Protocol of the Session on October 27, 2005

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die elfte Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen und heiße Sie herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir treten nunmehr in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Strukturförderpolitik für NRW 2007 bis 2013 - Den Strukturwandel weiter erfolgreich gestalten

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/467

Ich eröffne die Beratung und gebe das Wort an Herrn Eumann von der SPD-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem etwas trockenen, aber eindeutigen Zitat der Landesregierung vom 24. August diesen Jahres:

„Auf Grundlage verschiedener Indikatoren kann davon ausgegangen werden, dass die Ziel-2Förderung seit dem Jahre 2000 den Anstoß für die Schaffung von etwa 54.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gegeben hat.“

Das ist die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Rainer Schmelzer. Das ist eine gute Zahl für NordrheinWestfalen und zeigt die erfolgreiche EU-Förderpolitik.

(Beifall von der SPD)

Wir alle wissen, dass die Projekte ihre volle arbeitsmarkt- und strukturpolitische Wirkung erst in den kommenden Jahren entfalten und entwickeln werden.

Meine Damen und Herren, es ist unumstritten, dass NRW-EU-Ziel-2-Programm hat den Strukturwandel nachhaltig begleitet und unterstützt. An diesen Erfolg müssen wir in Nordrhein-Westfalen

anknüpfen. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, sich erstens für unser Land im Wettbewerb um die europäischen Fördermittel für die neue Förderperiode ab 2007 einzusetzen, zweitens die nordrhein-westfälischen Interessen in Brüssel, Straßburg und aktuell in London wirksam zu vertreten, drittens, dass 18 % der Gesamtmittel auf die Priorität „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ und viertens 4 % auf die Priorität „Europäischer territorialer Zusammenhalt“ entfallen und dass fünftens diese Bereiche nicht zusammengefasst und auf 10 % der Mittel reduziert werden, wie das einige in Brüssel vorhaben, und sechstens in der Ausgestaltung der Strukturprogramme für die NRW die Hauptpriorität weiterhin auf die Erhöhung der Wirtschaftsdynamik und des Beschäftigtenniveaus in dem vom Strukturwandel besonders betroffenen Regionen zu legen.

Das heißt für Nordrhein-Westfalen, der Schwerpunkt liegt ohne Wenn und Aber im Ruhrgebiet, und er muss auch in Zukunft im Ruhrgebiet liegen. Das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall von der SPD)

„Gegenwärtig werden die entscheidenden Weichen für die gesamte EU-Politik nach 2007 gestellt. Es geht um die finanzielle Gesamtplanung für den Zeitraum bis 2013, aber auch um die Neuausrichtung der Strukturpolitik, die Weiterentwicklung der Forschungspolitik, die Stärkung des Binnenmarktes und um entscheidende Fortschritte in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Jetzt kommt es darauf an, dass NRW als Kernland der EU seine Interessen selbstbewusst und wirkungsvoll in Brüssel vertritt und sich optimal auf die Chancen und Herausforderungen aus Brüssel einrichtet.“

Frau Keller, Sie werden sich erinnern, es sind Ihre Worte, die Sie gemeinsam mit Kollegen aus dem Europäischen Parlament im Februar dieses Jahres formuliert haben. Sie sollten jetzt das einlösen, was Sie im Landtag formuliert und versprochen haben. Diese Einlösung steht aus. Ich stimme im Namen meiner Fraktion dieser politischen Aussage ausdrücklich zu, Frau Keller, aber ich frage mich, was die Landesregierung macht. Nimmt sie die Herausforderungen wahr?

Hieran muss man berechtigte Zweifel haben, wenn man beispielsweise die Vorlage von Wirtschaftsministerin Thoben vom 22. August dieses Jahres an den Wirtschaftsausschuss zur Hand nimmt. Ich sage ausdrücklich: Das ist kein Zitat aus einer Zeitung, es ist nicht aus dem Zusammenhang gerissen worden, sondern es ist eine

27.10.2005 Nordrhein-Westfalen

Plenarprotokoll 14/11

Vorlage der Landesregierung an den Landtag von Nordrhein-Westfalen. In dieser Vorlage steht wörtlich:

„Die Landesregierung wird mit der Vorbereitung der Grundlagen für ein neues Ziel-2-Programm beginnen, sobald konkretere Vorgaben aus Brüssel zu Umfang und Inhalt der neuen Förderprogramme vorliegen.“

Mit diesem Satz dokumentieren Sie Ihre Hilflosigkeit und Ihre Tatenlosigkeit, denn wenn Sie erst beginnen wollen, wenn die anderen die Vorgaben schon gemacht haben, dann ist es zu spät, denn dann ist der Zug abgefahren.

(Beifall von der SPD)

Das schreiben Sie in die Vorlagen für diesen Landtag hinein. Das ist fahrlässig.

Ich appelliere an Frau Ministerin Thoben: Mischen Sie sich jetzt ein. Jetzt werden die Weichen gestellt. Sie dürfen nicht warten, bis die konkreten Vorgaben aus Brüssel vorliegen, sondern Sie müssen jetzt auf die Vorgaben Einfluss nehmen, damit für Nordrhein-Westfalen und vor allem für das Ruhrgebiet weiterhin Fördergelder zur Verfügung stehen, um den Strukturwandel zu gestalten, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen: 54.000 ab 2000.

In der CDU-Erklärung, aus der ich gerade zitiert habe, heißt es weiter: „Besonders wichtig für NRW ist, dass die bisherige Ziel-2-Förderung dem Ruhrgebiet weiter zugute kommt.“ Aber genau das sagt Frau Thoben nicht. Sie spricht fahrlässig von einem Wettbewerb innerhalb der Regionen Nordrhein-Westfalens. Damit verspielt sie aber die Chancen dieser Region in Brüssel.

Wenn das Wirtschaftsministerium auf meine Intervention hin erklärt, dass der Abgeordnete Eumann über EU-Gelder redet, die wir noch nicht haben, ist auch das nur ein weiterer Ausdruck Ihrer Tatenlosigkeit, meine Damen und Herren. Wenn Sie so weitermachen, werden wir diese notwendigen Gelder wirklich nicht bekommen. Das ist auch zugleich ein Ausdruck Ihrer strukturpolitischen Ratlosigkeit.

Setzen Sie sich jetzt für Nordrhein-Westfalen ein. Machen Sie sich jetzt für die Interessen dieses Landes stark. Vergessen Sie nicht jedes Mal sofort das, was Sie hier vor dem 22. Mai immer wieder erklärt haben. Sie sollen nicht zuwarten, sondern handeln, eingreifen und proaktiv werden. Das ist die richtige Antwort auf das, was in Brüssel passiert.

Man bekommt fast den Eindruck, das Wirtschaftsministerium handele hier nach dem Motto, es sei egal, ob Frau Thoben in China ist oder in NRW ein Sack Reis umfällt.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist nicht egal. Wir wissen nämlich alle, dass der Förderungskuchen nicht größer, sondern kleiner wird. In der erweiterten EU sitzen mehr am Tisch, die auch mehr von diesem Kuchen bekommen wollen.

Das, was Sie mit Zuwarten und dem falsch gemeinten Wettbewerb zwischen den Regionen Nordrhein-Westfalens angekündigt haben, führt nur dazu, dass die Profile des Ruhrgebiets und seine besonderen Herausforderungen in Brüssel nicht mehr erkannt werden und wir damit am Ende weniger Geld bekommen. Das ist schlecht für dieses Land. Setzen Sie sich ein für die Interessen Nordrhein-Westfalens. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Eumann. - Für die CDU hat jetzt Frau Keller das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Eumann, diese Bemerkungen bezüglich der Frau Wirtschaftsministerin hätten Sie sich wirklich sparen können.

(Beifall von der CDU)

Es ist eine Unverschämtheit und völlig unnötig, die Wirtschaftsministerin am frühen Morgen so zu diskreditieren. Wir wundern uns sehr, warum Sie heute mit uns über diesen Antrag zur Ausgestaltung der Strukturmittel diskutieren wollen. Sie haben eben das zitiert, was ich hier gesagt habe. Das haben wir mit unseren Anträgen in den letzten Jahren schon mehrfach zum Ausdruck gebracht. Sie können ganz sicher sein, dass wir das Wort für Wort umsetzen werden. Wir halten das, was wir versprechen.

(Beifall von der CDU)

Wir wundern uns ausgesprochen, warum Sie mit uns heute Vormittag über die Strukturförderpolitik diskutieren wollen. Warum eigentlich? - Das sieht so aus, als wollten Sie so tun, dass wir hier nicht wüssten, um welche Zusammenhänge es geht, dass wir ahnungslos wären und dass sich die Fraktionen nicht um die Zusammenhänge kümmerten. Ich kann Sie beruhigen: Wir alle wissen wirklich, wovon hier gesprochen wird. Wir kennen

Landtag

27.10.2005 Nordrhein-Westfalen

Plenarprotokoll 14/11

die Bedeutung und wissen, worum es jetzt geht, nämlich um die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Zukunft.

Ich darf Sie daran erinnern, dass die Förderperiode von 2000 bis 2006 geht. Sie vor allem waren bislang maßgeblich daran beteiligt. Es sind ja bereits 73 % der zur Verfügung stehenden Mittel abgerufen worden. In Zahlen bedeutet das: 1,3 Milliarden € für circa 2.500 Einzelvorhaben, die bereits bewilligt wurden oder deren Bewilligung bevorsteht.

Wir wissen auch, wohin das Geld geflossen ist, nämlich zum Beispiel an die Zeche Zollverein in Essen, in den Umbau des Duisburger Innenhafens, in die Gründungsoffensive „Go!“ oder auch in das Ökologieprogramm Emscher-Lippe. Das wissen wir, Herr Eumann. Diese Belehrung am frühen Morgen brauchen wir nicht.

Es ist jetzt natürlich wichtig - darüber machen wir uns schon Gedanken -, dass wir die restlichen Mittel bis 2006 optimal ausschöpfen und ergänzen. Das muss sehr professionell, effektiv und auch mithilfe einer Erfolgskontrolle weiter vorangetrieben werden.

Man muss also aus dem Wissen über die europäischen Programme die richtigen Schlüsse ziehen und sich entscheiden, was man in Zukunft konkret erreichen möchte. An diesem Punkt - das habe ich bei Herrn Kuschke, dem früheren Minister, immer angemahnt - hatten wir den Eindruck, dass es bei Ihnen gewaltig hakte und dass Sie nicht genau wussten, wohin die Reise geht.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die neue Landesregierung laut Ihres Berichts über die Europäischen Strukturfonds vom 22. August dieses Jahres die bevorstehende Änderung der Förderkulisse zum Anlass nehme, die Strukturförderung für alle Regionen zu öffnen. Wie kommen Sie dazu? Mit Verlaub: Lesen Sie doch genau, was hier bislang vorgegeben wurde.