Protocol of the Session on March 22, 2023

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wir stimmen über den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung ab. Wer der Beschlussempfehlung folgen und den Gesetzentwurf mit Änderungen annehmen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig.

Die beiden folgenden Tagesordnungspunkte rufe ich vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zum Fortbestand der Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen - Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 19/115 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - 19/896 - Schriftlicher Bericht - Drs. 19/913

Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratung: Erhalt der Förderschulen mit Förderschwerpunkt Lernen - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 19/110 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 19/852

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, sowohl den Gesetzentwurf als auch den Antrag abzulehnen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen jetzt zur Beratung. Als Erster hat sich der Abgeordnete Fühner von der CDU-Fraktion gemeldet.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser vorliegender Gesetzentwurf dient der Fortführung der Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit festgestelltem sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf in den Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen.

Es ist ein zugegebenermaßen kleiner Gesetzentwurf, der auf den ersten Blick nur vergleichsweise wenige Menschen betrifft und der auch nur für wenige Menschen etwas ändern würde.

Bei der heutigen Abstimmung geht es aber auf den zweiten Blick um viel mehr - für Tausende Schülerinnen und Schüler, für Tausende Eltern und für Hunderte Lehrkräfte in Niedersachsen. Es geht um die Frage, ob wir ihre Anliegen, ihre Situation und ihre Sorgen ernst nehmen.

Es geht um die Frage, ob wir eine bestehende Schule, ob wir bereits bestehende, funktionierende Systeme erhalten möchten. Und es geht auch um die Frage, ob wir für mehrere Tausend Schüler gute Bildungschancen ermöglichen wollen.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, es geht heute zentral um die Frage, ob wir Bildungspolitik aus dem Blickwinkel unserer Kinder machen!

(Beifall bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetzentwurf geht es nicht um alle Kinder, sondern es sind die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, die richtig große Probleme haben, insbesondere im inklusiven Schulsystem - Kinder, die auf eine Förderschule wechseln, weil sie sich in der Schule nicht wohlfühlen, weil sie trotz vielleicht guter Systeme der Schulsozialarbeit, trotz der Schulbegleitung nachts nicht schlafen können, weil sie immer noch systematisch gemobbt werden.

Es geht um Kinder, die Angst haben, am nächsten Tag in die Schule zu gehen, um Kinder, die sich zurückziehen, um Kinder, die in ihrem Schulsystem keine Freunde finden.

Es geht auch um Situationen, dass Eltern nicht mehr wissen, wie sie in dieser Lage mit ihrem Kind noch umgehen sollen.

Man mag sich gar nicht vorstellen, wie grausam ein Schulalltag sein kann, wenn ein Kind ausgeschlossen und gemobbt wird, weil es Schwächen in der Wahrnehmung, in der Auffassungsgabe hat, weil es bei bestimmten Fragestellungen etwas länger braucht. Ja, mir läuft es da wirklich eiskalt den Rücken runter. Man bekommt auch Gänsehaut, wenn man sich an die Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern an den Förderschulen zurückerinnert, die von diesen leidvollen Erfahrungen berichtet haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, um genau diese Menschen geht es bei der heutigen Abstimmung!

(Beifall bei der CDU)

In den letzten Monaten ist über diese Frage sehr viel diskutiert worden. Viele Förderschulen in Niedersachsen haben eingeladen. Die Elternverbände haben eingeladen. Podiumsdiskussionen haben stattgefunden. Eingaben sind gemacht worden. Die Eltern haben sich an uns, an ihre Abgeordneten vor Ort, gewendet.

Wenn Sie diesen Eltern und den Schülern zuhören - zu einigen möchte ich sagen: wenn Sie ihnen zugehört hätten -, dann würden Sie niemals auf die Idee kommen, diese Schulen zu schließen und den Kindern etwas zu rauben, was ihnen lieb und teuer ist, ihnen etwas zu rauben, was ihnen Halt gibt, ihnen etwas zu rauben, was Stabilität bringt und in der Vergangenheit Generationen von jungen Menschen eine gute Zukunftsperspektive ermöglicht hat.

Wenn man den Betroffenen zuhört, dann kann man nicht dafür sein, die Förderschulen zu schließen!

(Beifall bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben Ihnen bei der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs im November eine Brücke gebaut. Wir haben Sie aufgefordert, einfach auch mal zuzuhören und sich mit den Betroffenen auseinanderzusetzen.

Wissen Sie, was mich wirklich ärgerlich macht, wo ich wirklich wütend werden kann? - Dass Sie genau das nicht gemacht haben! Dass Sie den vielen Menschen, die auf Sie zugekommen sind, nicht zugehört haben. Dass Sie unseren Antrag auf eine Anhörung der Betroffenen in dem Ausschuss, der über diese wirklich wichtige Frage entscheiden soll, einfach weggebügelt haben.

Wissen Sie, wie ich das nenne? - Das ist Ignoranz, und das ist Arroganz, die Sie hier an den Tag legen!

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der AfD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der SPD, wir als Opposition können so etwas aushalten, wir können damit gut umgehen. Aber die Kinder und die Eltern in diesem Land haben das nicht verdient!

(Beifall bei der CDU)

Ich will hier auch ganz bewusst die Kolleginnen und Kollegen ansprechen, die ich von dem Vorwurf der Ignoranz und Arroganz ausnehmen möchte. Einige haben sich gestellt - in Rotenburg, in Cloppenburg, in Lüneburg, in Salzgitter, um nur einige Beispiele zu nennen - und waren auf Podiumsdiskussionen, die für sie mit Sicherheit nicht einfach gewesen sind.

Aber wenn man in den Zeitungen liest oder auch von den Kolleginnen und Kollegen hört, was dort gesagt worden ist: Da wird von „Schulrevolution“ gesprochen. Man will dafür Sorge tragen, dass es kleinere Klassen gibt, man möchte mehr Personal, man möchte neue Konzepte entwickeln, man

möchte ein System verändern. So sagen es die Grünen. - Aber wenn bei der Unterrichtung durch die Landesregierung dann nur noch darauf verwiesen wird, dass man ja schon gute bestehende Strukturen hat, dann bleibt von Ihrer „Schulrevolution“, Frau Nzume, nicht mehr besonders viel übrig.

Frau Ministerin Hamburg, im Ausschuss haben wir bei Ihrer ersten Rede, mit der Sie sich vorgestellt haben, über das Thema Förderschulen gesprochen. Wir haben Sie gefragt, was Sie denn für die Kinder tun wollen, die in Zukunft nicht mehr zur Förderschule gehen können. Ihre Antwort war, dass Sie überlegen, Ombudsstellen einzurichten. Ich habe erst gedacht, ich hätte mich verhört. Ombudsstellen sollen die Antwort sein für die vielen Tausenden von Schülerinnen und Schülern, die diese Schulform nicht mehr besuchen können? Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein? Das ist ein bisschen dünn.

Wir brauchen multiprofessionelle Teams an den Schulen. Wir brauchen mehr Konzepte und mehr Personal, das sich um diese Menschen kümmert. Im Nachtragshaushalt ist davon leider nichts zu finden. Auch im zweiten Nachtragshaushalt, in den Sie das hätten einstellen können, ist davon nichts zu finden.

Gerade diese jungen Menschen brauchen Raum. Sie brauchen geschultes Personal, damit sie eine gute Perspektive haben. Wir fragen Sie: Wie wollen Sie das in Zukunft gewährleisten? Bisher gibt es darauf keine Antworten.

(Beifall bei der CDU)

Herr Fühner, dürfte ich Sie kurz unterbrechen? Lassen Sie eine Kurzintervention des Abgeordneten Watermann zu?

(Ulrich Watermann [SPD]: Danach! - Ulf Thiele [CDU]: Kurzintervention? - Sebastian Lechner [CDU]: Das ist nur eine Zwischenfrage!)

- Danach, gut.

Wenn Herr Watermann eine Frage stellen wollte, würde ich sie zulassen.

(Ulrich Watermann [SPD]: Nein! - Wi- ard Siebels [SPD]: Wir haben keine Fragen an Sie!)

Gut, dann führen Sie weiter aus!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch auf die Elternwünsche eingehen. Die Elternwünsche sind bei diesem Thema sehr klar formuliert. Viele Menschen sprechen sich ganz bewusst für die über 60 Förderschulen in diesem Land aus - immer dann, wenn es zu schlechten Erfahrungen im inklusiven Schulsystem gekommen ist. Ja, es waren für Eltern keine leichten Entscheidungen, ihr Kind in eine Förderschule zu geben. Aber dieser Elternwille, der in diesem Land noch vielfach besteht, wird von Ihnen mit Füßen getreten!

Gleich wird Herr Politze sagen: Das Argument der Wahlfreiheit - so hat er es im Ausschuss gesagt - gilt ohnehin nicht mehr, weil etliche Landkreise diese Schulform schon nicht mehr haben. Wissen Sie, Herr Politze, das ist genau das Problem in Ihrer Denke: Es geht hier gar nicht darum, dass wir den Landkreisen vorzuschreiben haben, wie sie mit dieser Schulform umgehen. Sie wollen den Landkreisen von oben herab verbieten, diese Schulform weiterzuführen.

Wir haben immer gesagt: Wenn die Eltern und die Schüler diese Schulform nicht mehr ansteuern und Landkreise sich entscheiden, diese Schulform zu schließen, dann ist das in Ordnung. Aber es ist nicht Aufgabe dieses Parlaments, es von oben herab zu diktieren, zumal der Elternwille in dieser Diskussion mehr als deutlich geworden ist.

(Beifall bei der CDU)

Es geht hier nicht darum, dem Elternwillen flächendeckend nachzukommen, sondern es geht - das habe ich eingangs gesagt - um die Perspektive unserer Kinder. Wir fordern Sie auf, das Kind als Individuum zu betrachten, mit seinen eigenen Problemlagen und seinen Nachhol- und Unterstützungsbedarfen.

Wenn Sie diesen Gesetzentwurf heute ablehnen, dann versündigen Sie sich an diesen Kindern, die diese Chancen in Zukunft nicht mehr haben -

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und das einzig und allein aufgrund Ihrer ideologischen schulpolitischen Vorstellungen. Das ist nicht akzeptabel, das ist nicht in Ordnung!

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der AfD)