Nun möchte ich einmal einen Bericht, den wir sicher alle akzeptieren, in Erinnerung rufen, nämlich den vom Landesrechnungshof aus dem Jahre 2000, Frau Löhrmann. Ich glaube, den sollten Sie auch akzeptieren. Ich zitiere einige Passagen aus dem Bericht des Landesrechnungshofs zum Jahre 2000:
Der Unterrichtsausfall an öffentlichen Schulen ist seit Jahren ein immer wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehendes Thema. Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht, denn der Unterrichtsausfall wird in Nordrhein-Westfalen nicht systematisch erfasst. Der Landesrechnungshof hat deshalb im Verlaufe des Jahres 1998 den Versuch unternommen, aussagefähige Daten über Umfang und Gründe des Unterrichtsausfalls an allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen zu erheben. Ziel der Untersuchung war es, die Größenordnung des Unterrichtsausfalls sowie die Gründe dafür festzustellen.
Von den insgesamt in die Untersuchung einbezogenen 511.000 Unterrichtsstunden waren 54.000 ausgefallen.
Das sind 10,6 %, meine Damen und Herren. Wenn wir Prozentrechnung beherrschen, können wir ausrechnen: Von zehn Jahren ist ein Jahr Unterricht ausgefallen.
Dabei bewegte sich die Bandbreite bezogen auf die Schulen insgesamt zwischen 3,5 % an einer Grundschule und 14 % an einer Gesamtschule sowie bezogen auf einzelne Schulklassen zwischen 2,3 % an einer Grundschule und 20,7 % an einer Hauptschule.
Nach Übersicht war der Unterrichtsausfall an den untersuchten Grundschulen mit 5,3 % am niedrigsten. Es folgten die Gymnasien, dann die Realschulen, Hauptschulen und schließlich die Gesamtschulen mit der höchsten Ausfallquote von 12,2 %.
Meine Damen und Herren, heute liegen wir bei 2 % Unterrichtsausfall. Damals waren es im Schnitt 10,6 %. Das ist die Realität. Diese Zahlen sprechen Bände und zeigen mehr als deutlich, welchen Stellenwert Sie den Schulen haben zukommen lassen. Es ist wirklich ein Skandal. Denn jahrelang haben Sie durch diese miesen Rahmenbedingungen die Bildungschancen Tausender junger Menschen geschmälert. Sie wissen ganz genau, dass gerade Kinder aus sogenannten bildungsfernen Elternhäusern hier die Verlierer waren und die Verlierer sind.
Ja, Herr Präsident. – Wir sind stolz auf dieses unter der Regie von Frau Sommer erzielte Ergebnis. Wir haben in drei Jahren noch nicht alles reparieren können, aber wir sind auf einem verdammt guten Weg. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Recker. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Steffens das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht ist es ja ganz gut, wenn man hier auch einmal den Blick einer Mutter, die Kinder in der Schule hat und sich sehr viel mit Eltern austauscht, mit in die Debatte einbringt.
Denn ich habe das Gefühl, es findet hier seit Beginn dieser Aktuellen Stunde in jedem Redebeitrag der Koalitionsfraktionen ein absolutes Schönreden statt. Ich dachte mir zwischendurch: So blöd können Eltern in Nordrhein-Westfalen überhaupt nicht sein,
(Lachen von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP] – Heike Gebhard [SPD]: Das ist überhaupt nicht lächerlich!)
Man erlebt, was die Realität in Schulen ist. Als Eltern erlebt man nicht abstrakte Statistiken, die schöngerechnet vorgelegt werden, sondern man erlebt, was passiert. Man erlebt, wie die Kinder in der Schule selbstbeschäftigt werden. Ich habe überhaupt nichts gegen selbstständiges Lernen. Das finde ich wunderbar. Aber wenn das selbstständige Lernen so stattfindet, dass Klassen unbeaufsichtigt sind und die Schüler sich mit irgendwelchen Dingen, die sie gerade in der Tasche haben, beschäftigen sollen, dann ist das Unterrichtsausfall.
Das taucht in Ihren Statistiken aber nicht auf. Ihre Statistiken sagen: Nur wenn das Kind nicht in der Schule ist, nach Hause geschickt wurde und für zu Hause nicht auch noch den Auftrag zum selbstständigen Lernen bekommt – denn auch das wird zum Teil nicht als Unterrichtsausfall gerechnet –, sondern zu Hause spielen darf oder sich selbst mit anderen Dingen beschäftigen kann, dann ist das Unterrichtsausfall. – Das kann doch nicht wahr sein!
Sie können sich hier gegenseitig stundenlang schönreden, wie toll die Ministerin ist und was sie alles erreicht hat. Aber das hat doch nichts mit dem zu tun, was in den Schulen passiert.
Einer meiner Söhne besucht gerade das Gymnasium und der andere die Grundschule. Was passiert in den Grundschulen? – Da sind Sie ja völlig klasse drauf. Bei den Grundschulen haben Sie nach einem Unterrichtsausfall in Höhe von 0,9 % dann durch die Sprachstandserhebungen 3,5 % gehabt, und jetzt sind Sie wieder bei 0,9 % und klopfen sich auf die Schulter und sagen: Toll, wir haben den Unterrichtsausfall wieder auf 0,9 % abgebaut! – Ja, mein Gott: Sie haben den aber doch vorher aufgebaut auf 3,5 %.
Erst bauen Sie ihn auf. Dann bauen Sie ihn ab. Dann feiern Sie das als Erfolg? – Frau Ministerin, das finde ich schon drollig. Das heißt ja, Sie bräuchten vor der Wahl nur in einem Jahr den Unterrichtsausfall ganz, ganz massiv hochzurechnen, und danach wären Sie die Königin des Ausfallreduzierens, wenn Sie Ihren selber produzierten Ausfall wieder reduziert hätten.
Aber auch, wenn man sich die anderen Punkte in der Statistik anschaut – Hauptschule, Realschule, Oberstufe –, gibt es dort einen Anstieg. Lesen Sie Ihre Statistiken nicht? Greifen Sie nur ein Schlagwort heraus und sagen: Wir haben Erfolg? Das ist
Sie stellen sich hier hin und erzählen, was alles nicht mehr stattfinden kann. Haben Sie eigentlich einmal mit Eltern geredet, wie viele Ganztagskonferenzen weiterhin stattfinden? Wie viel Unterricht an anderer Stelle ausfällt? Kriegen Sie das alles nicht mit? Reden Sie nicht mehr mit Eltern? Ist das für Sie ein abgeschlossenes Kapitel, weil Sie jetzt an der Regierung sind und nach dem Motto verfahren: Augen zu und durch – wir reduzieren den Unterrichtsausfall? So darf man Politik und Schulpolitik nicht machen, und so darf man mit Eltern in diesem Lande nicht umgehen.
Besser wäre es zu sagen: Ja, es ist verdammt schwer, Unterrichtsausfall zu reduzieren. Es ist ein Problem, weil auch Lehrer Menschen sind, die krank werden. Ja, Unterrichtsausfall findet statt. Damit muss man offensiv umgehen und schauen, wie man ihn an welchen Stellen reduzieren und wie man sinnvolle Unterrichtskonzepte gestalten kann, anstatt zu versuchen, den Menschen die Welt durch Schönreden irgendwie vorzugaukeln.
Wir haben hier im Landtag sehr viele Klassen zu Besuch. Reden Sie doch einmal mit den Schülern. Fragen Sie doch die Schüler, ob sie Unterrichtsausfall haben. Die würden mit dem Kopf schütteln, wenn Sie ihnen sagen: Bei euch fällt überhaupt kein Unterricht aus. – Die Schüler erleben das in diesem Land anders.
Herr Stahl – ich weiß gar nicht, wo er jetzt ist – hat eben in der Debatte dazwischen gerufen, wir würden nervös werden. Ich weiß nicht, warum man in der Opposition nervös werden soll, wenn Sie so eine Schulpolitik machen.
Wir werden überhaupt nicht nervös, wenn Sie versuchen, den Eltern zu erzählen, dass die Realität anders aussieht, als sie ist. Wir sind vollkommen entspannt, weil in Nordrhein-Westfalen Statistiken bei Landtagswahl noch nicht wahlberechtigt sind, aber Eltern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den intellektuellen Ausführungen, die Sie, Kollege Große Brömer, für die SPD in glorreicher und bekannter Art und Weise abgeliefert haben, muss man sicherlich nicht auf die Details des Gehalts Ihres Vortrages eingehen. Es mag sein, dass Sie, als Sie noch als Schulleiter in Ihrer Gesamtschule in der Verantwortung standen, so mit dem Thema Unterrichtsausfall umgegangen
sind. Das würde auch erklären, warum wir in den Gesamtschuloberstufen die höchsten Werte zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung gehabt haben.
Erstens. Jede Stunde Unterrichtsausfall in unserem Land ist eine Stunde zu viel. Deshalb müssen wir im Interesse der Kinder Unterrichtsausfall bekämpfen.