Protocol of the Session on January 25, 2018

Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen.

Als Vizepräsidentin rege ich an, den Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ebenfalls mitberaten zu lassen, und hoffe, dass Sie damit einverstanden sind. Denn es ist, glaube ich, sehr deutlich geworden, dass es hier wirklich auch um das Kindeswohl geht.

Wer der Ausschussüberweisung so zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine. Damit haben wir den Antrag einstimmig den Ausschüssen überwiesen.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Tierschutzvergehen in der Nutztierhaltung abstellen - Hinweisen aus Tierkörperbeseitigungsanlagen nachgehen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/150

Zur Einbringung hat sich die Abgeordnete Frau Miriam Staudte zu Wort gemeldet.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! 21 % der lebend geborenen Schweine verenden oder werden notgetötet, bevor sie jemals in einen Schlachthof geschickt werden können. 21 % - das bedeutet, jedes fünfte Schwein, das in menschlicher Obhut geboren wird, ist irgendwann so krank oder verletzt, dass es nicht überleben kann. Die letzte Station dieser 13,6 Millionen Schweine in Deutschland pro Jahr ist also nicht der Schlachthof, sondern die Tierkörperbeseitigungsanlage bzw. der „Verarbei

tungsbetrieb für tierische Nebenprodukte“, wie es etwas beschönigend heißt.

Das sind Zahlen, die natürlich nicht hingenommen werden können. Allein sie sind schon ein Grund zum Handeln, und das wollen wir tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dana Guth [AfD])

Zusätzlich hat Ende 2017 eine Studie der Tierärztlichen Hochschule erschreckende Befunde zutage gefördert. Die TiHo hat vier Tierkörperbeseitigungsanlagen bzw. die Kadaver untersucht, die dort aus sechs Bundesländern angeliefert wurden. Sie hat festgestellt, dass 13,2 % der Mastschweine und 11,6 % der Zuchttiere so starke Verletzungen oder krankhafte Veränderungen aufwiesen, dass sie vor ihrem Tod lange gelitten haben müssen.

Ich habe mir den Studienbericht angesehen. Die Schweine sind alle fotografisch dokumentiert. Das Bildmaterial ist wirklich erschreckend. Ich möchte Ihnen das jetzt nicht zumuten, obwohl im Landtag manchmal schon solche Bilder gezeigt wurden, etwa wenn es um das Thema Wolf ging. Aber ich möchte einige Beispiele nennen, was man dort sehen konnte: Sehr viele Schweine sind sehr stark abgemagert. Größere Mastschweine - keine Ferkel -, die nur noch 10 kg wiegen - reine Gerippe! Viele haben auch noch an zusätzlichen Erkrankungen gelitten. Sie können sich vorstellen: Wenn das schützende Fettgewebe fehlt, dann kommt es leicht zu Dekubitus, also zu Löchern durch alle Hautschichten hindurch bis auf das Muskelgewebe. Man konnte heraushängende Darmschlingen sehen, abgerissene Klauen, aufgeblähte Bäuche etc. Es sind wirklich ganz extreme Bilder, die das dokumentieren. All diese Verletzungen waren so stark, dass auch ein Laie hätte erkennen müssen, dass diese Tiere behandelt oder eben notgetötet werden müssen.

Man kann natürlich sagen: Das ist ein Binsenweisheit. Die Tiere, die man in einer Tierkörperbeseitigungsanlage antrifft, sind natürlich alle schwer krank oder verletzt gewesen. Das ist doch klar.

Tierschutzwidrig ist aber, dass man bei ganz vielen Tieren - ich habe die Prozentzahlen genannt - erkennen konnte, dass sie sehr lange gelitten haben müssen. Jeder Tierhalter weiß: Jedes Tier kann krank werden und muss dann behandelt werden, gerade wenn man einen größeren Bestand hat. Aber wenn über lange Zeit nicht eingegriffen wird, ist das tierschutzwidrig.

Wenn ein Schwein z. B. am Kopf einen Dekubitus hat, dann ist vollkommen klar, dass es schon sehr lange so schwach gewesen sein muss, dass es seinen Kopf nicht mehr heben konnte. Was die Untersuchenden da gesehen haben, war wirklich erschreckend.

Erschreckend war auch, wir stark einige Tiere abgemagert waren. Einige Tiere hatten schon ein langes Haarkleid bekommen. Das ist eine körperliche Reaktion auf den Wärme- und Energiemangel. Das bedeutet natürlich: Das Tier hat sehr lange viel zu wenig zu fressen gekriegt.

Die Gesetzeslage ist eigentlich schon ganz gut. In § 17 des Tierschutzgesetzes heißt es z. B.:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer … einem Wirbeltier … länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“

Da die Tierhalter sozusagen Garanten sind, gilt schon das Unterlassen des Kümmerns als aktives Handeln.

Was ist also das Problem? - Wir haben sehr wohl in der Presse wahrgenommen, dass sich sowohl die Branche als auch die Ministerin dahin gehend geäußert haben, dass es Konsequenzen haben muss, dass es also bessere Schulungen für Landwirte und auch bessere Qualifikationen, was Nottötungen angeht, geben muss. Das Erschreckende war ja, dass auch immer wieder lebendige Tiere unter diesen Kadavern waren und keine ordentliche Tötung stattgefunden hat. Es ist richtig, dass Sie diese Maßnahmen ankündigen. Wir wollen sie mit unserem Antrag untermauern und auch fixieren, sodass sie wirklich umgesetzt werden müssen.

Während in den Schlachthöfen tatsächlich mehr darauf geachtet wird, wie die Tiere angeliefert werden, welche Verletzungen sie haben, welche Rückschlüsse man auf die Haltung ziehen kann, sodass man überlegen kann, was verbessert werden muss, ist das in den Tierkörperbeseitigungsanlagen nicht der Fall. Das liegt nicht an den Mitarbeitern, es ist einfach nicht vorgeschrieben. Ich glaube, die Mitarbeiter haben da einen sehr schwierigen Job. Die Kadaver werden also angeliefert, verbrannt, und das war es dann.

Was ist essenziell an unserem Antrag? - Wir wollen, dass die Tierkörperbeseitigungsanlagen bzw. die Kadaver, die dort angeliefert werden, regelmä

ßigen Kontrollen durch die Überwachungsbehörden unterzogen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dana Guth [AfD])

Das ist das Entscheidende.

Klar kann man dann sagen: Wenn dort künftig untersucht wird, vielleicht auch nur stichprobenartig, dann werden Kadaver vielleicht illegal entsorgt. - Auch ich habe gedacht, dass das natürlich passieren könnte. Aber in der Studie wurde diesem Aspekt nachgegangen und sehr richtig argumentiert: Das ist auf Dauer nicht praktikabel - gerade für größere Betriebe nicht. Man kann die Kadaver auch nicht einfach in eine Biogasanlage schmeißen und hoffen, dass sie dann weg sind. Die großen Knochen, die Klauen würden theoretisch ins Rührwerk gehen und es womöglich beschädigen. Man kann die auch nicht mit der Schaufel auf Dauer vergraben. Das ist sehr aufwendig. Wenn man mit großem Gerät in der Landschaft unterwegs ist, fällt das auf.

(Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum Schluss. Vielen Dank.

Wir glauben, das Sicherste ist, wenn diese Anlagen mit überwacht werden, und es weniger aufwendig für die Tierhalter ist, sich ordentlich zu kümmern. Gegebenenfalls muss es aber auch strafrechtliche Konsequenzen geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Staudte. - Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Karin Logemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Artikel aus der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 16. November 2017 hat uns alle betroffen gemacht. Anzeichen für so ein großes Leid, wie die Professorin der Veterinärwissenschaften, Elisabeth große Beilage, in vier Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte, kurz VTN, in Deutschland vorgefunden hat, kann niemand erwartet haben. In Deutschland gibt es nicht ohne Grund ein Tierschutzgesetz.

Die Studie wurde im Zeitraum von Januar bis April 2016 in vier VTNs in verschiedenen Regionen in Deutschland durchgeführt. An insgesamt 19 Unter

suchungstagen wurden Schweine aus sechs Bundesländern untersucht. Die Tiere wurden vor allem äußerlich untersucht, und die Tierärzte suchten vor allem nach Befunden, die auch für Tierhalter deutlich erkennbar gewesen wären und ein Handeln hätten auslösen müssen. Die Studie stellt fest: Bei insgesamt 57 Anlieferungen konnten alle Mastschweine und Zuchtschweine auf tierschutzrelevante Befunde untersucht werden. Bei 13,2 % dieser Mastschweine und 11,6 % der Zuchtschweine waren Befunde zu erheben, bei denen davon auszugehen war, dass sie mit länger anhaltenden erheblichen Schmerzen verbunden waren. Die Ergebnisse zeigen, dass diese verendeten bzw. getöteten Tiere in vielen Fällen unnötig Leid, Schmerzen und Qualen erleiden mussten. Das darf so nicht sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Tiere sind eben keine Sache, sondern Lebewesen. Wir alle wollen Tiere auch so behandeln und ihnen unnötiges Leid ersparen. Tierhaltung, Tierzucht und Tiermast gehören zur modernen Landwirtschaft, aber immer muss das Wohl der Tiere im Mittelpunkt stehen. Leid und Qual müssen verhindert und unterbunden werden, wenn sie denn vorhanden sind. Ich denke, darin sind wir alle uns einig. Und einig mit uns sind hier auch die Verbraucher und Verbraucherinnen, die von einer modernen Landwirtschaft genau das erwarten: tierwohlgerechte Fleischerzeugung. Das ist unser aller Ziel. Dafür treten wir zusammen mit den Landwirten, den Tierärzten und den Behörden ein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was diese Studie aufdeckt, kann und darf so nicht weitergehen. Das haben wir erkannt, und wir wollen daran etwas ändern. Es ist zu klären, wo die Stellschrauben sind, an denen wir drehen können, um solch verstörend wirkenden Ergebnissen vorzubeugen. Deshalb ist dieser Antrag sehr gut, und deshalb freue ich mich auch auf die Beratung im Ausschuss.

Bei der Recherche zu diesem Studienergebnis ist mir vor allem aufgefallen, dass das Problem schon länger bekannt ist. Schon im September 2016, also vor anderthalb Jahren, hat der damalige niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer für eine Reform geworben. Scheinbar sind seine Worte beim Bund auf taube Ohren gestoßen.

Im Februar 2017 gab es einen Artikel in der NOZ, der sich auf eine Untersuchung in Österreich zum gleichen Thema bezieht. Auf diese Studie von

Johannes Baumgartner von der Veterinärmedizinischen Universität Wien bezieht sich die Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Auch ein nicht namentlich genannter Tierarzt aus Niedersachsen hat 2017 Tierkadaver in einer Beseitigungsanstalt untersucht, nicht in einem so großen Rahmen wie seine Kollegin und sein Kollege aus Hannover und Wien, aber seine Ergebnisse sind ebenso besorgniserregend. Von den 75 untersuchen Kadavern wiesen 10 % ernsthafte Hinweise auf Verstöße gegen den Tierschutz auf. 15 der untersuchten 75 Tiere wurden nicht sachgerecht getötet.

Diese Artikel zeigen: Hier liegt etwas deutlich im Argen, und das nicht nur in einzelnen Regionen, sondern landesweit und auch nicht nur in Deutschland.

Unsere Landwirtschaftsministerin, Frau Otte-Kinast, hat erste Konsequenzen gezogen. In einem Gespräch mit Vertretern des Landvolks und der Schweinehalter tauschte man sich über Maßnahmen aus. Die Gremien des Tierschutzplans Niedersachsen wurden eingeschaltet. Nun muss aber weiter beraten werden, wie wir in Niedersachsen genau agieren wollen. Fest steht, dass wir auch den Bund in die Verantwortung nehmen müssen; denn nur dort kann das Tierschutzgesetz wirksam für alle Bundesländer geändert werden. Die Untersuchungen aus den letzten zwei Jahren zeigen, wie nötig das ist. Die Handlungsempfehlungen des Landvolks für den tierschutzgerechten Umgang mit kranken und verletzten Tieren sind eine gute Basis, nach der sich aber den Ergebnissen der Veterinäre zufolge scheinbar leider noch nicht alle richten. Dadurch entsteht ein schwerer Schaden für die Tiere, aber auch für die verantwortungsvoll wirtschaftenden Landwirtinnen und Landwirte.

Alle Beteiligten sind sich einig: Wir müssen etwas tun. Tierhalter, behandelnde Tierärzte, Behörden und Verbände müssen hier zusammenarbeiten.

Ich komme zum Schluss. Für eine moderne Fleischerzeugung, für das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher und vor allem für eine Tierzucht und Tiermast, in deren Mittelpunkt das Tierwohl steht, freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat sich der Kollege Hermann Grupe zu Wort gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um den Tierschutz und darum, wie man Hinweise auf Verstöße generieren kann. Die Grünen haben bei diesem Antrag darauf abgehoben, dass man aus den Tierkörperbeseitigungsanlagen oder - wie man heute sagt - aus den Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte Erkenntnisse zusätzlich gewinnen sollte.

Meine Damen und Herren, der Umgang und die Betreuung von kranken und verletzten Tieren muss deutlich verbessert werden. Die in den Studien dargelegten 20 % Tierverluste sind absolut inakzeptabel, auch wenn davon 15 % bei den Saugferkeln auftreten und davon wiederum 80 % in den ersten drei Tagen. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Der Kollegin Frau Staudte möchte ich ausdrücklich für die sehr sachliche Einbringung dieses Themas danken, weil es das auch verdient.

Es geht hier nicht um Zahlenspielereien. Wir sind uns völlig einig: Es müssen Verbesserungen her. In dem Studienbericht - Sie haben es beschrieben - sind furchtbare Bilder enthalten. Das kann so nicht sein. Die Sorgfaltspflicht gegenüber den Nutztieren, die in unserer Obhut sind, ist eine ganz besondere Pflicht.