Protocol of the Session on November 20, 2019

tig sein kann. Aber wir werden einen eigenen Antrag stellen, um dieses Thema weiter zu behandeln. Wir müssen zu Lösungen kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Otte-Kinast das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Die Verschwendung von Lebensmitteln ist ein ernsthaftes Problem. Ich glaube, das haben wir alle heute noch einmal deutlich gemacht. Nach neusten Zahlen fallen in Deutschland jährlich rund 12 Millionen t Lebensmittelabfälle an. Mehr als die Hälfte davon entsteht in den Privathaushalten. Also jeder und jede von uns wirft im Schnitt etwa 75 kg Lebensmittel jährlich in den Müll - und fast die Hälfte davon gilt als vermeidbar. Es folgen anteilig der Verarbeitungssektor, der Außer-Haus-Verzehr und die Landwirtschaft. Beim Handel verbleiben noch 4 %. Das ist zwar weniger als bisher angenommen, aber immerhin entspricht das 500 000 t. Um es einmal klarzustellen: Eine solche Verschwendung von Nahrungsmitteln ist nicht hinzunehmen. Weltweit hungern Menschen, und die Lebensmittel werden mit einem hohen Einsatz aller Beteiligten erzeugt.

(Zustimmung von Helmut Dammann- Tamke [CDU])

Wir alle wissen, die Ursachen sind komplex und vielfältig. So geht es um Nachernteverluste, um Handelsnormen oder die Erwartung der Verbraucher, dass immer von allem genug in den Regalen liegt. Deutschland hat sich dem Ziel der UN verpflichtet, die Lebensmittelverluste bis 2030 um die Hälfte zu verringern. Dafür wurde im Februar die „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ verabschiedet. Auch Niedersachsen wird sich aktiv an deren Umsetzung beteiligen.

Erst vor wenigen Wochen ist das ZEHN - wir haben es heute schon zweimal gehört - gestartet. Zu den Aufgaben des ZEHN gehört, gezielte Maßnahmen zur Reduzierung des Lebensmittelabfalls auf den Weg zu bringen. Das Verhalten der Verbraucher können wir aber nicht per Verordnung

ändern. Nur mit gezielter Information der Öffentlichkeit oder Bildungseinheiten in den Schulen ist die Verschwendung allmählich zu reduzieren. Wir müssen die Alltagskompetenzen der Menschen beim Einkauf und im Umgang mit Lebensmitteln wieder stärken, und vor allem müssen wir die Wertschätzung von Nahrungsmitteln wieder erhöhen.

Was die Seite des Handels angeht: Eine Bundesratsinitiative für ein Antiwegwerfgesetz, wie es im Antrag gefordert wird, gab es vor Kurzem schon. Am Ende hat der Bundesrat sie abgelehnt. Aus gutem Grund, denn es ist nicht geklärt, was mit den großen Mengen passieren soll, wenn der Handel verpflichtet würde, alle Reste an gemeinnützige Organisationen zu geben. Die Tafeln arbeiten ehrenamtlich und retten in Deutschland pro Jahr schon 260 000 t Lebensmittel von 30 000 Supermärkten. Die Tafeln in Deutschland haben bekräftigt, dass sie unter den derzeitigen Bedingungen logistisch und personell gar nicht in der Lage wären, viel größere Mengen zu verteilen. Ohnehin erscheint es sinnvoller, dass diese massenhaften Reste im Handel gar nicht erst entstehen. Genau dort setzt die Nationale Strategie an. Unternehmen, Verbände und andere Akteure der einzelnen Wirtschaftssektoren entwickeln jetzt gezielte Maßnahmen, um auf freiwilliger Basis die Verschwendung einzudämmen. Geben wir diesem Prozess erst einmal etwas Zeit, bevor wir gleich mit Verboten kommen!

(Zustimmung bei der CDU)

Zum Thema Containern: Ja, das Containern kann nach dem Strafgesetzbuch als Diebstahl eingeordnet werden. Falls es aber überhaupt zu einer Anzeige kommt, besteht schon jetzt eine Bagatellgrenze bei der Strafverfolgung, bis zu der ein Diebstahl nur auf Antrag verfolgt wird. Dieses Eigentum der Lebensmittelgeschäfte aber komplett aus dem strafrechtlichen Schutz herauszunehmen und damit ohne Berücksichtigung des konkreten Tatbildes oder der jeweiligen Täterpersönlichkeit dem beliebigen Zugriff Dritter preiszugeben, stünde im Widerspruch zur zivilrechtlich eindeutig geregelten Zuordnung des Eigentums. Dies würde zudem verfassungsrechtliche Bedenken aufwerfen. Denn das Eigentum wird grundsätzlich durch Artikel 14 des Grundgesetzes garantiert.

Meine Ausführungen zeigen, dass das Problem des Containerns vielschichtig ist. Gerichte und Staatsanwaltschaften müssen im Einzelfall entscheiden können. Eine schematische Betrachtung

oder die generelle Straffreiheit ist nicht angebracht. Auch die Justizministerkonferenz hat bekräftigt, dass „Straf- und Zivilrecht … keinen Ansatz“ bieten, „das Problem der Lebensmittelverschwendung zu lösen“. Vielmehr sind die Abfälle im Vorfeld zu vermeiden. Dabei sind alle Wirtschaftsbereiche zu betrachten und eben nicht einzelne Akteure herauszugreifen, wie es hier mit dem Handel geschieht, zumal dieser von allen Bereichen den geringsten Anteil an der Lebensmittelverschwendung hat.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Der Kollege Limburg hatte sich schon vor Ihrer Rede zur Erwiderung gemeldet.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Nein, wäh- rend der Rede!)

- Nein, nein. Ich habe da schon genau aufgepasst. Aber nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung - Sie kennen sich da sehr gut aus - erteile ich Ihnen natürlich gerne anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, dass ein Problem vielschichtig ist, kann doch keine Rechtfertigung dafür sein, tatenlos zu bleiben und es nicht anzugehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau das soll hier aber nach Ihren Ausführungen und auch nach den Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU im Ergebnis passieren. Sie lehnen unseren Entschließungsantrag ab, ohne irgendetwas Eigenes im Parlament diskutieren zu lassen, ohne irgendwas Konkretes zur Abstimmung vorzulegen. Das wird dem Problem auf keinen Fall gerecht, worauf Herr Grupe zu Recht hingewiesen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Marco Genthe [FDP])

Sie, Frau Ministerin, und auch Sie, Frau Kollegin Koch, haben immer wieder betont, dass wir den hohen Wert des Eigentumsschutzes in unserer Gesellschaft doch schützen müssten. Ich darf Sie

daran erinnern, dass auch Artikel 14 vielschichtig ist. Artikel 14 unseres Grundgesetzes schützt zu Recht das Eigentum. Aber in Absatz 2 heißt es ausdrücklich: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie das Eigentum mit dem Ziel verteidigen, essbare Lebensmittel zu vernichten, dann dient das jedenfalls nicht dem Wohle der Allgemeinheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insofern meine ich schon, dass es in unserem klug geschriebenen Grundgesetz ausreichend Anhaltspunkte dafür gibt, hier tätig zu werden.

Mein letzter Punkt: Wir haben heute Morgen wieder über die Belastung der Justiz diskutiert, wogegen die Justiz alles vorgehen soll. Aber an dieser Stelle verweigern Sie sich jeglicher Lösung, die die Staatsanwaltschaften und die Gerichte von der Befassung mit diesen für den Rechtsstaat nun wirklich nicht bedrohlichen Delikten entlasten könnte. Das wird der Sachlage nicht gerecht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Auch Herr Kollege Dammann-Tamke hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Zur Richtigstellung für das Protokoll: Die Kollegin Koch hat nicht vom Diebstahl einer Waffe, sondern vom Diebstahl einer Sache gesprochen.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich mich gemeldet habe. Der Grund ist vielmehr, dass die Kollegin Staudte sowohl in letzter Zeit im Ausschuss als auch heute hier im Landtag den Begriff der Arbeitsverweigerung verwendet.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja!)

Verehrte Kollegin Staudte, wir stehen am Ende eines ganz normalen parlamentarischen Verfahrens. Sie haben einen Entschließungsantrag in das

Verfahren gebracht, der heute offensichtlich mit breiter Mehrheit abgelehnt wird.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wo ist die Alternative?)

Und Ihr Kollege zur Rechten hat hier darauf hingewiesen, dass das nach seiner Auffassung nicht in Ordnung ist.

Fakt ist, dass diese ganz zentrale Frage, dahin gehend, ob Bändern oder Containern mit unserem Rechtskreis im Sinne von „Eigentum verpflichtet“ vereinbar ist, einer Klärung durch das Verfassungsgericht zuzuführen ist. Die Zulassung dieser Klage und ihre Annahme durch das Verfassungsgericht zeigen doch, dass wir es hier offensichtlich mit einer Rechtsmaterie zu tun haben, zu der das höchste deutsche Gericht einmal ein Grundsatzurteil sprechen sollte. Von daher ist es berechtigt, dass wir zu einer dezidiert anderen rechtlichen Beurteilung kommen.

Verständigen wir uns doch darauf, das Urteil des Verfassungsgerichts abzuwarten! Gegebenenfalls werden wir diese Problematik dann noch einmal hier aufgreifen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Jetzt hat sich die Kollegin Staudte zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Dammann-Tamke, Sie haben recht: In Wirklichkeit handelt es sich nicht um Arbeitsverweigerung, sondern letztendlich um Arbeitsunfähigkeit. Ich kann mir schon vorstellen, dass Sie in den Arbeitskreisen der GroKo sehr viel Zeit damit verbringen, über unsere Anträge zu diskutieren, und dass dann von Ihrer Seite einfach nur eine Blockade kommt,

(Jens Nacke [CDU]: Das täuscht, Frau Kollegin!)

sodass man sich nicht auf einen gemeinsamen Änderungsantrag einigen kann. Aber unterm Strich liefert Ihre Seite wenig Produktives ab. Ich denke, da kann ich unseren Unmut schon zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt: Sie wollen abwarten, bis das höchste Gericht entschieden hat. - Sich vom Gestalten und vom Reagieren auf gesellschaftliche Problemlagen zu verabschieden und immer nur zu sagen: „Wir warten ab, was ein Gericht sagt“, ist - tut mir leid - eine falsche Auffassung von Politik. Wir haben hier einen Auftrag und sind nicht nur Ausführenden, die abwarten, bis alles über lange juristische Wege geklärt ist.