Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen eine vorausschauende Verkehrspolitik und Veränderungen bei der Mobilität. Es ist natürlich das Anliegen der CDU-Fraktion, alle dazu notwendigen Anstrengungen zu unternehmen. Warum allerdings der vorliegende Antrag diesem Ziel nicht gerecht wird, ist bereits in der ersten Lesung hier im Parlament und ebenfalls in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses und des Finanzausschusses deutlich geworden. Deshalb lehnt die CDU-Fraktion diesen Antrag auch ab.
Die Schwachpunkte des Antrags, insbesondere der Mobilitätsprämie, sind erstens eine falsche Problemanalyse, zweitens eine Verfehlung der eigentlichen Zielgruppe und drittens der völlig willkürlich gewählte Förderbetrag.
Erstens: falsche Problemanalyse. Wer eine Prämie für den Kauf eines Fahrrades oder eines ÖPNVTickets ausschütten möchte, der vermutet das Problem bei mangelnden finanziellen Ressourcen auf der Nachfrageseite. Doch die Corona-Krise hat gezeigt, dass genau dort kein Förderbedarf besteht.
(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Er kann sie doch erst ausreden lassen! - Hel- ge Limburg [GRÜNE]: Was? Zwi- schenfragen kann es doch geben!)
Sie haben gerade formuliert, wir hätten mit diesem Antrag eine falsche Problemdarstellung vorgenommen. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Es gibt für eine Mobilitätsprämie eine breite zivilgesellschaftliche, wissenschaftliche und auch wirtschaftliche Unterstützung, während man dort eine Kaufprämie für Autos ablehnt. Muss ich jetzt aufgrund Ihrer Aussage schlussfolgern, dass auch die Wirtschaft und die Wissenschaft völlig verkehrt liegen und am Problem vorbei argumentieren?
Lieber Kollege Schulz-Hendel, lassen Sie mich einfach weiter ausführen. Dann werden Sie hören, was ich mit meiner Aussage bezwecke.
Wir haben also festgestellt, dass es im Bereich der Fahrradbranche keine Notwendigkeit gibt, mit finanziellen Mitteln zu unterstützen, weil diese Branche ganz besonders boomt und gerade unter Corona ganz besonders boomt und dass die Händler der Nachfrage oftmals gar nicht nachkommen können.
Lieber Herr Schulz-Hendel, in einen boomenden Markt muss man nicht noch Millionen Euro hineingeben, womit man letztlich sehr viele Steuergelder verbrennt. Die Anregung, die Sie geben, ist wirtschaftspolitisch höchst zweifelhaft.
Auch beim Kauf von BahnCards bestehen durch die Senkung des Mehrwertsteuersatzes bereits ganz deutliche Kaufanreize.
Das Thema Carsharing ist bereits Inhalt eines Antrages von SPD und CDU. Das werden auch Sie mitbekommen haben.
Und auch der ÖPNV wird kaum von dieser Prämie profitieren; denn wer aktuell Angst vor einer Infektion hat, der wird die Öffis meiden. Da geht es nicht darum, dass er nicht das Geld für eine Monatskarte hat, sondern darum, dass er Sorge hat, sich zu infizieren.
Kaufanreize für Lastenfahrräder gibt es bereits, und zwar durch Förderprogramme des Bundes, und es gibt auch kommunale Förderprogramme. Und auch im Rahmen unseres Radwegesonderprogramms ist eine Landesförderung geplant.
Es gibt bessere Wege, den Radverkehr zu fördern. Das Stichwort ist hier „Infrastrukturpolitik“. Durch SPD und CDU werden Haushaltsmittel in historischer Höhe für den Bau und die Sanierung von Radwegen an Landesstraßen bereitgestellt.
Auch den Kommunen stehen mehr finanzielle Mittel für die Realisierung von Radwegen zur Verfügung. Herr Kollege Schulz-Hendel, als Sie in Regierungsbeteiligung waren, war das leider nicht so erfolgreich.
Zweitens: Zielgruppe verfehlt. - Bei Einbringung des Antrags wurde argumentiert, die Prämie helfe vor allen Dingen Menschen mit niedrigem Einkommen; denn für sie sei der Erwerb eines Monatstickets oder eines Fahrrades finanziell nicht leistbar. Dieser Argumentation fehlt die Grundlage. In Ihrem Antrag ist kein Wort von der Kopplung der Mobilitätsprämie an eine Einkommensgrenze zu lesen. Ihr Antrag öffnet Mitnahmeeffekten Tür und Tor. Ein vernünftiger Umgang mit Steuergeldern geht anders.
Drittens: Umfang des Förderbetrages. - Der Umfang der geplanten Subvention lässt aufhorchen. 80 Millionen Euro - das klingt viel. Doch wenn jeder den von Ihnen geplanten Höchstbetrag von 800 Euro abruft, dann würde gerade einmal etwas mehr als 1 % der Niedersachsen von dieser Prämie profitieren. 99 % gingen leer aus.
Das Gegenargument, das Sie eben auch wieder gebracht haben, es handele sich um einen Einstieg - es sei nur ein Einstieg in diese Thematik -, ist ein schlechtes Argument. Denn dieses Argument kann von jedem zu jeder Zeit in jede Debatte eingebracht werden. Sie sollten Ihre Vorschläge zur Verkehrspolitik in diesem Lande besser bis zu Ende denken. Denn sonst, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, entsteht der Eindruck, dass es nicht zuerst um die Erarbeitung eines ausgegorenen Vorschlags zur Regierungspolitik geht, sondern eher um eine Tarnung von PR-Maßnahmen für Ihre Partei unter dem Deckmäntelchen einer Mobilitätsprämie.
Die FDP hat Ihnen in der letzten Debatte geraten, den Finanzminister gemäß der Harry-Potter-Reihe mit einem Ausdehnungszauber zu belegen, damit das Geld für alle reicht. Vielleicht unterstützt da noch der Lumos-Zauber. Mit ihm kann man Licht ins Dunkel bringen, und vielleicht geht damit auch dem einen oder anderen Verkehrspolitiker der Grünen ein Licht auf - für gute Ideen für Klima und Verkehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Erst am 4. September haben wir im Ausschuss zum wiederholten Male festgestellt, dass es auffällig viele Fraktionsanträge gibt, die im parlamentarischen Kreislauf für lange Zeit verschwinden. Wir feiern viele erste und sogar zweite Geburtstage. Die Regierungsparteien SPD und CDU haben den Parlamentsbetrieb lähmende Mehrheiten und nutzen hier Ihre Machtbasis. Aber manchmal - und das passiert bei Anträgen, die vielleicht nicht ganz so durchdacht sind, so wie dieser hier - geht das ganz schnell. Geradezu in Windeseile wird unser Haus in wenigen Minuten einen Antrag der Grünen ablehnen, der erst am 22. Juni 2020 das Licht dieser Welt erblickte.
Ablehnung erfährt er aus gutem Grund. Auf kalkulatorisch aberwitziger Basis wollen Sie von den Grünen mit Ihrem Antrag den Ab- und Umsatz bei Fahrrädern und ÖPNV-Karten steigern. Kern Ihres Antrages ist aber nicht die Förderung der Wirtschaft. Im Gegenteil: Sie nutzen die Corona-Wirtschaftskrise, damit Sie die von Ihnen gewünschte und propagierte Verkehrswende, nämlich die Abkehr vom motorisierten Individualverkehr, umsetzen können. Sie möchten also quasi im Windschatten der Corona-Krise Ihre politischen Ziele hier durchsetzen.
Verstehen Sie endlich: Niedersachsen ist strukturell ein einziger ländlicher Raum, vielleicht bis auf die großen Zentren Braunschweig, Hannover, Wolfsburg und noch ein paar andere Städte. Aber dazwischen haben wir viel Fläche. Das wissen
Sie haben hier noch einmal gesagt: Verbrennungsmotor ist nicht. - Die Wertschöpfung in Niedersachsen geschieht zum größten Teil in der Automobilindustrie. Das sollte Ihnen bewusst sein, auch wenn Sie bei den Grünen sind.
Die Menschen in unserem Land sind auf den Individualverkehr schlicht angewiesen, weil sie in die Mittel- und Oberzentren zur Arbeit pendeln und auch in der Freizeit flexibel unterwegs sein wollen. Auto, Rad, ÖPNV - das alles gehört gleichberechtigt dazu und in ein ausgewogenes Verkehrskonzept. Wir dürfen und wollen nicht die Fortbewegungsmittel gegeneinander ausspielen, Herr Kollege.
Fahrradhersteller sind übrigens - das wurde hier schon mehrfach gesagt - die deutlichen Profiteure dieser Corona-Krise. Mit 95 Punkten sind die Fahrradeinzelhändler laut ifo-Geschäftsklimaindex vom 20. August - das ist noch gar nicht so lange her - derzeit die zufriedensten unter den Händlern. Das müssten auch Sie in Ihrer Ideologie-Burg langsam mitbekommen haben.
Sie zeigen mit Ihrem Antrag eine Wirtschaftspolitik nach sozialistischem Muster auf, die wir als marktwirtschaftlich orientierte Partei ablehnen. Mit Blick auf die CDU, die den Grünen ja offenbar - zumindest im Bund - immer näher kommen will, möchte ich das einmal deutlich hervorheben.
Ihr Antrag ist auch haushaltspolitisch unsinnig. Ich bin gespannt, ob ich Ihre gewünschten 80 Millionen Euro in den kommenden Haushaltsanträgen wiederfinden werde oder ob Sie Ihren unausgegorenen, populistischen Antrag nach erfolgter Ablehnung von selbst in die Schublade des Vergessens stecken.
Ach ja, populistisch. Liebe Grüne, liebe SPD-Fraktion, Populismus haben Sie sich in Bezug auf diesen Antrag gegenseitig vorgeworfen. Sie erinnern sich. Ich habe ein wenig gegrinst. Entschuldigen Sie bitte!
Überdies arrangieren die Grünen alles auf Kosten der Mitmenschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Auch das wurde hier gesagt. Denn dreimal dürfen Sie raten, wer die gewünschte Prämie - ich sage es mal so salopp - zuerst abgreifen würde. Die Investitionsstärkeren unter den Mitbürgern, also diejenigen, die die Prämie am wenigsten nötig hätten!
Liebe Grüne, Sie haben wieder Ihren ideologischen Tunnelblick und wollen an der falschen Stelle fördern - und dann auch noch die, die es am wenigsten benötigen. Das ist Verschwendung von Steuergeld an der völlig falschen Stelle.
(Helge Limburg [GRÜNE]: An welcher Stelle sollte man Steuergelder denn dann verschwenden, finden Sie?)