Protocol of the Session on December 17, 2008

NRW soll sich kulturpolitisch nach außen darstellen, das ist Ihre Forderung. Ich unterstütze das ja, aber dann machen Sie es doch nicht klein-klein, indem Sie sagen: Das können die einzelnen Theater nicht. Ich behaupte einfach einmal, dass ein Theater wie Hagen aufgrund seiner Aufstellung gar nicht in der Lage ist, Produktionen herauszubringen, die wie „Die Soldaten“ auftreten.

Wenn das so ist, Herr Sternberg, dann muss es doch eigentlich unser Interesse sein, dies in die Breite zu fördern, um dort, wo zeitweise gutes Personal engagiert wird, auch wirklich tolle Dinge erwachsen zu lassen. Ab und an – das haben wir ja getan und tun wir mit der RuhrTriennale auch – fördern wir in die Spitze hinein. Das transportiert dann das nach außen, was Sie eigentlich wollen.

Sie können doch nicht erwarten, dass jemand in Brüssel, Madrid, Hamburg oder Wien wahrnimmt, was hier auf 27 kommunalen Bühnen im Einzelnen gespielt wird. Dort können tolle Aufführungen dabei sein, die wir beide dann leider auch nicht gesehen haben und die in Wien niemand zur Kenntnis genommen hat. Das ist so, aber trotzdem waren sie für die Stadt ein Ereignis. Deshalb will ich mich in der Diskussion, zumindest bei dieser Frage, auch nicht von Ihnen ins Bockshorn jagen lassen, sondern noch einmal kurz auf unseren Entschließungsantrag eingehen. Dafür bleiben mir noch 52 Sekunden, und ich mache es kurz.

Unser Entschließungsantrag besagt: Wenn ihr schon Fördergelder bereitstellen wollt, dann macht es doch für die, die es schwer haben. Gebt doch denen, die es über Jahre hinweg über eine lange Strecke schwer haben, als eine Art Sonderförderung ein bisschen was dazu, um deutlich zu machen: Auch ihr vor Ort seid uns wichtig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihr habt übrigens eine Bedingung im Antrag stehen, die auch wir hineingeschrieben haben, nämlich, dass die Stadt nicht gleichzeitig kürzen darf. Denn sonst ist das nur eine kommunizierende Röhre, die wir nicht füllen wollen. Es geht darum, zu sagen, dass dort Förderung gemacht werden muss, wo es eng wird. Dazu gibt es einige Beispiele, die ich eben

genannt habe. Man muss diesen Städten dann für eine bestimmte Zeit, die ich bewusst auch befristet habe – ich habe mich inhaltlich voll an den Antrag angelehnt –, helfen zu überlegen: Wie könnt ihr eure Theater für die Zukunft durch Umorganisation oder Ähnliches sichern? – Das ist unser Entschließungsantrag. Er ist klug, er bezieht sich auf die Breite, er bezieht sich auf unsere Theaterlandschaft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb bitte ich um Zustimmung – insbesondere von den Kollegen der SPD-Fraktion. Ich hörte eben heraus, dass ihr das noch nicht wollt. Aber ich würde mich freuen, wenn ihr das unterstützt, weil es den Theatern hilft, die es schwer haben. Und in der Szene kommt der Antrag bestimmt gut an. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Keymis. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Krautscheid.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Landesregierung zu den vorliegenden Anträgen Stellung nehmen. Zunächst vorab eine Bemerkung, da danach gefragt worden ist: Herr Kulturstaatssekretär Grosse-Brockhoff ist auf dem Rückweg von einer Kuratoriumssitzung der Insel Hombroich. Ich bitte, ihm das nachzusehen. Wir liegen auch nicht ganz im Zeitplan. Er hatte eigentlich vor, während der Sitzung hier einzutreffen, und kommt vielleicht noch.

Meine Damen und Herren, aus Sicht der Landesregierung ist dieser Antrag hilfreich und sinnvoll, weil er eine neue Komponente in die Förderung unserer nordrhein-westfälischen Theater einbringt. Wir haben seit Jahrzehnten – das ist eben schon angesprochen worden – eine Regelförderung für die kommunalen Theater, die relativ gleichmäßig über die Theater ausgeschüttet wird. Der Landesanteil an dieser Gesamtfinanzierung liegt bei etwa 3 bis 4 %.

Dies geht auf die Maxime zurück, die offensichtlich weitestgehend geteilt wird, dass diese Förderung zunächst eine kommunale Angelegenheit ist und dass sich das Land aus einer qualitativen Differenzierung herauszuhalten habe. Sie werden sich erinnern, dass die Finanzierung dementsprechend auch lange im Gemeindefinanzierungsgesetz verankert war und damit aus Sicht des Landes qualitativ nicht beeinflusst werden konnte.

Eine Ausnahme bilden hier die vier Landestheater, deren Aufgabe vor allen Dingen in der Bespielung von kleineren Städten und des ländlichen Raumes liegt. Hier beträgt der Landesanteil ungefähr 48,5 %. Herausragend ist in der Tat als einzige Ausnahme

die Sonderstellung in Düsseldorf. Hier teilen sich Stadt und Land seit den 50er-Jahren die Kosten. Neben dieser Regelförderung gibt es gezielte Projektzuschüsse für bestimmte Vorhaben. Letztere hat diese Landesregierung erheblich erhöht, um insbesondere Projekte im Kinder- und Jugendtheaterbereich zu fördern.

Um die Zahlen der letzten Jahre noch einmal zu nennen: Die Förderung der kommunalen Theater hat das Land mit Unterstützung dieses Parlaments von knapp 13,8 Millionen € in 2005 – Ausgangslage – auf fast 14,9 Millionen € in 2007 erhöht. 2008 waren 15,4 Millionen € angesetzt und für 2009 sind es 16,2 Millionen €. Bei den Landestheatern sind die Zuschüsse im gleichen Zeitraum von rund 11,2 Millionen € auf knapp 13,2 Millionen € erhöht worden – insbesondere für das Kinder- und Jugendtheater. Und, Herr Kollege Keymis: Auch in der freien Szene hat mithilfe dieses Parlaments ein erheblicher finanzieller Aufwuchs stattgefunden, nämlich von 2,6 Millionen € im Jahr 2005 auf mittlerweile geplante 4,5 Millionen € in 2009 – also fast 2 Millionen € mehr. Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können.

Aber – wir haben die Debatte dazu gerade gehört – es geht um die Frage, wie ein qualitativer Aspekt zusätzlich hineinkommen kann. Hierbei ist der Antrag der Koalitionsfraktionen ein hilfreicher Ansatz. Es geht um Profilbildung in der nordrhein-westfälischen Theaterlandschaft. Insofern ist es schon ein etwas anderes Ansatz als der ökonomischfinanzielle im Antrag der Grünen. Wir wollen, dass dieses ohne Zweifel fantastische Potenzial noch bekannter und für die Bürger auch erlebbarer wird.

Sie alle haben bereits diesen Expertenbericht angesprochen, der von der Staatskanzlei und der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen erbeten worden ist. In diesem ist in der Tat sehr markant beschrieben worden – man kann es teilen, muss es aber nicht –, dass herausgehobene künstlerische Spitzenleistungen, die international besonders positiv in Erscheinung treten könnten, in Nordrhein-Westfalen noch zu selten zu verzeichnen sind. Deswegen ist der Vorschlag gemacht worden, den beiden Bühnen in Essen und Köln nicht nur den Titel Staatstheater zu verleihen, sondern sie schrittweise bis zu 50 % durch das Land zu finanzieren.

Man kann – da ist ein objektiver Maßstab schwierig – in der Tat unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob das die richtigen sind. Richtig ist – diese Argumentation teile ich –: Es ist keine Frage von Standort und dauerhafter Förderung, sondern es hängt immer mit Personen und Menschen zusammen, die vor Ort Theater machen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Immerhin!)

Deswegen ist es sehr zweifelhaft, ob die Verleihung eines Titels und eine dauerhafte institutionelle Förderung der richtige Ansatz sind. Das muss allerdings nicht hier und jetzt entschieden werden.

Weil eben kritisiert worden ist, wie man jetzt mit diesem Gutachten weiter umgeht und ob man hinreichend einbezogen wird, Frau Nell-Paul, darf ich etwas für Herrn Staatssekretär Grosse-Brockhoff ankündigen und Sie ausdrücklich einladen. Es wird im Laufe des Frühjahrs fünf Veranstaltungen geben, die genau die wesentlichen Punkte aus dem Gutachten, nämlich Theater, Film – wie Sie wissen, ist Film auch dabei – und Musik, in Kongressform mit Experten und natürlich auch mit Ihnen in der Tiefe diskutieren werden.

Nach meiner Meinung ist die Förderakzentuierung, die jetzt vorweggenommen wird, kein Widerspruch dazu; denn man lehnt sich ja an die beiden Empfehlungen für drei Spielzeiten an. Damit – und das ist ein wichtiger neuer Ansatz – gilt die Förderung für die Dauer von drei Spielzeiten. Anschließend wird es, genau wie es bei den Grünen vorgesehen ist, eine Jurylösung geben, die dann für eine neue Förderperiode jeweils neu entscheiden soll, wo besondere Qualität gefördert werden soll.

Diese Expertenjury ist etwas Neues. Die erhöhte Förderung wird damit nicht zu einer Art Rechtsanspruch, auf den man sich berufen kann, sondern man muss sich in den Folgejahren vor dieser Jury mit Qualität jeweils neu profilieren. Dieses Modell führt damit einen sogenannten Wettbewerbsfaktor ein, und damit dürfte auch der Wettbewerb der Theater untereinander massiv belebt werden.

Ich komme zum Schluss. Herr Keymis, Sie haben darauf hingewiesen, dass auch Sie ein Jurymodell wollen, sagen aber gleichzeitig, dass das Geld auf jeden Fall bei denen landen soll, die es finanziell am nötigsten haben. Dieses ist dann Makulatur. Gehe ich nach einem reinen Finanzmaßstab vor, brauche ich dafür keine Jury. Und einer Stadt wie Oberhausen, die mit 1,6 Milliarden € verschuldet ist, 300.000 € für das Theater zu geben, ist, glaube ich, ziemlich viel weiße Salbe.

Dieser Ansatz wird der qualitativen Förderung, die mit diesem Antrag beabsichtigt wird, in keiner Weise gerecht. Deswegen halten wir den Ansatz, der im Antrag der Koalitionsfraktionen enthalten ist, für den richtigen und freuen uns über diesen Beitrag zur Stärkung der Theaterlandschaft.

Eben ist gesagt worden: Persönliche Beiträge in Form eines Theaterbesuchs an Weihnachten sind herzlich willkommen. Ich darf das vielleicht im eigenen Interesse ausdehnen: Kinobesuche zählen auch. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Krautscheid. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen der CDU und der FDP haben um direkte Abstimmung gebeten. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/8088. Wer dazu Ja sagt, den möchte ich um das Handzeichen bitten. – Wer sagt Nein? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Antrag angenommen.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/8134. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

5 Weiterer Datenklau-Skandal – Entwurf der Datenschutznovelle halbherzig – auch NRW ist gefordert!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8086 – Neudruck

Ich eröffne die Debatte und gebe Frau Düker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Kurzem haben wir in Deutschland ein Jubiläum gefeiert. Vor 25 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht mit dem sogenannten Volkszählungsurteil das sogenannte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung definiert. Das heißt: Jeder Bürger, jede Bürgerin soll wissen, wer was bei welcher Gelegenheit über ihn oder sie weiß. Von Selbstbestimmung über die eigenen Daten kann 25 Jahre nach diesem Urteil weiß Gott keine Rede sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, warnt anlässlich der 25-Jahr-Feier des Volkszählungsurteils vor einem „Super-GAU des Datenschutzes“. Er sieht die Gefahr – ich zitiere –, „dass wir uns zu einer privaten Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes verwandeln“, und er fordert mehr Schutz. Grund genug für diese Forderung und für diese Dramatik hat er weiß Gott; denn die Liste des Datenschutzskandaljahrs 2008 ist lang.

Ich nenne nur ein paar Beispiele: Im Sommer wird dem Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein eine CD mit 17.000 Daten von Bürgerinnen und Bürgern inklusive Kontodaten übergeben. Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen wird ein Datensatz angeboten mit sechs Millionen Datensätzen, davon vier Millionen Kontodaten, die im illegalen Verkauf stehen. Zuletzt war da der Datenklau bei der Telekom mit 17 Millionen Daten von T-Mobile-Kunden.

Telefonnummern und Adressen, die vorher irgendwo verlorengegangen sind, tauchen auf einmal auf.

Nächster Skandal, kürzlich in der „Wirtschaftswoche“ dokumentiert: Dem Magazin wurden in einem illegalen Geschäft hochsensible Daten von insgesamt 21 Millionen Bürgern für 12 Millionen € angeboten, die nicht nur Kontonummern, sondern auch noch Informationen über die Vermögensverhältnisse enthielten. Last but not least nenne ich den Skandal um die Landesbank Berlin. Der „Frankfurter Rundschau“ wurde ein Karton mit Zehntausenden Daten von Kreditkartennehmern einschließlich Kreditkartennummern und Kreditkartenumsatz auf Mikrofiche angeboten.

Die Liste lässt sich auch noch fortsetzen; das sind nur die Highlights, die in diesem Jahr zu verzeichnen waren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Daten sind in Deutschland zu einem Wirtschaftsgut geworden. Es gibt enorm viel freigesetzte kriminelle Energie, sodass dieses Wirtschaftsgut längst zum kriminellen Diebes- und Hehlergut geworden ist, was auch eine Form der Wirtschaftskriminalität darstellt, womit Millionen-Umsätze gemacht werden.

Der Missbrauch dieser Daten – und das ist unser Punkt in dem Antrag – wird den Kriminellen viel zu leicht gemacht. Wir sehen daher dringenden Handlungsbedarf bei der Politik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insbesondere in der Telekommunikationswirtschaft und der Energieversorgung – nehmen wir einmal zwei Branchen heraus – hat sich in den letzten Jahren die Tendenz durchgesetzt, dass der Vertrieb und der Kundenservice in sogenannte Callcenter ausgegliedert werden. In den Callcentern werden Prämien von 50 bis 100 € pro Vertragsabschluss gezahlt. Dort sitzen schlecht bezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mal eben per USBStick oder per CD Daten von ihrem Computer beschaffen, um ein lukratives Nebengeschäft zu machen, indem sie diese ihnen anvertrauten Daten dann weiterverkaufen.

Des Weiteren erfolgt die Übertragung dieser Daten von den Unternehmen in die Callcenter in erschreckendem Maße auf unsicheren Wegen. Es wird mit Excel-Tabellen gearbeitet, oder diese Daten werden über Mails übermittelt. Von Datenschutzstandards kann keine Rede sein. Die Unternehmen wissen oftmals selber gar nicht mehr, wo ihre Daten eigentlich landen. Sogenannte Pooler vergeben Aufträge an Subunternehmer im Bereich der Callcenter weiter. Niemand weiß eigentlich, in welchem Büro die hochsensiblen Kundendaten überhaupt landen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ruf nach mehr Kontrolle ist nachvollziehbar. Mehr Kontrolle ist dringend nötig. Schauen wir uns demgegenüber aber einmal die Kontrollinstanzen an, die wir in

Nordrhein-Westfalen zur Verfügung haben: Die Landesbeauftragte für den Datenschutz ist auch für den gesamten privaten Bereich zuständig. – Ich sehe, dass sie anwesend ist. Liebe Bettina Sokol, schön, dass Sie da sind. – Sie ist dazu berechtigt, in diese Callcenter zu gehen und stichprobenartig nach den Datenschutzstandards zu schauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, welches Personal steht ihr zur Verfügung? Roundabout zehn Stellen sind es für diesen privaten Bereich in einer Behörde für 18 Millionen Einwohner, um dieser Wirtschaftskriminalität durch mehr Kontrolle etwas entgegenzusetzen. Das ist beschämend und kann doch nicht sein. Jeder weiß doch, dass man mit zehn Leuten nicht wirklich wirksam kontrollieren kann.