Vielen Dank, Herr Kollege Henze. - Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Dr. Althusmann das Wort. Bitte schön, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schön, dass wir mal wieder ein hochaktuelles Thema debattieren: das Tempolimit auf deutschen Autobahnen.
Manchmal hat man den Eindruck, es gibt kaum noch ein anderes Thema, das Deutschland derart emotional diskutiert. Zuweilen wird auch erbittert gestritten. Ich weiß gar nicht, der wievielte Entschließungsantrag in einem deutschen Parlament das jetzt wohl sein mag.
Dabei blendet man bestimmte Fakten schlicht aus. Eine Studie von 2010 bis 2014 der Bundesanstalt für Straßenwesen hat kürzlich zutage gebracht,
dass 60 % der deutschen Autofahrer maximal 130 km/h fahren. Weitere 15 % fahren maximal zwischen 130 und 140 km/h. Das hat auch Gründe: Zum einen sind bereits 30 % der bundesdeutschen Autobahnen verkehrsbeschränkt.
Die einen halten ein Tempolimit für die Lösung beim Klimaschutz und für die Vision Zero im Straßenverkehr. Die anderen fühlen sich womöglich in ihrer inneren Freiheit beschränkt, sehen die Leistungsfähigkeit der Autobahnen gefährdet.
Nach meiner Wahrnehmung ist für keine der beiden Haltungen eine eindeutige Mehrheit in Deutschland auszumachen.
Deshalb ist es kein Wunder, wenn es auch innerhalb der Koalition durchaus unterschiedliche Denkansätze und Meinungen hierzu gibt.
Die Zweiteilung der Befürworter und Gegner dürfte auch darin begründet sein, dass auf der Grundlage von zum Teil sehr ideologisch geführten Behauptungen und nicht von Fakten diskutiert wird.
Ich glaube, alle seriösen Fachleute sind sich einig, dass die Datenlage zum Thema eines Tempolimits bei 130 km/h - oder bei 120 km/h, wie Sie es für Deutschland vorschlagen - relativ unzureichend ist. Die vorhandenen Studien sind zum Teil sehr alt, oder aber sie haben einen anderen Untersuchungsgegenstand. Es wird trotzdem versucht, daraus Rückschlüsse auf die Wirkung eines Tempolimits zu ziehen.
Sehr häufig - Herr Kollege Schulz-Hendel, Sie haben es auch getan - wird das Gutachten aus Brandenburg herangezogen. Selbst ein Blick in diese Studie hätte gereicht, dass - so die Verfasser - die Kausalität zwischen der Geschwindigkeitsbeschränkung und der Senkung der Unfallzahlen nicht unmittelbar belegt werden kann. Ein solches Gutachten wird auch nicht dadurch passender, wenn man es ständig behauptet, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sie hatten nach den Zahlen gefragt, wie viele Kilometer in Niedersachsen Verkehrsbeschränkungen unterliegen. Wir haben in Niedersachsen 2 888 km; das bezieht sich auf die Gesamtfahrt
richtungen, also sowohl die eine wie die andere Richtung. Davon sind 960 km verkehrsbeschränkt mit 130, 120 oder unterhalb von 100 km/h. In Niedersachsen sind von den 2 888 km bereits 424 km mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen ausgestattet.
Erlauben Sie mir den Hinweis, dass im Übrigen in ganz Deutschland eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gilt. Wer auf deutschen Autobahnen schneller als 130 km/h fährt, steht sogar in der Gefahr, seinen Versicherungsschutz zu verlieren, wenn er einen Unfall verursacht.
Es dürfte Sie also nicht überraschen, wenn ich sage: Persönlich bin ich nach wie vor gegen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen.
Ich will hinzufügen, dass unser Koalitionspartner das zwar durchaus etwas differenzierter betrachtet, wir uns in einer Frage aber einig sind: Das von Ihnen vorgeschlagene Modell eines Tempolimits von 120 km/h auf allen Autobahnen in Deutschland lehnen wir als Koalition in Niedersachsen einstimmig ab.
Ich glaube nämlich, dass es klügere Lösungen gibt, dass es technologische Lösungen gibt, mit denen wir den Verkehr besser angepasst an das Verkehrsaufkommen, an die Baustellensituation lenken und leiten können.
Mir ist es wichtig, bei diesem Thema hervorzuheben, dass eine verlässliche Datengrundlage fehlt. Das letzte Gutachten vom Umweltbundesamt, das immer wieder zum Thema vermeintliche Reduzierung von CO2 herangezogen wird, meine Damen und Herren, stammt aus dem Jahr 1999. Seitdem haben sich die Verkehrstechnologie und auch die Motorentechnologie weiterentwickelt. Zugegeben: Die Motoren sind zum Teil größer geworden, auch die Fahrzeuge sind größer und unzweifelhaft auch schneller geworden.
Ich finde, wir brauchen eine neue Datengrundlage. Auf dieser Basis sollten wir diskutieren und auch politisch entscheiden können. Daher begrüße ich ausdrücklich, dass der Bund unseren Vorschlag zu einer umfassenden Untersuchung der Folgen eines Tempolimits aufgegriffen hat. Wie und vor allem wo das Projekt in Niedersachsen dann genau stattfinden soll, wird derzeit noch geklärt. Sinnvoll ist es in jedem Fall, dass dabei vom Bund ausdrücklich die telematischen Anlagen in das Modell einbezogen werden sollen. Denn nur mit
können die wechselseitigen und wechselnden Situationen auf Autobahnen angemessen berücksichtigt werden.
Solch technologische Lösungen sind meiner Meinung nach der Schlüssel, um die immer weiter steigenden Herausforderungen im Straßenverkehr erfolgreich zu bewältigen. Deshalb werden wir in Niedersachsen das Projekt des Bundes sicherlich aktiv begleiten.
Wichtig ist mir in jedem Fall: Wir brauchen Verbesserungen für die Verkehrssicherheit, wir brauchen Verbesserungen für den Klimaschutz, und wir wollen dies gemeinsam mit den Verkehrsteilnehmern erreichen. Das, finde ich, ist kluge Verkehrspolitik, wie wir sie in Niedersachsen gestalten.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Der Kollege Schulz-Hendel hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Er bekommt nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung anderthalb Minuten.
(Wiard Siebels [SPD]: Der will noch etwas zu Baden-Württemberg sagen! Ein paar Infos hätten wir schon noch gerne, Herr Kollege!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Althusmann, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört.
Wenn laut Ihrer heutigen Aussage das Kernproblem in unserem Antrag für Sie die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h ist und Sie ihn deshalb einstimmig und geschlossen ablehnen, dann sollten wir jetzt vernünftigerweise und konsequenterweise sagen: Dieser Antrag wird heute nicht abgelehnt, sondern geht zurück in den Ausschuss,
Das ist doch, Herr Minister Althusmann, die klare und deutliche Botschaft, die Sie gerade vermittelt haben: 120 km/h ist für alle ein Problem - 130 km/h nicht. Dann geben Sie sich jetzt bitte einen Ruck! Wir machen das vernünftigerweise mit Ihnen gemeinsam, und dann kommen wir mit einem vernünftigen Antrag zu einem Tempolimit von
Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Auch Herr Kollege Bode möchte sich noch einmal in die Diskussion einbringen. Er hat ebenfalls anderthalb Minuten. Bitte schön!
(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Wiard Siebels [SPD]: Dass ich mal bei Bode klatschen muss!)
Erinnern wir uns an die letzte Ausschusssitzung: Da kam die Landesregierung, um uns über die Position der Landesregierung zum Tempolimit 130 km/h zu unterrichten - hatten wir gedacht. Eine Vertreterin des Wirtschaftsministeriums erklärte dann: Ich kann Ihnen zwar die Meinung meines Ministers sagen; das ist aber nur seine private Meinung. Eine Meinung der Landesregierung ist mir jedenfalls nicht mehr bekannt.