Protocol of the Session on July 15, 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Euphorie über grünen Wasserstoff will ich nicht verhehlen, dass die Realisierung einer halbwegs auskömmlichen Menge nachhaltigen Wasserstoffs uns allen noch einiges abfordern wird. Dieser Aufwand wird sich in einer massiven politischen Unterstützung und Bewerbung, aber gleichzeitig auch in einer Sicherstellung enormer Investitionen zeigen.

Natürlich müssen wir vordringlich und schnell den Ausbau der erneuerbaren Energie, insbesondere der Windenergie - offshore, aber auch onshore -, wieder in Gang bringen. Auch hier müssen wir die bestehenden Konflikte zwischen unterschiedlichen Bereichen - ich nenne den Artenschutz - auflösen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich lade Sie alle ein, gemeinsam mit uns Wasserstoff als Jahrhundertchance zu ergreifen und Niedersachsen innovativ und sauber in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Martin Bäumer [CDU])

Danke, Herr Kollege Senftleben. - Jetzt erhält Kollegin Imke Byl das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ - so betitelte die „Tagesschau“ einen Beitrag zur Nationalen Wasserstoffstrategie. Wenn ich mir den einen oder anderen in den letzten Monaten und Jahren so anhöre, dann passt das mit dem Träumen schon mal ganz gut. Träumen, liebe Kolleginnen und Kollegen, reicht bei einem so wichtigen Thema jedoch ganz und gar nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verstehen Sie mich da, bitte, nicht falsch! Wasserstoff ist selbstverständlich ein wichtiger Teil der Energiewende. Wir brauchen Wasserstoff in Industrieprozessen wie der Stahlherstellung. Wir brauchen Wasserstoff in der Chemieindustrie. Wir brauchen Wasserstoff als synthetischen Treibstoff im Flugverkehr.

Und da sehen wir es schon: Von allen Seiten wird gerade am Wasserstoff gezerrt.

Die Binsenweisheit dabei ist doch: Wasserstoff ist nur dann klimafreundlich, wenn er aus erneuerbarem Strom produziert ist, wenn es also grüner Wasserstoff ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Genau dafür brauchen wir gewaltige Mengen an erneuerbarem Strom.

Aber woher soll dieser ganze Strom kommen? - Um die Antwort auf diese Frage drückt sich diese GroKo seit Langem.

Diese Legislatur wird durch die Corona-Pandemie sicher besonders in Erinnerung bleiben, aber auch durch den dramatischen Einbruch des Windkraftausbaus. Während alle, wirklich alle vom Klimaschutz reden - außer vielleicht der AfD -, müssen zahlreiche Unternehmen der Windbranche Insolvenz anmelden. Zigtausende Arbeitsplätze gehen verloren. Und bald droht uns sogar ein Nettorückgang der Erzeugungskapazitäten. Das ist ein Zustand, sehr geehrte Damen und Herren, den wir so definitiv nicht akzeptieren können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die zwei Grundpfeiler beim Thema Wasserstoff bleiben doch weiterhin klar: starker Ausbau der Erneuerbaren und runter mit dem Energieverbrauch!

Wir müssen den Energieverbrauch in Niedersachsen halbieren. Das ist die eigentliche Herkulesaufgabe, die Sie von der GroKo leider bislang sträflich missachten.

Grüner Wasserstoff wird auch in den nächsten Jahrzehnten verdammt teuer und damit sehr kostbar sein. Das heißt, dass Sie Wasserstoff für die Gebäudewärme oder den Pkw-Verkehr schleunigst ausschließen sollten - viel zu ineffizient und nicht darstellbar!

Ich habe es schon gesagt: Ja, wir müssen das Fliegen mit synthetischem, grünem Treibstoff aus Wasserstoff vorantreiben. Trotzdem muss die An

zahl der Flüge drastisch heruntergefahren werden. Anders wird es nicht funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An Suffizienz - für manche vielleicht ein Fremdwort, aber sehr wichtig - und Effizienz kommen Sie nicht vorbei, auch wenn es unbequem sein sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vertagen Sie diese Fragen nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag! Denn strukturelle Veränderungen brauchen ihre Zeit.

Gerade jetzt in der Krise sind die Erneuerbaren und damit auch grüner Wasserstoff prädestiniert für wichtige und große Wirtschaftsimpulse. Mit dem richtigen Rahmen ließe sich unglaublich viel privates Kapital mobilisieren, und es ließen sich neue, saubere Arbeitsplätze schaffen.

Stattdessen gibt es in Ihrem Nachtragshaushalt bloß Kleckerbeträge für energetische Modernisierung oder eben den Wasserstoff. So kommen wir nicht voran. Das ist kein Spaziergang, liebe GroKo, das ist die größte Herausforderung Niedersachsens, und genau daran messen wir Sie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir alle in Niedersachsen und weltweit haben verdammt viel durch die Energiewende und den Klimaschutz zu gewinnen. Packen wir es an! Gemeinsam können wir das schaffen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Byl. - Für die AfD-Fraktion erhält jetzt der Abgeordnete Stefan Wirtz das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nutzen Sie die Jahrhundertchance Gold! Investieren Sie in die Jahrhundertchance Aktien! Investieren Sie in Silber; das ist eine Jahrhundertchance! Oder Platin! Investieren Sie in Bitcoins; das ist eine Jahrhundertchance! Oder nutzen Sie - jetzt ganz aktuell - die Jahrhundertchance Öl - das ist gerade ganz billig!

Als ich den Titel dieser Aktuellen Stunde las, dachte ich an die Rückseiten mancher Programmzeitschriften mit unglaublich interessanten Angeboten, die man gerne wahrnehmen würde. Aber man ahnt: Da verschwendet man sein Geld.

Nun will ich etwas zitieren: Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern. - Jules Verne, „Die geheimnisvolle Insel“, geschrieben 1875.

Das war nicht visionär. Er hat ja auch gedacht, man könne zum Mittelpunkt der Erde reisen - geht auch nicht.

Die Brennstoffzelle wurde schon 1838 erfunden. Man hat Strom damit erzeugt. Welches Jahrhundert meinen Sie eigentlich bei dieser „Jahrhundertchance“?

Unsere Altvorderen machten die Entdeckung schon vor sehr langer Zeit, vor fast 200 Jahren. Sie nutzten diese Chance nicht, sondern Werner von Siemens erfand den Generator. Mit dem konnte man viel effizienter Strom erzeugen.

Dadurch wurde der Wasserstoff uninteressant, und das ist er bis heute. Er ist nur in den Sektoren interessant, in denen es keine Alternativen zu ihm gibt, und zwar vor allen Dingen in der Produktion. Wasserstoff ist ein Produktionsmittel. Er wird eingesetzt, aber er wird nicht in Brennstoffzellen verfeuert, und er ist auch nicht - wie hier gern glauben gemacht wird - ein idealer Speicher für Strom. Denn das ist ineffizient.

Ich höre hier, wir sollten uns nicht darum scheren, wie viel Energie wir verlieren, wenn wir den Wasserstoff nutzen; das wird die Wissenschaft schon irgendwie hinkriegen. - Die Wissenschaft wird an eine Grenze stoßen, und das ist die Physik. Ein Effizienzgrad von 0,2 bedeutet - ich erkläre es jetzt einmal für die SPD -: Sie haben fünf, verlieren vier und haben eins übrig. Darüber können Sie sich freuen! Sie können nach Hause gehen und rufen: Ich habe noch eins! - Aber alle anderen werden merken: Sie haben vier verloren.

Das ist ein Problem, das Sie mit der Hoffnung auf effizientere Produktionsverfahren nicht in dem Maße werden schmälern können, das Sie sich vorstellen.

Dann sind wir wieder im literarischen Bereich, dann sind wir im Bereich der Märchenbücher. Das muss ich Ihnen leider sagen.

Wofür können wir E-Fuels nutzen? - Es wurde schon angedeutet: Am besten fliegen wir damit. - Das ist wohl die Königsklasse: wenn man mit syn

thetischen Kraftstoffen fliegen kann. Gute Sache! Das muss ja ökologisch sinnvoll sein.

Nur sage ich Ihnen eines: Um den deutschen Flugverkehr auf E-Fuels umzustellen, brauchen Sie 140 % mehr Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, als jetzt besteht. Da können Sie einmal den Faktor sehen! Wenn wir alles verwenden, was wir jetzt an Photovoltaik und an Windrädern haben, um nur den Treibstoff für die Flugbewegungen Deutschlands herzustellen, dann müssen wir schon 140 % der Anlagen drauflegen - woher auch immer Sie den Platz dafür nehmen.

Woher Sie das Geld dafür nehmen, das wissen wir: Das nehmen Sie aus der EEG-Umlage. Das ist eine Falle, die Sie sich selber gestellt haben. Die Umlage macht den Strom sehr teuer. Die Stromkunden sind der berühmte Frosch im Kochtopf: Sie haben sich in den Topf setzen lassen; sie müssen die Rechnungen bezahlen. Sie merken nicht, wie viele Eiskugeln sie inzwischen bezahlen mussten, um mit EE-Anlagen - mit Photovoltaik und Windkraft - Energie zu erzeugen.

Aber die Industrie weiß sehr genau, was sie da hat. Wenn für die Erzeugung von EE-Strom ein Preis von 8 Cent pro Kilowattstunde aufgerufen wird, während die Kosten der Erzeugung von Braunkohlestrom bei 3 Cent pro Kilowattstunde liegen, dann heißt das nur eines: Das Ganze ist unwirtschaftlich.

Sie setzen auf Windkraft - auf Anlagen, die überwiegend stillstehen oder langsam bzw. in Teillasten laufen. Diese Anlagen kosten trotzdem Geld. Es gibt keinen Strom, den Sie gratis erreichen oder erhalten können. Der kostet immer etwas. Sie können froh sein, wenn Sie den Strom nicht ins Ausland befördern müssen, weil Sie ihn im Grunde entsorgen müssen, weil Sie ihn gerade nicht nutzen können.

Sie glauben dann, Sie könnten einen Haken schlagen und den Strom in Wasserstoff speichern. Auch dazu ein bisschen Zahlenwerk - das sind Zahlen, die Sie jederzeit nachvollziehen können und sollten, soweit Sie sich für so etwas interessieren -: Die Weltjahresproduktion beträgt 30 Millionen t Wasserstoff. 30 Millionen t Wasserstoff werden jährlich auf der Welt erzeugt. Davon könnten Sie 1 % des Weltstrombedarfs decken.

Die SPD glaubt wahrscheinlich, sie ist schon nah dran. Aber ich sage Ihnen: Sie sind noch so weit weg, dass Sie letztendlich nichts anderes erreichen werden als einen Jahrhundertflop. Wenn Sie

das zum Thema einer Aktuellen Stunde machen, muss ich Ihnen sagen: Zeit- und Geldverschwendung - leider.

(Beifall bei der AfD)