Protocol of the Session on December 18, 2008

In der heutigen Debatte findet sich vieles von dem, was uns, dem gesamten Parlament, die Expertinnen und Experten in der Anhörung vor wenigen Tagen ins Stammbuch geschrieben haben. Wir Grüne haben noch am letzten Freitag eine Veranstaltung zu demselben Thema durchgeführt, in der dankenswerterweise Minister Laumann morgens

seine Studie vorgestellt hat, sodass wir nachmittags in der Veranstaltung direkt darüber diskutieren und zusammen mit dem IAB überprüfen konnten, inwieweit es Dissens gibt.

Manche Zahlen wurden gerade wieder in den Raum gestellt, als da wären: Randproblem von 1,5 % oder 3 %, aber bei Neueinstellungen überhaupt kein Randproblem mehr, sondern bei neu abgeschlossenen Beschäftigungsverhältnissen in Zeitarbeit befristete Beschäftigungsverhältnisse massiv im Anstieg. Von daher: Das mit dem Randproblem war gestern, wirkliches Problem für Beschäftigte ist es heute und morgen. Viele der Punkte haben wir in der Diskussion schon aufgreifen können. Auch hier ging es gerade wieder drunter und drüber.

Das Problem ist nicht die Zeitarbeit an sich, sondern das Problem ist, Herr Kleff, dass diese Möglichkeit der Gleichstellung von Zeitarbeitern und Stammbelegschaft nun durch diese Extra-Tarifverträge Zeitarbeit unterlaufen werden kann.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!)

Man kann nicht sagen, Tarifverträge sind heilig, wenn man weiß, dass die Tarifverträge mit ExtraTarifverträgen und dann noch einmal mit christlichen Extra-Extra-Tarifverträgen unterlaufen werden können,

(Beifall von Rainer Schmeltzer [SPD])

sodass es am Ende der Tarifvertrag mit 5 € Stundenlohn ist, der sozusagen jegliche Existenzsicherung unterschreitet und auch nichts mehr mit ethischen Ansprüchen an die eigentliche Entlohnung von Arbeit zu tun hat. Das nur auch in Richtung der christlichen Gewerkschaften.

Wir sind mit Ihnen einer Meinung, dass Tarifverträge wichtig sind. Aber der Tarifvertrag kann nicht die Tarifverträge sozusagen als Dumping-Tarifvertrag unterlaufen. Das aber ist mit dem Extra-Tarifvertrag der Zeitarbeit möglich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Lücke muss geschlossen werden. Es muss ein Tarifvertrag gelten, weil es hier um eine Beschäftigung geht. Man kann ihn nicht immer wieder weiter unterlaufen.

(Vereinzelt Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wozu führt dieses Unterlaufen? – Sie haben doch selbst kritisch angefügt, dass Ihnen das mit den schwarzen Schafen, mit diesen Dumpinglöhnen, auch zu viel ist. Aber es sind ja nicht ein paar schwarze Schafe unter weißen, sondern mittlerweile ist es so, dass wir ab und zu ein weißes Schaf unter den schwarzen Schafen finden.

(Beifall von den GRÜNEN – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Richtig!)

Aus der Studie, die Ihnen Minister Laumann vorgelegt hat, geht doch hervor: Das durchschnittliche

sozialversicherungspflichtige Monatsbrutto liegt 36 bis 45 % unter dem Monatsbrutto der gleichen Berufsgruppe.

(Zuruf von Walter Kern [CDU])

Man kann doch nicht sagen, dass es korrekt ist, dass ich Leute 45 % unter dem eigentlichen Lohn derjenigen, die in dem Bereich beschäftigt sind, beschäftige. Damit kommen wir doch zu den Stundenlöhnen von 5 €. Wir haben doch nicht Stundenlöhne von 5 € bei einzelnen schwarzen Schafen, sondern wir kommen dazu, weil es durchgängig so ist, dass es massiv runterreguliert wird.

Sie müssen sich doch darüber im Klaren sein, dass diese Unterschreitungen – 36 bis 45 % unter Lohn – schon jetzt in vielen Fällen mit Lohnkostenzuschüssen begleitet werden, weil die SGB-II- und SGB-IIIBezieher von der BA in die Zeitarbeitsfirmen gezwungen werden.

(Zustimmung von Rainer Schmeltzer [SPD])

Zunächst erhalten die Firmen einen Lohnkostenzuschuss, bevor dann die betroffenen Zeitarbeiter den Hartz-IV-Regelsatz obendrauf bekommen, weil die Löhne nicht ausreichen, um die Existenz zu sichern. Dabei wird doppelt und dreifach subventioniert.

Da sagen Sie, es gäbe einzelne schwarze Schafe? – Nein, dieser ganze Bereich ist so dereguliert, dass es sich dabei um einen Schwarzen-Schafs-Bereich handelt.

(Beifall von den GRÜNEN und Rainer Schmeltzer [SPD])

Deshalb müssen wir eingreifen.

Auch der hochgepriesene Übergang in den ersten Arbeitsmarkt ist nicht so, wie hier dargelegt; wir haben das in der Anhörung des Ausschusses gehört. die Studien der Zeitarbeitsbranche mögen dazu etwas anderes sagen. Aber viele andere Studien, die vorliegen und die angesprochen worden sind, kommen zu dem Ergebnis: Nein, es gibt den Effekt, dass die Menschen nicht so schnell wieder arbeitslos werden; aber eine Überführung in ein normales Arbeitsverhältnis gibt es nicht.

(Zuruf von Hubert Kleff [CDU] – Gegenruf von Günter Garbrecht [SPD])

Wenn jemand auf dauerhaft atypischer Beschäftigung mit 45 % unter dem Lohnniveau kleben bleiben soll, dann ist das keine Lösung, sondern man muss den Menschen Qualifizierung bieten und ihnen einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt schaffen. Wenn man dies nicht macht, ist es fahrlässig; und das ist es derzeit. Deswegen müssen wir diesen Bereich anders regulieren und dabei anders vorgehen.

Wir brauchen eine andere Bezahlung, ReRegulierung, den Mindestlohn, das Verbandsklagerecht für Gewerkschaften und rechtsfähige Verbän

de, die Anhebung der Klagefristen, den Ausbau der Schadensersatzregelung, die Gleichbehandlung von Entleihkräften und Stammbelegschaften usw. Die ganze Palette steht in unserem Antrag. Wir brauchen die Veränderung und Qualifizierung sowie Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt.

Ich komme zu meinem letzten Punkt, den ich gerade schon angesprochen habe. Man kann nicht auf der einen Seite von schwarzen Schafen sprechen – dabei handelt es sich bei genauerer Betrachtung um Weiden voller schwarzer Schafe – und gleichzeitig die Augen vor dem verschließen, was mit den Beziehern von Leistungen nach SGB II oder SGB III passiert. Wir müssen auch darüber reden, dass von der BA stark forciert wird, Menschen durch Lohnkostenzuschüsse und mit Sanktionsregelungen in die Zeitarbeit – auch mit 5 € Stundenlohn – hineinzudrängen. Sie erhalten keine Qualifizierung, um dort wieder herauszukommen.

Wenn man sich anschaut, wie die Übergänge mittlerweile sind, stellt man fest: Es gibt einzelne Argen, die bei den Eingliederungen 80 % in Zeitarbeit überführen. Das, meine Damen und Herren, kann so nicht sein. Wir sind verpflichtet, den Menschen etwas anderes zu bieten. Dass wir dazu verpflichtet sind, ist vor allen Dingen nach den Ergebnissen der Studie von Minister Laumann deutlich, denn danach ist klar: 58 % bleiben maximal sechs Wochen in Beschäftigung.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!)

Im weiteren Bereich haben wir massive Probleme mit Arbeitsverhältnissen, die mittlerweile kürzer als eine Woche sind.

Meine Damen und Herren, wir brauchen also andere Qualifizierungen, andere Übergänge und ReRegulierung.

Wenn wir über die Auswertung unserer Anhörung zu unserem Antrag reden, hoffe ich, dass wir das einfließen lassen können, um für die Menschen andere Arbeitsverhältnisse in diesem Land zu schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zum SPDAntrag ist zunächst einmal Folgendes zu sagen: Lieber Kollege Schmeltzer, schön ist, dass Sie diesen Antrag in den nordrhein-westfälischen Landtag eingebracht haben – herzlichen Dank! Denn das gibt mir die Gelegenheit, genau in der Parlamentswoche nach Veröffentlichung meiner Studie zu die

sem Thema die Meinung der Landesregierung vorzustellen.

Zweitens. Ich bin ziemlich sicher: Wenn Ihr Antrag ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion wäre, bekäme er die Unterschrift des amtierenden Bundesarbeitsministers nicht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir sind hier im nordrhein-westfälischen Landtag, Herr Minis- ter!)

Bei den Vorschlägen in Ihrem Antrag handelt es sich zum größten Teil um Forderungen, die Sie zwar im Land Nordrhein-Westfalen aufstellen, die aber eindeutig in der Gesetzgebungskompetenz des Deutschen Bundestages liegen.

(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann haben Sie im Antrag sicher ge- lesen, dass wir Sie auffordern, tätig zu wer- den!)

Deswegen nehmen Sie es so, wie es ist: Dieser Antrag stößt zwar eine Debatte an, löst aber die Probleme mit Sicherheit nicht.

Drittens. Die Studie, die das MAGS in Auftrag gegeben hat – Nordrhein-Westfalen hat so etwas im Übrigen als einziges Bundesland in Deutschland gemacht; auch der Bund hat noch keine Studie über Zeitarbeit finanziert –,

(Beifall von Walter Kern [CDU])

war der Versuch – das kann ich mit Ehre und Gewissen sagen –, eine Studie zu diesem Bereich von einer kompetenten Fachinstitution machen zu lassen. Ich habe dabei sehr darauf geachtet, dass es auf diese Studie keinen politischen Einfluss gab – das war mir ganz wichtig –: weder vonseiten der Gewerkschaften noch vonseiten der Arbeitgeber, der Zeitarbeitsbranche oder unseres Ministeriums.

Die Zeitarbeit muss logischerweise aufgrund ihrer besonderen Stellung im Arbeitsmarkt ein Thema sein, auf das man schaut, weil es sich um eine andere Form der Beschäftigung handelt, die der Natur vieler Menschen nicht unbedingt entspricht; das muss man doch zugeben. Deshalb hat die Zeitarbeit ein zusätzliches Arbeitsrecht im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz erhalten. Mir geht es wirklich darum, zu erfahren, was in dieser Branche los ist.

Über das Ergebnis können wir auch noch im Ausschuss reden. Man kann Ergebnisse von Studien immer anzweifeln; das wird man am Ende nie ganz verhindern können. Das Ergebnis der Studie lautet: Die Zeitarbeit ist in Deutschland und in NordrheinWestfalen eine Branche, die Licht und Schatten hat.

Aber klar ist: Sie bietet manchen Menschen eine Möglichkeit des Wiedereinstiegs in Erwerbsarbeit, die lange vorher keine solche Chance hatten. Sie bietet vor allen Dingen Menschen Einstieg in Erwerbsarbeit, die leider Gottes – egal aus welchen Gründen – keine qualifizierte Berufsausbildung ha

ben. Sie ist eine Branche geworden, die gerade im Helferbereich Menschen die Teilnahme an Arbeit ermöglicht, die sonst kaum mehr in der Wirtschaft eingestellt werden.