Protocol of the Session on May 12, 2020

„Die Angst vor Corona lässt aktuell viele Entscheidungen zu, die unter normalen Umständen undenkbar gewesen wären. Die Menschen haben Panik - ob berechtigt oder unberechtigt, sei dahingestellt. Aber wir alle wissen, dass dieser Zustand irgendwann abflacht. Das liegt in der Natur der Dinge.

Aktuell kommt man nicht an Horrormeldungen vorbei. Die Übersättigung wird schnell kommen, und damit wird die Frage einhergehen: Wie lange trägt die Bevölkerung die massive Einschränkung ihrer Grundrechte mit?

Aktuell überbieten sich Bundesländer darin, in die Freiheitsgrundrechte ihrer Bürger einzugreifen, und aufgrund der bestehenden Angst vor dem Unbekannten ist ein großer Teil der Bevölkerung damit einverstanden, obwohl ihm nach derzeitigem Erkenntnisstand keine schweren Krankheitsverläufe drohen würden.“

Der Zeitpunkt der Übersättigung ist jetzt eingetreten. Die Demos zeigen das, auch wenn hier sofort mit den üblichen Maßnahmen reagiert wird: Diese Demos bestehen ganz plötzlich nur aus Rechtsextremen, Linksextremen und Verschwörungstheoretikern. Kein Mensch wird bestreiten, dass sich diese Personengruppen an den Demos beteiligen. Natürlich sind die da und natürlich sind die laut. Aber: Eine große Menge an Bürgern, die mit diesen Maßnahmen einfach nicht mehr einverstanden sind und sie schlichtweg nicht verstehen, in diese Kategorien einzusortieren, ist schlicht unanständig.

Wenn dann noch, wie ich gehört habe, die Kollegin Johanne Modder hier völlig zu Recht Angriffe auf die Presse kritisiert, dabei aber vergisst, dass es linksextreme Gewaltbereite waren, die das

ZDF-Team angegriffen haben, ist das schade und zumindest ein absichtliches Weglassen.

Im April sprachen Sie dann über die Lockerungsmaßnahmen - auch diese nehmen heute einen großen Raum in Ihrer Rede ein -, nicht ohne den Hinweis, dass Sie von einem „neuen Alltag“ in Niedersachsen ausgehen. Was bedeutet das für uns alle? Wenn man Ihnen gut zugehört hat, stellt man fest, dass Sie offenbar beabsichtigen, die Freiheiten der Bürger langfristig einzuschränken und das als neue Normalität zu etablieren. Auf welcher Grundlage?, frage ich mich.

Sie geben hier ein wenig verklausuliert an, dass sich die täglichen Neuinfektionen auf durchschnittlich 70 Fälle pro Tag belaufen und dass weniger Menschen neu erkranken als genesen. Warum nehmen Sie nicht die aktuellen Zahlen? Nach gestrigem Stand gab es in Niedersachsen 2 044 Infizierte. Insgesamt gab es 10 915 bestätigte Fälle. Als geheilt gelten 8 871 Personen. Damit beträgt die Quote der genesenen Personen 81,3 %. Niedersachsen hat - Stand 2019 - 7,982 Millionen Einwohner, dementsprechend sind derzeit 0,026 % der Niedersachsen infiziert. 0,026 %!

Sie erklären hier also 99,974 % der Bürger, dass sie eine neue Normalität zu akzeptieren haben. Wo bitte sehen Sie hier die Verhältnismäßigkeit? Wo sehen Sie hier die Angemessenheit?

Sie bezeichnen die Lage in den Krankenhäusern als entspannt. Sie nennen es also entspannt, wenn Kliniken aufgrund verschobener Behandlungen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, Leerstände haben und sogar Pflegepersonal und Ärzte in Kurzarbeit schicken müssen. Finde ich auch entspannt!

Bei aller gebotenen Vorsicht und dem Vorhalten einer Reserve: Gestatten Sie unserem Gesundheitswesen eine möglichst weitgehende Rückkehr zur Normalität - zum Wohle der Patienten, die dringend auf ihre verschobenen Behandlungen warten, zum Wohle der Mitarbeiter und zum Erhalt unseres funktionierenden Gesundheitswesens!

Sie danken den Menschen für ihre Bereitschaft, Ihre Maßnahmen bis hierher mitzutragen. Aber Sie stellen auch fest, dass die Zahl derer, deren Geduld aufgebraucht ist, täglich wächst. Landauf, landab häufen sich die Rufe nach Normalität und einem Ende der Freiheitseinschränkungen.

Und Sie verwenden ein Gleichnis: Niemand käme auf die Idee, die Feuerwehr abzuschaffen, nur weil es gerade nicht brennt. - Da haben Sie recht. Aber kein Feuerwehrmann käme auf die Idee, einen gelöschten Brand weiter mit Wasser zu über

schwemmen, und dann noch so lange, bis alle Nachbarn mit abgesoffen sind.

(Beifall bei der AfD - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Sie sollten die Nach- glut nicht unterschätzen!)

Ihr Feuerwehr, Herr Ministerpräsident, sollte ein klarer Katastrophenschutzplan sein, damit Sie nicht immer erst schauen müssen, was die anderen machen oder was Frau Merkel sagt.

Neuartige Viren hat es in der Vergangenheit gegeben und wird es auch in der Zukunft immer wieder geben. HIV, Vogelgrippe, Schweinegrippe, SARS: alles Viren, die plötzlich aufgetaucht sind. Allein an HIV sind in Deutschland bisher ca. 30 000 Menschen gestorben. Aktuell gibt es in Deutschland 90 000 Infizierte. Trotzdem ist niemand auf die Idee gekommen, deswegen das komplette Land lahmzulegen. Wollen Sie jetzt bei jedem neuen Virus, das kommt, alles zum Erliegen bringen?

Sie sprechen die Schäden an der Wirtschaft selbst an. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass 2,1 Millionen Menschen in Deutschland vom finanziellen Ruin bedroht sind.

(Unruhe)

Frau Guth, einen Moment, bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist zu unruhig im Plenum. Nehmen Sie bitte alle Platz! Wir hören alle nur der Rednerin zu. - Bitte!

Vielen Dank.

Sie sprechen über einen Stufenplan, der sich über Wochen, Monate oder vielleicht sogar Jahre hinziehen soll - Wochen, Monate oder Jahre, in denen Menschen Kontaktbeschränkungen in Kauf nehmen sollen, Abstandsgebote einhalten sollen und Masken tragen müssen.

Ihren Hinweis auf die konsequente Polizeiarbeit und die kommunalen Behörden muss man unter diesen Umständen als freier Mensch schon fast als Drohung auffassen: Ihr macht, was ich euch sage, oder es gibt wieder Hausarrest!

Sie wollen Kapazitäten im Gesundheitswesen vorhalten. Gut so! Das sollte jedoch Bestandteil jeder vernünftigen Katastrophenvorsorge sein, nicht nur jetzt, sondern immer.

Sie wollen das Infektionsgeschehen regionaler betrachten. Das macht durchaus Sinn. Hätte man das von Anfang an getan, wären viele Maßnahmen nicht notwendig gewesen. Aber besser spät als nie!

Der Punkt 2 Ihres Plans sagt, Sie wollen Perspektiven für alle Bereiche. Ja, anders geht es auch nicht! Sie öffnen endlich den Einzelhandel und die Gastronomie in Teilen. Friseure und andere Dienstleister dürfen wieder aufmachen. Prima! Wo lässt allerdings die Verkäuferin, die Friseurin, die Servicekraft ihre Kinder in den nächsten Wochen und Monaten? Ist das Ihr Verständnis von Perspektive? Was macht der Arbeitgeber, wenn er endlich sein Geschäft wieder öffnen darf, aber seine Arbeitskräfte nicht zur Verfügung stehen? Wirklich clever!

Perspektiven muss es auch für die Autoindustrie geben, natürlich. Aber wem nutzen die Kaufanreize, von denen Sie sprechen, wenn Millionen Menschen in Kurzarbeit sind oder ihre Arbeit verlieren?

Natürlich müssen die Anreize mit Klimaschutz garniert sein. Selbst in dieser Zeit können Sie es nicht lassen, den Rohrkrepierer Elektromobilität mit Steuergeldern am Leben halten zu wollen.

Im Spiegel-Interview sprechen Sie davon, dass es noch immer „20 Millionen Autos mit alten Verbrennungsmotoren und schlechten Schadstoffklassen“ auf unseren Straßen gibt, die hier „verschwinden“ müssen. Wohin „verschwinden“ diese Fahrzeuge, Herr Ministerpräsident? Belasten die das Klima weniger, wenn sie statt in Deutschland in Osteuropa oder in Afrika fahren? Das ist mehr als scheinheilig!

Ja, die Steuergelder! Aufgrund Ihrer Politik sind sinkende Einnahmen klar zu erwarten. Folge: Das Weniger trifft nun allerdings auf viele Bedürftige. Schneller, als Ihnen lieb ist, werden Sie feststellen, dass die Decke nunmehr an allen Enden zu kurz ist. Die angerichteten Schäden sind mit keinem Steuergeld der Welt aufzufangen. Und lange wird das auch nicht zu verhehlen sein.

Vieles, was zu unserem Leben gehörte, wird aufzuhören zu existieren oder deutlich eingeschränkt sein: Kunst, Kultur, Freizeit, Sport, Unternehmen, kleine Betriebe, Handel, Touristik, Gastronomie. Die Liste wird lang werden, ebenso die Liste der Menschen, die ihre Existenz, ihre Arbeit, ihre Immobilie oder ihre Ersparnisse verloren haben.

Diesen Menschen müssen Sie dann auch sagen, dass Sie das in Kauf genommen haben wegen

eines Virus, an dem zu diesem Zeitpunkt noch 0,026 % der Bevölkerung erkrankt waren.

Aber Sie stehen ja hier für eine äußerst kreative Partei, lieber Herr Ministerpräsident. Die SPD war schon immer sehr innovativ, wenn es darum ging, marode Kassen mit dem Geld anderer Leute aufzufüllen.

(Beifall bei der AfD)

Ich bin gespannt, wie lange Ihr Widerstand gegen die Spitze Ihrer eigenen Partei hält, die ja eine Vermögensabgabe - übersetzt: eine Enteignung - für eine gute Idee hält. Schauen wir mal, wann diese Pläne Form annehmen!

Der Punkt 3 Ihres Planes ist im Grunde genommen Füllstoff, der sich gut anhört, aber nichts Wesentliches aussagt, der Punkt 4 ein Exkurs über Risikoabwägungen. Hier nehmen Sie Bezug auf die Regelung für Besuche in Alten- und Pflegeheimen.

Die Auswirkungen Ihrer verordneten Kontaktsperren werden zunehmend dramatisch und belastend für alle Beteiligten. Wer bitte hat die alten Menschen gefragt, ob sie von Ihnen bevormundet werden möchten? Ein Mensch, der an Krebs erkrankt ist, darf eine Behandlung ablehnen, auch wenn damit das Risiko verbunden ist, dass sich seine Lebenszeit verkürzt oder er im schlimmsten Fall an dieser Krankheit stirbt. Ein alter Mensch darf nicht entscheiden, ob er vor einer eventuellen Infektion geschützt werden möchte, die ihn das Leben kosten kann, oder ob er lieber soziale Kontakte haben möchte. Sie entmündigen Menschen mit dem Anspruch, nur das Beste für sie zu wollen.

Punkt 5 ist mein persönliches Highlight in Ihrer Auflistung: die persönliche Hygiene, das Halten von Abstand, regelmäßiges Händewaschen und die Begrenzung von persönlichen Kontakten - das alles ist das eigentliche Fundament für ein normales Leben. - Ein normales Leben für soziale Wesen? Ich glaube, für soziale Wesen gehört zu einem normalen Leben auch normaler sozialer Kontakt.

Und wieder kommt Ihr Verweis auf den Impfstoff. Sie sagen: Dieser Virus wird so lange existieren, bis ein geeigneter Impfstoff zur Verfügung steht. - Ich muss Sie da verbessern: Dieser Virus wird auch danach noch existieren, genauso wie x andere mehr oder weniger gefährliche Viren, die ebenfalls aktuell im Umlauf sind. Sie machen nur klar, dass Sie das Leben der Menschen bis zu diesem Tag einschränken wollen und einschränken werden. Sagen Sie das laut und deutlich!

Ich hoffe, die Damen und Herren auf der Pressetribüne werden das ihren Lesern genau so mitteilen: Ihre Freiheitsrechte bleiben eingeschränkt, egal wie klein die Zahl der Infizierten ist, bis es einen Impfstoff gibt.

HIV z. B. gibt es in Deutschland seit fast 40 Jahren. Seit fast 40 Jahren wird geforscht. Einen Impfstoff gibt es bis heute nicht. Ich hoffe, dass wir mit Corona nicht eine ähnliche Pleite erleben.

Die Beschränkung von Kontakten auf Personen des eigenen Haushaltes oder jeweils eine weitere Person wurde jetzt gelockert. Mal wieder beschloss die neue Regierung in Deutschland - also Frau Merkel und die 16 Ministerpräsidenten -, dass es an der Zeit sei, den lieben Kleinen etwas mehr Freiheit zuzugestehen. Man darf sich nunmehr mit Mitgliedern eines anderen Haushaltes treffen. Da kann man schon mal Danke sagen! Wir nehmen diese Erlaubnis demütig und dankbar zur Kenntnis.

Ich fordere Sie hiermit auf, die folgenden fünf Stufen umzusetzen:

Erstens. Legen Sie klar und deutlich offen, auf welcher rechtlichen Grundlage Sie die Freiheitsrechte der Menschen in diesem Land derartig einschränken!

Zweitens. Begründen Sie die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der verhängten Maßnahmen unter dem Aspekt, dass weniger als 0,03 % der Bevölkerung in Niedersachsen an Corona erkrankt sind!

Drittens. Hören Sie sofort damit auf, politische Entscheidungen dieser Tragweite in einer LänderTelko mit anderen Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin zu fällen, sondern halten Sie sich an das gewählte Parlament in Niedersachsen!

Viertens. Führen Sie endlich Massentests in Niedersachsen durch, um einen belastbaren Überblick über die tatsächlichen Verhältniszahlen zu erlangen!

Fünftens. Nehmen Sie diese Erkenntnisse auch zur Kenntnis und beenden Sie diesen Shutdown, bevor die Schäden nicht mehr einzufangen sind!

Oder warten Sie ab, bis die Gerichte Ihre Verordnungen Stück für Stück außer Kraft setzen, so wie gestern, als das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die generelle Quarantänepflicht für Menschen, die aus dem Ausland einreisen, außer Vollzug gesetzt hat. Die Begründung dafür muss man sich gut durchlesen. Ich finde sie sehr interessant: Im Hinblick auf die weltweiten Fallzahlen,

die in Relation zur Weltbevölkerung zu setzen sind - also genau das Gleiche, was wir hier für Niedersachsen auch tun sollten -, kann man niemanden pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtigen ansehen. - Genau das war der Grund, warum z. B. dieser Teil Ihrer Verordnung außer Vollzug gesetzt wird.