Protocol of the Session on February 25, 2020

(Beifall bei der SPD)

Seit 1986 erkläre ich, dass wir für den Beruf werben müssen, dass die Bezahlung besser werden muss, dass wir vernünftige Regelungen in der Vertretung brauchen, damit nicht Überlastungsanzeigen zur Normalität im Alltag werden und niemand die Interessen der Pflegekräfte wahrnimmt.

Heute, im Jahr 2020, stelle ich fest, dass sich die Situation in der Pflege für die vielen Kolleginnen und Kollegen, die dort aufopferungsvoll tätig sind und oft über ihre Grenzen hinausgehen, die einen unglaublich wertvollen Dienst leisten, nicht verbessert hat. Ganz im Gegenteil, wir geraten nicht in einen Pflegenotstand, sondern sind mittendrin.

Da ist es richtig und wichtig, dass wir auf Bundes- und auch auf Landesebene das Thema Pflege ganz oben auf die Agenda setzen und an vielen Stellen für Verbesserungen kämpfen. Ich will dazu hier in Niedersachsen nur an KAP.Ni erinnern.

Meine Damen und Herren, ich habe den allergrößten Respekt vor der Arbeit unserer Pflegekräfte. Sie brauchen unsere Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich will jetzt nicht die Entstehungsgeschichte und die ganze Historie der niedersächsischen Pflegekammer aufrufen. Ich möchte jedoch sehr deutlich daran erinnern: 2016 stand für uns als Rot-Grün im Vordergrund, dafür zu sorgen, dass es eine starke Interessenvertretung für die Pflege in Niedersachsen gibt, die auf Augenhöhe mit den Playern der Selbstverwaltung, nämlich mit den Trägern der Einrichtungen und mit den Kassen, ist.

Die Pflegekammer war von Anfang an umstritten. Die Kritik hat sich leider durch das unglückliche Agieren der Kammer selber, durch eine katastrophale Kommunikation und durch eine unsägliche Beitragserhebung verstärkt; das will ich gar nicht schönreden.

Im letzten Jahr habe auch ich mich persönlich im Rahmen der Haushaltsberatungen sehr stark dafür eingesetzt, dass einer der Hauptkritikpunkte, nämlich die Mitgliedsbeiträge, aus der Welt geräumt wird. Wir haben damals Landesmittel in Höhe von 6 Millionen Euro über die politische Liste zur Verfügung gestellt. Unser Ansinnen war, damit die Pflegekammer dauerhaft beitragsfrei zu stellen. Wir wollten, dass für die Pflegekammer ein - wirklicher - Neustart möglich ist.

Ich hatte nach dieser Entscheidung den Eindruck, dass sich die Kritik wesentlich entspannter darstellte und nachgelassen hatte. Was sich allerdings in

der Kammerversammlung am 19. Februar letzter Woche ereignet hat und die darauf bis heute folgende Kommunikation der Frau Kammerpräsidentin machen mich, ehrlich gesagt, fassungslos. Ich möchte das hier auch gar nicht weiter kommentieren.

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für uns und für mich?

Erstens: Die zur Verfügung stehenden Landesmittel sind an die dauerhafte Beitragsfreiheit gebunden. Hierfür brauchen wir einen klaren Beschluss der Kammerversammlung.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Die Kammerversammlung ist tief gespalten; die verlorene Vertrauensfrage macht das deutlich. Es braucht einen schnellen personellen Neustart.

Drittens: Wir brauchen eine schnelle Klärung dieser offenen Fragen.

Viertens - das ist aufgrund der aktuellen Situation vielleicht nicht überraschend -: In dieser unübersichtlichen Gemengelage ist es nur folgerichtig, dass die Pflegekräfte selber - Sie fordern das auch ein, Herr Dr. Birkner, und auch Sie haben diese Mails - darüber entscheiden wollen, ob diese Pflegekammer eine Zukunft hat. Ich finde, dass diese Pflegekräfte jetzt selber zu Wort kommen müssen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Sehr schön!)

Ich will gar nicht verschweigen, dass ich persönlich über die aktuelle Entwicklung rund um die Pflegekammer tief enttäuscht bin. Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass die Pflegekräfte in unserem Land eine starke Interessenvertretung brauchen.

Allerdings möchte auch ich jetzt gerne Klarheit haben, wie es weitergehen soll. Deshalb haben sich meine Fraktion und ich uns dafür entschieden, die Befragung der Pflegekräfte durchzuführen - sie hat für uns höchste Priorität.

(Beifall bei der SPD - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Sehr gut!)

Mit anderen Worten - ich sage das ganz deutlich -: Unsere Geduld ist am Ende. Jetzt entscheiden die Pflegekräfte selber, wie es weitergehen soll. Die Pflegekräfte haben jetzt das Wort.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank. - Es hat nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin JanssenKucz.

(Unruhe)

- Ich darf um Aufmerksamkeit im Plenarsaal bitten. Das betrifft insbesondere den rechten Flügel. - Danke.

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh! Oh!)

Bitte, Frau Kollegin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will etwas in die Historie einsteigen. 2017 haben wir die Einrichtung der Pflegekammer als berufsständische Selbstverwaltung beschlossen, der alle niedersächsischen Fachkräfte der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege angehören.

Selbstverwaltung heißt, dass die Kammer ihre Angelegenheiten selbst regelt. Jahrzehntelang war die Pflege in Niedersachsen eine absolut fremdbestimmte Berufsgruppe. Krankenkassen, Kliniken, Pflegeeinrichtungen, sie alle haben mit am Tisch gesessen, wenn es um wichtige Entscheidungen im niedersächsischen Gesundheitswesen ging.

Dass die Pflege nicht mit am Tisch saß, zeigt sich heute tagtäglich im Arbeitsalltag der Pflegekräfte: massive Überlastung, schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Bezahlung, kaum Autonomie.

Auch Gewerkschaften und Berufsverbände haben es in der Vergangenheit nicht geschafft, die Interessen der Pflegeberufe gegenüber den Einrichtungen und Krankenkassen durchzusetzen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Richtig!)

Die Einrichtung der Pflegekammer war der richtige Schritt, um eine Berufsgruppe zu emanzipieren, ohne die unser Gesundheitssystem zum Erliegen kommen würde.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Johanne Modder [SPD])

Meine Damen und Herren, es ist ein schwerer Fehler von uns - gerade auch von Rot-Grün - gewesen, für den Aufbau der Pflegekammer als berufsständische Vertretung keine Anschubfinanzierung zur Verfügung zu stellen. Das hat mit zu dieser Misere beigetragen; wir sollten einfach mal ehrlich sein!

(Beifall bei den GRÜNEN - Miriam Staudte [GRÜNE]: Richtig! - Helge Limburg [GRÜNE]: Ja!)

Die Kammer hat Fehler gemacht. Wir als Landespolitik sollten aber nicht so selbstherrlich sein anzunehmen, dass wir damit nichts zu tun haben. Die Pflegekammer hatte keinen guten Start, aber sie ist zum Spielball der Politik geworden. Und die Politik spielt fleißig weiter mit - allen voran die FDP seit Jahr und Tag und die CDU.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Sie haben von Anfang an versucht, Herr Dr. Birkner, der Pflegekammer zu schaden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist unverschämt! Eine politische Haltung wird zum Spielball nur, weil man eine andere politische Meinung hat! - Glocke der Präsidentin)

Ich habe in der Haushaltsdebatte die Regierungsfraktionen dafür gelobt, dass sie diese nachträgliche Finanzierung zur Beitragsfreiheit und damit eine faire Chance für die Pflegekammer auf den Weg gebracht haben.

(Christian Grascha [FDP]: Das haben Sie nicht auf die Reihe gekriegt!)

Klar ist, dass für die Rückerstattung Satzungsänderungen und juristische Hilfestellungen notwendig sind. Ich habe Ihnen sehr deutlich gesagt, dass ich das auch von dieser Landesregierung erwarte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns Grünen ist es wichtig, die Pflegekräfte nicht noch mehr zu belasten und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Kammer sicherzustellen.

(Volker Meyer [CDU]: Sie haben doch gerade eben die Selbstverwaltung angemahnt!)

Meine Damen und Herren, die Evaluierung wurde angesprochen. Sie haben sie im Koalitionsvertrag vereinbart; richtig, sie läuft. Ich verspreche mir davon organisatorische und strukturelle Reformen in der Pflegekammer, damit sie die Interessen der Pflegenden noch effektiver vertreten kann.

Eines ist doch klar: Ohne eine schlagkräftige Selbstverwaltung sowohl in Niedersachsen als auch auf Bundesebene werden Geld und Einfluss

im Gesundheitswesen weiterhin über die Köpfe der Pflege hinweg verteilt werden.