Protocol of the Session on May 12, 2020

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Mit dem Dank ist es ja immer so eine Sache. In den ganzen Corona-Debatten wird das leicht ritualisiert: Wir danken immer allen und sehr viel. Das ist auch richtig. Aber an der Stelle möchte ich wirklich mal zwei Gruppen Danke sagen, den man bisher noch nicht gedankt hat, wie mir aufgefallen ist.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: FDP und Grünen! - Heiterkeit)

- Auch FDP und Grünen danke ich für ihre Mitarbeit - keine Frage! Wir brauchen eine gute Opposition. Kein Ding!

Ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und der NBank danken.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Da wird immer noch auf das Geld gewar- tet!)

Ich erinnere mich nämlich noch daran, dass hier diskutiert worden ist, ob die das eigentlich überhaupt schaffen, alle diese Hilfen auf die Straße zu kriegen. Ich weiß von unserem Wirtschaftsminister, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Wo

chenende freiwillig gearbeitet haben, und dafür sind wir ihnen in der Tat dankbar.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich bin auch vielen Lehrerinnen und Lehrern dankbar, die derzeit Erstaunliches leisten, indem sie versuchen, ihren Schülerinnen und Schülern digitalen Unterricht nahezubringen. Einige sind vielleicht nicht das beste Beispiel, aber Geisterfahrer gibt es ja überall.

Geisterfahrer gibt es auch in der Politik; das hat die Kollegin Modder richtigerweise angesprochen. Boris Palmer ist der berühmteste aller Geisterfahrer - keine Frage! Das ist aber keine Kritik an den Grünen. Denn in der Tat: Geisterfahrer haben wir alle in unseren Reihen - Thilo Sarrazin, Erika Steinbach. Bei der FDP ist es mir in der Tat eine Zeit lang schwergefallen, zu definieren, wer ihr Geisterfahrer ist. Deswegen war das Angebot, Palmer in die FDP aufzunehmen, vielleicht folgerichtig. Aber jetzt wissen wir, dass Herr Kemmerich Ihr Geisterfahrer ist.

Zum Thema Palmer: Herr Kollege Birkner, Sie haben mir bei der Erwähnung des Namen Palmer vorhin zugerufen: Was für eine Kleinigkeit! - Nein, das ist eigentlich keine Kleinigkeit. Denn entscheidend in dieser ganzen Diskussion um Corona ist vielleicht nicht die Frage der Öffnung von Autowaschanlagen. Es ist vielleicht auch nicht die Frage der Öffnung von Baumärkten. Klar, es war erschütternd, dass in einem Baumarkt beispielsweise Fahrräder verkauft worden sind, während der Fahrradhändler 100 m weiter das nicht tun konnte. Das ist schlimm. - Es ist auch nicht die Frage, warum man Schnittblumen nicht auf dem Wochenmarkt kaufen durfte, aber im Blumengeschäft. Und auch die Frage der Öffnung der Saunen ist nicht wirklich entscheidend.

Entscheidend ist eine ganz andere Frage. Entscheidend ist die Frage: Welchen Preis zahlt eigentlich eine Gesellschaft für die Rettung von Menschenleben? Welchen Preis ist sie zu zahlen bereit? Eine weitere Frage ist: Welchen Wert hat eigentlich menschliches Leben, welches ohne Corona möglicherweise ohnehin ein baldiges Ende finden würde? Und was ist eigentlich ein „baldiges“ Ende?

Wolfgang Schäuble hat das in einer wesentlich bemerkenswerteren Art und Weise, nämlich mit der ihm eigenen Intellektualität, versucht, zu entscheiden. Das sind die Fragen, die wir tatsächlich diskutieren müssen, Herr Wirtschaftsminister. Nicht

nur die ökonomischen Fragen, Herr Althusmann, auch die ethischen Fragen müssen diskutiert werden.

Ich bin erschüttert über manche Reaktionen, die ich in den letzten Wochen teilweise aus dem Bereich der Wirtschaft und Ökonomie erfahren habe. Das wird Ihnen vielleicht ähnlich gegangen sein. Auch ich habe ganz viele Nachrichten über SMS und WhatsApp bekommen. Eine hat mich am 3. April 2020 erreicht. Sie kam von einem an sich guten Freund, dem ich so etwas nie zugetraut hätte. Er schreibt mir - Zitat -: Diese ganze Shutdown-Scheiße muss am 19. April beendet werden. Wir brauchen keine Panikmacher wie Drosten oder Kekulé, sondern Ökonomen, die mal die Kollateralschäden beziffern und einen Fahrplan aus dieser Staatschaotisierung gestalten.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde, dies hier ist keine Fragestellung für Ökonomen! Es ist auch keine Fragestellung für Epidemiologen! Das ist eine Fragestellung für Ethiker. Und wir als Politiker müssen dann am Ende entscheiden.

Deshalb bin ich auch dankbar, dass es die Initiative zur Einrichtung eines niedersächsischen Ethikrates von Kirchen und Ärzten gibt. Ja, wir brauchen das in der Tat! Wir müssen uns mit diesen ethischen Fragestellungen beschäftigen, damit Corona nicht alleine im Klein-Klein der Ökonomie und in den entsprechenden Folgen versinkt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Die Menschen brauchen auch diese Hilfestellung, habe ich festgestellt. Das hat mich überrascht. Aber sie brauchen sie in der Tat. Das merkt man auch an einem anderen Punkt. Dies zeigen die Umfragen, die sogenannten Sonntagsfragen. Als Union kann man sich da natürlich freuen: 40 % bei forsa ist schön. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass das keine langfristigen Meinungsbekundungen sind. Offensichtlich schwanken die Menschen in ihren Meinungen heute sehr schnell. Deswegen muss man ihnen Orientierung geben.

Ich hoffe auch, dass diese kurzfristigen Schwankungen nicht allzu heftig sind. Denn, liebe Frau Hamburg - ich sage mal was Versöhnliches -, in einem Punkt haben Sie vollkommen recht: Klima bleibt ein ganz wichtiges Thema - gar keine Frage. Der Klimawandel ist und bleibt ein wichtiges Thema, auch über Corona hinaus. Aber eines muss ich Ihnen auch sagen: Es ist gut, dass das Thema ein wenig relativiert ist. Denn das andere Extrem, dass es nur noch um den Klimawandel geht, ist

genauso falsch. Neben dem Klimawandel gibt es nämlich - das haben wir jetzt gelernt - auch wichtige Fragen der Gesundheit, der Arbeitsplatzsicherheit und der Lebensqualität. Und diese Fragen müssen neben dem Klimawandel oder mit dem Klimawandel diskutiert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir werden uns künftig verstärkt damit beschäftigen müssen, welche Wertigkeit wir den unterschiedlichen Themen zumessen, wenn sie miteinander in Konflikt geraten. Auch dabei können wir einen Ethikrat in der Tat gut gebrauchen, weswegen ich Landesbischof Meister, der einer der Initiatoren ist, meine Unterstützung zugesagt habe.

Neben der unmittelbaren Begleitung der CoronaPolitik durch das Plenum, einen Sonderausschuss, den Ethikrat oder wie auch immer - wir können ja über alles reden - müssen wir aber auch darüber nachdenken, wie wir unsere Erfahrung mit Corona in die praktische Politik einbeziehen.

Dazu muss ich sagen, dass ich die Kritik an Olaf Lies und seinem gestrigen Interview nicht verstanden habe. Olaf Lies hat gesagt, Corona mache die Akzeptanz für eine klimafreundliche Politik ein bisschen schwerer. Er hat das auch ziemlich gut erklärt. Ich möchte aber eigentlich auf einen anderen Satz hinaus, den ich richtig finde, lieber Minister Lies. Sie haben gesagt: „Wir sollten die erzwungene Atempause nutzen, um unsere Konzepte zu überprüfen.“ Damit hat er recht. Olaf Lies hat in diesem Zusammenhang die zukünftige Nutzung von Auto und Flugzeug genannt und die Frage gestellt, wie wir damit umgehen wollen. Ich ergänze das um das Thema Tourismus.

Obwohl ich anfangs gesagt habe: „Corona darf nicht vergessen werden und wir dürfen nicht denken, es sei vorbei“, müssen wir diese Diskussion jetzt führen, weil vieles, was wir am Anfang der gesamten Corona-Debatte hautnah erlebt haben, ganz schnell in Vergessenheit gerät. Wer erinnert sich denn noch daran, dass Nudeln zeitweilig vergriffen waren? In einiger Zeit wird man sich sicherlich auch nicht mehr daran erinnern, dass es hinsichtlich der Mundmasken ein Problem gab.

Deswegen müssen wir jetzt, wo die Eindrücke frisch sind, über vieles diskutieren - gerade im Bereich der Wirtschaft. Die Meyer-Werft ist genannt worden. Ich nenne die TUI. Die Frage ist, wie wir Tourismus künftig aufstellen, aber auch, was wir mit Blick auf unseren Flughafen in Hannover machen, um nur ein Beispiel zu nennen. Dieser

wird fraglos Hilfestellung brauchen. Er ist ein ganz wichtiges hiesiges Wirtschaftsunternehmen. Insider wissen aber, dass ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal dieses Flughafens die Nachtflugerlaubnis ist. Ich möchte nicht erleben, dass man das Unternehmen möglicherweise dadurch wieder flott macht, dass man mehr Inlandsflüge zur Nachtzeit gestattet. Das kann nicht der richtige Weg sein. Da müssen wir Corona-Lehren ziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen über die Messe reden. Welches Geschäftsmodell wird die Deutsche Messe AG künftig haben? Wird das wieder so funktionieren, wie es immer funktioniert hat? Für einen Hannoveraner ist das ein geradezu sakrosanktes Unternehmen. Die Frage unter dem Eindruck der Corona-Erfahrung ist, wie es damit weitergeht.

Die Automobilindustrie ist angesprochen worden. Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er das Thema angesprochen hat. Ich will nicht die Debatte über die Abwrackprämie führen. Gott sei Dank hat VW erklärt, man wolle auf Staatshilfen derzeit verzichten. Es gibt keine Abwrackprämie. Das bringt vielleicht auch den Nebenerfolg mit sich, dass diejenigen, die gewartet haben, jetzt tatsächlich Autos kaufen, was gut für das Unternehmen ist.

Was wir brauchen, ist in der Tat weiterhin ein klares Bekenntnis zur Automobilindustrie hier in Niedersachsen. Und wir brauchen einen branchenübergreifenden Plan. Deswegen bin ich unserem Wirtschaftsminister Bernd Althusmann dankbar, dass er als Mitglied des CDU-Präsidiums auf ein Gesamtkonjunkturpaket hingewiesen und dieses eingefordert hat. Das, denke ich, ist der richtige Weg.

Meine Damen und Herren, abschließend zu all diesen Themen möchte ich eines ansprechen, das meiner Fraktion sehr am Herzen liegt. Das ist der Bereich Landwirtschaft. Ich sprach eben schon die Nudeln an, die aus den Regalen verschwunden waren. Wir reden über Versorgungssicherheit und darüber, was wir im eigenen Land produzieren können. Dann reden wir von Impfstoffen, Medikamenten, Schutzkleidung und Masken. Die brauchen wir vielleicht, wenn es schlimm läuft, noch längere Zeit und in einigen Jahren wieder. Was wir aber tagtäglich brauchen, sind Lebensmittel. Ich glaube, der eine oder andere in diesem Land hat jetzt möglicherweise begriffen, wie wichtig es ist, dass wir zumindest Lebensmittel in ausreichender

Menge und Qualität im eigenen Land produzieren können.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Man begegnet an dieser Stelle wiederum einer ethischen Fragestellung. Wenn man betrachtet, wie viele Lebensmittel im Ausland produziert werden, muss man sich die Frage stellen, ob es unter ethischen Gesichtspunkten nicht tatsächlich besser wäre, dies hier in Deutschland und insbesondere in Niedersachsen zu tun.

Zum Schluss meiner Ausführungen ein versöhnliches Wort - alle haben gesagt, dies sei wichtig -: Auch ich bin der Meinung, dass wir in der jetzigen Situation insbesondere an diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger denken sollten, die zu den schwächsten der Gesellschaft gehören und deren Stimme man nicht so häufig gehört hat. Das sind diejenigen, die in Alten- und Pflegeheimen leben.

Ich kann mir eine kleine kritische Bemerkung hierzu allerdings nicht verkneifen: Den Hinweis, dass es in diesen Einrichtungen teilweise keine Hygienepläne gebe, habe ich nicht verstanden. Solche Hygienepläne werden im Infektionsschutzgesetz gefordert.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass man erst jetzt bemerkt hat, dass es sie nicht gegeben hat, finde ich nicht gut. Ich hoffe, dass das ganz schnell abgestellt wird, damit auch die Menschen, die in diesen Heimen wohnen, erleben, dass sie demnächst den Besuch eines lieben Menschen empfangen können.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

- Danke schön.

Ich denke, wir können fortfahren. Es ist jetzt nicht Bündnis 90/Die Grünen dran, sondern die AfD. Frau Dana Guth, bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute antworten wir zum dritten

Mal in Folge auf die Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten. Und vermutlich wird das auf Sicht - zumindest wenn es nach ihm geht - die einzige Form bleiben, in der sich der Niedersächsische Landtag an den Entwicklungen der CoronaKrise beteiligen darf.

In der Plenarsitzung im März verkündeten Sie die Shutdown-Maßnahmen, nachdem Sie das Risiko über mehrere Wochen schlichtweg ignoriert hatten. Bereits damals sagte ich Folgendes:

„Die Angst vor Corona lässt aktuell viele Entscheidungen zu, die unter normalen Umständen undenkbar gewesen wären. Die Menschen haben Panik - ob berechtigt oder unberechtigt, sei dahingestellt. Aber wir alle wissen, dass dieser Zustand irgendwann abflacht. Das liegt in der Natur der Dinge.