Protocol of the Session on July 1, 2020

Eine Berichterstattung ist zu den beiden Anträgen nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung zu beiden Tagesordnungspunkten zusammen. Die erste Wortmeldung liegt mir von der CDU-Fraktion vor. Das Wort erhält die Kollegin Veronika Koch. Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon seit zehn Jahren betreibt Niedersachsen mit dem afrikanischen Staat Tansania eine fruchtbare Entwicklungszusammenarbeit.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch berichten, dass z. B. die Bundeslehranstalt der Burg Warberg in meinem Wahlkreis in Helmstedt auch Projekte in Tansania begründet hat und hier gemeinsam mit den beiden großen christlichen Kirchen zusammenarbeitet. Hieraus ergeben sich durchaus gute Verbindungen. Wenn sich das Verständnis füreinander entwickelt, dann hilft man sich auch gegenseitig. Was im Kleinen gilt, gilt natürlich auch im Großen.

Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung zu einer Entschließung mit dem Ziel, die Zusammenarbeit in dieser Entwicklungsarbeit auf eine nächste Stufe zu heben durch gezielte Projekte wie die Managementfortbildung für Nachwuchskräfte im Wassersektor, die Unterstützung bei der Errichtung von Wassertanks, in der Gesundheitsversorgung vor Ort, die Gründung von Schulpartnerschaften, die Aufklärungsarbeit zum Schutz von Mädchen und

Frauen sowie die Versorgung von Betreuungseinrichtungen behinderter Kinder. Hierdurch ist es gelungen, mit Tansania in der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung einen großen Schritt nach vorne zu kommen.

Das ist auch wichtig und dringend nötig; denn das politisch stabile Land steht vor einem rasanten Bevölkerungsanstieg. Zwischen 2019 und 2029 wird sich die Bevölkerung um mehr als ein gutes Drittel von heute 55 Millionen auf knapp 77 Millionen Einwohner erhöhen.

Zum eigenen Bevölkerungswachstum kommt ein anhaltender Strom von Schutzsuchenden vor allem aus den Nachbarländern Ruanda, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo hinzu. Mehr als 330 000 Menschen suchten 2018 in Tansania Schutz und sind auf der Flucht aus einem anderen, weniger stabilen afrikanischen Land.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dank der Zusammenarbeit mit langjährig erfahrenen und vor Ort gut vernetzten Organisationen braucht es wenig Geld, um breit und nachhaltig wirksame Projekte anzustoßen.

Als Landtag haben wir mit dem Haushalt 2020 beschlossen, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit um 100 000 Euro zu erhöhen.

Mit dem nun vorliegenden Entschließungsantrag fordern CDU und SPD die Landesregierung in einem konsequenten zweiten Schritt auf, diese Mittel zielgerichtet und zweckgebunden für Projekte mit unserer Partnerregion Tansania einzusetzen.

Angesichts des beschriebenen Bevölkerungs

wachstums ist gerade die Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung vor Ort von besonderer Bedeutung. Kleinbauern sollen daher weiterqualifiziert und in die Lage versetzt werden, die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. Potenzielle Kooperationspartner haben mit anderen Projekten bewiesen, dass Erträge deutlich gesteigert werden können, wenn Flächen planvoller bewirtschaftet und Fruchtfolgen besser aufeinander abgestimmt werden.

Nach den Erfahrungen dieser Partner sind Projekte in der landwirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Initialzündung für Bildungsangebote, die sich an den Problemen und Aufgabenstellungen vor Ort orientieren und Zug um Zug immer weiteren Teilen der ländlichen Bevölkerung zugutekommen.

Essenziell ist es in diesem Zusammenhang, vor allem den Ausbau der Wasser- und Energieversorgung stabil und verlässlich zu stellen und die Nutznießer dieser Technologien in der Wartung und Pflege dieser Maschinen und Anlagen zu unterrichten.

Die Fokussierung, die mit dieser Entschließung beabsichtigt ist, soll unsere Partnerregion stärken, um auf die lokalen Herausforderungen besser reagieren zu können.

Die Arbeit vor Ort ist zielführend. Eine wichtige Zielgruppe sollten dabei die jungen Menschen sein. Dies zeigen auch die Erfahrungen beispielsweise aus dem Projekt Agri-Connect in Tansania, in dem es darum geht, junge Menschen aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft mit Know-how und Mikrokrediten zu unterstützen. Ziel ist es insbesondere, dass dadurch kleine unternehmerische Aktivitäten und damit auch Arbeitsplätze entstehen.

Genauso soll Niedersachsen einen größeren Beitrag leisten, um die Ziele der Vereinten Nationen bei Nachhaltigkeit und Entwicklung schneller zu erreichen. In diesem Zusammenhang bringt die Entschließung zum Ausdruck, dass der Landtag die Wiederaufnahme des Runden Tisches „Entwicklungspolitische Leitlinien des Landes Niedersachsen“ begrüßt und eine regelmäßige und zeitnahe Unterrichtung über den Fortgang dieser Arbeit des Runden Tisches ausdrücklich einfordert.

Meine Damen und Herren, wir als CDU möchten, dass sich Landtag und Landesregierung Schulter an Schulter effektiv für eine gute Entwicklung unserer Partnerregion Tansania engagieren. Lassen Sie uns gemeinsam diese fruchtbare Zusammenarbeit nun auf eine neue Ebene heben! Daher bitte ich Sie, der Empfehlung des Ausschusses zu folgen und unseren Antrag anzunehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Koch. - Nächster Redner ist der Kollege Stefan Wirtz für die AfD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege!

Danke sehr. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 100 000 Euro für Tansania - wir sind ja eigentlich andere Zahlen gewohnt. Man wundert sich schon ein bisschen, dass dieses Projekt so

groß beworben wird und so lange diskutiert wird. Na ja, so lange war es vielleicht doch nicht.

In Ihrem Antrag - ich spreche SPD und CDU an - finden sich viele schon realisierte Projekte, Versuche oder Ähnliches: Nachwuchsfortbildung für das Wassermanagement, Aufklärung gegen Genitalverstümmelung, Verbesserungen für Alte und Behinderte vor Ort, Schulpartnerschaften, Photovoltaik und Warmwasser für Projekte und die Unterbringung von behinderten Kindern.

Ein paar Zahlen haben wir auch gehört. Sie kommen auch in dem Antrag vor: 58 Millionen Einwohner hat das Partnerland Tansania jetzt. 330 000 afrikanische Binnenflüchtlinge sind registriert. Die entscheidende Zahl wurde bei der Vorstellung des Antrags auch noch genannt: In weniger als zehn Jahren wächst diese Bevölkerung auf 77 Millionen Einwohner.

100 000 Euro? - Ich weiß nicht genau, welchen Effekt Sie sich versprechen. Ich weiß auch nicht genau, warum Sie den Antrag mit „Fluchtfolgenbekämpfung“ betitelt haben. Ich habe Sie im Ausschuss dazu befragt. Wir haben da über Fluchtursachen gesprochen. Das ist der Titel des Antrags der Grünen. Aber welche Fluchtfolgen bekämpfen Sie mit dem, was Sie tatsächlich beantragen, nämlich mit der Qualifizierung von Kleinbauern? Sind das welche, die vorher geflüchtet sind und jetzt in Tansania leben, oder sind das welche, die vielleicht noch fliehen könnten? Dann wären Sie wieder bei den Fluchtursachen.

Was genau haben Sie damit vor? Natürlich geht es dabei auch ein bisschen um Wassermanagement, um Photovoltaik und um einen Runden Tisch, der hier wieder eingesetzt werden soll. Aber wie und welche Fluchtfolgen bekämpfen Sie dort mit 100 000 Euro? Das ist zugegebenermaßen wenig. Welches sind Ihre Ziele?

Ich denke, Nachhilfe in der Bewirtschaftung des Landes ist eine heikle Sache. Oft genug wird gerade in letzter Zeit viel über Kolonialismus gesprochen. Aber diese Einstellung, nach Afrika zu gehen und den Leuten, die dort schon seit Generationen ihre Felder bewirtschaften, zu sagen, wie sie es zu machen haben, ist ein problematischer Anspruch. Ich hoffe, das gelingt vor Ort. Aber auch da muss ich sagen, dafür sind 100 000 Euro nicht viel. Das ist kein großer Mitteleinsatz.

Sie haben selbst zugegeben, Sie sind nicht die Bundesebene. Dafür wäre eigentlich die Entwicklungshilfe der Bundesebene zuständig. Nieder

sachsen kann nur einen kleinen Anteil leisten. Aber wenn Sie schon einen kleinen Anteil leisten, dann sollten Sie beim Thema Fluchtfolgen oder meinetwegen auch bei der Fluchtursachenbekämpfung auf die Probleme eingehen, die gerade massiv anstehen.

Ich habe Sie gefragt, ob Sie das Geld nicht zur Corona-Bekämpfung einsetzen wollen. Nein, das wollten Sie nicht. Darüber haben wir dann nicht weiter gesprochen.

Aber das eigentliche Problem steckt in Ihren eigenen Zahlen: Bei einem Bevölkerungsanstieg um ein Drittel - und zwar nicht durch Flucht, sondern durch offensichtlich gesunde Lebensbedingungen - auf 77 Millionen geht es um Geburtenkontrolle. Das wäre eine Fluchtursachenvermeidung. Das wäre vielleicht auch Fluchtfolgenbekämpfung. Was tun Sie in dieser Hinsicht? Wieso sprechen Sie nicht über Geburtenkontrolle? - Einen Zuwachs um fast 20 Millionen Personen in zehn Jahren wird kein Land verkraften können, schon gar nicht mit 100 000 Euro, die wir ihm gönnen. Das ist eigentlich das Hauptthema, das Ihnen auf den Nägeln brennen müsste. Keinen Ton dazu von Ihnen - leider!

Der Antrag der Grünen ist völlig anders. Er ist sehr bunt. Die Grünen haben all-in geboten: Rüstungsbegrenzung, zivile Konfliktmechanismen - ich nehme an, Sie meinen Konfliktvermeidungsmechanismen; denn „Konfliktmechanismen“ klingt so, als wollten Sie Konflikte -, 0,7 % der Wirtschaftsleistung - ich nehme an, Sie meinen das Bruttoinlandsprodukt -, Nachhaltigkeit, Klima - alles rein! Aber auch da mussten Sie selbst feststellen, manche reden doch lieber auf der Bundesebene darüber, sogar von der SPD.

Dem Antrag der Grünen können wir nicht zustimmen. Beim Antrag von SPD und CDU werden wir uns wegen des guten Willens enthalten müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wirtz. - Die nächste Rednerin ist Kollegin Eva Viehoff für Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Diskussion auch heute Vormittag über „Black

lives matter“ ist unser Antrag „Verbesserung der wirtschaftlichen, ökologischen und humanitären Lage der Menschen im globalen Süden heißt Fluchtursachen bekämpfen“ aktueller denn je.

Warum? - Die Diskussion des Antrags im Ausschuss hat dies deutlich gemacht. Sie hat gezeigt, dass es bei der Frage von Entwicklung immer noch um die Gegenüberstellung von Unterentwicklung und Entwicklung geht und nicht darum, auf Augenhöhe zu diskutieren. Es geht also immer noch um die Überlegenheit des globalen Nordens gegenüber dem globalen Süden, gleich: Der weiße, reiche globale Norden weiß ganz genau, was der arme globale Süden braucht! - Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, gelinde gesagt eine kolonialkonotierte Haltung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Haltung findet sich eben auch im Antrag der Großen Koalition wieder, da er sich allein auf die gewährte finanzielle Unterstützung Niedersachsens in den Partnerregionen beschränkt. Halt! Nein, er beschränkt sich auf die Förderung von einer Partnerregion, nämlich Tansania. Eastern Cape wird gerade noch mal in der Begründung erwähnt.

Diese Mittel sind sicher hilfreich, und sie sind auch nicht grundsätzlich falsch.

(Zuruf: Aber?)

Gerade das Wiedereinsetzen des Runden Tisches für die entwicklungspolitischen Leitlinien ist ja auch Teil unseres Antrags. Wir werden diesem Antrag deshalb zustimmen.

Der Antrag negiert allerdings vollständig die eigene Verantwortung hier vor Ort in Niedersachsen. Nach dem Motto: „Geben wir das Geld mal da hin, doch hier vor Ort ändern wir nichts.“ Goethe hat einmal gesagt: Jeder kehre vor seiner eigenen Tür, und die Welt bleibt sauber. - Da ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel Wahres dran; denn die Ursachen für Flucht und Migration liegen in unserem Konsum, im hegemonialen Verhalten des Globalen Nordens, genau vor unserer Tür.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Ziel muss es doch sein, dass die Menschen gar nicht erst zur Flucht gezwungen werden, weder zur innerafrikanischen Binnenflucht noch zur Flucht nach Europa, dass sie nicht gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen. Deshalb ist es doch so wichtig, sich mit den Ursachen zu beschäftigen und eben nicht mit den Folgen. Diese Ursachen

liegen nicht zuallererst in Tansania, in Eastern Cape oder einem anderen Land des Globalen Südens. Diese Ursachen liegen in Niedersachsen, sie liegen in Deutschland, sie liegen im Globalen Norden. Das machen die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, die NGOs und Kirchen auch immer wieder deutlich. Aber der Ausschuss hat es abgelehnt, sie anzuhören.

Sie betonen doch auch immer wieder deutlich, überdeutlich, wie Fluchtursachen reduziert werden können, nämlich dadurch, dass es Faire-Lieferketten-Gesetze gibt, dass es eine konsequente Umsetzung der SDGs gibt, dass all dies unmittelbare Auswirkungen auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse im Globalen Süden hat. Dazu gehören eben auch, Herr Wirtz, konsequenter Klimaschutz hier bei uns und Rüstungsexportkontrolle, die ihren Namen auch verdient, nämlich keine Exporte in Krisengebiete.