Protocol of the Session on March 25, 2020

Mein Dank gilt vor allen Dingen auch dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, dem Landesrechnungshof und den Spitzenverbänden der Kommunen für die äußerst kurzfristigen Stellungnahmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der CDU - Ein Mitarbei- ter der Landtagsverwaltung desinfi- ziert das Redepult)

Vielen Dank, Herr Kollege Wenzel, für die Berichterstattung.

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Beratung. Als ich eben den Punkt eingeleitet habe, sind mir zwei Zettel zugereicht worden, die beide keinen Namen enthalten. Ich glaube, der eine ist von dem Kollegen Bode - ist das richtig? -, und der andere war sicherlich vom Finanzminister. Ich gehe davon aus, dass der Herr Finanzminister sich als Erster zu Wort melden möchte.

Herr Minister? Dann hätten Sie, sobald die Desinfektion hier vorn erfolgt ist, das Wort.

(Minister Reinhold Hilbers: Zweite Be- ratung!)

- Ich bin davon ausgegangen, dass Sie jetzt sprechen wollen. Aber dann verfahren wir jetzt so.

(Zuruf: Warum? - Gegenruf: Das ist doch direkt in den Ausschuss gegan- gen, und jetzt erfolgt die zweite Bera- tung! - Minister Reinhold Hilbers: Das stimmt!)

- Wir waren alle etwas verwundert. Aber Herr Kollege Wenzel wird sich jetzt nicht wundern. Er hat nämlich den ersten Wortmeldezettel abgegeben

und hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

Auch ich hatte gedacht, die Reihenfolge ist umgekehrt. Aber es stimmt schon; denn die Einbringung ist ja im Fachausschuss durch den Herrn Minister erfolgt.

Meine Damen und Herren! Wir haben alle gemeinsam festgestellt: Es gibt eine außergewöhnliche Notsituation nach Artikel 71 der Verfassung. Was keiner erwartet hat, ist leider sehr, sehr schnell eingetreten.

Wenn man mit den Menschen spricht, die aktuell in den Krankenhäusern arbeiten, dann erfährt man, dass sie im Moment mit großer Sorge und gebannt nach Norditalien und Spanien blicken und davon ausgehen, dass die eigentliche Welle Anfang April kommt, und dass es gilt, dann bestmöglich vorbereitet zu sein.

Daher sind die Personalausstattung und die bestmögliche Unterstützung unserer Ärzte und Ärztinnen sowie unseres Pflegepersonals und der Sozialen Dienste ganz zentrale Punkte, die auch in unserem Antrag eine ganz herausgehobene Position gefunden haben, insbesondere auch der Eigenschutz, weil es natürlich wichtig ist, dass sich diese Fachkräfte selbst schützen können und nicht selbst erkranken und am Ende ausfallen oder dass in dem Falle, dass sie positiv getestet sind, nicht gleich die ganze Abteilung in Quarantäne gehen muss. Auch hier müssen sehr früh durch Tests die entsprechenden Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das Personal einen guten Eigenschutz betreiben kann. Sie brauchen aber vor allen Dingen auch Schutzmaterial: Masken, Augenbrillen und Ganzkörperschutz - alles, was hier notwendig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Diagnostik voranzutreiben, ist extrem wichtig, ebenso wie die Krankenhausfinanzierung auf sichere Füße zu stellen, um diese Sorge zu nehmen, die im Hintergrund mitschwingt und auf Bundesebene am letzten Wochenende intensiv verhandelt wurde. Das ist die erste Priorität, um diese Krise zu bewältigen.

Gleichzeitig besteht große Sorge um unsere Ökonomie, unsere Wirtschaft. Ein Krankenhaus der Maximalversorgung braucht eine gewaltige Infrastruktur, damit es funktioniert, damit Medikamente

da sind, damit Sauerstoff da ist, damit die Reagenzien da sind. Alles das ist notwendig.

Interessant war z. B. auch die Bedeutung von Lieferketten. Dabei geht es nicht nur um Autos, da geht es auch um Schläuche für Beatmungsgeräte. Die kommen beispielsweise aus der Region in Norditalien, die jetzt so massiv betroffen ist. Das betrifft die Kooperation und Zusammenarbeit in Europa. Wir müssen das aufrechterhalten. Wir müssen es gerade in dieser Situation schaffen, über Grenzen hinweg sehr kooperativ, sehr schnell miteinander zu arbeiten, um diese ganz zentrale riesige Herausforderung zu bewältigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ferner müssen wir die sozialer Gruppen in den Blick nehmen: Heimvolkshochschulen, soziale Betriebe, Frühförderungen, Offene Hilfen, Behindertenwerkstätten. Wir wollen mit Ihnen diskutieren, wie wir sie bestmöglich unterstützen.

Die Arbeitenden im Kulturbetrieb sind die Ersten, bei denen die Gagen wegfallen - aber das sind auch die, die kreativ sind und in einer solchen Phase wie dieser Mut machen.

Bildung: Unsere Schülerinnen und Schüler sitzen zu Hause. Sie können etwas lernen, die meisten von ihnen wollen das auch, sie sind lernhungrig. Was können wir ihnen geben, wie können wir sie unterstützen?

Forschung: Wie können wir bei der Forschung nach Medikamenten vorankommen? Auch das ist ein großer Punkt.

Wir müssen auch über den zweiten Nachtragshaushalt reden. Denn ich bin sicher, dass die Summe, die wir heute beschließen, nicht ausreichen wird. Lassen Sie uns jetzt die Zeit nutzen, um uns für die zweite Phase vorzubereiten! Investieren in die Zukunft! Investieren für die Zeit nach der Krise! Was kann man vorziehen? Wo kann man Beschäftigung halten und sichern? Auch das ist wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Kommunen fürchten den Rückgang von Steuereinnahmen. Sie sind Träger von Krankenhäusern und brauchen Planungssicherheit. Wir müssen mit ihnen reden, damit sie bestmögliche Unterstützung bekommen.

Dann ist da noch die Frage, welche Szenarien es gibt und wie wir so schnell wie möglich aus der Krise kommen. Lieber Stephan Weil, da sollten wir

allen wissenschaftlichen Sachverstand mit an den Tisch holen, die Szenarien diskutieren - wir haben diese Experten - und dann sorgfältig politisch abwägen, wie wir vorgehen, um schnellstmöglich die schlimmsten Dinge hinter uns zu lassen.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag. Im Kleinen wie im Großen werden Solidarität, Verantwortungsbereitschaft und gelebte Zusammenarbeit darüber entscheiden, ob wir gemeinsam die Krise meistern.

Ein zentraler Punkt unserer Demokratie ist die Gewaltenteilung, die der Garant demokratischer Grundrechte ist. Die Exekutive muss handeln. Die Legislative schafft heute die finanziellen Voraussetzungen, kontrolliert die Regierung, regt an vielen Stellen Verbesserungen an oder legt den Finger in die Wunde und wird hinterher auswerten, wo wir alle gemeinsam hätten besser sein können. Wir dürfen auch die Justiz nicht vergessen. Sie muss in dieser Situation voll handlungsfähig sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb, lieber Dirk Toepffer, wollen wir ernsthaft über den Punkt der Zweidrittelmehrheit für die Freigabe von Mitteln in einer außergewöhnlichen Notsituation reden. Das ist ein riskantes Unterfangen, und ich hatte ehrlich die Sorge, dass so viele in Quarantäne sitzen,

(Glocke des Präsidenten)

dass die Mehrheit am Ende nicht zustande kommt und wir vor der Frage stehen, wie wir die Ausrüstung für unsere Krankenhäuser zahlen. Das darf nicht passieren! Handlungsfähigkeit des Parlaments ist Conditio sine qua non.

Meine Damen und Herren, die Regierung muss handlungsfähig sein, das Parlament und die Justiz aber auch. Ich bin außerdem sehr wohl der Auffassung, dass wir hier sehr eng mit Bund, Land, EU und in Abstimmung mit der WHO auch global zusammenarbeiten müssen. Darauf kommt es jetzt an! Alleingänge und Profilierungen helfen nicht weiter. Verständigung und frühzeitige Information des Parlaments sind extrem wichtig. Nicht Profilierung, sondern zielgerichtetes, konsequentes Handeln mit Augenmaß!

Jetzt kommt der letzte Satz, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren, jetzt kommt mein letzter Satz: Lieber Dirk Toepffer, an einer Stelle Ihrer Rede musste ich an einen Kollegen denken, der gerade aus dem Senegal zurückkam. Er sagte: Senegal, 20 Millionen Einwohner, wir haben dort sieben Intensivbetten. Wenn bei uns die Entwicklungen eintreten, die gerade in Norditalien geschehen, erleben wir neben der Viruskrise auch noch eine massive Armuts- und Hungerkrise.

Ich hoffe, dass wir auch das im Blick haben. Wir sind eines der wirtschaftlich stärksten Länder dieser Erde, und ich setze darauf, dass wir diese Herausforderung gemeinsam meistern.

Ich danke Ihnen für das Zuhören.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wenzel. Der letzte Satz war ein 45-Sekunden-Satz. Aber ich denke, angesichts des Themas kann man das so machen.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Wenn wir hier vorne so weit sind, liegt mir als Nächstes die Wortmeldung des Kollegen Lilienthal für die AfD-Fraktion vor. Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vor gar nicht allzu langer Zeit, nämlich vor wenigen Monaten, an dieser Stelle über die Schuldenbremse und die Änderung des Artikels 71 unserer Verfassung gesprochen. Im Ausschuss und auch hier im Plenum haben wir lange überlegt, was eine solche Notsituation sein könnte, die zur Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände dieser Schuldenbremse führt.

Lassen Sie mich das ganz offen und ehrlich sagen: Ich habe den Verdacht gehegt, dass die Krise weit weniger deutlich sichtbar kommt. Ich habe bei den Bemühungen Ihrerseits, die kleine Schuldenbremse einzuführen - also die einfache Mehrheit und entsprechend weniger finanzielle Mittel aufzunehmen -, immer befürchtet, dass sich herausstellt, dass Sie irgendetwas in Richtung Klimaschutz unternehmen wollen. Ich hätte mir ganz persönlich auch gewünscht, dass ich heute über dieses Thema - so ungern ich das natürlich tue - reden würde und nicht über das Coronavirus. Wie Sie alle wahrscheinlich auch hätte ich mir also gewünscht, dass diese Krise uns nicht dermaßen hart erwischt.

Im Moment gibt es Stimmen aus der Bevölkerung, aber auch aus der sogenannten Fachwelt, die sagen: Na ja, ihr habt erst vor Kurzem diese Schuldenbremse eingeführt, um sie jetzt gleich wieder aufzuheben! - Wir müssen an dieser Stelle heute sehr deutlich machen, dass eben das nicht stimmt. Wir haben in der Verfassung Ausnahmetatbestände vorgesehen, für die diese Schuldenbremse geschaffen worden ist. Dass diese Tatbestände erfüllt sind, ist nach einhelliger Meinung unstrittig - ich habe jedenfalls nichts Gegenläufiges gehört, das wäre eine Einzel- oder Minderheitenmeinung. Um in solchen Krisensituationen reagieren zu können, ist diese Schuldenbremse geschaffen worden.

Bei der Diskussion über die kleine Schuldenbremse habe ich immer wieder gesagt, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das dann aussieht. Aus Ihren Reihen kam teilweise die argwöhnische Anmerkung: Wir haben die Sorge, dass wir, wenn wir irgendwann in einer Krise sind, auf die Zustimmung vieler anderer Parteien angewiesen sind, weil die Parlamente - so die Formulierung - diverser werden.

Ich stehe nach wie vor dazu, dass ich damals gesagt habe: Wenn eine Krise kommt, die eine Zweidrittelmehrheit erfordert, ist sie so deutlich, dass alle zustimmen. - Das bewahrheitet sich heute. Die kleine Schuldenbremse würde uns an dieser Stelle keinen Meter weiterbringen. So viel ist klar.