Protocol of the Session on February 27, 2018

Wir haben es nicht verstanden, und viele von uns verstehen es bis heute nicht. Wir waren doch Deutsche. Wir hatten unseren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Wir haben deutsch gedacht und deutsch geredet. Wir waren nur anderen Glaubens. Wir haben nicht verstanden, dass man uns erst diffamiert, dann ausgegrenzt und uns dann unsere Rechte genommen hat. Am Ende hat man uns verfolgt und uns umgebracht, oder man wollte uns zumindest umbringen.

Diese Erfahrung haben viele Menschen jüdischen Glaubens gemacht - andere wie Sinti und Roma sowie politisch Verfolgte natürlich auch.

Eines kann man Ihnen sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren - das geht vor allen Dingen an die Adresse der AfD-Fraktion -: Diese Menschen, die Überlebenden des Holocaust und auch die Opferverbände, die die Familiengeschichte ihrer Vorfahren auch als tiefe Wunde mit sich herumtragen, haben ganz sensible Antennen dafür, wenn es wieder politische Kräfte in Deutschland gibt, die die Menschen nach Glauben, Abstammung und ihrer Herkunft sortieren und die, wie ganz aktuell durch die AfD im Bundestag geschehen, zwischen sogenannten Biodeutschen und Deutschen unterscheiden, die aus ihrer Sicht nur einen deutschen Pass haben und deswegen nicht hierhergehören. Auch daraus erklärt sich die Ablehnung der Überlebendenverbände gegen eine Mitgliedschaft der AfD im Stiftungsbeirat.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wenn meine Redezeit reichen würde, hätte ich an dieser Stelle auf die Dresdner Rede eines gewissen Björn Höcke eingehen können. Ich erspare Ihnen das, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich hätte die Herren Poggenburg und Höcke erwähnen können, die neulich bei einem sogenannten politischen Aschermittwoch der AfD Mitglieder der türkischen Gemeinde nach Ostanatolien zurückgewünscht hätten. Ich hätte Herrn Gauland erwähnen können, der die Integrationsbeauftragte des Bundestages in Ostanatolien „entsorgen“ würde. All das kann man hier erwähnen.

All das macht deutlich: Es handelt sich nicht um Hinterbänkler, die sich in ihrer Partei daneben benehmen. Es sind die Spitzen ihrer Partei, die Vorsitzenden der Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und nicht zuletzt der Bundesvorstand.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Man hat das Gefühl, in der AfD einen weiteren Rechtsruck zu verzeichnen. Man hat das Gefühl, bei den rechtsextremen Positionen, die zunehmend von Ihrer Partei eingenommen werden, gibt es zwei Lager: die einen, die das ganz massiv betreiben, und die anderen, die das zulassen. - Wehret den Anfängen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Bratmann. - Das Wort erhält jetzt für die FDP-Fraktion der Kollege Försterling. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, dass wir als FDP es uns mit diesem Gesetzentwurf nicht leichtgemacht haben. Wir haben genau das befürchtet, was der Vertreter der AfD-Fraktion hier am Rednerpult zu intonieren versucht hat, nämlich durch die Änderung des Stiftungsgesetzes der AfD die Chance einzuräumen, sich in eine Art Opferrolle zu begeben. Wir erleben immer wieder, dass die AfD versucht, sich als Opfer darzustellen.

Deswegen waren wir sehr skeptisch, ob es der richtige Weg ist - ich möchte es klar sagen, es ist kein Geheimnis, dass das das Ziel ist -, mit dieser Gesetzesänderung zu verhindern, dass ein Vertreter der AfD im Stiftungsrat sitzt.

Der Kollege Bratmann hat sehr eindrücklich geschildert, was in Deutschland wieder zu sehen ist: Unter dem Deckmantel einer bürgerlichen Spießigkeit, einer vorgetragenen Höflichkeit und Freundlichkeit, wie wir sie auch von den AfD-Vertretern hier im Landtag immer wieder erfahren,

(Lachen bei der AfD)

wird versucht, nicht aufzufallen, wird versucht, sich von den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern und aus dem Bundestag bewusst abzugrenzen. Aber am Ende ist man eben doch in ein und derselben Partei,

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

eben in der Partei, die bundesweit versucht, unter diesem Deckmantel der bürgerlichen Spießigkeit wieder Hass zu säen, Hass auf spezielle Bevölkerungsgruppen, Hass auf Andersgläubige.

Wenn uns die Überlebenden des Holocaust sagen, sie erdulden es nicht, dass wieder zugesehen wird, wenn in Deutschland Hass gegen andere Menschen geschürt wird - weil sie darunter gelitten haben, dass man in diesem Land damals zu lange zugeschaut und nichts unternommen hat -, dann ist es auch Aufgabe der Politik, eine klare Grenze

zu setzen und zu sagen: Nicht nur die Opferverbände und die Überlebenden haben ein Recht darauf, dass die AfD-Vertreter nicht im Stiftungsrat sitzen und sie dort nicht mit AfD-Vertretern über die Stiftungsarbeit diskutieren müssen, sondern - es geht noch weiter - sie haben ein Recht darauf, dass wir als Politik aktiv diese Grenze setzen und uns aktiv in der Öffentlichkeit mit den Vertretern der AfD auseinandersetzen.

Genau deswegen machen wir das hier heute. Wenn Vertreter wie Herr Lilienthal heute Morgen so nebenbei sagen - im ersten Moment klang das lustig -: „Sprechen Sie mit den Taxifahrern und den Gewerbetreibenden, die wählen nicht AfD, die sind nicht rechts“, dann bringt das zum Ausdruck, welche Geisteshaltung hinter dem Schafspelz steckt. Das sind nämlich die Wölfe, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD bei den GRÜNEN sowie vereinzelt bei der CDU)

Wenn diejenigen, die schon einmal darunter leiden mussten, dass Politik zu lange zugeschaut hat, uns auffordern: „Schaut nicht zu, sondern setzt klare Grenzen!“, dann folgen wir dem auch und setzen der AfD hier in Niedersachsen eine klare Grenze. Wir setzen uns öffentlich mit Ihnen auseinander und werden alles daransetzen, dass Sie diejenigen sind, die nicht dem nächsten Niedersächsischen Landtag angehören werden.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Der nächste Redner ist der Kollege Limburg, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Würdigung der Arbeit der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, wie sie meine Vorredner zum Ausdruck gebracht haben, schließe ich mich auch im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich an.

In der Tat ist die Arbeit dieser Stiftung gerade auch deshalb so wertvoll, weil sie auf der einen Seite Bergen-Belsen als zentrale Gedenkstätte für die Gräuel des KZ-Systems in Niedersachsen betreibt und führt und auf der anderen Seite die dezentrale Erinnerungskultur - Herr Nacke ist auf einige Bei

spiele eingegangen, man könnte viele weitere nennen - im Flächenland Niedersachsen hochhält. Das ist ein sehr wertvoller Beitrag.

Die Gräuel des NS-Regimes, die Gräuel des KZSystems sind nicht irgendwo in der Ferne passiert. Sie sind auch nicht im Verborgenen oder im Fernen Osten passiert, nein, sie sind damals mitten im Alltag auch hier in Niedersachsen verübt worden. Es ist richtig, dem in dieser Weise zu gedenken.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Herr Wichmann, Sie haben eine inhaltliche Auseinandersetzung angemahnt. Das würde ich gern tun. Einzig: Ihrer Rede fehlte es an sämtlichen Inhalten. Sie haben zur Erinnerungspolitik und zur Erinnerungskultur in diesem Lande überhaupt kein einziges Wort verloren. Auch das ist bezeichnend, Herr Kollege Wichmann.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Wiard Siebels [SPD]: So ist es!)

Es gibt aber andere Quellen, wo sich die AfD zur Erinnerungspolitik äußert. Es ist schon angesprochen worden: Herr Höcke fordert eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad. Er spricht von einem „Denkmal der Schande“ und meint das Mahnmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden Europas.

(Zuruf von der AfD: Falsch! Das hat er nicht gesagt!)

Herr Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD im Deutschen Bundestag und Spitzenkandidat bei der letzten Bundestagswahl, fordert, dass man wieder stolz auf die Soldaten der Wehrmacht sein müsse.

Bei Herrn Gauland sieht man sehr schön das rechtspopulistische Argumentationsmuster: Er tätigt diese Aussage, um damit am ganz rechten Rand zu fischen. Er wird dafür öffentlich kritisiert. Dann versucht er halt, wieder zurückzurudern und zu sagen, er habe ja nicht die Verbrechen der Wehrmacht gemeint, sondern sozusagen den normalen Krieg.

Welchen Krieg hat er denn gemeint, Herr Wichmann? - Den Vernichtungskrieg in Osteuropa, dem viele Millionen Bürgerinnen und Bürger Osteuropas zum Opfer gefallen sind, oder vielleicht die Bombenangriffe auf Guernica und Coventry, denen viele Tausend Zivilisten zum Opfer gefallen sind?

Nein, Herr Wichmann, es gibt nichts in diesem Krieg, auf das man im Jahr 2018 stolz sein kann. Auch deshalb ist es richtig, dass eine Partei wie die AfD nicht in diesem Stiftungsrat vertreten ist.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ein weiteres Muster, das wir häufig erleben, ist, dass Sie dann immer kritisieren: Na ja, das sind ja alles Leute aus anderen Landesverbänden, das ist ja nur unser Bundesvorsitzender, das ist ja nur unser Bundestagsspitzenkandidat, mit dem haben wir in Niedersachsen doch quasi nichts zu tun.

Herr Wichmann, dann wäre es längst an der Zeit gewesen, dass Sie sich von diesem Herrn Gauland, der hier in Hannover für Ihre Partei, für Ihr Parteilogo und für Ihr Parteiprogramm Wahlkampf gemacht hat, klar und eindeutig distanzieren, dass Sie deutlich machen: Nein, diese Auffassung teilen wir als AfD in Niedersachsen nicht. - Das haben Sie nie getan, und es wird einen Grund haben, dass Sie es nicht getan haben, Herr Wichmann.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

In der Tat - der Kollege Försterling ist darauf eingegangen -: Sie sind nicht so harmlos, wie Sie hier tun. Der NDR hat es recherchiert: Ihre Fraktion beschäftigt mindestens zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die der rechtsextremen Identitären Bewegung nahestehen. Die Auswahl derjenigen Personen, die einem in der parlamentarischen Arbeit zuarbeiten, sagt ebenfalls eine ganze Menge über die eigene Geisteshaltung aus, lieber Herr Wichmann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, abschließend: Wir im Landtag sind in der Tat auch dafür gewählt worden, um uns mit Ihnen, der AfD, auseinanderzusetzen und zu streiten. Das gilt aber nicht für die Vertreterinnen und Vertreter der Opferverbände. Für deren Arbeit und Expertise im Stiftungsrat sind wir außerordentlich dankbar. Uns steht es nicht zu, uns 70 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes über die Opfer und deren Angehörige zu erheben.

Wenn wir uns entscheiden müssen, ob wir weiterhin deren wertvollen, wichtigen Beiträge im Stiftungsrat haben wollen oder stattdessen Äußerungen der Partei der Höckes und Gaulands, dann ist klar, dass die Entscheidung immer wieder nur lau

ten kann: Nein, Sie wollen wir nicht im Stiftungsrat haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Limburg. - Das Wort hat jetzt für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Guth. Die Restredezeit beträgt drei Minuten. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es bedarf nur einer Zeitspanne von vier Monaten und neun gewählter Abgeordneter, damit Sie alle dem niedersächsischen Wähler beweisen, wie beliebig Ihre Politik und Ihr persönliches Verständnis von Demokratie ist.

(Widerspruch von der SPD)