Protocol of the Session on May 12, 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie stark die Ängste vor einem möglichen Arbeitsplatzverlust bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind, können, glaube ich, wir alle ganz gut nachvollziehen, hatten sich doch im Jahr 2017 rund 1 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor dem Übergangsplenarsaal versammelt, um gegen das Losverfahren zu demonstrieren.

Aufgrund der Vielzahl der eben von Herrn Henning beschriebenen Auswahlkriterien ist es meines Erachtens wenig wahrscheinlich, dass es bei der Abarbeitung all dieser Punkte nicht zu einer Entscheidung für einen der Standorte kommen könnte. Sollte dies wider Erwarten doch einmal der Fall sein, entscheidet eben die Vollzugsbehörde nach sachlich gerechtfertigten Gründen. Als Ultima Ratio kann sie - auch wenn es nicht im Gesetz steht - das Losverfahren anwenden. Ich persönlich würde jedoch immer dafür sorgen, dass rechtfertigende Gründe vorliegen.

In der Anhörung spielte auch das Thema Qualität eine Rolle. Ich habe die meisten Anzuhörenden nach ihrer Meinung dazu gefragt. Der geneigte Betrachter konnte den Eindruck gewinnen, dass ich mich für eine Festschreibung von Qualitätsmerkmalen bei den Auswahlkriterien durchaus begeistern könnte. Und das ist auch so.

Meine Damen und Herren, ich will heute noch einen Schritt weiter gehen: Warum sollte die Qualität nur bei Konkurrenzsituationen eine Rolle spielen? Warum sollten wir diese Qualitätsanforderungen nicht für alle Spielhallen geltend machen?

Herr Henning hat es eben angesprochen: Aufgrund der auslaufenden Befristung ist es unser Ziel, das Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden und damit an dieser Stelle Klarheit für die Glücksspielbranche zu schaffen. Die Ausarbeitung von rechtssicheren Qualitätsmerkmalen für eine Zertifizierung ist leider - wir haben es gerade gehört - in der Kürze der Zeit nicht mehr möglich

gewesen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

Ich betrachte dieses Gesetz als Übergangsgesetz; das habe ich schon gesagt. Meine Begründung dazu ist: Der uns gestern übersandte Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages 2021 - in der Fassung nach der Konferenz der Regierungschefs der Länder am 12. März 2020 - wird die Grundlage für das nächste, noch bessere Glücksspielgesetz sein. Er ist das Ergebnis langer und intensiver Verhandlungen der Länder zur Regelung des Glücksspiels in Deutschland.

Diese Verhandlungen haben endlich im Bereich des Onlineglücksspiels zu einer Einigung der Länder geführt, was wir aus CDU-Sicht ausdrücklich begrüßen. Damit wird es zu einer bundeseinheitlichen Regelung beim Onlineglücksspiel kommen. Ich hoffe, damit wird das illegale Onlineglücksspiel zurückgedrängt.

Des Weiteren wird den Ländern ein neuer Spielraum bei den Übergangsregelungen in § 29 des Staatsvertrages gegeben. Ich zitiere:

„Die Länder können in ihren Ausführungsbestimmungen vorsehen, dass für am 1. Januar 2020 bestehende Spielhallen, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehen, für bis zu drei Spielhallen je Gebäude oder Gebäudekomplex auf gemeinsamen Antrag der Betreiber abweichend von § 25 Abs. 2 eine befristete Erlaubnis erteilt werden kann, wenn mindestens alle Spielhallen von einer akkreditierten Prüforganisation zertifiziert worden sind und die Zertifizierung in regelmäßigen Abständen, mindestens alle zwei Jahre, wiederholt wird, die Betreiber über einen aufgrund einer Unterrichtung mit Prüfung erworbenen

Sachkundenachweis verfügen und das Personal der Spielhallen besonders geschult wird. Die Übergangsfrist ist landesgesetzlich festzulegen. Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Formulierung lässt uns als Landesgesetzgeber beim nächsten Glücksspielgesetz eine ganze Menge Möglichkeiten, wie ich finde. Insbesondere die Ausführungen zur Zertifizierung durch Prüforganisationen sind ganz in meinem Sinne.

Zur Vorbereitung des Glücksspielgesetzes bitte ich schon heute das Wirtschaftsministerium, die Zertifizierung von Qualitätsmerkmalen mit vorzusehen

und alle dahin gehenden rechtlichen Fragen zu klären. Da die Zertifizierung jetzt im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehen ist, wird es auch bundeseinheitliche Merkmale und Standards dafür geben.

Abschließend habe ich noch eine Bitte an das Sozialministerium: Bitte prüfen Sie wohlwollend für die nächste Änderung der Corona-Verordnung die Öffnung der Spielhallen! Denn nicht nur aus meiner Sicht erfüllen die Spielhallen aufgrund der gesetzlichen Regelungen zum Spielerschutz schon heute alle Abstandsgebote der Verordnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte stimmen Sie für dieses Gesetz.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Fredermann. - Der Kollege Ahrends von der AfD darf sich schon innerlich präparieren. Sie haben ja einen weiten Weg.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Gerade in Zeiten massiver Eingriffe des Staates in die auch durch Bundes- und Landesverfassung garantierten individuellen und kollektiven Freiheitsrechte gilt es zu betonen, dass diese Rechte keine Geschenke des Staates - der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Länder - an die Bürger sind, sondern dass sich diese Rechte insbesondere durch die englische und die französische Kultur- und Rechtsentwicklung im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert langsam nach

Deutschland vorgewagt haben und schließlich über die Weimarer und die bundesdeutsche Verfassung rezipiert worden sind. Ergo: ein Lehen der Bürger an den Staat, welches ihn zur Hütung und Fortentwicklung im Geist der Freiheit verpflichtet.

In den letzten Wochen wurde uns jedoch durch das Regierungshandeln überdeutlich, dass die Grundrechte im Spannungsfeld „individuelle Freiheit versus kollektive Freiheit und Staatsgewalt“ jederzeit untergehen können.

Das von Bundes- und Landesregierung nach außen stets als liberal und egalitär kommunizierte

Regierungshandeln zeigt von heute auf morgen ein ganz anderes Gesicht, wenn es sich bedroht fühlt. AfD-Wähler wissen das schon lange.

Welche Bedrohung geht nun aber vom Glücksspiel für den Einzelnen und die Gesellschaft aus, und wie löst man damit verbundene Spannungsfelder unter Berücksichtigung der legitimen und durchaus knallharten Interessen der Glücksspielwirtschaft auf? Im Ergebnis eine „Mission Impossible“.

Durch starke staatliche Reglementierung wird der Versuch unternommen, das Glücksspiel auf der einen Seite weiter zu liberalisieren und auf der anderen Seite durch ein Schutzkonzept zu beschränken. Eine EU-Empfehlung aus 2014, der Glücksspielstaatsvertrag zwischen Bund und Ländern sowie das Landesglücksspielgesetz soll die Quadratur des Kreises schaffen.

Meine Damen und Herren, das ist schwierig bis unmöglich. Viele Gerichtsurteile aus der Vergangenheit - künftige werden folgen - bestätigen das. Hinzu kommt, dass der Staat ja selbst als Akteur und Profiteur am Glücksspielmarkt auftritt. Das Glücksspielrecht ist also ein vermintes Gelände. Außerdem sorgen in Niedersachsen unglückliche Überschneidungen der Novelle des Glücksspielstaatsvertrages und der späten Bemühungen der Landesregierung dafür, dass der hier zu beratenden Gesetzentwurf der Regierung nicht auf dem neusten Stand ist. Ich zitiere sinngemäß aus dem Ausschussprotokoll vom 17. April 2020: Ein Sprecher der Koalitionsfraktionen teilte mit, dass es zu einem späteren Zeitpunkt eine Ergänzung des Gesetzes um eine Zertifizierungsregelung geben soll. - Da frage ich mich als Oppositionspolitiker: Was soll das, und warum nicht gleich?

Aus meiner Sicht offenbart das ganze Gesetzgebungs- und Beratungsverfahren große Unsicherheiten der Landesregierung im Zusammenhang mit der Materie. Hier wäre uns beständige Rechtssicherheit für alle Beteiligten lieber.

Stellungnahmen der Experten im Beratungsverfahren weisen auf andere Bundesländer hin, die im Glücksspielrecht offenbar einiges besser machen, laut TÜV Rheinland z. B. Bayern und NordrheinWestfalen. Hätten Sie sich doch hier einmal abgestimmt oder gar eine gemeinsame Linie gefunden! Während der Corona-Krise haben Sie das doch auch - wenig elegant, am Parlament vorbei - gemacht. Aufgrund der Unsicherheiten und Risiken, die dem Entwurf innewohnen, werden wir uns bei der Abstimmung enthalten. Gleichwohl erkennen wir das Erfordernis einer Novelle an, insbesondere

in den Punkten Auswahlverfahren und Bestandsschutz. Die Spielersperre gemäß § 10 g der Beschlussvorlage sehen wir allerdings kritisch, nicht nur weil sich das Wirtschaftsministerium damit zum Hüter von Personendaten offenbar Spielsüchtiger macht, sondern auch weil es das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu verteidigen gilt - dies erst recht vor dem Hintergrund der vorgesehenen Fremdsperre.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren die Plätze der Schriftführerinnen und Schriftführer)

Wir brauchen weder einen weiteren Big Brother noch ein ausuferndes paternalistisches Regierungshandeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

- Darf ich den Saaldienst bitten, auch den zweiten Schriftführerplatz zu präparieren, wer auch immer dann dort Platz nimmt. Vielleicht kann Frau Naber dort Platz nehmen. Wenn es irgendwann zur Abstimmung kommt, wollen wir doch ordnungsgemäß besetzt sein. Sonst kommt noch irgendjemand auf Ideen.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren die Plätze der Schriftführerinnen und Schriftführer)

Der nächste Redner ist Herr Grascha von der FDP. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es immer bedauerlich, dass sich Debatten rund um das Glücksspiel in der Regel ausschließlich mit der Suchtgefahr beschäftigen. Das ist natürlich ein Komplex, wenn man sich über dieses Thema unterhält, aber eben auch nur einer.

Aus meiner und aus liberaler Sicht gehört mindestens auch die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger dazu, sozusagen diesem natürlichen Spieltrieb nachzugehen, andererseits ist es die staatliche Aufgabe, einen präventiven Rahmen zu schaffen, damit die Suchtgefahr tatsächlich kontrol

lierbar bleibt, und dann gehört natürlich auch die Bekämpfung der Suchtgefahr und der tatsächlichen Sucht dazu. Aber das ist ein Komplex neben vielen anderen Bereichen.

(Beifall bei der FDP)

Nichtsdestotrotz bin ich der festen Überzeugung, dass das Glücksspielgesetz, selbst wenn wir es jetzt im Ergebnis ablehnen werden, zumindest einen Schritt in die richtige Richtung macht, weil es sich von den rechtswidrigen Losentscheiden der letzten Legislaturperiode entfernt und sie korrigiert.

Und Herr Kollege Fredermann, ich kann ja nachvollziehen, dass Sie sagen, wir konnten uns jetzt insbesondere beim Thema Zertifizierung - zu dem Thema werde ich auch gleich etwas sagen - aufgrund der fortgeschrittenen Zeit hier nicht mehr einbringen und eine entsprechende Änderung auf den Weg bringen. Das alles kann ich nachvollziehen. Aber das liegt natürlich daran, dass wir hier zweieinhalb Jahre eigentlich verplempert haben, weil sich SPD und CDU in der Frage nicht einigen konnten.

Das ist der Grund dafür, dass wir hier tatsächlich nicht vorankommen, sondern dass wir hier jetzt eine Gesetzesänderung haben, die zwar in die richtige Richtung geht, aber am Ende in einem Gesamtzusammenhang einer komplett - wenn man es einmal übergreifend betrachtet - vermurksten Glücksspielregulierung und eines entsprechenden Glücksspielmarktes stattfindet. Das ist an dieser Stelle bedauerlich.

(Beifall bei der FDP)

Hoffnung macht mir aber tatsächlich die neue Glücksspielregulierung, die jetzt mit dem Glücksspielstaatsvertrag ab 2021 kommt. Hier sind Änderungen, so wie sie schon vorgetragen worden sind, auch für die Spielhallen vorgesehen. Es sind möglicherweise auch wieder Mehrfachkomplexe möglich. Da sollten wir jetzt wirklich diskutieren, ob wir die gesamte Glücksspielregulierung immer nur unter quantitativen Gesichtspunkten führen oder ob wir eben auch mal in die qualitative Debatte einsteigen wollen. Da fand ich den Vorschlag, den Sie gemacht haben, Herr Fredermann, eine Qualitätszertifizierung für alle Spielhallen zu diskutieren, durchaus gut. Da lohnt es sich, jetzt einzusteigen.

Aus unserer Sicht ist in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf kritisch zu bewerten, dass viele Auswahlentscheidungen, die vorgenommen werden und die dann im Gesetz stehen sollen, von den Spielhallenbetreibern zumindest zu einem Teil