des Kulturhaushalts der Stadt Düsseldorf oder der Stadt Köln bewegen. Sie sind nur ein wenig niedriger. Das heißt, wir haben ein eklatantes Auseinandergehen von Anspruch und Wirklichkeit. Wir in NRW rühmen uns doch zu Recht unserer breiten, vielfältigen Kul
turlandschaft in den Kommunen. Wie in keinem anderen Bundesland – das betonen wir doch in jeder Rede – findet unser kulturelles Leben auf hohem Niveau in unseren Städten und Gemeinden statt. Selbst die Landesregierung schreibt das auf ihrer Internetseite – ich zitiere –:
Die kulturelle Landschaft Nordrhein-Westfalens zeichnet sich aus durch Vielfalt, Kreativität und Weltoffenheit. Theater und Orchester, Museen, Bibliotheken, Freie Szene, vor allem aber die etwa 30.000 hier lebenden Künstlerinnen und Künstler bestimmen das Klima des Landes mit.
Ja, richtig. Aber all das passiert aus den Kommunen heraus. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Veranstaltungen und Termine auf engem Raum. Hinzu kommen die herausragenden Events in Nordrhein-Westfalen: RuhrTriennale, Ruhrfestspiele, Musikfestspiele, große international bedeutende Ausstellungen der Museen, um nur einiges zu nennen.
„Stadt macht Kultur“ müsste die Überschrift für diese Highlights und Aktivitäten heißen und nicht: „Staat macht Kultur“. Da haben wir in NordrheinWestfalen eine völlig andere Tradition, und wir sollten sehr stolz darauf sein. Denn es sind die Kommunen selbst, die hier aktiv werden. Es sind aber in den Kommunen auch die unzähligen Stiftungen, Sponsoren, Freundeskreise der Museen und Theater, Kulturvereine und Initiativen – kurz: das ganze Spektrum von gemeinnützigem und bürgerschaftlichem Engagement. Darauf sollten wir bauen, wenn wir die weitere Kulturförderung im Blick haben. Hier liegen die Kreativität und die Substanz von Kunst und Kultur in NRW. Diesem Aspekt von Vielfalt und Verantwortung wird die Landesregierung nicht gerecht. Ganz im Gegenteil: Auf die katastrophale Situation in den Kommunen reagiert die Landesregierung mit Ignoranz und Arroganz.
Das sage ich auch nach dem Verfolgen der Debatte heute Morgen zum Gemeindefinanzierungsgesetz. Ich hatte eine Frage, die Herr Engel nicht zugelassen hat, und musste mir anhören, dass sich eine Kommune – er hat die Kommune nicht genannt; er meinte Oberhausen – „sich ein defizitäres Theater ans Bein bindet“. So Herr Engel von der FDP wörtlich,
im Protokoll nachlesbar. Das zeigt doch auch Ihr Denken. Das heißt, dass den Kommunen in ihrer Not und bei ihren kommunalen Problemen, was die Finanzsituation angeht, nicht geholfen wird, sondern in Kauf genommen wird, dass Theater vor dem Aus stehen und auf der kommunalen Seite Kulturinitiativen und Kultureinrichtungen dichtgemacht werden müssen. Das passiert doch im Moment in unserem Land.
Es gibt Hilferufe genug, nicht nur aus Oberhausen. Wir wissen zum Beispiel aus der Anhörung zu unserem Antrag zum Bibliotheksgesetz, dass es in Nord
rhein-Westfalen Bibliothekssterben gibt. Vor all dem verschließt die Landesregierung die Augen und verweist auf das tolle Ergebnis der Verdoppelung des Kulturförderhaushalts im Lande. Ich glaube, dass sich da eine Riesenschere auftut, die der Kultur in Nordrhein-Westfalen langfristig nicht gut tut.
Ein weiterer Aspekt, den ich noch ansprechen will: Man verabschiedet sich wohl ein bisschen von der Verantwortung auf der kommunalen Seite und nimmt stärker in den Fokus, sich selbst mit großen Events zu schmücken. Denn man hat eine Kulturkommission, eine Expertenkommission beauftragt, Vorschläge zu machen. Siehe da, die Vorschläge heißen: Staatstheater, Staatsorchester, Staatsoper. Der Staat, das Land, will sich also selbst die schmückende Kultur aneignen, die im Moment noch unter der kommunalen Familie blüht und gedeiht.
Um auf das eben Gesagte zurückzukommen: Das ist nicht unser Weg. Unser Weg ist die Stärkung der kommunalen Familie, damit sie die Kulturaufgabe, die sie in der Vergangenheit in dieser Vielfalt und Produktivität erbracht hat, auch weiterhin wahrnehmen kann. In diesem Sinne wollen wir gerne offen und streitig diskutieren. Wir hoffen sehr, dass diese Diskussion irgendwann im politischen Raum ankommt.
Ich höre sofort auf. – Wir haben den Eindruck, dass sich die Landesregierung dieser Diskussion entzieht. Sie sagt nicht, welche Ergebnisse des Expertenberichts sie umsetzen will. Wir hoffen, dass wir irgendwann zu diesen Debatten kommen werden. Wir werden natürlich weiterhin dafür sorgen, dass die Kommunen ihre Aufgaben …