Protocol of the Session on January 25, 2018

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen darf nicht zum Heilsanatorium für Menschenrechtsverbrecher und Diktatoren der Welt werden. Das gilt für einen usbekischen Innenminister, der für Massaker verantwortlich ist, genauso wie für rechte Diktatoren aus Südamerika. Ich weiß nicht, ob die AfD das dann zu einer Aktuellen Stunde gemacht hätte.

Es ist wichtig, dass Menschenrechte überall gelten. Eine Strafverfolgung für Taten im Ausland - das ist angesprochen worden - ist auch in Deutschland möglich. Dass die Landesregierung nichts getan hat, um Herrn Shahroudi an der Ausreise zu hindern, und dieser dem Land auch noch für den Polizeischutz dankte, ist aus meiner Sicht für SPD und CDU beschämend. Ich hätte da klare Worte erwartet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist klar: Wir haben nichts gegen eine medizinische Behandlung, auch wenn Millionen Iraner von einer solchen Luxusbehandlung nur träumen können. Wir haben aber - der Kollege Limburg hat mich nach der Behandlung darauf hingewiesen - z. B. auch in der JVA Lingen eine sehr gute medizinische Versorgung. Deshalb wäre es wichtig gewesen, ihn an der Ausreise zu hindern, solange die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der Vorwurf, man habe wegen wirtschaftlicher oder politischer Kontakte zum Iran geschwiegen oder ihm sogar noch geholfen, indem man ihn mit Polizeischutz eskortiert hat, steht im Raum. Deshalb erwarten wir, dass die Landesregierung - der Wirtschaftsminister, der Innenminister und der Ministerpräsident - zu diesem Fall nicht schweigen, sondern klar ihre Rolle bei der Beantwortung folgender Fragen darstellen: Wer hat Herrn Shahroudi vor der Verfolgung gewarnt? Wie kam es zu dieser überstürzten Flucht? Weshalb waren niedersächsische Behörden hier sozusagen aktiv, um ihn dem zu entziehen, was wichtig wäre?

Ich denke, es ist für den 13-jährigen Makwan Moloudzadeh und für das 16-jährige Mädchen, das hingerichtet und aus dem Leben gerissen wurde, wichtig, dass wir solche Vorfälle hier nicht einfach übergehen, sondern auch im Landtag thematisieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Meyer. - Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Karsten Becker. Bitte sehr, Herr Becker, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland hat im Jahr 2015 - übrigens im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten - bewiesen, dass das in Artikel 16 formulierte Grundrecht auf Asyl und die hinter der Genfer Flüchtlingskonvention stehende internationale Übereinkunft, von persönlicher Verfolgung, von Krieg und von Folter bedrohten Menschen Schutz zu gewähren, hier bei uns nicht nur theoretische Konstrukte sind, sondern von den ganz überwiegenden Teilen der Politik, der Verwaltung und der hier lebenden Menschen in praktisches staatliches und gesellschaftliches Handeln umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, darauf können die Menschen in unserem Land stolz sein. Und so sehen wir uns, so sehen wir dieses Land auch zukünftig als ein Land, das Menschen, die von Krieg und Verfolgung bedroht sind, Schutz bietet, als ein Land, das den Opfern Schutz und Hilfe bietet - aber, meine Damen und Herren, eben den Opfern und nicht den Tätern,

(Zustimmung bei der SPD)

jedenfalls nicht den Tätern, die in Unrechtsregimen für die Inhaftierung Unschuldiger, für deren Folterung und Hinrichtung verantwortlich sind.

So, meine Damen und Herren, muss wohl Mahmud Hashemi Shahroudi gesehen werden, der von 1999 bis 2009 als Chef der Justiz im Iran für die Greueltaten eines Unrechtsregimes und insbesondere für die willkürliche Verfolgung von Regimegegnern verantwortlich war.

Meine Damen und Herren, das ist die politische Rahmenbewertung des Sachverhalts. Wie in jedem Sachverhalt gibt es auch in diesem Fall weitere Bewertungsmöglichkeiten und Verpflichtungen, und zwar insbesondere in verwaltungsrechtlicher und in strafrechtlicher Hinsicht.

Meine Damen und Herren, ich will hier nicht über die Grundsätze und Umstände der Visaerteilung spekulieren. Das muss und das soll auf der Bundesebene geklärt werden. Ich will hier nur feststellen, dass die Einreise, die ja wohl zum Zwecke der medizinischen Behandlung in einer privaten Klinik erfolgt ist, offenbar nicht mit niedersächsischen Behörden abgesprochen worden ist und auch ohne deren Kenntnis erfolgt ist.

Soweit ich das überblicken kann, war aufseiten der niedersächsischen Behörden auch nur die Polizei mit dem Sachverhalt befasst, nachdem Ende Dezember bekannt geworden war, dass sich Shahroudi im INI hat behandeln lassen. Dann machen Polizeibehörden gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag das, was sie immer tun, wenn sie mit einer Lage konfrontiert werden, aus der im rechtlichen Sinne eine Gefahrensituation entstehen kann: Sie analysieren diese Lage und treffen gefahrenabwehrende Schutzmaßnahmen. - Das geschieht dann selbstverständlich - wir leben in einem Rechtsstaat - ausschließlich anhand objektiver Fakten und ohne Ansehen der Person.

Nach den Presseberichten, nach den demonstrativen Aktionen und dem offenen Brief wurde - so glaube ich - auch offensichtlich, dass hier gefahrenabwehrende Maßnahmen erforderlich waren.

Im Hinblick auf die strafrechtliche Bewertung ist die Polizei hingegen nicht selbstständig in ihrer Beurteilung, und die zuständige Generalbundesanwaltschaft hat offenbar keine rechtliche Grundlage für einen Haftbefehl gesehen.

Damit, meine Damen und Herren - das ist an dieser Stelle festzuhalten -, gibt es für die niedersächsische Polizei auch keine belastbare juristische Handhabe, Herrn Shahroudi an einer Ausreise zu hindern.

Darum, meine Damen und Herren von der AfD, darum, Herr Bothe, ist dieser Versuch, einen Sachverhalt von der Bundesebene auf die niedersächsische Landesebene herunterzuziehen, um ihn hier zu skandalisieren, auch recht durchschaubar und wird scheitern.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. - Es hat sich für die FDP-Fraktion Dr. Stefan Birkner gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bitter, mit ansehen zu müssen, wenn ein vermeintlicher Menschenrechtsverletzer und Straftäter unbehelligt ausreisen kann und das dann auch noch unter Begleitschutz erfolgt und er sich damit erfolgreich der Strafverfolgung entziehen kann.

Bei aller Empörung auch angesichts der vom Kollegen Toepffer noch einmal dargestellten vorgeworfenen Straftaten und Handlungen, um die es geht, müssen wir aber auch zur Kenntnis nehmen - der Kollege Becker hat es eben auch noch einmal, wie ich finde, völlig zu Recht gesagt -, dass Voraussetzung für ein Eingreifen von Staatsanwaltschaft und Polizei natürlich ist, dass hier ein dringender Tatverdacht vorliegt, um etwa einen Haftbefehl zu erlassen und diesen dann entsprechend zu vollstrecken.

Das, meine Damen und Herren, unterscheidet uns ja auch von solchen Regimen wie dem im Iran, nämlich dass wir eben rechtsstaatliche Grundsätze haben, dass wir eine unabhängige Staatsanwaltschaft haben, die ermittelt, eine Polizei, die auf Rechtsgrundlage handelt und eben nicht auf den der Welle der Empörung vielleicht folgenden medi

alen Zuruf hin quasi agiert. Insofern ist es richtig, dass wir hier die Staatsanwaltschaften und die Polizei dabei unterstützen, die Ermittlungen, die hier nötig sind, konsequent zu führen.

Das ist ein Stück weit auch der Preis des Rechtsstaats, den wir zahlen müssen, auch wenn wir in dem einen oder anderen Fall vermeintliche Straftäter erst einmal ziehen lassen müssen. Deshalb würde ich an dieser Stelle keinen politischen Vorwurf in Richtung Generalbundesanwaltschaft oder auch der Polizeibehörden richten.

Die politische Frage betrifft für mich zwei Punkte.

Der eine Punkt ist: Wie konnte eigentlich ein Visum erteilt werden? Das ist für mich die entscheidende Frage. Wie konnte das eigentlich passieren? Dem Auswärtigen Amt ist das ja bekannt. Selbstverständlich kennen die die Umstände; die wissen, um welche Person es geht. Selbstverständlich haben die ihre Quellen und die Möglichkeit, im Zweifelsfall auch noch nachrichtendienstliche Erkenntnisse bei der Bewertung solcher Fragestellungen einzubeziehen. Das ist eine Frage - ohne Vorwurf - an die Kolleginnen und Kollegen sowohl der SPD als auch der CDU, weil Sie zurzeit die Bundesregierung stellen. Also: Wie konnte das passieren?

Der Bundesaußenminister ist niedersächsischer Herkunft, und so haben Sie sicherlich die eine oder andere Zugangsmöglichkeit, um sicherzustellen, dass solche Dinge künftig nicht passieren. Zum anderen muss aber auch klar sein - ich finde es richtig, dass wir das diskutieren -, dass dies auch politische Debatten nach sich zieht und dass alles eben quasi nicht außerhalb der Wahrnehmung stattfindet.

Also: Wie konnte es zur Visumerteilung kommen? - Das ist die erste politische Frage.

Die zweite politische Frage, die sich mir stellt - auch in Richtung Niedersachsen -, ist: Der Anfangsverdacht - der ist ja von der Generalbundesanwaltschaft erst einmal in den Vorermittlungen betrachtet worden, oder sie hat angefangen, zu ermitteln -, geht auf eine Strafanzeige durch den grünen Politiker Beck bzw. durch die iranische Oppositionsbewegung zurück. Erst dann - so habe ich das verstanden - hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufgenommen. Deshalb ist die Frage - ich weiß es einfach nicht; Herr Becker sagt, die Sicherheitsbehörden wussten es vorher nicht -, ab welchem Zeitpunkt niedersächsische Sicherheitsbehörden - also die Polizei oder auch

andere Sicherheitsbehörden -, die dem Legalitätsprinzip unterliegen und dazu verpflichtet sind, Straftaten zu ermitteln, wenn Anhaltspunkte dafür da sind, das wussten.

Für mich ist nämlich schwer erträglich, dass man quasi sagt: „Ja, erst nachdem es sozusagen diese privaten Hinweise gegeben hat“, möglicherweise aber schon vorher die Polizei wusste, dass er sich hier aufhält. Auch dann hätte man diese Ermittlungen aufnehmen müssen; denn die Polizei kann nicht einen vermeintlichen Straftäter schützen, ohne gleichzeitig gegen ihn zu ermitteln. Das funktioniert nicht. Dann hätte ja auch von der niedersächsischen Polizei das Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden müssen. Das ist also schon eine Frage, der man sich gerade auch im Hinblick auf künftige möglicherweise ähnlich gelagerte Fälle stellen muss.

(Beifall bei der FDP)

Der dritte Punkt, den ich in Richtung des Kollegen Toepffer ansprechen möchte, betrifft den Umstand, dass Sie Vorwürfe in Richtung des behandelnden Arztes gemacht haben - wie das denn sein konnte. - Zumindest medial haben Sie das gemacht; hier war das heute etwas zurückhaltender.

Ich finde, dass wir bei aller berechtigten Fragestellung sehr vorsichtig sein müssen, weil wir nicht eine Art Gesinnungsmedizin entstehen lassen dürfen oder nicht den Boden dafür bereiten dürfen, dass Menschen von der Medizin in bestimmte behandlungswürdige und nicht behandlungswürdige Menschen - unabhängig von der medizinischen Indikation - eingeteilt werden. Das dürfen wir nicht zulassen, sondern wir müssen den Ärzten die Kompetenzen zutrauen, dass sie in der Lage sind, das selbstständig und eigenverantwortlich nach medizinischen Aspekten zu entscheiden.

Meine Damen und Herren, mittlerweile ist - das ist der vierte und abschließende Punkt, und das ist das Erfreuliche an der Debatte - all das, was im Völkerstrafrecht immer auf internationaler Ebene diskutiert wurde, unmittelbar dort angekommen, wo Recht vollstreckt und vollzogen wird, nämlich hier auf der Landesebene. Es ist der große Vorteil - und darauf hat der Kollege Toepffer völlig richtig hingewiesen -, dass sich Menschen, die solcher Straftaten verdächtigt sind, eben nicht mehr sicher sein können und unbehelligt durch die Welt reisen können, weil es Konsequenzen gibt. Die müssen intensiver werden, als das bisher erfolgt ist. Aber allein die Tatsache, dass wir hier heute darüber

diskutieren, spricht dafür, dass diese Prinzipien so langsam Geltung erlangen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Aus den Fraktionen liegen mir keine Wortmeldungen zu diesem Thema der Aktuellen Stunde mehr vor, sodass jetzt die Landesregierung sprechen kann. Bitte sehr, Herr Innenminister Pistorius!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenstand dieser Aktuellen Stunde ist der Aufenthalt von Ajatollah Shahroudi in Deutschland vom 21. Dezember 2017 bis zum 11. Januar 2018.

Gleich zu Beginn möchte ich hier ganz deutlich sagen: Herr Shahroudi - das ist hier ja schon deutlich geworden - soll im Iran als Richter laut verschiedener Medienberichte vom 6. Januar Todesurteile auch gegen Minderjährige ausgesprochen haben. Wir als Landesregierung verurteilen die Todesstrafe selbstverständlich aufs Schärfste, insbesondere dann, wenn Minderjährige betroffen sind. Die Todesstrafe ist für uns schlicht unvorstellbar. Sie steht in krassem Widerspruch zu allen Werten unserer Verfassung und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das gilt auch dann, wenn vonseiten von AfD-Politikern ein Schießbefehl an der Grenze - auch gegen Kinder - gefordert wird. Auch das wird von uns aufs Schärfste verurteilt.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wir leben - Gott sei Dank - in einem Rechtsstaat. Das bedeutet, dass wir uns an die geltenden rechtlichen Bestimmungen zu halten haben, und das tun wir als Landesregierung selbstverständlich.

Bei dem Besuch von Ajatollah Shahroudi handelte es sich - um das gleich vorweg sehr deutlich hervorzuheben - nicht, wie hier behauptet wurde, um einen Staatsbesuch. Er war nicht Staatsgast. Es lag auch keine Einladung durch die Bundesregierung vor. Herr Ajatollah Shahroudi befand sich in dem oben genannten Zeitraum anscheinend aus privaten, gesundheitlichen Gründen in Niedersachsen.

Dies vorangestellt, möchte ich Sie jetzt näher über Herrn Ajatollah Shahroudi und seinen besagten Aufenthalt in Niedersachsen unterrichten.