Protocol of the Session on May 12, 2020

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der AfD)

Herzlichen Dank, Kollege Grascha.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Wir kommen jetzt zur Beratung. Zunächst bekommt der Kollege Stefan Wenzel für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich nicht erinnern, dass der Rechnungshof hier im Parlament einen Gesetzentwurf der Landesregierung mal so scharf kritisiert hat wie in dieser Stellungnahme.

(Widerspruch bei der CDU)

- Verschiedene Beratungsergebnisse sicher, auch im zuständigen Unterausschuss sehr wohl. Aber dass ein Gesetz, das praktisch aus dem Ministerium kommt, derart scharf kritisiert wird, ist schon höchst ungewöhnlich. Da werden Sie mir recht geben.

Der Landesrechnungshof sagt sehr deutlich: Dieses Gesetz schränkt die Budgethoheit, das Budgetrecht des Landtages ein, das ein Kernbestand der Kompetenz des Landtages ist.

Er verweist auch sehr deutlich auf die in Artikel 65 der Verfassung verankerten Grundsätze der Einheit, der Vollständigkeit, der Jährlichkeit und der Klarheit des Haushaltsplans, die dadurch verletzt wird. Sie müssen mittlerweile an mindestens drei verschiedenen Stellen und in verschiedensten Gesetzen suchen, um zu ermessen, wie viel Geld am Ende im Jahr ausgegeben werden soll.

Es wurde auch darauf hingewiesen, dass eigentlich gar keine vernünftige Begründung dafür vorliegt, dass man einen Nachtragshaushalt erst einmal hinausschiebt und das Parlament heute zur Abstimmung über die Errichtung eines solchen Sondervermögens bittet, obwohl in zwei Tagen die Mai-Steuerschätzung vorliegen wird und wir dann auch mehr Klarheit über die Haushaltslage bekommen.

Ich finde, das ist ein höchst peinlicher Vorgang. Es bleibt offen, warum Sie lediglich vage Angaben zur Verwendung der Mittel machen, warum hier nur sehr offene Formulierungen gewählt wurden und warum Sie nicht wenigstens einen - möglicherweise noch vorläufigen - ersten Finanzierungsplan vorlegen. Sie könnten ihn nach zwei Monaten oder nach sechs Monaten jederzeit erneuern.

Gerade in der Krise, meine Damen und Herren, ist es notwendig, die verfassungsrechtlichen Grenzen und Grundlagen zu wahren. Denn nur das schafft am Ende Vertrauen,

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der FDP)

und das schafft am Ende auch Vertrauen in das Handeln der Mehrheit und das Handeln der Regierung. Nichts ist schlimmer, als wenn wir am Ende gezwungen werden, rechtliche und gerichtliche Überprüfungen vorzunehmen.

Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass dem Ministerpräsidenten und auch seinem Stellvertreter die Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes etwas zu Kopf gestiegen sind.

Die Gerichtsurteile der letzten Tage und Wochen, meine Damen und Herren, Herr Finanzminister, sollten Ihnen zu denken geben. Da wird immer wieder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betont. Da wird auch betont, dass kein Grundrecht in seiner Substanz außer Kraft gesetzt werden kann. Das ist Kernbestandteil der Verfassung.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie sollten sich sehr hüten, sich hier eine weitere Niederlage einzufangen.

Sie müssen sehr kurzfristig einen zweiten Nachtragshaushalt vorlegen. Dabei müssen Sie frühzeitig das Parlament einbeziehen. Dafür bedarf es der Haushaltswahrheit und -klarheit.

Schätzungen, die aktuell kursieren - in zwei Tagen werden wir es genauer wissen -, gehen davon aus, dass wir möglicherweise ein Haushaltsloch von 4 bis 6 Milliarden Euro zu erwarten haben. Das ist eine gewaltige Summe. Gleichzeitig sind starke konjunkturelle Impulse erforderlich, die ökonomisch und ökologisch sinnvoll sein müssen.

Ich erinnere nur daran: Das Pariser Abkommen ist legally binding, ist völkerrechtlich verbindlich, ist geltendes Recht. Es ist ökonomisch und ökologisch schlicht unsinnig, hier Dinge zu fördern, die dem widersprechen. Das muss sich jeder überlegen, der jetzt irgendwelche Abwrackprämien fordert oder die 600 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsförderfonds nicht sinnvoll einsetzt. Das sind die Mechanismen.

Die Konjunkturkomponente in der alten Regelung wird nicht ausreichen. Wir müssen sehr ernsthaft darüber reden, wie wir mit dieser Krise auch im Haushalt umgehen, wie wir Vertrauen und Sicherheit, aber auch Hoffnung auf eine künftig wieder gute wirtschaftliche Entwicklung schaffen, die dann hoffentlich viele Menschen wieder in Arbeit bringt, die jetzt in Kurzarbeit sind oder deren Arbeitsplatz bedroht ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir werden dem Gesetz nicht zustimmen, sondern bitten Sie, dem Änderungsantrag in Drucksache 18/6457 zuzustimmen, den wir vorgelegt haben. Wir glauben, dass wir damit besser in der Lage sind, das Haushaltsrecht zu wahren.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der FDP)

Danke sehr, Herr Kollege Wenzel. - Anschließend erhält für die AfD-Fraktion Herr Peer Lilienthal das Wort.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Krise kosten Geld. Das ist überhaupt gar keine Frage. Man muss an diesem Punkt auch noch einmal sagen - auch das gehört zur Wahrheit -, sie würden weniger Geld kosten, hätte man denn vor mehr als acht Wochen den sogenannten Bothe-Plan - wenn Ihnen das zu pathetisch ist, können Sie auch Plan Bothe sagen - umgesetzt.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Er hätte dem Land Niedersachsen nachweislich Millionen von Euro gespart. Ich erinnere nur an die Beschaffung von Schutzkleidung usw. Das haben wir schon zu einem Zeitpunkt thematisiert, da gab es hier auf den Regierungsbänken noch rollende Augen bei solchen Sachen.

(Zurufe von den GRÜNEN - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Nichtsdestotrotz, Flexibilität - auch Flexibilität in Geldfragen - ist jetzt wichtig. Denn - wer wüsste das besser als wir, das haben wir aus der Erfahrung gelernt - wir wissen nicht, was kommt. Jeder von uns bekommt im Moment eine ganze Reihe Zuschriften aus allen möglichen Bereichen, nicht nur aus den Bereichen der Wirtschaft, sondern jetzt natürlich auch verstärkt von den Kommunen. Jetzt gerade - habe ich gesehen - wenden sich die Jugendherbergen an uns. Wir wissen gar nicht so genau, wo wir als erstes helfen sollen und in welcher Form. Von daher müssen wir flexibel sein. Flexibilität stellen wir dadurch her, dass wir das Geld in die allgemeine Rücklage führen, und das - da greife ich auf die Beratung im Haushaltsausschuss zurück, sehr geehrter Herr Wenzel - bedeutet nach der Landeshaushaltsordnung keinesfalls - „leider“, könnte man fast sagen -, dass das der Tilgung von Altschulden zugeführt wird, sondern es ist dann eben in der allgemeinen Rücklage.

Man möchte meinen, es sind ein bisschen chaotische Zeiten, was die Finanzen des Landes angeht. Wir haben hier einen ersten Nachtrag verabschiedet. Ich erinnere einmal daran, dass es hier eine große Harmonie - das ist ja selten im Parlament - in dieser Frage gab. Wir haben gesagt: Mensch, die Landesregierung braucht Beinfreiheit! Lasst uns der Landesregierung diese Beinfreiheit geben! - Das haben wir getan, und Sie haben sich natürlich gleich verdribbelt. Ich erinnere nur - das ist hier ja vorhin als gutes Beispiel dargestellt worden - an

das Desaster mit der NBank. Da haben wir bei der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes schon gesagt: Mensch, Leute, das wird aber problematisch! Wer soll das denn alles machen? - Die Mitarbeiter der NBank! Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, daran arbeiten ja längst nicht nur Mitarbeiter der NBank. Von Herrn Toepffer ist das hier vorhin als Erfolgsgeschichte dargestellt worden.

Nichtsdestotrotz - es ist kein Geheimnis - steht ein zweiter Nachtragshaushalt ins Haus und am Freitag die Steuerschätzung. Da wirkt es schon sehr holprig, wenn man jetzt hier mit einem Gesetz zur Bildung eines Sondervermögens kommt.

Ich komme zum Inhalt. Die Schwerpunkte sind für mich zwar erkennbar, aber deutlich zu gering ausgeprägt. Ich sehe immer noch keine deutliche Priorisierung. Das ist doch die große Frage hier. Die Frage ist doch: Befinden wir uns immer noch in einer Zeit vor Corona und können es uns leisten, gewisse Dinge vor die Klammer zu ziehen, oder eben nicht? - Da sind wir ganz eindeutig der Auffassung: Nein, das können wir nicht. Wir befinden uns in einer Sonderlage, und im Moment ist einfach für Artenschutz kein Platz, so traurig das ist. Sie finden immer gute Gründe, um Artenschutz finanziell zu unterfüttern. Aber wenn man Prioritäten setzen muss, fällt traurigerweise auch irgendetwas herunter. Und wenn Sie richtigerweise anmerken, dass dort EU-Regeln gelten, dann weise ich darauf hin, dass die EU weite Teile ihrer Eigenkapitalanforderungen - also das, was allgemein als Basel IV bezeichnet wird - ausgesetzt und verschoben hat. Und dasselbe muss doch beim Artenschutz gelten. Die bedrohteste Art ist im Moment doch nicht der Waldrapp, sondern der deutsche Mittelstand, der niedersächsische Unternehmer. Für den müssen wir uns im Moment starkmachen.

(Beifall bei der AfD)

Zur Methodik des Sondervermögens: Das sehe ich deutlich weniger kritisch als die beiden anderen Oppositionsparteien. Ich glaube, das geht theoretisch. Man könnte das machen, wenn denn die Ränder klar sind. Also wenn klar abgesteckt ist, wofür dieses Sondervermögen verwendet wird, und zwar erstens sachlich. Was fällt darunter? Was ist eigentlich Corona-bedingt? - Das fällt ja schwer. Schon bei der Einbringung war nicht so ganz klar, wo eigentlich die Linie verläuft. Ich sage nur: Wirtschaftsförderfonds. Der sollte ja auch dazu dienen, Corona-Folgen abzumildern. Aber genau das fällt eben nicht in das Sondervermögen.

Das ist also nicht stringent. Zweitens zeitlich. Es muss ganz klare Zielmarken geben, wann das Sondervermögen endet. Es kann ja nicht die Lösung sein - wie im Ausschuss vorgetragen -: Wenn das Geld alle ist. - Was ist das denn für eine Politik? - Das kann natürlich nicht die Lösung sein. Viel besser als eine zeitliche Limitierung wäre, klare Wegmarken zu setzen, wie auch immer,

(Glocke der Präsidentin)

dass man zumindest sagt: Wenn dies und jenes erreicht ist, dann steigen wir aus dem Sondervermögen wieder aus.

(Wiard Siebels [SPD]: Wann liegt denn Ihr Antrag dazu vor?)

R-Faktor, Neuinfektionen oder, oder, oder. Eine solche Klarheit wäre wahrscheinlich noch besser als eine zeitliche Begrenzung.

(Wiard Siebels [SPD]: Wann liegt denn Ihr Antrag dazu vor? - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Zum Zeitdruck möchte ich Folgendes ganz klar sagen: Irgendwann ist dieses Schwert auch einmal stumpf geschlagen. Wir befinden uns jetzt seit mehr als neun Wochen in dieser Situation.

Herr Lilienthal, Sie müssten bald zum Schluss kommen.

Deshalb komme ich auch zum letzten Satz.

Aus meiner Sicht müssen diese Hektik und diese Hast jetzt mal beendet sein. Wir müssen wieder zu geordneten Verfahren kommen.

Vielen Dank.