Protocol of the Session on March 25, 2020

Die Kinder- und Jugendhilfe - damit will ich beginnen - muss weiterhin alle Minderjährigen schützen. Sind die Eltern nicht bereit oder in der Lage, Gefährdungen abzuwenden und/oder Hilfen des Jugendamtes anzunehmen, muss das Jugendamt die notwendigen Maßnahmen beim Familiengericht anregen und im Fall dringender Gefahr die Minderjährigen in Obhut nehmen.

Hierfür stehen weiterhin alle Formen der Heim- und Pflegestellenunterbringung zur Verfügung. Nur Tagesgruppen nach § 32 SGB VIII sind vom Schulschließungserlass mit umfasst. Für ambulante Hilfen wie die sozialpädagogische Familienhilfe

sind die im eigenen Wirkungskreis handelnden Kommunen in Kooperation mit den freien Trägern für die Einzelfallhilfen verantwortlich. In Abstimmung mit den Gesundheitsämtern kann hier derzeit ein unterschiedliches Vorgehen der Kommunen erfolgen. Grundsätzlich gilt aber auch hier: Ist der Zugang zur Familie aus Gründen des Kinderschutzes zwingend erforderlich, kann die Hilfe nicht eingestellt werden. Einige Kinderschutzeinrichtungen haben zudem auf die aktuelle Situation reagiert. Beispielsweise hat das Kinderschutzzentrum Hannover seine telefonischen Beratungszeiten erweitert. Bei den kommunalen Jugendämtern besteht ohnehin grundsätzlich eine 24-StundenErreichbarkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das gesamte niedersächsische Gewaltschutzsystem für Frauen steht auch weiterhin zur Verfügung. Alle 42 Frauenhäuser nehmen gewaltbetroffene Frauen auf.

Eine Ausnahme ist eine unter Quarantäne stehende Frau. Im Falle einer unter Quarantäne stehenden Frau sollte konsequent das Gewaltschutzgesetz durch die Polizei angewandt werden und der Täter der Wohnung verwiesen werden.

Das bundesweite Hilfetelefon 0800 116 016 steht 24 Stunden am Tag in 17 Sprachen mit telefonischer Beratung, Sofort-Onlinechat, Gebärdensprache und auch mit leichter Sprache zur Verfügung.

Zur Frage der häuslichen Gewalt haben wir heute Morgen eine Telefonkonferenz mit der Bundesfamilienministerin durchgeführt. In dieser haben sich die Länder ausgetauscht. Wir haben verabredet, bei allen fachlichen Fragen weiterhin eng zusammenzuarbeiten.

Ich will auf die Suchthilfe eingehen. Insbesondere die niedrigschwelligen Einrichtungen der Suchthilfe tragen dazu bei, dass existenzielle Krisensituationen für Menschen mit Suchterkrankungen vermieden werden. Das ist besonders in der derzeitigen Situation von hoher Bedeutung. Der Landesregierung ist es daher besonders wichtig, dass die Einrichtungen im niedrigschwelligen Bereich und in der Suchtrehabilitation Wege finden, ihre Klientinnen und Klienten auch jetzt erreichen und behandeln zu können. Es gibt bereits Lockerungen bei der Substitutionsbehandlung, die es erlauben, längere Take-home-Regelungen zu treffen.

Uns ist es wichtig, dass das vorbildliche System der Suchtkrankenhilfe in Niedersachen auch in der Krise aufrechterhalten werden kann; denn die ge

meinsame und die angemessene Behandlung suchtkranker Menschen hilft ja auch, Infektionsketten zu unterbrechen.

Menschen mit bekannten psychischen Einschränkungen werden durch die sozialpsychiatrischen Dienste und die Träger der Eingliederungshilfe weiterhin unterstützt. Dabei wird vermehrt auf regelmäßige Telefonkontakte zurückgegriffen. Aber auch aufsuchende Hilfen sind weiterhin möglich. In neu auftretenden Krisensituationen sind die sozialpsychiatrischen Dienste Ansprechpartner.

Für Menschen mit Behinderungen stellt die Landesregierung sicher, dass die im konkreten Einzelfall zwingend erforderlichen Leistungen unter Beachtung der besonderen Situation erbracht werden. Die Unterstützungssysteme mit den besonderen Wohnformen stehen den dort lebenden Menschen weiterhin zur Verfügung. Bei den ambulanten Leistungen wird vor Ort flexibel auf die Bedarfslagen reagiert. So erfolgt die Unterstützung beispielsweise nicht nur im persönlichen Kontakt, sondern auch fernmündlich und per Videokonferenz.

Wir stehen mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Verbänden der Leistungserbringer in einem engen Austausch, um auch in dieser herausfordernden Zeit die Unterstützungsstrukturen für Menschen mit Behinderungen im notwendigen Umfang aufrechtzuerhalten.

Sie hatten außerdem den Bereich der Wohnungslosenhilfe angesprochen. Im Bereich der Wohnungslosenhilfen steht die Landesregierung in Kontakt mit den herangezogenen örtlichen Trägern der Sozialhilfe und den Einrichtungsträgern, insbesondere den großen stationären Einrichtungen.

Darüber hinaus berät die Zentrale Beratungsstelle, unsere ZBS, die Träger der Einrichtungen der Hilfen gemäß § 67 ff. Das gemeinsame Ziel aller Aktivitäten ist es, die notwendige Hilfe auch unter den Bedingungen des Infektionsschutzes sicherzustellen. Um sowohl die Klienten als auch die Mitarbeiter zu schützen, hat die Zentrale Beratungsstelle Niedersachsen im Auftrag meines Hauses allen Einrichtungsträgern die maßgeblichen Hinweise zum Infektionsschutz mit dem Hinweis übersandt, dass eine Umsetzung erwartet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein abschließender Hinweis zur Finanzierung. Die Wohlfahrtspflege steht nun vor der Situation, dass sie zahlreiche Leistungen nicht mehr erbringen kann. Die Entgelte sind aber für laufende Kosten einge

plant. Der Erhalt der über Jahrzehnte gewachsenen guten sozialen Infrastruktur in Niedersachsen ist uns aber sehr wichtig. Diese Infrastruktur stellt eine bedarfsgerechte Leistungserbringung sicher. Wir müssen verhindern, dass diese Struktur aus wirtschaftlichen Gründen gefährdet oder gar zerschlagen wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auf Bundesebene wird heute im Bundestag und am Freitag im Bundesrat ein Gesetzentwurf mit dem langen Titel „Entwurf eines Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2“ beraten. Ziel ist die Absicherung der sozialen Infrastruktur einerseits sowie die Sicherstellung der individuell notwendigen Hilfestellung in der aktuellen Situation andererseits. Finanzielle Unterstützungsleistungen an soziale Dienstleister werden nach den vorgesehenen Regelungen, die heute Nachmittag beraten werden, im Gesetzentwurf an Bedingungen geknüpft. Eine zentrale Bedingung ist die Bereitstellung von für die originären Aufgaben derzeit nicht benötigtem Personal sowie nicht benötigten Räumlichkeiten und Sachmitteln für die Bewältigung von Auswirkungen der Pandemie in anderen Bereichen.

Darüber hinaus habe ich mein Haus gebeten, zu prüfen, welche Leistungsbereiche aktuell betroffen sind, und Vorschläge zu erarbeiten, wie wir hier unkompliziert Lösungen schaffen. Dabei geht es um verschiedene Aufgabenträger und Rechtsgrundlagen.

Zur dritten Frage: „Welche Maßnahmen sind seitens der Landesregierung geplant, um den Bereich der Volkshochschulen, Erwachsenenbildungs- und Jugendbildungseinrichtungen, Museen, Theater und kulturellen Einrichtungen schnell und effektiv zu unterstützen?“

Hierauf will ich im Namen der Landesregierung wie folgt antworten: Wir nehmen die Sorgen der Kulturschaffenden sehr ernst. Die Kulturministerinnen und -minister der Länder und des Bundes haben dazu bereits Finanzhilfen angekündigt. Diese werden gerade vorbereitet und aufeinander abgestimmt. Auch auf Landesebene haben wir im Zuge des Umgangs mit den gesamten finanziellen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie die Kulturschaffenden im Blick. Wir müssen Künstlerinnen und Künstlern schnell und unbürokratisch finanziell helfen. Die entsprechenden Informatio

nen werden auf den Seiten des Wirtschaftsministeriums und der NBank vorbereitet und fortlaufend aktualisiert.

Ebenfalls betroffen sind bekanntlich die Anbietenden und Lehrkräfte der niedersächsischen Erwachsenen- und Weiterbildung durch Kursabsagen. Zurzeit sind sie von erheblichen finanziellen Einbußen betroffen. Die Erwachsenenbildung stellt aber eine wichtige Säule unseres Bildungswesens dar. Wir werden deshalb bei den geplanten Hilfeleistungen auch an die Einrichtungen in diesem Bereich denken. Dabei werden wir im Rahmen des Haushaltsrechtes dafür sorgen, dass die Höhe der Finanzhilfe, die auf Grundlage des Niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetzes gewährt

wird, auch vor dem Hintergrund der durch die Coronakrise reduzierten Bildungsleistungen erhalten wird.

Vielen Dank für die lange Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Eine erste Zusatzfrage stellt Kollegin Meta Janssen-Kucz vom Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Ich möchte jetzt drei Zusatzfragen stellen, um das Verfahren ein bisschen zu vereinfachen.

Erste Frage: Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege warnt aufgrund fehlender Pflegekräfte aus Osteuropa vor einem Versorgungsnotstand in der häuslichen Pflege. Wie schätzt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die aktuelle Lage in der häuslichen Pflege ein?

Zweite Frage: Inwiefern werden in dem Bundesgesetz, mit dem u. a. ein Rettungsschirm für Krankenhäuser verabschiedet wird - - -

(Stephan Bothe [AfD]) : Man darf keine Fragen ablesen!)

- Herr Bothe, ich kann sie auch frei zitieren. Aber dass Sie sich immer in alles einmischen müssen - meine Güte! - Entschuldigung!

(Zuruf: Das war Kritik am Präsidium!)

- Das war keine Kritik am Präsidium. Es stand mir auch nicht an, das zu äußern. Aber ich bin - - -

Herr Bothe, wir wollen jetzt diese Sitzung hier ruhig und in Frieden zu Ende bringen. Frau JanssenKucz stellt jetzt ihre drei Fragen, auch um die Anzahl der Vorgänge des Entfernens der Schutzhüllen von den Mikrofonen usw. zu minimieren. Ich meine, das ist so alles sehr in Ordnung.

Wir haben uns heute auch deshalb auf etwas andere Verfahrenswege geeinigt, weil heute Mitarbeiter aus den Ministerien nicht im Haus sind.

Inwiefern werden in dem zu verabschiedenden Bundesgesetz mit dem Rettungsschirm für Krankenhäuser auch Rehakliniken, Kinder- und Jugendpsychiatrien sowie CMA-Kliniken berücksichtigt? Das habe ich leider nicht rauslesen können.

Auch das Thema der dritten Frage wurde heute schon angesprochen: Am Flughafen Hannover finden bisher keine ausreichende Aufklärung und keine ausreichenden Kontrollen bei Reiserückkehrern statt. Ich frage dazu die Landesregierung, ob sie plant, kurzfristig Informations- und medizinische Untersuchungskontrollmaßnahmen bezüglich des Coronavirus am Flughafen Hannover anzuordnen.

(Beifall)

Frau Kollegin, bitte nehmen Sie eben noch die Schutzhülle weg!

(Die Mikrofonschaumstoffhülle wird ausgetauscht)

Frau Ministerin Reimann wird Ihnen antworten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die erste Frage lautete: Haben wir ein Problem in der ambulanten Pflege?

Wir haben derzeit keine Hinweise darauf, dass besondere Situationen im Bereich der osteuropäischen Pflegekräfte vorliegen. Sollte durch die Corona-Entwicklung aber ein Engpass entstehen, gilt im Falle des Fehlens von Pflegekräften - auch durch Infekte in der Belegschaft - natürlich auch da der Acht-Punkte-Plan. Dieser sieht vor, erst einmal selbst zu gucken, dann aber auch Lösungen für gegenseitige Unterstützung unter Anleitung der Pflegekassen und der Heimaufsichtsbehörden zu finden. Wir sind darauf angewiesen, dass sich nun

wirklich alle gegenseitig unterstützen - auch im Pflegebereich. Das ist aber zugesagt, und wie das zu sein hat, ist klar verabredet.

Ich will fortfahren und ein bisschen unkonventionell die zweite Frage beantworten.

Das neue Krankenhausentlastungsgesetz sieht in der Tat verschiedene Bereiche vor. Sie hatten nach Rehakliniken gefragt. Es ist im Gesetz ausgeführt, dass diese - und das ist das Neue - sowohl Corona-Patienten als auch Nicht-Corona-Patienten akut behandeln dürfen. Da wir aber auch die Rehakliniken angewiesen haben, alle elektiven Leistungen herunterzufahren und die vorhandenen Kapazitäten freizukriegen, ist auch für diese eine Ausgleichszahlung für nicht belegte Betten verabredet. Dafür habe ich mich sehr eingesetzt, weil diese Zahlungen im ersten Entwurf und im Referentenentwurf noch nicht enthalten gewesen sind.

Wir wollen die in Niedersachen vorhandenen Kapazitäten gut nutzen können. Wir haben viele Intensivbetten, aber auch die müssen jetzt für planbare und nicht notwendige Operationen und Behandlungsverläufe geräumt werden, um freie Kapazitäten für eventuell an Corona erkrankte Patientinnen und Patienten zu haben. Das gilt für die Akutkrankenhäuser, aber auch für die Rehakliniken.

Die Kinder- und Jugendpsychiatrien und die Suchtkliniken sind fast immer Krankenhäuser und fallen daher auch unter die Regelung des Krankenhausentlastungsgesetzes.

Zum nächsten Punkt: Es gibt das von mir vorhin bereits angesprochene neue Bundesgesetz zur Absicherung sozialer Dienstleister. Diese können die Leistungen im Moment nicht erbringen. Wir wollen diese Strukturen aber erhalten und für die Zeit nach der Coronakrise sichern. Wir prüfen jetzt sehr genau, wer alles von dem Gesetz umfasst wird. Das sind sehr, sehr viele soziale Dienstleister, ich ahne aber, dass es bei der Vielfalt der bestehenden sozialen Dienste nicht alle sein werden. Wir prüfen das zurzeit.