Protocol of the Session on November 20, 2019

Wir sprechen also heute Morgen über eine Herausforderung für den deutschen Staat, die weit höher ist als in der aktuellen Situation hinsichtlich der Abschiebung Einzelner aus der Türkei, die recht geordnet und für den deutschen Staat auch planbar ist.

Meine Damen und Herren, die Rechtsgrundlage ist eindeutig und in diesem Fall vielleicht sogar unerfreulich: Schiebt ein Staat ab, dann muss Deutschland seine Staatsbürger zurücknehmen. Um Uner

freulichkeit geht es aber in dieser Frage gar nicht, sondern um Rechtsstaatlichkeit. Die Rechtsstaatlichkeit muss gerade hier im Vordergrund stehen, wenn wir gegenüber intoleranten islamistischen, terroristischen Strukturen verdeutlichen müssen, dass der deutsche Staat handlungsfähig und durchsetzungsfähig ist.

Meine Damen und Herren, auch nach der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts durch den Bundestag, welches nicht rückwirkend gilt, sollten wir jetzt noch einmal ganz genau prüfen, ob eingebürgerte Personen anschließend wieder ausreisten, um sich in Nahost an islamistisch-terroristischen Aktionen zu beteiligen und ob es im Vorfeld der Einbürgerung nicht Hinweise auf eine mögliche Nähe zu diesen Strukturen im islamistischen, salafistischen und terroristischen Bereich gegeben hat oder ob versäumt wurde, entsprechende Hinweise zu ermitteln. Dies sage ich gerade auch als einziger Vertreter innerhalb der CDU mit Migrationshintergrund, der nichts gegen die Einbürgerung von nach Deutschland ausgereisten Ausländern hat.

Meine Damen und Herren, unumgänglich ist, dass bei den Rückkehrern aus Syrien genauestens geprüft wird, ob sich diese strafbar gemacht haben. Grundlagen sind das Völkerstrafrecht und das deutsche Strafrecht. Hier hat der Bundesgesetzgeber 2018 mit dem sogenannten TerrorcampGesetz Strafbarkeitslücken geschlossen.

Weiterhin ist der Bundesgesetzgeber aufgefordert, weitere Strafbarkeitslücken zu identifizieren und umgehend zu schließen. Ziel muss sein, dass Rückkehrer, die sich wegen Terrorstraftaten oder nach Völkerstrafrecht zu verantworten haben, gleich am Flughafen festgesetzt und in Haft genommen werden. Haben Rückkehrer nach Kenntnissen der Sicherheitsbehörden keine Straftaten begangen, muss umgehend eine individuelle Gefährdungsanalyse für jeden einzelnen Rückkehrer unter Federführung der Polizei stattfinden. Dabei müssen die Sicherheitsbehörden - Polizei, Verfassungsschutz, Nachrichtendienste und die Justiz - in unserem föderalen System perfekt zusammenarbeiten und alle dafür notwendigen Informationen systematisch sammeln.

Die strafrechtliche und strafprozessuale Aufarbeitung der IS-Rückkehrerfälle ist der Lackmustest für unseren Staatsschutz und für unsere Justiz. Hier wird sich zeigen, ob die Strafverschärfungen zur Bekämpfung des Terrorismus ausreichend sind und ob und gegebenenfalls an welcher Stelle wir

nachsteuern müssen. Hier wird sich auch zeigen, ob die gesetzlichen Grundlagen für eine Datenerhebung ausreichend sind oder ob der Daten- und Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden funktioniert und die bestehenden

Rechtsgrundlagen ausreichen.

Für die Polizei hat die Regierungskoalition mit dem NPOG in diesem Jahr bessere Voraussetzungen geschaffen. Ich glaube, die gleichen Voraussetzungen müssen wir auch im Bereich des Verfassungsschutzes schaffen. Das ist eine ganz wesentliche Forderung in diesem Bereich.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin Justizministerin Havliza im Übrigen sehr dankbar, dass sie die unsichere und beengte Situation im Staatsschutzprozessgebäude des OLG Celle anspricht. Hier bedarf es aus meiner Sicht tatsächlich eines sicheren Neubaus, der auf die Herausforderungen unserer Zeit reagiert und für die Justiz angemessene Arbeitsbedingungen

schafft, um diese Rückkehrer aus dem terroristischen Bereich vernünftig aburteilen zu können.

Meine Damen und Herren, nicht unerwähnt lassen möchte ich zum Schluss, dass auch die Jugendämter herausgefordert sind, sich um die Kinder der IS-Rückkehrer zu kümmern. Wir haben eine Verantwortung für deren Zukunft, diese nicht in Hass, Enge und Kriminalität zu verbringen, sondern in den fantastischen Möglichkeiten, die unsere freiheitliche Gesellschaft jedem Einwohner guten Willens in unserem Land bietet.

Nutzen wir also die Herausforderung der Rückkehr der IS-Kämpfer und hinterfragen wir kritisch, welche Maßnahmen wir gesetzgeberisch noch ergreifen müssen, um unsere Bürgerinnen und Bürger vor Terroristen zu schützen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Calderone. - Es spricht nun für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Osigus. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines ist mir wichtig vorweg zu sagen: Ich finde es zum Teil unfassbar, wie unsere Sicherheitsbehörden immer wieder in Misskredit gebracht werden. Das sind gut ausgebildete Kräfte, die tagtäglich um unsere Sicherheit und unsere

Ordnung hier im Staat bemüht sind und die unseren täglichen Respekt verdienen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Um es gleich vorwegzunehmen, wie wir mit ISRückkehrern umgehen: So wie es das Gesetz vorschreibt und so wie es angebracht ist - rechtsstaatlich und auf der Grundlage dessen, was eine Demokratie ausmacht, vorhersehbar und im Übrigen völlig unaufgeregt.

(Zustimmung bei der SPD)

Hysterie und Stimmungsmache sind hier völlig verfehlt. Die Anwendung unseres Strafrechts steht hier zur Disposition. Wir sind völkerrechtlich verpflichtet, deutsche Staatsbürger zurückzunehmen. Im Übrigen ist das auch konsequent, weil es ebenso andersherum gilt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, „Strafrecht konsequent anwenden“ oder, um es deutlicher zu sagen: Wie funktioniert ein Rechtsstaat? - Sie können erst einmal niemanden verhaften, bloß weil er aus Syrien nach Deutschland zurückkommt. Hingegen führen Kampfhandlungen bzw. schon die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wenn es bewiesen werden kann, zu einer Verurteilung ohne Ansehung der Person. Sie können grundsätzlich kein Gedankengut bestrafen, das sich nicht in Taten niedergeschlagen hat. Wir haben zum Glück keine vorbeugenden „Einfach-so-Verhaftungen“. Wir können nicht Menschen pauschal als Feinde ansehen, ohne dass sie Taten begangen haben. Andersherum können wir natürlich jede nachweisbare Tat quasi verurteilen und vor Gericht mit unseren Mitteln rechtsstaatlich lösen.

Meine Damen und Herren, ja, IS-Rückkehrer sind hoch ideologisiert und zum Teil zusätzlich an Waffen ausgebildet. Doch sie sind unseren Sicherheitsbehörden bekannt. Das Auswärtige Amt hat Kenntnis über diejenigen, die nach Deutschland zurückkehren. Falls ein Haftbefehl vorliegt, erfolgen Verhaftung und Prozess. Falls die Beweise nicht ausreichen, erfolgt der hinreichende Blick durch die Sicherheitsbehörden. Das macht sicherlich viel Arbeit, aber das muss uns in diesem Zusammenhang keine Sorgen machen.

Sorgen machen uns diejenigen, die sich im stillen Kämmerlein radikalisieren und zu einem unbekannten Zeitpunkt mit einfachen Mitteln Anschläge begehen. Diese Personen sind zum Teil unterhalb

des Radars. Es gibt diverse Tätergruppen, denen wir nicht in den Kopf gucken können.

Meine Damen und Herren, mit dem Ruf nach immer neueren und immer schärferen Gesetzen ist es meiner Auffassung nach nicht getan. Unsere Sicherheitsbehörden setzen die vorhandenen Mechanismen tagtäglich um: Lösungen zwischen Freiheit und Sicherheit, langfristige Maßnahmen, Kompetenzstellen, Sozialarbeiter, intelligentes

Netzwerk und gradlinige Strafverfolgung. Zudem ist das Antiterrorstrafrecht ausgeweitet worden. Auch wir als Rechtspolitiker sehen personellen und finanziellen Bedarf und beraten nicht zuletzt auch über die Sicherheit an Gerichten und über etwaige Strafbarkeitslücken.

Meine Damen und Herren, wir haben die Untersuchungshaft zur Sicherung des Verfahrens, Gerichte, die die Schuldfrage überprüfen, und Strafverfahren, die an nachweisbaren Taten gemessen werden, mit anschließender Inhaftierung. Und ja, danach muss zu gegebener Zeit auch über die Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft gesprochen werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich zum Schluss an diejenigen richten, die nun zweifelnd die Stirn gerunzelt haben. Radikale Ideologien hat es in unserer Geschichte immer wieder gegeben und keimen auch heutzutage immer wieder auf. Dennoch ist es uns immer wieder gelungen, diese Ideologien mit unseren demokratischen und

rechtsstaatlichen Mitteln zu überwinden. Wirren Ideologien kann eine stabile Demokratie begegnen, solange das Schweigen der Mehrheit diese nicht toleriert.

Wir brauchen allerdings nicht nur eine stabile rechtsstaatliche Lage, sondern auch Menschen, die die Geschichte und unsere Werte jeden Tag weitertragen. Hierzu, meine Damen und Herren, gehören wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten - jeden Tag!

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es folgt nun für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Ahrends. Bitte!

Danke schön. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der völkerrechtswidrige Angriff der Türkei im Norden Syriens führte dazu, dass ca.

800 IS-Kämpfer aus Gefängnissen der Kurden fliehen konnten. Viele von ihnen flohen auf das Staatsgebiet der Türkei. Wie wir hören, sollen sie nun von dort in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Bei diesen IS-Kämpfern handelt es sich überwiegend um Menschen, die als Migranten nach Europa kamen, dort aufwuchsen, sich dort radikalisiert haben und sich dann freiwillig dem IS in Syrien angeschlossen haben. Daher besitzen viele dieser Terroristen die doppelte Staatsbürgerschaft. Vor diesem Problem steht jetzt also nicht nur Deutschland, sondern einige europäische Länder.

Dänemark z. B. will nun den IS-Kämpfern automatisch die Staatsbürgerschaft aberkennen. Auch Großbritannien prüft die Möglichkeit, den Rückkehrern die britische Staatsbürgerschaft zu entziehen, um eine Einreise zu verhindern und so seine Bürger zu schützen. Diese Regierungen stellen also den Schutz ihrer Bevölkerung vor die individuellen Rechte eines Terroristen.

Die AfD-Fraktion hat im Bundestag in der Drucksache 19/11127 den Entwurf eines Gesetzes zum Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei Eintritt in eine terroristische Organisation vorgelegt. Allein die Tatsache, Mitglied in einer Terrororganisation zu sein, sollte automatisch zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern führen. Diese Mitgliedschaft bestand auch für die IS-Kämpfer zweifellos nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes am 9. August 2019. Der AfD-Gesetzentwurf wurde nicht angenommen.

Angenommen wurde durch Zustimmung der SPD und der CDU der Gesetzentwurf der Regierungsparteien. So müssen nun den Rückkehrern kriegerische Handlungen nachgewiesen werden, um ihnen die Staatsangehörigkeit aberkennen zu können. Dies ist häufig aber nicht möglich.

Heute diskutieren wir hier darüber, wie wir unsere Bürger schützen können. Aber warum überhaupt? Am 13. November 2019 sagte Frau Justizministerin Christine Lambrecht von der SPD, dass von den IS-Rückkehrern keine Gefahr ausgehe. Ebenso hat Frau Merkel von der CDU am 16. November 2019 gegenüber der Welt bestätigt, dass kein Grund zur Sorge bestehe, da die Behörden gewährleisten würden, dass von den IS-Rückkehrern keine Gefahr ausgehe.

Heute bringt die CDU-Fraktion das Thema ISRückkehrer als Aktuelle Stunde in den Landtag.

Wir als AfD hoffen doch sehr, dass die Bundeskanzlerin recht behält und die Behörden wirklich das Personal und die Mittel haben, die zusätzlichen Gefährder zu den ohnehin schon ca. 700 islamistischen Gefährdern, die sich bereits in Deutschland befinden, rund um die Uhr zu beobachten, zu überwachen und gegebenenfalls Anschläge zu verhindern.

Sehr verehrte Damen und Herren, einen Teil dieses Problems hätte der AfD-Gesetzentwurf sicherlich vereinfacht. Denn Mitglied des IS bleiben diese Terroristen auch weiterhin, auch wenn sie sich gottlob nicht mehr an Kampfhandlungen beteiligen konnten. Daher wird die Gesetzesänderung, der Ihre Parteien zugestimmt haben, ins Leere laufen.

Nun sind aber die IS-Rückkehrer da. Man wird sehen, wie sich diese Menschen nach ihrer Rückkehr in Deutschland benehmen. Zweifellos sind diese Menschen dem salafistischen Spektrum zuzuordnen. Die freiwillige Ausreise in ein Kriegsgebiet hat das belegt. Sie sind zweifellos auch zu Gewalthandlungen bereit. Wir müssen jetzt Beweismittel finden, um sie in Deutschland wegen Mordes oder einer anderen schweren Straftat inhaftieren zu dürfen. Das wird nur schwer belegbar sein. Ziel muss es aber sein, diese Beweise zu erbringen und diese Menschen, die zweifellos auch vor einem Mord nicht zurückschrecken, hinter Gitter zu bringen, um die Bevölkerung in Deutschland vor Anschlägen zu schützen.

Die permanente, möglichst lückenlose Überwachung dieser IS-Kämpfer stellt die Behörden vor eine große Herausforderung. Hier stellt sich die Frage, wie lange die Sicherheitskräfte, die wirklich gut arbeiten, es noch schaffen, Anschläge zu verhindern. Hoffen wir, dass sie weiterhin so erfolgreich sein werden wie bei dem Rizin-Bomber in Köln, den drei IS-Anhängern, die kürzlich in Offenbach festgenommen wurden, und dem syrischen Asylbewerber, der wegen Anschlagsplänen gestern in Berlin verhaftet wurde!

Das effektivste Mittel, die Menschen zu schützen, wäre zweifellos das Verbot der Einreise für die Doppelstaatler durch die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft. Dies hätte mit allen Mitteln erreicht werden müssen. In Dänemark und in England geht das. Warum also nicht in Deutschland? Für eine solche Gesetzesänderung braucht man vielleicht Politiker mit Rückgrat.