Kommunale Investitionen hielte ich – wenn wir sie bald umsetzen – für vernünftig. Aber vieles aus dem Paket –da hat Herr Dr. Papke recht – ist Sammelsurium. Da alles über Schulden finanziert wird und bezahlt werden muss, ist es außerordentlich riskant. Die Frage ist auch, ob nach der Finanzmarktblase die nächste Blase ansteht, die uns alle einholen wird. Wir alle müssen das über Mechanismen bezahlen, die von uns privat keiner machen würde. In einem solchen Ausmaß ist das aus meiner Sicht nicht vernünftig.
Ich will auf zwei, drei Punkte eingehen: Steuererleichterungen sind ein Lieblingssteckenpferd der FDP. Steuererleichterungen über Schulden zu finanzieren, ist aus meiner Sicht – um es ganz klar zu sagen – Wahnsinn.
Die politische Erfahrung ist, dass Sie immer die Radikalsten sind, wenn es um Steuererleichterungen geht, solange Sie in der Opposition sind. Sobald Sie in die Regierung kommen, ist die Luft raus.
Herr Lindner, jetzt reden wir einmal über Ihre fast vierjährige Regierungsbeteiligung in NordrheinWestfalen.
Bei Steuern und Abgaben sind Sie immer diejenigen, die am meisten kürzen wollen. Wir haben das Wasserentnahmeentgelt eingeführt. Sie haben dagegen einen Aufstand gemacht und versprochen, dass es verschwindet.
Das sind rund 80 Millionen € pro Jahr. Jetzt regieren Sie fast vier Jahre und haben den vierten Haushalt vorgelegt. Ich habe noch nicht einen einzigen Ansatz dafür gesehen, dass Sie das streichen wollen.
Ja, das ist eine Abgabe. – Aber Sie sind doch vorher in den Wahlkampf gegangen und haben immer vertreten, das müsse weg. Ich sage Ihnen: Es wird im Bund genauso sein. Jeder erliegt einer Illusion, der meint, dass wir nach diesen 80 Milliarden €, die schuldenfinanziert allen aufgebürdet werden, in der Lage wären, noch einmal große Steuerpakete zu machen, bei denen es insgesamt für die Menge der Bevölkerung zu Entlastungen kommt.
Wo soll das denn herkommen? Sollen dann noch einmal zig Milliarden Schulden dazukommen? Der Staat setzt möglicherweise Geld schlecht ein. Daran muss man arbeiten. Aber dass der Staat so reich ist, auf relevante Teile seiner Einnahmen verzichten zu können, liegt jenseits dieser Wahrheit.
Bei den Krankenkassenbeiträgen nehmen Sie erst im Januar 0,9 Punkte. Dann geben Sie im Juli 0,6 Punkte zurück. Wie soll das draußen Vertrauen geben? Die Leute denken doch, das sei Zirkus oder aus dem Karneval; sie halten es nicht für eine seriöse Politik.
Ich komme – das hat Herr Henke auch gesagt – auf die 100 € pro Kind zu sprechen. Wenn ich es bisher richtig verstanden habe, gilt das nur für diejenigen, deren Einnahmen unter 65.000 € pro Jahr liegen. Das ist schon einmal eine Grenze. Aber ob das notwendig und vernünftig ist? Es ist aus meiner Sicht eine der Maßnahmen, um die man kein großes Theater machen muss. Aber es ist aus meiner Sicht trotzdem fragwürdig, auch das auf Pump zu machen.
Über diese Maßnahmen des Bundes kann man sehr strittig diskutieren. Ein paar davon, die nicht unvernünftig sind, wurden angesprochen. Jetzt
Herr Stahl und Frau Ministerin Thoben haben vorhin gesagt, Sie verstünden mein Kopfschütteln gar nicht. Frau Thoben, ich möchte Ihnen das ganz klar erklären. Wir erwarten, dass irgendwann von dieser Landesregierung konkrete Maßnahmen und Vorschläge kommen – unabhängig von den Einigungen, die in Berlin laufen – und dass Sie sagen, wie Sie damit umgehen wollen. Obwohl gleichzeitig beschworen wird, wie schwierig die Situation ist, kommt überhaupt nichts. Es gibt kein Handeln der Fraktionen. Es gibt kein Handeln der Regierung in diesen Fragen. Da kann man nur den Kopf schütteln.
Man kann sich nur darüber wundern, dass das, was man jetzt einstielen müsste, damit es durchträgt, in der Abschwungphase von der Regierung nicht angesprochen wird. Mit den Handwerkskammern und mit den Industrie- und Handelskammern kann man ja besser über die Fragen der Gebäudesanierung und der Investitionen diskutieren, bei denen es Rückstaus in den Kommunen gibt und die wir bis auf Herrn Dr. Papke im Konsens gesehen haben. Aber auch hierbei kommt nichts von der Regierung.
Sie machen stattdessen Folgendes: Erstens. Der Ministerpräsident hat gesagt: 3 Milliarden € sind investiert worden; sie stehen im Haushalt. – Ich habe heute den rhetorischen Kunstgriff gehört, dass Sie so weit vorgegriffen haben, dass Sie schon, bevor die Finanzdebatte losging, erhöhte Investitionsmittel eingestellt haben.
Die Ausrede war heute neu und originell. Andersherum gibt es eher die Erfahrung, dass es sich bei dem, was insgesamt gemacht wird, um eine Mogelpackung handelt.
Wir reden darüber, dass der Bund additive Maßnahmen macht und dass Herr Stahl in Brüssel in der Konferenz der CDU-Fraktionsvorsitzenden verkündet, NRW packe 2 Milliarden € obendrauf; aber hier in NRW passiert gar nichts. Dann kommt so etwas, dass der Ministerpräsident im WDR sagt: Über hundert kleine und mittelgroße Bahnhöfe werden in diesem Jahr angepackt und saniert. – Wenn man genau hinsieht, stellt man fest, dass es nur vier Bahnhöfe sind: Dülken, Gütersloh, Bad Berleburg und Brühl mit 6 Millionen €. Sie sprechen große Worte, was Sie machen wollen, aber es kommt nichts.
Mittel in diesen Programmen. Sie haben 2,5 Milliarden € zur Verfügung. Die Grünen haben Ihren neuen Ansatz an dieser Stelle, Mittel im Wettbewerb zu vergeben und etwas Neues zu probieren, mehrfach begrüßt. Zum einen ist es Ihr gutes Recht, etwas Neues zu probieren, und zum anderen ist es interessant zu sehen, ob das im Wettbewerbsverfahren bessere Effekte zeitigt als das alte Ausschütten der Gießkannen, bei dem überproportional viel in Oberhausen oder so landet. Deshalb war das an der Stelle erst einmal Kredit.
Wenn ich mir das aber jetzt anschaue, stelle ich fest: 2,5 Milliarden € stehen zur Verfügung, 25 % der Programmlaufzeit sind vorüber, nur für 100 Millionen € sind Bewilligungsbescheide herausgegangen, und nur 41 Millionen € sind tatsächlich ausgezahlt worden. Das heißt: Wir liegen um mehrere hundert Millionen Euro unter dem, was proportional zur Programmzeit abfließen müsste. In einer Zeit, in der der Ministerpräsident seit dem Sommer vor einer verschärften Konjunkturkrise warnt, müsste man in der Lage sein, ein solches Programm unter Beibehaltung bestimmter wettbewerblicher Aspekte so umzustellen, dass man das Geld auch für Maßnahmen nutzt, die Sie an anderer Stelle ja selber wollen.
Dabei verstehe ich auch die CDU-Fraktion nicht. Sie hat aus Klimaschutzgründen ein Energiekonzept vorgelegt, das bei den Baumaßnahmen und bei der Energiepolitik eine Reihe sehr positive Aspekte behandelt, was etwa energetische Gebäudesanierung oder Kraft-Wärme-Kopplung angeht.
Die Landesregierung hat danach ein Paket auf den Tisch gelegt, das alle Zielsetzungen teilt. Aber anstatt in den Punkten, in denen diese Zielsetzung geteilt wird, Gelder zu nehmen, die aus dem Programm zur Verfügung stehen, und zum Beispiel im Rahmen von progres so einzusetzen, dass das Bauwirtschaft, Bauhandwerk und andere stimuliert, gibt es Untätigkeit. Das könnten Sie sogar machen, ohne zusätzliche Schulden aufzunehmen. Sie könnten das aus dem Programm machen, müssten nur ein bisschen flexibel sein und auf die Krise reagieren.
Wenn man hört, dass es keine eigenen Maßnahmen, sondern nur den Verweis darauf gibt, dass es die Berliner richten werden, muss man darüber den Kopf schütteln.
Ich will das ganz konkret für die Gebäudesanierung sagen. Das ist einer der Bereiche. Damit rettet man die Welt nicht; das ist mir völlig klar. Sie wollen 3 % des Bestandes jährlich sanieren. Wir liegen bei unter 1 %. Ich glaube, es wäre wichtig, eigene Akzente aus Nordrhein-Westfalen zu setzen
und gegenüber dem Bauhandwerk und dem Handwerk zu sagen, dass es kein einjähriges Strohfeuer ist. Denn wenn Beschäftigungskapazitäten aufgebaut oder gehalten werden sollen, müssen wir diese Aufgabe über die nächsten Jahren machen. Mit Sicherheit gibt es einen Konsens herüber auf die Oppositionsseite, dass man Signale an die Wirtschaft folgendermaßen setzen kann: Es ist richtig, dass Sie das machen. Das ist nicht für ein Jahr oder für zwei Jahre, sondern es wird politisch breit getragen. Und dann wird signalisiert, dass es sich lohnt, in diesem Bereich Kapazitäten aufzubauen und zu erhalten, auch wenn eine andere Regierung kommt, weil es eine Aufgabe ist, für die 20 Jahre optimal wären.
Bei der gestrigen Anhörung im Wirtschaftsausschuss hat Dr. Köster von den Handwerksverbänden gesagt: Wir brauchen über 100 Jahre, wenn das in dem Tempo mit der Gebäudesanierung weitergeht. Das können wir uns gar nicht erlauben. – Warum in dem Bereich mit dem vorhandenen Geld oder durch eigene Anstrengungen nichts passiert, das erschließt sich mir nicht. Aus unserer Regierungszeit kenne ich das so, dass zwischen Fraktion und Häusern intensiv gearbeitet wird und man darum ringt, dass bei den Programmen etwas geschieht.
Früher ist das REN-Programm jedes Jahr mit allen Verbänden und allen Betroffenen diskutiert worden, und bei diesem Programm sind jedes Jahr bei der Einzelausschüttung die Mittel gekürzt worden. Denn wir haben gesagt: Dort, wo der Zuschuss jetzt 2.000 € beträgt, sind wir ein Jahr später besser, und dann beträgt er nur noch 1.300 €. Die Geförderten haben gesagt, damit kommen wir klar, und wir haben mehr Fälle fördern können. Seitdem Sie an der Regierung sind, wird dieses Programm nicht mehr offen diskutiert.
Früher waren alle Abgeordneten eingeladen, konnten sich das anhören, bekamen die Diskussion mit und konnten es nachverfolgen.
Nur ein Beispiel: Ich habe in den letzten Tagen Gespräche mit Unternehmen aus dem Ruhrgebiet geführt, die Kraft-Wärme-Kopplung und Nahwärmenetze betreiben. Die haben aus dem Programm progres für den Hausanschluss 1.500 € Zuschuss erhalten und wissen nicht, ob das Programm weitergeht. Die 1.500 € sind entscheidend für den Hausbesitzer. Das sind die Kosten der Übernahmestation. Wenn an der Stelle das Signal gegeben würde, dieses Programm wird verstetigt, aufgestockt, mit Mitteln aus EFRE sogar erheblich erhöht, und ihr könnt euch darauf verlassen, es läuft über Jahre, dann könnten die reagieren. Wenn man vernünftig wäre, würde man für den Anschluss von der
Straße bis ins Haus noch einen zweiten Zuschuss dazutun. Dann könnten sich alle darauf einstellen und Beschäftigungs- und Investitionsentscheidungen vorbereiten. Das wird aber nicht gemacht. Das verstößt gegen Ihre eigenen Ziele. Sie fördern die Beschäftigung nicht, obwohl Sie es tun könnten.
Wegen solcher Sachen kann man nur den Kopf schütteln. Wir könnten über noch mehr Beispiele reden, etwa aus dem Energiebereich, die nachvollziehbar sind und über die wir keinen Dissens haben. Am Unangenehmsten für mich ist, dass von Ihrer Seite – trotz des Konsenses, dass die Situation schwierig ist und wir keine Panikmache betreiben wollen – nichts an konkreten Maßnahmen kommt, obwohl Sie in der Regierungsverantwortung sind. Sie warten auf Berlin. Sie diskutieren nicht einmal offensiv, dass Berlin in Teilen wenigstens aus meiner Sicht fragwürdige Sachen macht. Aber das Mindeste, dann eigene Akzente zu setzen, passiert nicht. Diesen Vorwurf und diese Kritik werden Sie sich noch öfter anhören müssen. – Herzlichen Dank.