Der Etat für die wissenschaftliche Beratung in der Titelgruppe 60 hat sich unter der Regierung Rüttgers sogar sage und schreibe verachtzehnfacht. Sie haben richtig gehört, meine Damen und Herren. Von 122.600 € in 2005 ist der Ansatz auf inzwischen über 2,2 Millionen € angestiegen. Das ist, wie eben schon gesagt wurde, nicht weniger, sondern mehr Geld im Etat des Ministerpräsidenten.
In der logischen Fortsetzung der Ankündigung von 2005 „Weniger Geld und mehr Ideen“ gilt bei Ihnen bedauerlicherweise: nicht nur mehr Geld, sondern leider auch weniger Ideen. Wir fragen uns nämlich wirklich: Was machen all die Leute in der Staatskanzlei? Worin besteht die wissenschaftliche Beratung des Ministerpräsidenten? Und was – ich will das noch einmal sagen – ist das für eine Zukunftskommission, die Sie eingesetzt haben, die sich etwa zur Zukunft des Schulsystems überhaupt nicht äußern darf? Was soll eine Zukunftskommission denn dann tun? Das ist doch absurd, meine Damen und Herren.
Der Ministerpräsident macht hochtrabende Vorschläge in Richtung Bund, setzt angeblich und medienwirksam die Kanzlerin unter Druck, lässt schöne Bücher über sich schreiben und bringt sich als Schattenkanzler ins Gespräch. Hier im Land erledigt er seine Hausaufgaben aber nicht. Im Gegenteil: Er macht sich zum Lobbyisten der Energiewirtschaft und versucht zu verhindern, dass das Land die Milliarden aus dem Emissionshandel bekommt, die es zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels dringend benötigen würde.
Meine Damen und Herren, wir Grüne finden, dass unser Land keinen Landespräsidenten braucht, der sich überwiegend mit Vorschlägen in die Bundespolitik einmischt, um sich persönlich in die Schlagzeilen zu bringen. Wir brauchen auch kein Landespräsidialamt, das ihn dabei unterstützt. In diesem Zusammenhang erinnere ich noch einmal an die doch etwas unschöne Diskussion um die Preisverleihung an Herrn Ackermann, zu der es nach heftiger öffentlicher Debatte dann auch nicht gekommen ist.
Meine Damen und Herren, man kann die Rolle einer Staatskanzlei und eines Ministerpräsidenten sicher verschieden definieren. Er könnte, um es einmal mit einem Bild aus dem Fußball darzustellen, mehr Spielführer und Spielmacher sein, mehr Trainer oder mehr Manager des Teams. Wahrscheinlich wäre eine Mischung von all dem am sinnvollsten. Unser Ministerpräsident ist inzwischen aber leider nichts von all dem mehr. Er ist höchstens noch der Vereinsvorsitzende, der sich in der Presse selbst darstellt, während seine Spieler sich gegenseitig beschimpfen, den Ball wegnehmen, Foul spielen und auch schon einmal auf unterschiedliche Tore schießen wie zum Beispiel Frau Sommer und Herr Pinkwart in der Bildungspolitik.
Meine Damen und Herren, Herr Rüttgers ist weder ein Michael Ballack der NRW-Politik noch Jürgen Klinsmann oder Felix Magath – von Birgit Prinz ganz zu schweigen. Er ist inzwischen höchstens der Günter Siebert der NRW-Politik – wenn Ihnen dieser Name noch etwas sagt.
Genau. Ich freue mich, dass Sie so aufmerksam zuhören. – Die Zukunft dieses Ministerpräsidenten liegt in der Vergangenheit. Die Zukunft von NRW ist aber jetzt. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Krautscheid das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einige strukturelle Kernmerkmale des
Haushalts des Ministerpräsidenten eingehen und anschließend auch einige Sätze zur Europapolitik verlieren.
Frau Löhrmann, Sie haben gesagt, Sie hätten sich den Haushalt einmal etwas näher angeschaut. Es war leider nicht nahe genug; denn einige wichtige Dinge sind Ihnen doch entgangen. Wenn Sie die Einnahmen und Ausgaben dieses Haushaltsplans genauer betrachten, stellen Sie nämlich fest, dass das Wachstum von 1,7 % im Haushalt des Ministerpräsidenten fast ausschließlich durch den planmäßigen und versprochenen Aufwuchs im Kulturbereich bedingt ist. Rechnen Sie den Aufwuchs im Kulturbereich von 15,1 Millionen € heraus, schrumpft der Etat des Ministerpräsidenten um 10 Millionen €.
Meine Damen und Herren, das heißt Sparen, das heißt Konsolidieren, das heißt vor allen Dingen auch Prioritäten setzen. Deswegen möchte ich direkt mit zwei Lieblingsmärchen aufräumen, die sich durch keine einzige Zahl in diesem Haushalt belegen lassen. Dabei geht es um Repräsentation und Personal. Auch heute haben wir wieder den einen oder anderen Anklang zu diesem Thema gehört. Die Ansätze für diese Bereiche sinken insgesamt.
Erstens. Wenn Sie die Kapitel 02 010 und 02 020 in den Blick nehmen, sehen Sie, dass wir keine Mittel für Repräsentation erhöhen. Dort gibt es keine Ansätze, die erhöht werden.
Meine Damen und Herren, unsere Haushälter sind einmal tief ins Archiv gestiegen. – Frau Löhrmann, vielleicht interessiert Sie das auch. – Die IstAusgaben im Jahr 2009 für Repräsentation entsprechen den Ausgaben, die vor 14 Jahren bei Johannes Rau getätigt worden sind – und zwar noch ohne Inflationsbereinigung. Hier kann von einem Übermaß keine Rede sein; kein Mensch kann von Verschwendung reden.
Zweitens. Wer bei sinkendem Haushalt Schwerpunkte setzen will, muss in einigen Bereichen einsparen. Einsparungen sind natürlich insbesondere im Personalhaushalt erforderlich. Auch hier findet sich eine klare Maßgabe im Haushalt. Dieser Bereich wird 2009 gegenüber 2008 um 1,7 Millionen € abgesenkt. Insgesamt weist der Haushaltsplanentwurf 2009 gegenüber 2008 den Wegfall von 34 Planstellen und Stellen im Einzelplan 02 aus. Das bedeutet eine Konsolidierung auch im Haushalt des Ministerpräsidenten.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir nach diesen rein haushalterischen Bemerkungen einige inhaltliche Anmerkungen zu den Schwerpunkten, die wir im Europabereich setzen. Ich freue mich, dass hier in weiten Teilen im Grundsatz Konsens besteht, und will einige Punkte kurz näher beschreiben.
Das Amerika Haus ist schon angesprochen worden. Nachdem die Freunde aus den USA ihre Präsenz in Köln aufgegeben hatten, waren wir Ende 2007/Anfang 2008 gefordert. Wir standen vor der Frage, ob es möglich ist, eine Kompensation für diese starke amerikanische Präsenz zu schaffen und das Amerika Haus in Köln zu retten.
Ich freue mich sehr, dass durch sehr viel bürgerschaftliches Engagement – das wir auch in diesem Haushalt unterstützen – mit dem Verein „Amerika Haus“ dort neue Aktivitäten möglich geworden sind. In diesem Zusammenhang ist uns Zweierlei wichtig; dafür unterstützen wir diesen Verein auch gerne mit einer Anschubfinanzierung.
Erstens ist uns wichtig, dass das Themenspektrum breit gesetzt ist. Es soll ein breites Themenspektrum sein, ob nun aus Literatur, Kultur, Politik oder Wirtschaft.
Zweitens ist uns wichtig, dass die Aktivitäten des Amerika Hauses nicht nur in Köln stattfinden, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen. Deswegen finde ich es sehr erfreulich, dass zum Beispiel eine große, hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion für die Bürgerschaft organisiert worden ist, die in einigen Tagen in Münster stattfinden wird.
Zweiter Punkt: Jugendprogramm Israel – das wurde schon angesprochen. Das ist eines unserer Schwerpunktthemen in der internationalen Zusammenarbeit. Wir haben dies im letzten Jahr beim Besuch des Ministerpräsidenten in Israel deutlich ausbauen können. Die Vielzahl der Programme bedarf mittlerweile einer gewissen Koordination. Dafür wird eine neue Koordinationsstelle eingerichtet, die unsere Israel-Aktivitäten im Jugendbereich zusammenfassen soll.
Europa-Dialoge, Fachkonferenzen: Es ist wichtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen alle diejenigen, die sich im Bereich Europa, im europäischen Themenspektrum engagieren und sich dafür interessieren, auch mit aktuellen Informationen, mit tiefer gehenden Informationen versorgen. Das wollen wir verstärkt tun.
Benelux-Mittel: Zu Recht wurde die erfreuliche, besonders sinnbildliche Verkörperung dieses Engagements durch die Vereinbarungsunterzeichnung auf dem Petersberg und die Verleihung des Staatspreises an die drei Regierungschefs angesprochen. Jetzt fängt der graue Alltag an. Jetzt werden unsere Fachleute in den Fachkommissionen mitarbeiten. Wir werden auch versuchen, durch einen verstärkten Personaleinsatz vor Ort im Benelux-Sekretariat nahe dran zu bleiben. Dafür brauchen wir natürlich auch im Haushalt 2009 entsprechende Mittel.
Ein Punkt, der mir außerordentlich wichtig ist, ist die Vorbereitung der Europawahl – ein Punkt, den ich dezidiert gerne überparteilich anfassen möchte. Denn ich glaube, es liegt in unser aller Interesse,
Wir hatten beim letzten Mal eine Wahlbeteiligung in Nordrhein-Westfalen von 41 %; bundesweit lag sie höher. Ich glaube, da haben wir einiges aufzuholen. Wir wissen, dass viele Menschen sich nicht hinreichend über das informiert fühlen, was da zur Abstimmung ansteht, und glauben, dass wir ein Maßnahmenpaket mit all den Initiativen, Bürgerinitiativen, Institutionen in Nordrhein-Westfalen zusammen auf den Weg bringen sollten. Der Europatag, den wir zusammen mit dem Landtag, mit den einzelnen Ressorts, mit vielen Freunden aus anderen Ländern in Nordrhein-Westfalen feiern wollen, wird dafür ein besonders sinnfälliger Moment sein. Wir hoffen, dass wir die Aufmerksamkeit besonders für dieses Thema stärken können.
Nordrhein-Westfalen/Frankreich: Auch hier sind einige wichtige Etappen schon absolviert. Es wird im kulturellen Bereich in der ersten Jahreshälfte noch eine Reihe von Aktivitäten geben. Wir möchten das, was wir zu Beginn des vergangenen Jahres, des Nordrhein-Westfalen/Frankreich-Jahres sehr erfolgreich getan haben, nämlich einen zivilgesellschaftlichen Wettbewerb auszuloben, um Initiativen aus der Bevölkerung mit unserer Finanzierung die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen auch in Frankreich umzusetzen, gerne auch in diesem Jahr wieder machen.
Des Weiteren möchte ich jetzt schon ankündigen – und lade auch die Interessierten aus dem Parlament herzlich ein –: Wir werden in der Europawoche eine Euregio-Konferenz durchführen. Ich habe mittlerweile alle Euregios besucht – intensiv, zum Teil mehrfach – und habe sie gebeten, die Themen, die ihnen auf dem Herzen liegen, die sie in der täglichen Arbeit strukturell behindern, für uns aufzuschreiben, vorzutragen, um dann in einer gemeinsamen Konferenz in der Staatskanzlei dieses Thema etwas tiefer zu beackern, um die Arbeit der Euregios, die wir sehr schätzen und fördern, stärker voranzutreiben.
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich mich gefreut habe, Herr Kuschke, dass Sie die Leitung der Europaunion übernommen haben. Ich sage gerne zu: Es liegt in unser aller Interesse, dass diese Institution gut und erfolgreich arbeitet und auch durch Parlament und Regierung Unterstützung findet. Ich will meine Unterstützung ausdrücklich zusagen.
Meine Damen und Herren, man kann sagen: Dieser Haushalt für die europäischen Aktivitäten weist eine Vielzahl von neuen Schwerpunkten auf. Manchmal muss man dafür anderes zurückfahren; anders geht es nicht in Zeiten, in denen gespart werden muss. Ich glaube aber, dass die Schwerpunkte überzeugend sind. Wer die Reden unserer ausländischen Gäste während des Konsularempfangs, den wir mit
dem Ministerpräsidenten in der vorletzten Woche ausgerichtet haben, gehört und mit ihnen gesprochen hat, der hat bei diesen vielen Gästen aus aller Herren Länder gespürt: Nordrhein-Westfalen mit seiner internationalen Arbeit wird beachtet, wird geschätzt. Unser Netzwerk funktioniert. Wir wollen das zum Wohl der Menschen in NordrheinWestfalen weiter ausbauen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Krautscheid. – Jetzt hat Herr Witzel für die FDP-Fraktion noch einmal um das Wort gebeten.
Frau Kollegin Löhrmann, Ihre Äußerungen zur Europapolitik und zum Stellenplan der Staatskanzlei waren entweder unfair oder unterkomplex in der Ausführung. Ich weise ausdrücklich zurück, was Sie an mangelndem konzeptionellen Potenzial den Koalitionsfraktionen und unserem Kollegen Brockes unterstellt haben. Er ist der gewählte Vertreter dieses Hauses für alle Fraktionen im Ausschuss der Regionen.
(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich habe gar nichts dazu gesagt! Es ist aber schön, dass Sie sich den Schuh anziehen!)
Frau Löhrmann, Sie haben klar gesagt, es gebe hier kein konzeptionelles Vorgehen, nur das Nachbeten von Politik, die andere formuliert hätten. Vor dem Hintergrund der vielen europapolitischen Initiativen, die Sie auch hier im Zusammenhang mit dem Lissabon-Prozess parlamentarisch wahrgenommen haben, und auch der Arbeit unserer Landesvertretungen in den europäischen Gremien halte ich ausdrücklich für völlig unzutreffend, was Sie hier gegenüber dem Kollegen vortragen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Witzel, ich hatte nicht gedacht, dass es heute noch spannend werden würde. Ich möchte mich vorsichtshalber vergewissern, ob ich auch am richtigen Ort bin. An dem Ort, an dem dieses Hohe Haus den Haushalt der Landesregierung diskutiert, ereifern Sie sich darüber, welchen kritischen Beitrag ein Mitglied dieses Hohen Hauses gerade geleistet hat – ein hoch interessanter Vorgang.
Herr Kollege Kuschke, ich beantworte Ihre „Frage“ dahin gehend, dass ich es für selbstverständlich halte, dass sich die Vertreter der Oppositionsfraktionen, so wie ich das in anderer Rolle in früheren Jahren auch gemacht habe,
kritisch mit Haushaltvorlagen der Landesregierung auseinandersetzen. Dann sollten Sie aber Bezug nehmen auf den Haushaltsplan, der vorliegt, und konkrete eigene Vorschläge machen. Allein die Publikumsbeschimpfung für Kollegen der Koalitionsfraktionen, die hier viel konzeptionell vorgelegt haben, halte ich in dem Zusammenhang nicht für zielführend, auch wenn bei der Beantwortung der Frage die Zeit schon weiter läuft. – So viel zu Ihrer Frage, Herr Kuschke.
Das Zweite, was den Stellenplan angeht, Frau Löhrmann: Da sieht man auch, wie wenig Sie das wahrnehmen, was in diesem Land passiert ist. Wir haben Ihnen an vielen Stellen vorgerechnet, was Sie alles an grünen Klientel-Pflegeprogrammen und allen möglichen sonstigen Ausgaben im Haushalt auf den Weg gebracht haben. Diese forcieren wir sicherlich nicht. Da haben Sie völlig recht. Aber wir hatten in diesem Land einen historischen Politikwechsel. Der erfordert es, dass man auch in den Stellenplänen für eine einigermaßen loyale Arbeitsfähigkeit sorgt.
Ich darf Sie nur daran erinnern: Es gab Zeiten, in denen auch die Grünen Minister gestellt haben und an Regierungen in Deutschland beteiligt waren. Das ist zum Glück – außer in Stadtstaaten – in Deutschland momentan nicht mehr der Fall. Schauen Sie sich einmal an, wie umfangreich Sie 1998, als Sie im Bund kurzzeitig Verantwortung übernommen haben, die Verwaltung umgebaut haben. Dagegen war es ein sehr kleiner Eingriff, der hier zu Beginn der Legislaturperiode erfolgt ist. Deshalb teile ich ausdrücklich nicht Ihre Einschätzung, dass das von kurzer Dauer sein wird. Im Gegenteil: Das, Frau Löhrmann – Sie hören gerade nicht zu, während ich auf Ihre Rede eingehe –, ist nachhaltige Politik.
(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich höre zu! Ihre Rede ist nicht so anspruchsvoll, dass ich ne- benbei nicht noch etwas anderes machen könnte!)