Protocol of the Session on November 19, 2019

Meine Damen und Herren, es wird keine Energiewende ohne Windenergie geben. Windkraftanlagen aus China, die wir importieren könnten, helfen uns wirtschaftlich nicht. Ich bin ganz sicher: So zerstört man wirklich die Akzeptanz in der Bevölkerung.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wir haben also ein wirtschaftliches Problem, wenn es schiefgeht, und wir haben auch ein Problem mit der Energiewende. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Es hat sicherlich zu einem gewissen Teil auch etwas mit Fehleinschätzungen der Firma zu tun. Ich möchte das aber ausdrücklich nicht vertiefen, weil ich mich nicht in Schuldzuweisungen vertiefen, sondern über Lösungen sprechen will.

Was müssen wir also tun? - Ganz vorne weg: Vielleicht ein bisschen plakativ, aber trotzdem richtig in der Sache ist die Frage nach den 1 000 m Abstand. Wie schwierig es übrigens ist, das vor Ort durchzuhalten, keine 1 000 m Abstand regeln zu wollen, zeigt ein Zitat eines Mitglieds des Niedersächsischen Landtages - keine Angst, ich werde den Namen nicht nennen -, das noch am 13. November, also quasi zu Beginn dieser schweren Krise erklärt hat, die 1 000-m-Grenze sei ein kluger Weg, damit werde das Konfliktpotenzial deutlich reduziert. - Mittlerweile sagt das, glaube ich, zum Glück niemand mehr hier; ich habe es hier jedenfalls nicht vernommen. Ich glaube, dass es richtig ist, von den 1 000 m Abstand zu nehmen, weil wir auf mehr Fläche ausbauen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen verbindliche Ausbaupfade haben. Wir müssen das Repowering vereinfachen. Wir müssen Nutzungskonflikte mit Flug- und Wetterradar - das Thema der sogenannten Drehfunkfeuer - regeln. Dort allein steckt ein Potenzial von 4 bis wohl 5 GW mögliche Ausbauleistung.

Wir müssen De-minimis-Regelungen der Europäischen Union möglich machen und kleine Anlagen bis zu 18 MW ohne Ausschreibung ermöglichen.

Wir müssen Gewerbe- und Hafengebiete nutzen.

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege Siebels! - Es ist ein ziemlich lautes Gemurmel im Plenarsaal. Ich würde Sie noch einmal um Aufmerksamkeit für Herrn Kollegen Siebels bitten.

Wir müssen Artenschutz- und Klimaschutzkonflikte entscheiden. Ich sage in aller Deutlichkeit: Ohne Klimaschutz erübrigt sich die Frage eines Artenschutzes.

Und wir brauchen eine konsequente Politik. Wir brauchen nicht hier im Landtag Applaus von Leuten, die dann aber vor Ort mit den Bürgerinitiativen gegen die Windkraft demonstrieren! - Ich sage das in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Auch Land und Kommunen - ich möchte keine Schuldzuweisungen machen - müssen übrigens helfen, mehr Flächen nutzbar zu machen. Ministerpräsident Stephan Weil ist zu Recht darauf eingegangen. Meine Damen und Herren, in der Koalition in Niedersachsen herrscht Einigkeit in dieser Frage. Das freut mich sehr.

Ich danke deshalb Stephan Weil und Bernd Althusmann und Olaf Lies. Wir müssen gemeinsam der Kanzlerin und dem Wirtschaftsminister helfen, diese Forderungen umzusetzen. Wir müssen gemeinsam handeln, meine Damen und Herren, dann sind die Arbeitsplätze sicher.

Da ich ahne, dass ich gleich u. a. von der FDPFraktion kritisiert werde, möchte ich Ihnen zum Abschluss ein Zitat eines durchaus hochrangigen FDP-Politikers aus Aurich nicht ersparen, der öffentlich in den Ostfriesischen Nachrichten erklärt hat: Für die verbleibenden Mitarbeiter - es geht um die Mitarbeiter der Firma Enercon - bedeute der Schritt, Personal zu entlassen, aber auch Sicher

heit, da das Unternehmen dynamischer agieren könne.

Ich rufe hier alle zu gemeinsamer Solidarität auf für die Branche, für die Energiewende und ganz speziell für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Wahlkreis in Aurich.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Siebels. - Herr Kollege Wenzel hat Ihre Einladung angenommen und meldet sich nun zur Kurzintervention. Bitte, Herr Wenzel!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Viele hier im Saal waren sehr betroffen, als sich eine sehr erfolgreiche Solarindustrie nach einem massiven Einbruch bei den Förderbedingungen plötzlich zum größten Teil in Südostasien wiederfand.

Wir sind ein Exportland mit einer der höchsten Exportquoten von allen Ländern der Welt. Was meinen Sie eigentlich, welche Produkte wir in den nächsten 10, 20 oder 30 Jahren exportieren können? Kohlekraftwerke oder Ölheizungen? - Ganz bestimmt nicht!

Wir haben eine aufstrebende Windkraftindustrie in Aurich, die sich anschickte, sich zu einem der Weltmarktführer zu entwickeln. Das zerstört die Bundesregierung mit dem Entwurf ihres Gesetzes, der jetzt auf dem Tisch liegt. Er ist an Bösartigkeit nicht zu übertreffen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

1 000 m zu bebauten Grundstücken! Dann können Sie die ganze Chemieindustrie in Deutschland plattmachen, wenn Sie die Regeln dort einführen: individuelle Netznutzungsgebühren, keine Reparatur der missglückten Bürgerwindkraft, neue Regeln, neue Verfahren - neue Bürokratie, Herr Althusmann, dass man sich die Augen reibt! Meine Damen und Herren, das geht gar nicht!

Herr Siebels, wann waren Sie in Berlin, um sich um die Themen zu kümmern, die Sie hier angesprochen haben? Und wann waren Sie in den letzten zwei, drei, vier Jahren in Aurich und haben sich um das Thema Beteiligung und Mitbestimmung gekümmert? Mich würde sehr genau interessieren,

welche Termine Sie da gemacht haben. Ich fürchte, sehr wenige oder gar keine.

(Beifall bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Das ist eine Unver- schämtheit!)

Vielen Dank, Herr Wenzel. - Herr Siebels antwortet auf Ihre Kurzintervention. Bitte!

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe bitten!

Herr Wenzel, vielen Dank für diesen völlig unangemessenen Beitrag - um das in aller Deutlichkeit zu sagen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Was Ihre Ausführungen zur Solarindustrie angeht: Haken dran; Sie haben recht. Was Ihre Ausführungen zu in Berlin auf dem Tisch liegenden Gesetzentwürfen angeht: ein Haken dran von mir; Sie haben recht. Das erklärt allerdings nicht die jetzige Krise; denn der Gesetzentwurf liegt auf dem Tisch. Deswegen müssen wir gucken, ob es Fehleinschätzungen auch in Bezug auf die Ausschreibungen gegeben hat, die übrigens von der Firma Enercon selbst wesentlich optimistischer beurteilt worden sind, als es heute nachweisbar der Fall ist. Ich muss in aller Sachlichkeit darauf hinweisen.

Sie haben von mir verlangt, dass ich nach Berlin fahre: Wir können gerne auch zusammen dorthin fahren. Mein Platz ist aber meiner Meinung nach im Wahlkreis und hier im Niedersächsischen Landtag in Hannover.

(Zustimmung bei der SPD)

Ihre letzte Bemerkung - das sage ich in aller Deutlichkeit - nehme ich Ihnen persönlich übel, weil Sozialdemokraten wie Johann Saathoff und ich seit Jahren nachweislich für Mitbestimmung, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Gewerkschaften im Wahlkreis eintreten. Ich hätte mir an dieser Stelle weiß Gott mehr Unterstützung auch von Ihnen gewünscht. Das ist eine Unverschämtheit!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Siebels. - Wir fahren nun in der Redeliste fort. Das Wort hat für die FDP-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Birkner. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, das, was wir in den letzte Tagen, ja mittlerweile in den letzten Wochen nach dem Bekanntwerden des beabsichtigten Stellenabbaus bei der Firma Enercon Ihrerseits erlebt haben, ist in unseren Augen eigentlich nur noch ein hilfloser Aktionismus, den Sie an den Tag legen. Denn das, was hier passiert ist und was sich nun zeigt, ist ja nichts Neues. Das Ganze war absehbar.

Jetzt kommt Olaf Lies mit einem Sechs-PunkteProgramm, von dem sich nur Teile beim Ministerpräsidenten wiederfinden, der Ministerpräsident stellt uns hier zehn Punkte vor, Frau Honé ist auch vor Ort und erzählt wiederum andere Dinge. Wenn Sie jetzt plötzlich diese Vielstimmigkeit und diesen Aktionismus an den Tag legen, fragt man sich, was Sie eigentlich in den letzten Jahren getan haben, insbesondere nachdem wir vor etwa einem Jahr schon einmal genau über die Firma Enercon eine Diskussion im Niedersächsischen Landtag geführt haben.

(Vizepräsident Bernd Busemann übernimmt den Vorsitz)

Wenn man dann einmal schaut, was Sie politisch auf den Weg gebracht haben, ist nicht viel zu sehen. Sie haben zwar im Januar 2018 eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, bei der es um die Bürgerwindparks ging, aber was ist mit ihr passiert? - Sie liegt in den Ausschüssen. Sie haben sie schlicht in der Versenkung verschwinden lassen und sind politisch nicht mehr aktiv geworden.

Danach haben Sie sich einer Initiative von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen. Bei ihr ging es um Offshore-Windenergie. Sie ist von der Tagesordnung abgesetzt worden und seitdem auch in der Versenkung verschwunden.

Jetzt kommen Sie und zeigen auf diese Bundesregierung und sagen, die habe es vermasselt, nachdem Sie jahrelang untätig geblieben sind. Meine Damen und Herren, das, was Sie hier an den Tag legen, ist einfach unglaubwürdig.

(Beifall bei der FDP - Johanne Mod- der [SPD]: Jamaika! Was haben Sie denn da verhandelt? Sagen Sie doch dazu etwas! Das ist unverschämt!)

Meine Damen und Herren, die Antwort auf das, was wir hier sehen, kann nicht sein, dass man meint, mehr von dem zu fordern, was mit in diese krisenhafte Situation geführt hat. Um es deutlich zu sagen: Die Antwort sind nicht diese planwirtschaftlichen Vorstellungen, die hier gerade vonseiten der SPD, aber auch von den Grünen vorgeschlagen worden sind. Die Herausforderung muss doch gerade darin bestehen, dass wir im Bereich der erneuerbaren Energien endlich den Übergang von planwirtschaftlicher Steuerung, von einer staatlich garantierten Einspeisevergütung hin zu wettbewerblichen Systemen schaffen, damit diese tatsächlich eine Zukunftsperspektive haben und eben nicht von Ihren schlechten politischen Entscheidungen abhängig sind, wie z. B. bei den Bürgerwindparks.

(Johanne Modder [SPD]: Sie glauben wirklich, dass in Deutschland der Markt dafür da ist?)

Es waren doch politische Entscheidungen, die diese Krise ausgelöst haben.