Anfangs bestand die Firma lediglich aus ganz wenigen Ingenieuren. Ich glaube, dass ein großer Meilenstein in der Geschichte dieser Firma die politisch höchst umstrittene Bürgschaft durch die Stadt Aurich gewesen ist, die es der Firma ermöglicht hat zu expandieren und in eine solche Größenordnung aufzusteigen, wie wir es heute kennen.
Es dauerte sieben Jahre, bis das Kleinstunternehmen eine eigene Fertigungshalle im Auricher Stadtteil Extum aufziehen konnte. Dort hat die Zentralverwaltung noch heute ihren Sitz. Der Durchbruch für das junge Unternehmen kam 1993 mit der E-40. Heute ist das alles lange Geschichte. Die Anlagen sind schon beinahe so etwas wie antiquiert.
Weltweit beschäftigt die Enercon-Unternehmensgruppe mit zahlreichen Tochterunternehmen - ich sage gleich noch etwas dazu - über 14 000 Beschäftigte. Das Unternehmen besitzt über 45 % der Patente im Bereich der Windenergietechnologie. In Deutschland sind aktuell - ich muss ergänzen: noch - rund 12 000 Beschäftigte bei Enercon und den Produktionspartnern.
Meine Damen und Herren, „Die Messe ist gelesen“ - so haben die Zeitungen getitelt, als am Freitag vergangener Woche der Wegfall von 3 000 Arbeitsplätze angekündigt worden ist. Der Grund - das hat Enercon klargemacht -, 3 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen zu wollen, davon rund 1 500 in Niedersachsen, vor allen Dingen in Ostfriesland, und 1 500 in Sachsen-Anhalt - um das deutlich zu machen, Frau Piel, auch an Sie -, liegt darin - das ist ein wörtliches Zitat -:
„Um in den neuen Zielmärkten Kundenaufträge zu gewinnen, wird von uns auch erwartet, dass wir mit Produktionspartnern im jeweiligen Land zusammenarbeiten.“
Meine Damen und Herren, diese 3 000 Arbeitsplätze sollen also outgesourct werden. In der Emder Zeitung wird das konkretisiert.
Sonst kann ich ihn auch noch zehnmal vorlesen. Ich gebe ihn Ihnen gleich aber auch noch schriftlich. - Es ist wirklich unglaublich!
Ich will weiter die Firma Enercon zitieren, die gegenüber der Emder Zeitung geäußert hat, dass Rotorblätter an Enercon-Standorten in Portugal, in der Türkei und in Indien produziert werden sollen. Meine Damen und Herren, so etwas nennt man outsourcen.
Meine Damen und Herren, die Firma Enercon hat in den vergangenen Tagen auch deutlichst erklärt, dass diese Fertigung nicht zurückkommen würde, selbst wenn wir all die politischen Vorgaben erfüllen würden, über die wir hier gerade miteinander gesprochen haben.
Das ist ein großer Einschnitt. Es gibt eine riesengroße Betroffenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten, übrigens auch derer, die jedenfalls zurzeit noch nicht von einer Kündigung bedroht sind. Ich sage gleich mehr dazu.
Ist also die Messe gelesen, meine Damen und Herren? - Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich, auch wenn wir vermutlich die Rotorblattfertigung nicht nach Deutschland zurückholen werden: aus unserer Sicht nicht.
Ich bin dem Wirtschaftsminister sehr dankbar, dass er eine sogenannte Taskforce - einen Runden Tisch, würden wir sagen - eingerichtet hat. Ich fordere an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit für meine Fraktion auch die Firma Enercon auf, mitzuhelfen beim Einsatz aller möglichen und denkbaren arbeitsmarktpolitischen Instrumente, die uns zur Verfügung stehen. Ich will und mag diese Arbeitsplätze nicht sofort hier an dieser Stelle preisgeben, meine Damen und Herren.
Die Firma Enercon hat auch eine soziale Verantwortung gegenüber denjenigen, die diese Firma groß gemacht haben, nämlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Beim Stichwort „Solidarität“ mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, meine Damen und Herren, kann ich auch den Passus, der jetzt folgt, leider nicht aussparen: Die Zusammenarbeit zwischen der Firma Enercon und den Gewerkschaften ist bisher höchst schwierig, um das einmal vorsichtig
auszudrücken. Ich fand es ein gutes Signal, dass sich die Geschäftsführung von Enercon am Mittwoch - ich glaube, erstmalig in der Geschichte - mit Gewerkschaftsvertretern an einen Tisch gesetzt hat.
Im August 2018 haben wir eine andere Situation erlebt, als die Firma Enercon öffentlich behauptet hat, mit den Entlassungen in ihren eigenen Tochterfirmen nichts zu tun zu haben. Auch in Hannover haben wir eine Demonstration von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter dem Titel „Wir sind Enercon“ gehabt. Das hatten sie auf ihre T-Shirts gedruckt. Meine Damen und Herren, dies zeigt eine hohe Verbundenheit dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen und natürlich auch mit dem Produkt.
Aber schon am Freitag, nach dem Runden Tisch am Mittwoch, gab es wieder das alte Gebaren, als die Gewerkschaft versucht hat, Zettel auf dem Firmengelände zu verteilen, um zu der Veranstaltung mit Ministerpräsident Weil und Energieminister Lies aufzurufen. Seitens des Unternehmens wurde dann öffentlich behauptet, dies würde irgendwelchen Vereinbarungen vom Runden Tisch am Mittwoch widersprechen. Ich war am Mittwoch dabei und kann nicht erkennen, dass das irgendwelchen Vereinbarungen widerspricht. Ich sage das in aller Deutlichkeit.
Heute wird in der Ostfriesen-Zeitung durch den Personalchef, Herrn Janssen, von der Firma Enercon gefordert, die Politik möge diesbezüglich mit der Vergangenheit abschließen. Ja, meine Damen und Herren, das machen wir von jetzt auf gleich, aber nur unter der Voraussetzung, dass es endlich auch bei der Firma Enercon zu einer echten Sozialpartnerschaft kommt, dass endlich Gewerkschaften und gewerkschaftliche Mitbestimmung akzeptiert werden, dass endlich mit den Beschäftigten auf Augenhöhe verhandelt wird und dass sie auf Augenhöhe behandelt werden, meine Damen und Herren. Das Klima der Angst bei Enercon muss dann auch Vergangenheit sein.
Ich bin froh - es wird ja immer in Zweifel gezogen, ob das denn so ist; es fällt natürlich schwer, das in der Sache zu beweisen, weil genau die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die es beweisen könnten, selbst sagen, dass sie Angst haben, es zu beweisen -, dass auch die Medienvertreter am vergan
genen Wochenende in Aurich erlebt haben, dass ich das, was ich hier vortrage, nicht falsch berichte. Ich glaube, das war am Samstag zu spüren. Dies wurde ja auch gegenüber den Pressevertreterinnen und -vertretern ausgesprochen.
Vielleicht noch ein weiteres Zitat. Herr Janssen weist dann öffentlich darauf hin - das ist derjenige, der gesagt hat, mit der Vergangenheit müsse jetzt einmal Schluss sein; ich zitiere ihn -: „Ich weiß, dass sich IG Metall und die SPD gerne gegenseitig den Steigbügel halten.“ - Ich habe auch andere erlebt, u. a. Herrn Thiele aus Ostfriesland, der gewerkschaftliche Mitbestimmung eingefordert hat.
Ich bin deutlich der Auffassung, Herr Janssen: Das ist kein hilfreiches Zitat. Helfen Sie an dieser Stelle mit, damit wir zu einer echten Sozialpartnerschaft bei Enercon kommen!
Ich will an dieser Stelle kein Scharfmacher sein, meine Damen und Herren. Ich hoffe, Sie schätzen mich im Landtag hoffentlich mehrheitlich auch nicht so ein. Ich möchte aber ein Zitat eines CDUPolitikers anführen, den ich nicht vor das Rohr ziehen will, der aber deutlich macht, wie die Auseinandersetzung im Moment geführt wird. Es ist der CDU-Politiker Detlef Gürth aus SachsenAnhalt, der in aller Deutlichkeit sagt: Enercon ist ein Beispiel für asoziale Partner! - Ich mache mir diesen Ausdruck nicht zu eigen, sage aber: Das zeigt, in welcher Auseinandersetzung wir an dieser Stelle stecken.
Ich glaube, es ist richtig, was Ministerpräsident Stephan Weil dazu gesagt hat. Wir fordern einen echten Neustart. Den machen wir mit, wenn es eine Sozialpartnerschaft gibt. Gewerkschaftliche Mitbestimmung in unserem Land ist etwas Gutes.
Die Auswirkungen auf die Region - auch das will ich nicht verschweigen - sind immens. Der Bürgermeister der Stadt Aurich und der Oberbürgermeister der kreisfreien Stadt Emden sitzen nicht umsonst hier. Gewerbesteuern, Umlagen an die Landkreise - viel Sinnvolles ist mit diesem Geld in der Region erreicht worden. Ich habe das in der mir eigenen Art vielleicht etwas flapsig so beschrieben - was aber, glaube ich, nicht falsch ist; jedenfalls werde ich mittlerweile damit zitiert -: Im weiten Umkreis von Aurich gibt es wohl keine Wurstbude, die nicht auch von den Umsätzen der Firma Enercon lebt. - Meine Damen und Herren, es geht deshalb auch um die Zukunft einer ganzen Region.
Übrigens ist selbstverständlich auch Volkswagen ein wichtiger Pfeiler in der Region. Industriearbeitsplätze in Ostfriesland haben den Wohlstand aufgebaut, über den wir dort heute verfügen. Ich glaube, dass Volkswagen eine richtige Entscheidung in Sachen E-Mobilität getroffen hat. Ich glaube auch, dass das für den Standort Emden gut ist und dass das Investitionen vor Ort auslöst. Aber ich will nicht verhehlen, dass der Wandel in der Region eine große Verunsicherung hervorruft. Deshalb sind tatsächlich alle aufgerufen, sich an jeder Art von Unterstützung für die Windkraft, aber auch für die ganze Region zu beteiligen, meine Damen und Herren.
Ist das also ein lokales Problem? - Nein, weil die Branche zu wichtig ist, weil es um Industriearbeitsplätze in Niedersachsen und Deutschland geht, weil es um Wertschöpfung geht und weil schwerste wirtschaftliche Folgen drohen. Die Zulieferer - Frau Piel hat zu Recht darauf hingewiesen - sind zahlenmäßig noch gar nicht benannt.
Es gibt noch eine weitere Auswirkung, nämlich die Auswirkungen auf die Energiewende. Als Ostfriese darf ich vielleicht zwei, drei Worte sagen, weil man im Internet und vielen Foren viel Interessantes liest. Manches habe ich leider schon im Niedersächsischen Landtag hören müssen. Meine Damen und Herren, den Klimawandel gibt es. Und darüber, dass er menschengemacht ist, gibt es
Dass der Klimawandel Schäden anrichtet und Kosten verursacht, weiß man auch in Ostfriesland, weil man aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels den Deichbau forcieren muss - und das kostet Geld, meine Damen und Herren. Wenn wir also den Ausstoß von CO2 verringern wollen - bis 2030 sollen erneuerbare Energien einen Anteil von 65 % ausmachen -, dann geht das nur mit Wind.
Ich erspare Ihnen jetzt die Zahlen, wie der Zubau von Windenergie in den letzten Jahren abgenommen hat. Für Enercon kann ich Ihnen sagen: In 2017 hat die Firma Enercon 711 Anlagen aufgebaut, in diesem Jahr waren es noch genau 65 Anlagen. Das sind keine 10 % davon.