Wir kommen nun zu der Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 18/6284, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen den Mandatsverlust von Herrn Dirk Adomat festzustellen. Über einen solchen Tagesordnungspunkt wird traditionell ohne Besprechung abgestimmt. - Ich höre keinen Widerspruch und lasse daher gleich abstimmen.
Wer dem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so beschlossen worden. Der Abgeordnete Dirk Adomat ist damit aus dem Landtag ausgeschieden.
Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 2 des Landeswahlgesetzes hat die Landeswahlleiterin inzwischen festgestellt, dass der frei gewordene Sitz auf Herrn Grant Hendrik Tonne übergeht. Herr Tonne hat seine Bereitschaft erklärt, das Landtagsmandat als Nachrücker anzunehmen.
Herr Tonne, ich begrüße Sie jetzt auch in Ihrer Eigenschaft als Abgeordneter in unserer Mitte und wünsche Ihnen ein erfolgreiches Wirken in der Zukunft. Herzlich willkommen!
Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Regierungserklärung unter dem Titel „Bis hierhin erfolgreich - Niedersachsens Weg durch die Corona-Krise“ - Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten - Drs. 18/6288 neu
Ich erteile nun Herrn Ministerpräsidenten das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung. Bitte, Herr Ministerpräsident!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau einem Monat, am 25. März, habe ich in der letzten Sitzungsperiode eine Regierungserklärung abgegeben, und der Titel lautete „Niedersachsen im Kampf gegen das Coronavirus“. Die Überschrift über meine heutige Regierungserklärung - Sie haben es gehört - lautet: „Bis hierhin erfolgreich - Niedersachsens Weg durch die Corona-Krise“. Damit ist vielleicht in ganz kurzen Worten ausgedrückt, was in den letzten Wochen geschehen ist und mit welchen Gefühlen ich heute vor Ihnen stehe. Ich persönlich bin nämlich vor allem tief erleichtert.
Vor einem Monat - Sie erinnern sich - hatten wir gerade eine ganze Kette von tiefgreifenden Maßnahmen im öffentlichen Bereich, in der Wirtschaft und auch im privaten Sektor vornehmen müssen. So etwas hatte es bis dahin noch nicht gegeben, und es gab leider sehr gravierende Gründe für diese Entscheidungen. Die Perspektiven waren nämlich damals, vor einem Monat, in Niedersachsen ebenso wie in ganz Deutschland durchaus erschreckend. Ein unkontrollierter Verlauf der Pandemie, wie wir ihn bis heute aus anderen Ländern hören und sehen, drohte ganz konkret auch in unserem Land.
In den wenigen Wochen seither ist es uns gemeinsam gelungen, das Blatt zu wenden. Heute haben wir das Infektionsgeschehen nicht beseitigt, aber vorerst unter Kontrolle - und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine gewaltige Leistung.
Zuallererst ist es die Leistung von unzähligen Bürgerinnen und Bürgern, die aus eigener Einsicht heraus ihr Verhalten wesentlich verändert haben, die Abstand halten, die mehr zu Hause bleiben als gewöhnlich.
Ich spreche über Eltern, die sich nach Schließung der Schulen und Kindertagesstätten ganz kurzfristig haben umstellen müssen und neben dem Beruf versuchen, die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen. Ich spreche über Menschen im Lebensmitteleinzelhandel und in der Logistik, die unter wesentlich schwierigeren Bedingungen als zuvor viel mehr als normal arbeiten, über diejenigen, die sich auch einmal getraut haben, freundlich, aber bestimmt, Nachbarn auf unvorsichtiges Verhalten aufmerksam zu machen.
Ein ganz besonderes Wort gilt denjenigen, die in den letzten Wochen unter erhöhten eigenen Risiken für andere eingestanden haben - insbesondere in den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Ich bedanke mich bei den Beamtinnen und Beamten unserer Polizei, die jeden Tag unterwegs sind, um an die bestehenden Vorschriften zu erinnern und sie gegebenenfalls auch durchzusetzen. Und ich bedanke mich bei den Beschäftigten in den Gesundheitsämtern überall im Land. Die Kommunen haben das dort eingesetzte Personal verfünffacht - das ist eine riesengroße Leistung. Und so ließe sich die Dankesliste noch lange fortsetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter dem Strich haben wir in den vergangenen Wochen eine großartige Leistung von Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land erlebt, die es geschafft haben, ihren Beitrag zur Abwendung einer drohenden Gefahr zu leisten, und damit viele, viele Menschenleben gerettet haben. Ich drücke allen diesen Menschen meinen persönlichen, wirklich tief empfundenen Dank aus.
Was in dieser Zeit geschehen ist, lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Genau heute vor einem Monat sind uns 449 neue Infektionsfälle bekannt geworden. Heute sind es 162. 449 zu 162! Und noch ein Wert ist wichtig: Heute ist die Zahl der täglich Genesenen höher als die Zahl der Neuinfizierten.
Vor allem aber gilt: Noch genau vor einem Monat mussten wir fürchten, dass unsere Krankenhäuser genau heute komplett überlastet sein würden und dass Hunderte Menschen womöglich sterben müssten, weil sie nicht versorgt werden könnten. Das ist nicht eingetreten, im Gegenteil: Aus den
Intensivstationen unserer Krankenhäuser werden aktuell sehr entspannte Belegungszahlen gemeldet. Das ist wirklich die beste Nachricht, die wir heute haben können.
Noch einmal: Es ist beeindruckend, was in dieser kurzen Zeit in Deutschland und in Niedersachsen geschehen ist. Und das deutsche Beispiel mit einer bemerkenswert niedrigen Sterberate findet auch international sehr viel Beachtung, auch wenn natürlich jede Tote und jeder Tote eine bzw. einer zu viel ist. Wir verzeichnen in Niedersachsen bis heute 343 Todesfälle. Auch daran muss ich leider erinnern, und damit ist viel Trauer verbunden. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Aber klar ist auch: Viele Menschen in Niedersachsen haben derzeit existenzielle Sorgen. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze, um die Zukunft ihrer Unternehmen.
Das alles zeigt deutlich: Die Krise ist noch nicht vorbei. Und ich füge hinzu: Die Gefahr ist auch noch nicht vorbei. Wir stehen jetzt am Anfang eines neuen Kapitels unseres Kampfes gegen die Corona-Pandemie, aber eben nicht an seinem Ende. Das Virus wird voraussichtlich erst aus unserer Gesellschaft verschwunden sein, wenn ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht, und das dürfte noch mindestens ein Jahr dauern, wie Experten sagen. Wenn wir nicht aufpassen, dann könnten wir schneller als gedacht exakt in dieselbe Bedrohung zurückfallen, von der ich Ihnen vor einem Monat berichtet habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns keine Illusionen: Womöglich steht uns jetzt sogar eine noch schwierigere Etappe bevor, als wir sie gerade hinter uns haben. Womöglich ist es leichter, unter dem Eindruck unmittelbar bevorstehender Gefahren Menschen zur Überprüfung und Änderung ihres Verhaltens zu motivieren als über einen längeren Zeitraum hinweg bei einem relativ entspannten Infektionsgeschehen.
Die Bundeskanzlerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat von einem „zerbrechlichen Erfolg“ gesprochen. Ich finde das eine sehr treffende Beschreibung der Situation, ebenso wie z. B. das Bild von dem dünnen Eis, über das wir derzeit gehen.
Was werden vor diesem Hintergrund unsere wichtigsten Aufgaben - die der Politik - in den nächsten Wochen und Monaten sein? - Einerseits Schritt für
Schritt herauszufinden, wie schnell wir die derzeitigen Einschränkungen wieder lockern können, ohne die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zu verlieren. Und andererseits immer und immer und immer wieder daran zu erinnern, dass der Schlüssel für den Erfolg gegen dieses Virus bei uns allen und unserem ganz persönlichen Verhalten liegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was die Lockerungen angeht, befinden wir uns jetzt an deren Anfang. Sie wissen, in der vergangenen Woche haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder eine ganze Reihe von Schritten vereinbart, die als erste erfolgen sollen. Diese Maßnahmen betreffen die allmähliche Öffnung unserer Schulen und Bibliotheken, die Erweiterung der Notbetreuung für die Kinder und auch die Erweiterung unserer Einkaufsmöglichkeiten.
Ich werde auf all diese Themen noch zurückkommen, aber ihnen ist gemeinsam, dass sie vorsichtig und gewissermaßen tastend sind. Wir haben alle bisher noch zu wenig Zeit gehabt, um wirklich Erfahrungen im Umgang mit dieser Pandemie zu sammeln. Und wir wissen noch nicht genau, welche Maßnahmen welche Konsequenzen in Bezug auf das Infektionsgeschehen haben. Und hinzu kommt - etwas ganz Wichtiges -: Jede Lockerung ist extrem abhängig davon, wie die Gesellschaft insgesamt darauf reagiert. Wir können uns viel an Lockerung erlauben, wenn alle von uns weiterhin sehr vorsichtig sind, auf Abstand und Hygiene achten und Kontakte einschränken. Wenn aber beispielsweise die Wiederöffnung der Innenstädte einen unkontrollierten Run auf Geschäfte auslösen würde - ja, dann würde es auch weniger Spielraum für neue Maßnahmen geben. Das ist, glaube ich, klar. Die Zahlen werden es am Ende zeigen.
Deswegen stehe ich aus eigener, tiefer persönlicher Überzeugung zu dem zwischen dem Bund und den Ländern abgestimmten Verfahren. Wir wollen alle 14 Tage zunächst die Infektionslage analysieren und dann bewerten, ob vor diesem Hintergrund weitere Lockerungen möglich sind. Das soll in der nächsten Woche - vorgesehen ist der 30. April - wieder der Fall sein. Ich hoffe sehr, dass es danach auch wieder weitere Fortschritte geben kann, z. B. beim Sport, in der Kultur oder dem Angebot für die Kinder.
Aber ich muss laut und deutlich den Vorbehalt äußern: Das hängt vom Infektionsgeschehen und von den Erfahrungen ab. Und um auch dies klar zu sagen: Würde uns die Infektionslage dazu zwingen, dann müssten wir bereits erfolgte Lockerun
gen gegebenenfalls wieder zurücknehmen. Schon dieser Gesichtspunkt spricht übrigens dagegen, anfangs zu große Schritte zu machen. Er spricht dafür, in einzelnen, überschaubaren Schritten Erfahrungen zu sammeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich betone dieses Vorgehen deswegen, weil viele Betroffene natürlich ungeduldig sind. Und wer wollte es ihnen denn auch verdenken? Ja, auch wir wollen so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren - aber eben auch so langsam und so vorsichtig wie nötig. Weder waren die Warnungen vor einigen Wochen falscher Alarm, noch besteht jetzt Anlass zur Entwarnung. Auch bei den nächsten anstehenden Lockerungen von Einschränkungen müssen wir vernünftig sein, und das heißt vor allen Dingen: vorsichtig.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich bin mir dabei sehr des Umstandes bewusst, dass wir über Grundrechtseingriffe reden. Im Hinblick auf die Demonstrationsfreiheit haben wir mit der letzten Änderung unserer Verordnung bereits bestehenden Bedenken Rechnung getragen. Im Hinblick auf die Religionsfreiheit hoffe ich, dass es sehr schnell eine Verständigung darüber geben kann, unter welchen Voraussetzungen Gottesdienste und andere Formen der Religionsausübung wieder möglich sein können. Die Gespräche - so höre ich - sind auf einem guten Stand.
In anderer Hinsicht müssen wir heute schon sagen, dass die Einschränkungen wahrscheinlich deutlich länger gelten werden. Große Veranstaltungen sind eben auch große Risiken für neue Infektionsketten. Bis mindestens Ende August erscheint ihre Durchführung aus heutiger Sicht unvertretbar, und wir haben in dieser Hinsicht deswegen auch für Klarheit gesorgt.
Und noch etwas will ich hier ganz offen ansprechen: Die Kontaktbeschränkungen im persönlichen Bereich sind gewiss der härteste Eingriff, der bislang geschehen ist, aber wohl auch der wirksamste. Gerade viele ältere Menschen spüren das allerdings ganz besonders, und ihnen fehlt z. B. der Umgang mit ihren Enkelkindern.
Aus der Entwicklung der Infektionszahlen ist allerdings deutlich ablesbar, dass gerade diese Maßnahme sehr zum Rückgang neuer Erkrankungen geführt hat. Deswegen müssen wir leider bei der Lockerung im direkten persönlichen Miteinander auch besonders vorsichtig sein.
Das gilt auch in einem Bereich, bei dem die Einschränkungen besonders wehtun, nämlich die Besuchsverbote in den Pflegeheimen. Ich weiß genau, wie wichtig diese Besuche der Angehörigen für die Menschen in den Pflegeheimen sind. Ich hoffe, dass wir auf der Basis von Hygienekonzepten für die einzelnen Heime jetzt schnell vor Ort befriedigende Lösungen finden, die den Schutz des Lebens der Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Schutz ihrer Lebensqualität in Einklang bringen. Die Voraussetzungen dafür sind jetzt geschaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch etwas muss offen angesprochen werden: Wenn wir auf dem beschriebenen Weg in den nächsten Wochen immer wieder neue Entscheidungen zu treffen haben, dann wird auch Kritik kaum zu vermeiden sein. Ich will das an einem praktischen Beispiel deutlich machen: In der Runde der Bundeskanzlerin, der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gab es sehr unterschiedliche Auffassungen zu der Frage, ob eine Erweiterung der Öffnung im Einzelhandel jetzt schon vertretbar ist. Während die einen zur äußersten Vorsicht geraten haben, konnten sich die anderen auf Grundlage guter Erfahrungen im Lebensmitteleinzelhandel weitergehende Schritte durchaus vorstellen. Zu dieser Gruppe habe auch ich gehört.
Herausgekommen ist ein Kompromiss, der eine Grenze bei 800 m² Verkaufsfläche vorsieht. Das ist keine willkürliche Grenze, wie die Kritik lautet,
sondern das ist die Grenze zum großflächigen Einzelhandel im Baurecht. Wir haben uns auf diese Grenze verständigt, weil große Flächen als Kundenmagneten auch eine größere Zahl von Menschen zusammenbringen und wir das in einem ersten Schritt noch vermeiden wollten.
und muss dennoch um Verständnis bitten. Sie erscheint mir nämlich allemal besser als eine Situation, in der die einen Länder - unter Wahrung von Hygienekonzepten, versteht sich - jede Form des Einzelhandels freigeben und die anderen die Geschäfte weitgehend geschlossen halten. Gerade weil ich ein überzeugter Föderalist bin, hat für mich ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Bund und
Deswegen stehe ich zu der gemeinsamen verabredeten Linie, hätte mir allerdings bei einem anderen Thema eine wesentlich bessere Abstimmung zwischen den Ländern gewünscht - Sie ahnen es -: bei dem Thema der Alltagsmaske. Da gab es erst vor einer Woche eine Verständigung aller Beteiligten im Sinne einer Empfehlung, eine solche Alltagsmaske zu tragen. Darüber gab es Verständigung - aber in den Tagen danach hat diese sich nach und nach verflüchtigt, mit der Folge, dass ein Flickenteppich entstanden ist, anstatt dass man sich z. B. von Neuem miteinander abgestimmt hat.
Dass die Ländergemeinschaft insgesamt dabei einen guten Eindruck gemacht hat, wird niemand behaupten können.
In der Sache selbst ist eine solche Verpflichtung zum Tragen einer Alltagsmaske sehr gut zu vertreten. Die Lockerungen werden natürlich zu einer Belebung führen, und deswegen müssen wir sie auch immer mit weiteren Maßnahmen zum Infektionsschutz flankieren. Die Maskenpflicht ist dafür ein gutes Beispiel. Ich spreche nicht über die qualifizierten Schutzmasken. Die müssen unbedingt den Beschäftigten in den besonders betroffenen Berufsgruppen vorbehalten bleiben. Ich spreche über die Alltagsmasken - vielleicht sollten wir besser sagen: über die Bedeckung von Mund und Nase.
Wie die meisten von uns habe ich keine Freude bei dem Gedanken, das Gesicht verdecken zu müssen. Es wird aber nun einmal Situationen geben, in denen gerade unter den Bedingungen zunehmender Lockerungen wieder mehr Menschen zusammenkommen werden und der notwendige Abstand eventuell eben nicht immer gewahrt sein kann. Ich denke dabei insbesondere an die Nutzung des ÖPNV, aber auch den Einzelhandel.