Protocol of the Session on October 15, 2008

Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. – Herr Finanzminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierung hat eine Redezeit von bis zu 15 Minuten. Ich möchte Ihnen daher in der Kürze der Zeit einige wesentliche Elemente vortragen.

Der Bundesfinanzminister hat gestern in den Verhandlungen der Länderfinanzminister mit ihm und dem Bundesfinanzministerium, also keine 24 Stunden, nachdem die Kabinettsvorlage verabschiedet worden war, von einer Notstandssituation gesprochen, in der es gilt, zusammenzustehen. Das kann man aus Sicht des Bundesfinanzministers auch verstehen, wenn man Beteiligungen der Länder einfordern will.

Ich bin dem Ministerpräsidenten des größten Landes der Bundesrepublik sehr dankbar, dass er sehr frühzeitig, nämlich am Montag, das Signal gesetzt hat, dass wir uns beteiligen werden, weil damit vermieden wurde, dass wir in Klein-Klein verfallen

(Ewald Groth [GRÜNE]: Blankoscheck!)

und das wiederholen, was in den USA geschehen ist, wo die Diskussion über das 700-MilliardenProgramm zu einem zumindest vorübergehenden Desaster geführt hat.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Rüdi- ger Sagel [fraktionslos])

Der Ministerpräsident hat erklärt: Das Rettungspaket der Bundesregierung ist ein richtiger Schritt und wird Wirkung zeigen. Es wird Vertrauen wieder herstellen. – Genauso ist es bisher gekommen. Er hat weiter ausgeführt: An diesem Paket werden sich auch die Länder beteiligen, wenn es nötig ist. – Darum geht es in diesen Tagen. Die Finanzminister der Länder haben nun zusammen mit dem Bundesfinanzminister die Aufgabe, möglichst bis morgen früh die Modalitäten sicherzustellen.

Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister hat von einer Wasserscheide gesprochen, die zwischen den Verhältnissen vor dem Fall von Lehman Brothers und den Verhältnissen danach unterscheidet. Ich finde das richtig, denn seitdem war

das Vertrauen kaputt. Es musste schon zu dieser Riesenanstrengung kommen, damit wieder Vertrauen wächst.

Die einzelnen Elemente hat der Ministerpräsident Ihnen kurz vorgetragen. Ich möchte Ihnen einmal den zeitlichen Ablauf verdeutlichen. Vor dem Hintergrund der Konferenzen in Washington und Paris sowie der Unterhaltungen und Diskussionen in Berlin ist eine EU-weite Abstimmung notwendig gewesen, um nicht wie beispielsweise Irland und Großbritannien isoliert vorzugehen. Gerade durch dieses Zusammenschmieden von Ideen, sicherlich in unterschiedlichen Ausprägungen in den einzelnen Ländern, ist, wie wir hoffen, seit Montag eine neue Welt entstanden.

Meine Damen und Herren, die Garantieausfälle, die der Bund finanzieren will, belaufen sich nach seiner Schätzung auf maximal 20 Milliarden €. Nach Vorstellung des Bundes sollen sich die Länder daran mit 35 % beteiligen. Das sind 7 Milliarden €. Jeder weiß, dass der Anteil unseres Landes daran etwa 20 % beträgt. Insofern sprechen wir bei diesem Paket über einen Eventualausfall von 1,4 Milliarden €. Abzurechnen ist das Ganze nach dem 31. Dezember 2009. Das heißt, dass wir, wenn man die schwedischen Erfahrungen zugrunde legt, über einen Zeitraum von fünf, sechs, sieben Jahren die Abrechnung dieses Fonds präsentiert bekommen. In Schweden ist es durch ein besonders gutes Management, durch besonders schnell eintretendes Vertrauen gelungen, ein positives Ergebnis aus diesem Fonds zu erwirtschaften. So weit möchte ich jedoch nicht gehen; ich will es nicht verharmlosen. Wir rechnen zunächst einmal mit Defiziten, aber es kann auch anders kommen.

Meine Damen und Herren, der Bund wird Kreditermächtigungen – so ist es im Gesetz nach § 9 vorgesehen – in Höhe von 70 Milliarden € und eine Erweiterung um 10 Milliarden € möglich machen. Das ganze Paket hat dann inklusive der 20 Milliarden € für Garantiezwecke einen Umfang von 100 Milliarden €. Ich bitte Sie aber, den Anteil nicht auf 100 Milliarden € zu berechnen, sondern auf die 20 Milliarden €, wie es auch der Bundesfinanzminister zu Recht vorgetragen hat.

Meine Damen und Herren, der Fonds läuft deshalb am 31. Dezember 2009 aus, weil der Staat nicht auf Dauer Banker sein, sondern lediglich vorübergehend die Entwicklung steuern will. Die damit verbundenen Auflagen hat Ihnen der Ministerpräsident vorgetragen.

Verteilt werden soll das Ganze nach Möglichkeit je zur Hälfte nach Einwohnerzahl und Bruttoinlandsprodukt eines Landes. Darüber kann man sicherlich diskutieren. Beide Maßstäbe sind für unser Land nicht die günstigsten, aber sie sind eigentlich allgemeingebräuchlich.

Die Liquiditätssicherung wird ebenfalls über die Bundesbank möglich gemacht. Sie wissen, dass eine Bereitstellung von Liquiditätshilfen geplant ist.

Kritikpunkte kann man sicherlich anführen. Vor allem § 13 wirft in diesen Stunden erhebliche Probleme auf. Es ist natürlich zu verstehen, dass ein Bundesfinanzminister zunächst einmal versucht, die ganze Hand zu nehmen, und zwar auch dann, wenn er mit der halben Hand zufrieden sein müsste. Ihm ist natürlich daran gelegen, die Risiken aus den Landesbanken die Länder selbst tragen zu lassen. So steht es in § 13 Abs. 3. Hinzu kommt eine Beteiligung für alles andere in Höhe von 35 %, also einmal 100 % und einmal 35 %. Das haben die Länder natürlich gestern abgelehnt.

Allerdings hat sich kein Land aus der Solidarität verabschiedet. Auch diejenigen, die am Montag noch etwas widerspenstig waren, haben eingesehen, dass bis Freitag dieser Woche das Paket geschnürt sein muss, weil wir sonst Gefahr laufen, wieder eine Diskussion zu bekommen, wie sie in Amerika stattgefunden und nicht zum Guten geführt hat. Alle sind entschlossen, das Ganze in diesem sehr verkürzten Zeitraum durch Sondersitzungen bis Freitag zur Verabschiedung im Bundesrat über die Bühne zu bringen.

Meine Damen und Herren, die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die WestLB AG sind dadurch, dass wir – als einzige bisher – den Schirm sehr frühzeitig, nämlich am 31. März dieses Jahres, fertiggestellt hatten, nicht so gravierend wie auf andere Landesbanken, von denen Sie jetzt auch hören. Die baden-württembergische beispielsweise möchte offensichtlich als erste in den Fonds hineinkommen.

Die Änderungen der Bilanzrichtlinien – der IFRS, also des Bilanzierungssystems – werden sehr wahrscheinlich heute durch die EU verabschiedet; heute findet die Konferenz auf EU-Ebene statt. Wir haben das Bilanzierungssystem ja vor allen Dingen für die Aktiengesellschaften im Konzern übernommen. Die Änderungen werden gerade für diejenigen, die keinen Schirm gebildet haben, die größte Erleichterung sein, weil sie ihre Papiere dann zu Einstandswerten bewerten können und nicht mehr zu den Werten bewerten müssen, die entweder gar nicht existieren oder aufgrund von Notsituationen als Marktpreise zustande gekommen sind. Dies wird dort besonders helfen, aber es hilft auch uns bei der WestLB.

Über die NRW.BANK hatten wir bereits gesprochen. Sie steht durch Anstaltslast und Gewährträgerhaftung besonders gut da. Durch die Lehman-Risiken, die dort aufgetaucht sind, rechnen wir damit, dass etwa 12 Millionen € ausfallen. Das wird keine Auswirkungen auf die Fördertätigkeit der NRW.BANK haben.

Meine Damen und Herren, Auswirkungen auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken – sie stehen in diesen Tagen besonders gut da – oder eine Kredit

klemme für den Mittelstand – so hat es auch die Kollegin Thoben noch einmal durch ihre Gespräche deutlich gemacht – sehen wir, jedenfalls zurzeit, nicht. Das Sparkassengesetz wird so weiter fortschreiten, wie wir es Ihnen angekündigt haben: Die Auswertung der Anhörung läuft, und wir werden die Gespräche mit den Beteiligten suchen, um das, was klarzustellen war, noch zu klären.

Ich ziehe ein vorläufiges Fazit, weil mir im Moment nicht mehr Zeit zur Verfügung steht.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Alle Zeit der Welt! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Sie können reden, so lange Sie wollen! – Hanne- lore Kraft [SPD]: Sie reden doch sonst auch länger! – Ewald Groth [GRÜNE]: Wir hören gerne zu!)

Sie hatten gestern auf 15 Minuten gedrängt. Wenn es Ihnen recht ist, führe ich gerne weiter aus.

Ich will ein vorläufiges Fazit ziehen: Die Beteiligung der Länder ist zu rechtfertigen; über den Anteil müssen wir uns in den nächsten 24 Stunden einigen.

Ich möchte auch gerne etwas zu den Haushaltsauswirkungen sagen: In den Jahren 2009 und 2010 wird es, ebenso wie im Bund, keine Haushaltsauswirkungen geben. Es wird keine Baransätze und keine Verpflichtungsermächtigungen geben, weil die Risiken nicht zu definieren sind, weil nicht vorhersehbar ist, ob am Ende des Jahres 2009 ein Defizit oder vielleicht ein Ertrag stehen wird. Die Etatreife ist weder für Baransätze noch für VEs eingetreten.

Meine Damen und Herren, wir werden uns sicherlich für die Zeit nach 2010 vorbereiten müssen. Ich bin dankbar für die positiven Signale für die Märkte, für die gute Aufnahme, die das Programm gefunden hat, was wir jetzt nicht durch kleinkariertes Kaputtreden gefährden dürfen, sondern wir müssen sehen, dass wir das in dieser Woche, bis Freitag, den 17. Oktober, durchbringen.

Auch zu den konjunkturellen Auswirkungen will ich kurz etwas sagen: Ich halte das Finanzmarktstabilitätsgesetz, das jetzt vorgelegt worden ist, für das beste Konjunkturprogramm.

(Beifall von der CDU)

Es ist besser als alles andere, was an kleinen Maßnahmen vorgetragen wird. Der Erfindungsreichtum ist ja besonders bei den Keynesianern immer sehr groß; das heißt, jeder hat das, was er schon immer einmal vortragen wollte, in der Krise als Programm parat.

Meine Damen und Herren, das „Ausschwappen“ der Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft – so bezeichnen wir das – ist das Gefährlichste überhaupt gewesen. Es könnte zu Auswirkungen auf den Haushalt 2009 kommen, wenn die Steuerschätzun

gen zurückgenommen werden müssten. Sie wissen, die Konjunkturforscher sind alle wieder unterwegs. Wenn Sie die Vergangenheit vor Ihrem geistigen Auge vorbeiziehen lassen, dann haben die sich aber auch sehr oft vertan. Die Zeitungsüberschriften gehen von minus 0,8 bis plus 0,2 % aus. Wenn konjunkturelle Auswirkungen eintreten, wird es sicherlich Anpassungen der Steuerschätzungen geben. Das werden wir im November durch die Steuerschätzer erfahren. Vorher irgendetwas zu veranlassen, wäre fahrlässig.

Wir gehen zurzeit von einem höheren Sockel bei den Steuereinnahmen aus. Die Steigerung der Steuereinnahmen per Ende September betrug 3,8 %, sodass wir dieses Jahr – ich wage die Prognose – wiederum so gut abschließen werden wie auch die vergangenen Jahre. Es sei denn, im Dezember käme ein Einbruch bei den Steuereinnahmen, was aber im Moment nicht zu erwarten ist, wenn sich ganz bestimmte Branchen vornehmen, die Steuervorauszahlungen anzupassen. Dies ist bei dem breiten Unternehmensmix, den wir in Nordrhein-Westfalen haben, sicherlich nicht so brisant wie in anderen Ländern.

Wenn dieses Programm nach einer schnellen Einigung greift, ist es aus meiner Sicht das beste Konjunkturprogramm, das wir vortragen können. Man sollte sich dann in Ruhe die Wirkungen in den nächsten drei, vier Wochen ansehen, um eventuell noch andere Schlüsse zu ziehen, falls sie erforderlich sind. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Finanzminister. – Das Wort hat jetzt Frau Kraft von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Krise der Finanzmärkte ist eine der größten politischen Herausforderungen der jüngsten Geschichte. Es gilt zu verhindern, dass die Finanzkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt. Es geht um den Erhalt von Unternehmen, von Arbeitsplätzen auch hier in NordrheinWestfalen. Und es geht um die Sicherheit von Sparkonten, von Einlagen.

Wir alle wissen: In der Wirtschaft ist Psychologie ein entscheidender Faktor. Das oberste Ziel lautet daher, jetzt durch schnelles, konzertiertes und entschlossenes Handeln für Vertrauen und damit für Stabilität zu sorgen. Darum hat die Bundesregierung in enger Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten der EU und den G7-Partnern diesen Rettungsplan entwickelt. Es ist ein in der Geschichte beispielloser, weltweiter Rettungsdamm, der gegen den Finanzmarkt-Tsunami aufgeschüttet wor

den ist. 2,5 Billionen € – diese Zahl macht deutlich, vor welcher Herausforderung wir stehen.

Wir sind hier heute zusammengekommen, weil die Krise der Finanzmärkte bei vielen Bürgerinnen und Bürgern eine erhebliche Verunsicherung und einen beträchtlichen Vertrauensverlust ausgelöst hat. Die Menschen erwarten jetzt, hier und heute, Antworten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ohne Antworten werden sie kein Vertrauen zurückgewinnen. Dieses Vertrauen in das weltweite Finanzsystem und die Arbeit der Banken ist aber wichtig, ja unerlässlich für eine langfristige Stabilisierung. Wir brauchen deshalb eine umfassende Antwort für den gesamten Finanzsektor. Dies hat derzeit aus unserer Sicht absolute Priorität.

Das Bundeskabinett hat einen umfassenden Maßnahmenplan zur Stabilisierung des Finanzmarktes, zur Sicherung der Kapitalversorgung und zur Absicherung der Sparer und Anleger beschlossen. Es handelt sich um das größte Rettungspaket, das jemals in unserer deutschen Volkswirtschaft geschnürt worden ist. Hierfür gebührt unser Dank der Bundesregierung und insbesondere dem Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der durch sein entschlossenes, beherztes und gradliniges Handeln hier das Richtige getan hat.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, um es klipp und klar zu sagen: Das Paket, das von der Bundesregierung geschnürt wurde, soll den Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit geben. Es ist kein Sicherungspaket für Banker, für Manager, die uns in die Bredouille geführt haben.

(Beifall von der SPD)

Zu diesem Rettungspaket gibt es auch keinerlei Alternative. Dieses Paket darf jetzt nicht zum Gegenstand von kleinlichem politischem Gezänk werden.

(Zurufe von der CDU)

Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass dies eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, also auch eine Aufgabe, an der sich die Länder beteiligen müssen. Allein ein solches gemeinsames Bekenntnis des Landtags rechtfertigt die heutige Sondersitzung.