Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Folgen des demografischen Wandels haben wir hier im Niedersächsischen Landtag schon mehrfach besprochen. Was bisher fehlt, sind die richtigen Weichenstellungen. In einer älter werdenden Gesellschaft wird die Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen zum entscheidenden Thema. Die hausärztliche Versorgung ist das
Rückgrat unseres Gesundheitssystems. Der Ärztemangel ist seit Jahren absehbar, und dennoch haben Sie es versäumt, die Weichen richtig zu stellen.
Seit 2013 wird das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung von der SPD geführt, angefangen mit Cornelia Rundt, dann Carola Reimann, Frau Daniela Behrens und nun Sie, Herr Minister Philippi. Zwölf Jahre SPD-geführtes Sozialministerium, und die Weichen sind immer noch nicht richtig gestellt.
Aber jetzt, jetzt kommt der 10-Punkte-Plan für mehr Hausärzte. Wenn man bedenkt, welche Möglichkeiten der Weichenstellung Sie in der Vergangenheit hatten: Hat nicht Ihr Koalitionspartner von der CDU von 2018 bis 2021 den Bundesgesundheitsminister gestellt? Und ab 2021 war Ihr Parteifreund Karl Lauterbach Bundesgesundheitsminister. Und die Weichen haben Sie immer noch nicht richtig gestellt.
Es fehlen derzeit 549 Hausärzte, und da sind die zusätzlichen 80 Studienplätze für das Wintersemester 2026/2027 nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein - gerade wenn man bedenkt, wie lange so ein Medizinstudium dauert. Zunächst mal das Studium mit sechs Jahren, und dann anschließend die Facharztausbildung. Wenn man das zusammenzählt, dann könnte man jetzt also nach mehr als zehn Jahren mit zusätzlichen 80 ausgebildeten Allgemeinmedizinern aus dieser Maßnahme rechnen.
Bedenkt man weiter, dass das Durchschnittsalter der Kassenärzte bei 54,6 Jahren liegt und viele von ihnen in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand gehen, dann wird das mehr als deutlich: Sie haben die Weichen bisher nicht richtig gestellt.
In der Vergangenheit haben es sich die Verantwortlichen leicht gemacht und auf die Rationierung von Gesundheitsleistungen gesetzt - nicht zuletzt auch, weil man die Kostensteigerung eindämmen wollte. Aber in einer älter werdenden Gesellschaft ist es unverantwortlich, Gesundheitsdienstleistungen zu rationieren.
Schauen wir mal auf Ihren 10-Punkte-Plan, und schauen wir da mal auf die Landarztquote! Aufgrund des Staatsvertrages über die Hochschulzulassung ist eine Erhöhung der Landarztquote aktuell gar nicht möglich. Die Weichen haben Sie immer noch nicht richtig gestellt.
Oder nehmen wir die Förderung des Quereinstiegs für die Allgemeinmedizin - Fachärzte anderer Fachrichtungen. Nehmen wir mal als Beispiel einen Dermatologen. Dieser soll jetzt in 24 Monaten eine
Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner erhalten, eine Facharztausbildung, die sonst 60 Monate dauert. Wie gut sind diese Ärzte also nach 24 Monaten ausgebildet? Ich frage Sie. Auf jeden Fall nach Ihrem 10-Punkte-Plan gut genug, um in Gemeinden mit weniger als 30 000 Einwohnern praktizieren zu können, also auf dem Land.
Oder wie steht es mit der Idee der Entlastung durch Delegation? Andere Berufsgruppen wie Sanitäter, Pflegekräfte oder Praxisassistenten sollen zur Entlastung der Ärzte teilweise deren Aufgaben übernehmen, obwohl diese Gruppen nicht einmal selber Nachwuchskräfte finden. Die Weichen haben Sie immer noch nicht richtig gestellt.
Und dann - was Sie immer wieder anführen - Entbürokratisierung: Wenn Sie es damit ernst meinen würden, dann hätten Sie es schon längst umgesetzt.
Wir würden die Dokumentationspflichten massiv reduzieren, die Arbeitsbedingungen für die Ärzte erst einmal an den Kliniken verbessern, damit diese überhaupt die Facharztausbildung beenden und nicht vorher schon das Handtuch werfen.
Und als Drittes - den Punkt haben wir immer wieder auch in unserem Programm aufgeführt - die Entbudgetierung. So würden die Weichen richtig gestellt.
Vielen Dank, Frau Klages. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Dr.in Tanja Meyer zu Wort gemeldet. Frau Meyer, bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir haben in den vergangenen Monaten bzw. Jahren sehr viel über die Krankenhausreform gesprochen, und das ist auch gut so. Die stationäre Versorgung ist ohne Zweifel ein wichtiger Baustein in unserer Gesundheitsversorgung. Aber - das habe ich hier schon öfter gesagt - wir müssen den Wandel der Gesundheitsversorgung gestalten. Und das funktioniert nur, wenn wir das ganze System in den Blick nehmen.
Im System unserer Gesundheitsversorgung sind die Hausärzt*innen so etwas wie das Herz. Wir gehen dorthin, wenn wir einen Infekt haben oder wenn wir mit ihnen die verschiedenen fachärztlichen Konsile bei chronischen Erkrankungen abstimmen wollen. Bei ihnen laufen alle Informationen quasi wie in einer Zentrale zusammen. Dazu kommt, dass sie in der Regel so etwas wie Vertrauenspersonen für viele sind und das oft über Generationen hinweg. Die Aussicht, dass genau ihre Hausärztin bzw. ihr Hausarzt bald aufhören könnte, verbinden viele mit Sorge. Und das ist nachvollziehbar.
Gleichzeitig ist es verständlich, dass das klassische Modell der selbstständigen Hausärztin/des selbstständigen Hausarztes für viele als Arbeitsmodell nicht mehr passt. Diese Tätigkeit kennt keinen Feierabend, Mutterschutz und Elternzeit gibt es quasi nicht. Auch Teilzeit ist nur einer angestellten Ärztin/einem angestellten Arzt möglich. Gleichzeitig nimmt die Bürokratie zu viel Raum im Berufsalltag ein und gibt damit zu wenig Zeit für Patient*innen. Und dann sind da noch die digitalen Systeme, die im Arbeitsalltag oft nicht aufeinander abgestimmt sind. Kurz: Die Anforderungen im Berufsfeld verändern sich.
Dazu kommt, dass wir derzeit noch zu wenige nachkommende Ärzt*innen haben. Mit der 1 Million Euro aus der technischen Umverteilung im Haushalt dieses Jahres aus dem Gesundheitsministerium und den dauerhaften Geldern zur Erhöhung der Anzahl der Studienplätze aus dem Wissenschaftsministerium wird nun ein Portfolio an Maßnahmen zusammengestellt, um dem strategisch zu begegnen. Und das finde ich großartig.
Neben der notwendigen Stärkung alternativer Organisationsformen und dem Ausbau von telemedizinischen Angeboten möchte ich besonders hervorheben, dass die drei Universitätskliniken hier eine wichtige Rolle einnehmen. Durch die verbesserte Ausbildung von Allgemeinmediziner*innen und anderen akademischen Gesundheitsfachberufen an den drei Standorten schafft das Hoffnung auf eine möglichst große flächendeckende Versorgungssicherheit. Denn viele Absolvent*innen bleiben dort in der Nähe, wo sie studieren oder ihre praktische Ausbildung absolvieren.
Die Arbeit in multiprofessionellen Teams und - das ist das Besondere - die Ermöglichung der Delegation von Aufgaben sind Meilensteine in der Veränderung der Gesundheitsversorgung, die wirklich
sehr große Chancen mit sich bringen. Gleichzeitig müssen wir es schaffen, diese Fachkräfte in ausreichender Zahl auszubilden und diese dann auch im System zu halten. Und dazu gehören vor allen Dingen langfristige Perspektiven und gute Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir nicht mehr auf den Bund warten. Das könnten Sie ja, lieber Herr Holsten, jetzt auch im Grunde weiter selber voranbringen. Vorlagen haben Sie ja aus der letzten Legislatur. Nein, wir möchten selber handeln, und das ist gut so. Gerade die sektorenübergreifende Versorgung zu verbessern, ist bei einer Systemveränderung der Gesundheitsversorgung ein wichtiger Schritt. Und wir können hierbei auf verschiedene gute Modellvorhaben - wie etwa mein Lieblingsmodellvorhaben, die Gemeindenotfallsanitäter*innen bei uns im Landkreis - aufbauen und auch die Erfahrungen der Gesundheitsregionen mit einbeziehen.
Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, gute Vorhaben auslaufen zu lassen. Deswegen ist es gut, dass hier die verschiedenen Akteur*innen gemeinsam am Tisch sitzen und die Themen der langfristigen Finanzierungssicherheit von erfolgreichen Entwicklungen auch direkt mitdiskutiert werden.
Der 10-Punkte-Plan ist ein guter Anfang, um die Versorgung für die Menschen direkt vor Ort sicherzustellen und auch um den jungen Menschen gute Perspektiven im Gesundheitswesen zu bieten und diese zu schaffen.
Vielen Dank, Frau Dr.in Meyer. - Die Landesregierung hat sich interministeriell zu Wort gemeldet. Zuerst erteile ich das Wort dem Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Andreas Philippi. Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass wir eben so viel von „Weichen stellen“ gesprochen haben. Gott sei Dank arbeiten Sie nicht bei der Bahn. Das würde zur Katastrophe führen.
Meine Damen und Herren, Hausärztinnen und Hausärzte sind mehr als nur Mediziner. Sie sind Lotsen, sie sind Vertrauenspersonen, sie sind Koordinierende und oft der wichtigste gesundheitliche Anker für die Menschen in unserem Land. Doch diese tragende Säule gerät ins Wanken. Immer mehr Praxen finden keine Nachfolge, Hausarztstellen bleiben unbesetzt, vor allem im ländlichen Raum.
Das können und das wollen wir uns nicht leisten. Wir brauchen neue, mutige Ansätze, um diesen Trend zu stoppen. Genau hier setzt unser Aktionsplan an. Wir drehen an allen wichtigen Stellschrauben: am Studium, an der Weiterbildung und an der Praxis. Denn nur wenn wir die gesamte berufliche Laufbahn in den Blick nehmen, können wir den Hausarztberuf nachhaltig stärken.
Erstens. Wir brauchen mehr Generalistinnen und Generalisten im System. Hausärztinnen und Hausärzte sind besonders wichtig, weil sie eine Gatekeeperfunktion einnehmen und die Menschen durch den Versorgungsdschungel lotsen. Deshalb fördern wir im Praktischen Jahr, dem PJ, gezielt das Wahltertial „Allgemeinmedizin“. Denn wer früh die Vielseitigkeit dieses Berufs erlebt, entscheidet sich eher für eine Zukunft in der Hausarztpraxis.
Zweitens. Wir wollen gezielte Anreize für den ländlichen Raum setzen. Die Landarztquote mit 60 Studienplätzen pro Jahr ist ein Riesenerfolg: pro Platz fünf Bewerber. Jetzt ergänzen wir sie durch ein Mentoringprogramm. Persönliches Mentoring, regionale Netzwerke und praxisnahe Workshops machen den Weg in die Landarztpraxis wesentlich attraktiver.
Drittens. Hausärztinnen und Hausärzte brauchen Verstärkung. Die steigende Arbeitslast in überlaufenen Praxen macht den Beruf deutlich unattraktiver. Das werden wir ändern. Neue Assistenzkräfte wie Physician Assistants können viele Aufgaben übernehmen. Wir starten hierzu ein Modellprojekt mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen. Mehr Zeit zum Behandeln - das ist unser Ziel.
Diese Maßnahmen starten jetzt. Weitere sind in Vorbereitung. Entbudgetierung und Honorarreform, gerade auf Bundesebene beschlossen, ergänzen unsere Pläne an dieser Stelle perfekt. Sie bringen mehr Planungssicherheit für Hausarztpraxen, reduzieren Bürokratie und setzen Zeit für Patientenversorgung frei.
Niedersachsen geht also voran. Wie schon mit unseren sektorenübergreifenden Regionalen Gesundheitszentren, den Level-1i-Krankenhäusern, und unseren Regionalen Versorgungszentren setzen wir erneut bundesweit Maßstäbe. Mit innovativen Lösungen zeigen wir, wie moderne Hausarztversorgung funktioniert.
Meine Damen und Herren, ein solch ambitionierter Plan gelingt nur durch starke Zusammenarbeit. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben wir es geschafft, hier gemeinsam zu arbeiten. Mein herzlicher Dank gilt deshalb auf diesem Weg allen, die mit uns gegangen sind: der Ärzteschaft, den Universitäten, den Krankenkassen und dem Wissenschaftsministerium. Diese Gemeinschaftsleistung zeigt, was möglich ist, wenn alle wollen und wenn alle an einem Strang ziehen.
Vielen Dank, Herr Minister. - Für die weitere Redezeit der Landesregierung erteile ich das Wort dem Wissenschafts- und Kulturminister Falko Mohrs. Bitte schön, Herr Mohrs!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen also, wie wichtig uns dieses Ziel ist und von welch übergreifender Bedeutung es ist, dass wir dieses Ziel erreichen können.
Herr Holsten, ich muss Ihnen eindeutig sagen: Sie haben es nicht verstanden. Denn im Gegensatz zu Ihnen ist es dieser Landesregierung gelungen, die Studienanfängerplätze in Oldenburg aufzustocken, meine Damen und Herren,
auf 200, die dort beginnen werden. Wir haben es geschafft, das Geld für die Universitäten dauerhaft fortzuschreiben. Wir haben es geschafft, endlich die überfälligen Mittel für Baukosten bereitzustellen. Wir haben es geschafft, die Mittel für die Krankenhäuser zur Verfügung zu stellen. Das heißt, wir wollen nicht nur, sondern wir haben - und das ist richtig, meine Damen und Herren.