Protocol of the Session on December 4, 2008

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Watermann-Krass. – Für die FDP spricht nun die Kollegin Pieper-von Heiden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns alle einig, dass der Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen und Kinder ein wichtiges Thema ist, dem sich die Gesellschaft und die Politik stellen müssen. Dass seit Mitte der 70er-Jahre diese Problematik verstärkt öffentlich thematisiert und nicht mehr totgeschwiegen wurde, ist ein herausragender Schritt gewesen. Die damals vielfach gegründeten Frauenhäuser leisten bis heute einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Frauen und Kindern vor Misshandlungen.

Ich möchte hier auch noch einmal unterstreichen, dass die FDP jedwede häusliche Gewalt, ob von Männern oder Frauen verübt, ablehnt. Wichtige Maßnahmen wie etwa im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes stärken den Schutz vor dieser Gewaltanwendung. Dass es nach wie vor ein hohes Gewaltpotenzial gibt, dem die Betroffenen ausgesetzt sind, zeigt der deutliche Anstieg der Wohnungsverweise und des Rückkehrverbots in den letzten Jahren. Zum einen zeigen die Zahlen, dass diese Form der Gewalt weniger tabuisiert wird; zum anderen wird jedoch auch deutlich, wie groß das Problem nach wie vor ist. Frauenhäuser sind und bleiben für viele von Gewalt betroffene Frauen und Kinder eine wichtige Zufluchtstätte.

Meine Damen und Herren, die Grünen unterstellen in ihrem Antrag, dass die vorhandene Infrastruktur der Frauenhäuser unzureichend sei. Das ist falsch.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Wenn Sie allein auf die Internetseite der LAG Autonomer Frauenhäuser gehen, zeigt sich das flächendeckende Angebot in Nordrhein-Westfalen. Dort

wird mit Unterstützung des Landes Betroffenen eine schnelle Zugriffsmöglichkeit auf die Kapazitäten geboten. Auch zeigt die durchschnittliche Belegungsquote, dass die von den Grünen behauptete generell unzureichende Struktur so nicht besteht.

Aufgrund der exorbitanten Verschuldung, die RotGrün angehäuft hat, war es notwendig, die Landesförderung der vierten Stelle ab 2006 zu kürzen. Dennoch konnte die flächendeckende Versorgungsstruktur der Frauenhäuser erhalten werden, was ich für sehr wichtig und auch richtig halte. Die drei Stellen werden jedoch von Landesseite nicht über Tagessätze finanziert.

Es ist falsch, wenn die Grünen suggerieren, die Koalition würde nicht durch vielfache Maßnahmen die Gewalt gegen Frauen und Kinder bekämpfen. Das Gegenteil zeigt sich an dem vorliegenden Haushaltsentwurf des Jahres 2009,

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Wo denn?)

in dem nach der notwendigen Kürzung zu Beginn der Legislaturperiode die personelle Unterstützung und die Kontinuität inzwischen gesichert sind.

Wenn die Grünen aufgrund der Aussagen der Verbandsvertreterinnen von einer mangelnden Ausstattung und unzureichenden Strukturen sprechen, hat dies zumindest einen Beigeschmack. Ich kenne keinen Verband, der seine Ausstattung aus öffentlicher Hand jemals als völlig ausreichend bezeichnet hätte.

Dennoch möchte ich Ihnen in einigen Punkten ausdrücklich recht geben, Frau Steffens. Selbstverständlich sind immer Verbesserungen möglich. Das gilt besonders dann, wenn Einrichtungen auf Mischfinanzierungen zurückgreifen müssen.

Wenn die unterschiedlichen staatlichen Ebenen nun in einen Dialog eintreten sollten, würde ich dies begrüßen. Niemand sollte sich Verbesserungsmöglichkeiten verschließen. Das bedeutet aber, dass zunächst die rechtlichen Zuständigkeiten und Möglichkeiten geprüft werden müssen.

Ich sehe allerdings nicht die Notwendigkeit, dass die Finanzierung von einer einzigen Zuwendungsstelle ausgehen muss, wie die Grünen das fordern. Auch halte ich es für falsch, wenn das Land im Alleingang die Regie übernimmt. Zunächst muss es darum gehen, die Kompetenzen zu klären, um sicherzustellen, dass die beteiligten Ebenen zu einer sinnvollen und dem Ziel entsprechenden tragfähigen Lösung kommen.

Wenn es den Grünen mit dem allgemeinen Anspruch wirklich ernst ist, sollten sie kein Interesse an Insellösungen haben – zumal das Land NordrheinWestfalen über eine flächendeckende Beratungs- und Betreuungsstruktur verfügt. Es ist schon etwas populistisch, wenn die Grünen einfach fordern, dann solle eben das Land einen Rechtsanspruch auf kostenlose Inanspruchnahme durch alle von Gewalt

betroffenen oder bedrohten Frauen und ihrer Kinder schaffen.

Wir verschließen uns selbstverständlich keinen sinnvollen Verbesserungen. Wir unterstützen aber auch keine unausgegorenen Schnellschüsse. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Laschet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag enthält zwei Botschaften. Die eine Botschaft lautet: Verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungseinrichtungen aus einer Hand sichern.

Dies ist in Nordrhein-Westfalen gesichert. Frauenhäuser sind verlässlich finanziert. Wir haben eine sehr gute Infrastruktur von 62 vom Land geförderten Frauenhäusern, 55 allgemeinen Frauenberatungsstellen und 48 Fraueninitiativen gegen sexualisierte Gewalt. Den Vergleich mit anderen Ländern brauchen wir nicht zu scheuen. Nordrhein-Westfalen liegt hier an der Spitze der deutschen Bundesländer.

Darüber hinaus stellen Sie in Ihrem Antrag die Forderung auf, der Bund solle auf diesem Feld bundeseinheitliche Standards vorgeben. Dahinter steht wahrscheinlich der Gedanke – es handelt sich ja auch um eine alte Diskussion, die seit 25 Jahren geführt wird –, dass bei überall gleichen Standards die anderen 15 Bundesländer auch so gut werden, wie Nordrhein-Westfalen ist.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! Sie sind zum Teil besser als NRW!)

Das ist wahrscheinlich die Zielsetzung dieses Antrags.

In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich zunächst einmal die Frage, ob der Landtag von Nordrhein-Westfalen der richtige Ort ist, um ein Bundesgesetz einzufordern; denn bei uns ist die verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern ja gesichert.

Mit der Frage, ob der Bund ein solches Leistungsgesetz überhaupt erlassen darf, hat sich der Deutsche Bundestag am 12. November 2008 in einer öffentlichen Anhörung beschäftigt. Dabei ist deutlich geworden, dass die Rechtslage eben nicht so klar ist, wie uns die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weismachen will. Zwar hat der Deutsche Juristinnenbund, wie im Antrag zu Recht festgestellt wird, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eindeutig bejaht. Andere Sachverständige sprechen dem

Bund unter Hinweis auf unsere Verfassung eine Regelungskompetenz aber völlig ab.

In dieser unklaren Lage, die in der Tat in den nächsten Monaten noch weiter untersucht werden soll, kann doch niemand von der Landesregierung erwarten, dass sie sich für eine bundesgesetzliche Regelung einsetzt, die möglicherweise mit der Föderalismusreform und der Verfassung überhaupt nicht vereinbar ist.

Sich in Geduld üben zu müssen, heißt aber nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Wir werden uns in einer sorgfältigen Auswertung der Anhörungsergebnisse intensiv an den Gesprächen beteiligen, die der Bund mit den Ländern führen will, um zu einer für Bund und Länder tragfähigen Lösung zu kommen.

Dabei werden wir auch die Gelegenheit nutzen, Regelungslücken in Leistungsgesetzen des Bundes zu thematisieren. So gibt es beispielsweise immer wieder finanzielle Probleme, wenn Frauen aus Sicherheitsgründen in ein Frauenhaus in einer anderen Stadt fliehen müssen. Das gilt insbesondere für Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, die eine Residenzpflicht in einer bestimmten Stadt haben. Ebenso können Bürgerinnen aus den neuen EUMitgliedstaaten Probleme bei der Finanzierung eines Aufenthalts in einem Frauenhaus bekommen. Das sind in der Tat Lücken, für die wir zusammen mit dem Bund Lösungen finden müssen. Diese Probleme können nur auf Bundesebene gelöst werden.

Aber auch das Land kann etwas tun. Das tun wir auch. So hat Nordrhein-Westfalen dafür gesorgt, dass die eben angesprochenen offenen Probleme in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Häusliche Gewalt“ behandelt wurden. Außerdem haben das nordrhein-westfälische Innenministerium und das Sozialministerium angeboten, in Problemfällen zwischen dem jeweiligen Frauenhaus und der Kommune zu vermitteln, wenn es genau diese Schwierigkeiten bei der Finanzierung gibt. Auch wenn dies noch keine endgültige Lösung sein kann, macht das Engagement der Landesregierung doch deutlich, dass wir die Probleme der Frauenhilfeeinrichtungen sehr ernst nehmen.

Für den Fall, dass ein Bundesgesetz nicht bis Ende 2009 zustande kommt, wünscht sich Bündnis 90/Die Grünen, dann ein Ländergesetz zu schaffen, das allen von Gewalt betroffenen Frauen kostenlosen Zugang zu einem Frauenhaus und einer Beratungseinrichtung gewährt.

Frau Steffens, unabhängig davon, dass Sie uns in Ihrem Antrag darüber im Unklaren lassen, wie denn ein flächendeckender kostenloser Anspruch auf Zuflucht in ein Frauenhaus finanziert werden soll, gilt auch hier: Wir sollten weiter unserem Anspruch gerecht werden, seriöse Politik zu betreiben, und daher Fakten vorlegen, die man auch realisieren

kann. Es geht um komplexe finanzielle und administrative Fragen, die man nicht mal eben so aus dem Ärmel beantworten kann.

Die Anhörung im Deutschen Bundestag hat gezeigt, dass wir in Nordrhein-Westfalen über ein bundesweit vorbildliches Frauenhilfenetzwerk verfügen. Das ist dort ausdrücklich gewürdigt worden.

Alles in allem gilt: Es gibt rechtliche Defizite bei der Hilfe für von Gewalt bedrohte Frauen. Doch die abzuarbeiten, ist ein mühsamer Prozess, den man nicht mit einem Antrag eben einmal so aus der Welt schaffen kann. Wir brauchen an unterschiedlichen Einzelpunkten sehr viele Aktivitäten, an denen die Landesregierung arbeitet.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Laschet. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt noch einmal Frau Steffens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Pieper-von Heiden, es gibt Wortprotokolle über die Anhörung und die schriftlichen Stellungnahmen, die auch Sie sich aus dem Internet herausziehen und nachlesen können. Dann würden Sie vieles von dem, was Sie eben gesagt haben, so nicht mehr sagen, denn die Sachen sind faktisch schon belegt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Laschet, es ist schön, dass wir in NordrheinWestfalen 62 Frauenhäuser haben. Aber es wird jedem einleuchten, dass ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen mehr Frauenhäuser braucht als ein Bundesland wie Hamburg. Sie müssen das auf die Einwohnerzahl beziehen. Dann steht NordrheinWestfalen nicht mehr an der Spitze, sondern maximal noch im Mittelfeld, wenn überhaupt. Bezogen auf die Einwohnerinnen haben wir nämlich nicht viele Frauenhausplätze. Da könnten Sie den Ehrgeiz entwickeln und sagen: Wir wollen auch so gut werden.

Zur Ausstattung: Zum einen haben Sie die zweite Fachkraftstelle gestrichen, zum anderen den Frauenhäusern aber auch die Kostensteigerungen in Bezug auf Energie, Personal usw. aufgedrückt. Es gibt überhaupt keine Kompensation der Kostensteigerungen. Das ist unglaublich.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Letzter Punkt: Frau Westerhorstmann, natürlich gibt es auch einmal leere Plätze in Frauenhäusern. Mit Gewalt verhält es sich nun einmal so, dass sie nicht über das Jahr verteilt jeden Tag gleich ist. Es gibt Anlässe wie Heiligabend, Weihnachten und andere Festtage, an denen es statistisch gesehen vermehrt zu Gewalteskalationen kommt. In den Spitzenzeiten brauchen wir dann einfach mehr Plätze. Darüber,

dass es zwischendurch weniger Gewalt gibt, freuen wir uns. Es wäre aber kein Grund, von ausreichenden Plätzen auszugehen, weil ein paar Mal im Jahr Plätze leer sind.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Steffens. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7954 an den Ausschuss für Frauenpolitik. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf: