Meine Damen und Herren, das Ziel der Inklusion - um auch das sehr deutlich zu sagen - liegt uns sehr am Herzen. Aber wir werden diesem Ziel nur näherkommen, wenn wir offen und ehrlich darüber reden, was bei der Inklusion gut läuft, aber natürlich auch darüber, was dabei nicht gut läuft.
Wir sind den vielen Lehrerinnen und Lehrern dankbar, die in unserem inklusiven Schulsystem als wahre Superhelden agieren, weil sie sich aufopferungsvoll auch um die Kinder mit Förderbedarf kümmern.
Aber wir brauchen eben auch Entlastungsmaßnahmen, um diese Lehrkräfte nicht zu verbrennen; denn die aktuellen Rahmenbedingungen stimmen nicht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, heute geht es sehr, sehr konkret um die Schülerinnen und Schüler, die im Sommer eine Förderschule Lernen besuchen wollen. Noch ist es nicht zu spät, noch können Sie zurück. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten versucht, Ihnen eine Brücke zu bauen.
Wenn Sie heute Ihre parteipolitische Ideologie mal hintanstellen, wenn Sie heute vielleicht mal das unterstützen, was auch kommunale Vertreter der SPD und der Grünen immer wieder predigen! Ich spreche genauso diejenigen Mitglieder dieses Parlaments an, die auf kommunaler Ebene, im Kreistag oder in Podiumsdiskussionen immer wieder gesagt haben, dass sie das ganz anders bewerten und dass sie den Fortbestand der Förderschule Lernen unterstützen würden. Allen voran Wirtschaftsminister Olaf Lies in Friesland! Dort wird immer wieder gesagt: „Wir wären eigentlich dafür, die Förderschulen weiterlaufen zu lassen, aber wir haben im Parlament und in unserer Partei dafür keine Mehrheit.“
Ich sage das in aller Deutlichkeit, weil das auch eine Frage der Glaubwürdigkeit ist. Sie können den Menschen nicht auf der kommunalen Ebene erzählen, dass Sie dafür sind, und gleich bei der Abstimmung gegen den Erhalt der Förderschulen votieren! Das ist nicht glaubwürdig, und das stärkt nur die Politikverdrossenheit. Gerade diejenigen, die sich vor Ort für den Erhalt ausgesprochen haben, sollten das gleich auch bei der Abstimmung hier im Parlament so tun.
Frau Präsidentin, der letzte Satz: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, heute ist die letzte Chance! Es ist noch nicht zu spät. Gehen Sie in sich! Es geht heute bei dieser Frage nicht um Parteipolitik, sondern es geht um Tausende von Kindern und Jugendlichen, denen wir den Besuch der Förderschule und damit auch die Chancen auf eine gute Förderung ermöglichen wollen.
Wir fordern Sie auf, und wir bitten Sie inständig, in sich zu gehen und darauf zu hören, was viele Eltern und Kinder in den letzten Monaten versucht haben, Ihnen mit auf den Weg zu geben. Lassen Sie uns diese letzte Chance heute gemeinsam nutzen!
Herzlichen Dank, Herr Fühner. - Der Abgeordnete Watermann hatte sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben das Wort. Da Herr Fühner die Redezeit überschritten hat, gebe ich Ihnen zwei Minuten.
(Sebastian Lechner [CDU]: Anderthalb Minuten! Das können Sie nicht ändern, das steht so in der Geschäftsordnung!)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich glaube, ich war eben sehr großzügig zu Ihrem Kollegen. Ich habe ihn nicht unterbrochen und habe ihn ausreden lassen. Aber Herr Watermann wird das auch in anderthalb Minuten schaffen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann nur der eine solche Rede halten, der Lernbehinderung und andere Beeinträchtigungen nicht auseinanderhalten kann.
Ich sage Ihnen: Ich bin Betroffener, ich bin Legastheniker, deshalb kann ich eh frei reden. Ich war davon betroffen, dass ich an eine Sonderschule, wie das damals noch hieß, abgeschoben werden sollte.
Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Gucken Sie aus den Augen der Kinder, und nicht der Eltern!
(Zuruf von der SPD: Genau! - Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Carina Hermann [CDU]: Sprechen Sie mit ihnen, die sind hier!)
Eine Lernbehinderung berechtigt keine Förderschule oder Sonderschule, das sind andere Beeinträchtigungen.
Danke, Herr Watermann. - Wir können uns jetzt wieder ein bisschen beruhigen. Herr Watermann hat genau 44 Sekunden gebraucht. Herr Fühner, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrter Kollege Watermann, ehrlicherweise bin ich Ihnen für diesen Wortbeitrag sogar sehr dankbar, weil er offenlegt, dass Sie sich mit der Situation, die wir im Moment in Niedersachsen haben, in keinster Weise auseinandergesetzt haben
Es geht darum, für diejenigen die Wahlfreiheit zu ermöglichen, die im inklusiven Schulsystem nicht zurechtkommen, die nicht mehr schlafen können, die Bauchschmerzen haben, die gemobbt werden. Es geht darum, denen einen Raum zu geben,
in dem sie gefördert werden: in kleinen Klassen, in kleinen Gruppen mit gut ausgebildeten Förderschullehrkräften, mit großem Know-how und viel Erfahrung.
Herr Watermann, ich empfehle Ihnen dringend, eine Förderschule Lernen zu besuchen, damit Sie diesen Sachverhalt vernünftig verstehen.