Federführend soll sein der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer möchte dem so folgen? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.
Meine Damen und Herren, uns wurde eben mitgeteilt, dass die Punkte 17 und 18 in das JanuarPlenum vertagt werden sollen.
- Das führt zu großem Bedauern auf den hinteren Rängen der Fraktionen. Aber ich glaube, die vorne sitzenden Herrschaften haben sich geeinigt. Kann ich davon ausgehen, dass das einmütig ist?
Dann muss ich leider zu Ihrem großen Bedauern feststellen, dass wir die Punkte 17 und 18 im Januar behandeln. Bis dahin müssen Sie sich mit anderen Dingen beschäftigen.
Meine Damen und Herren, ich hatte schon gehofft, dass es dabei bleibt, dass keine Wortmeldungen zu den Punkten 11 und 12 erfolgen. Aber es liegen jetzt doch welche vor. Insofern darf ich nun vereinbarungsgemäß zur gemeinsamen Beratung aufrufen
Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung der Diskriminierungsverbote in der Niedersächsischen Verfassung - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/5073
Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung: Modernisierung von Diskriminierungsverboten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/5074
Zur Einbringung hat sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Limburg gemeldet. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im vergangenen Plenarabschnitt haben wir uns, damals auf Initiative der Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, mit der Modernisierung des Diskriminierungsverbots in der niedersächsischen Landesverfassung, mit Artikel 3 befasst. Die FDP hat damals gefordert, auch das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in die Verfassung aufzunehmen. Bereits in der damaligen Debatte ist sowohl von der Kollegin Bruns als auch von anderen Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden, dass es in der Tat in Artikel 3 unserer Verfassung weiteren Modernisierungsbedarf gibt. Die Rede ist von der dort nach wie vor erfolgten Verwendung des Begriffs „Rasse“.
Die Verwendung dieses Begriffs im Zusammenhang mit Menschen ist mehr als problematisch. Rassetheorien in Bezug auf Menschen gibt es schon sehr lange. Erste Spuren lassen sich bereits in der Antike finden. Fahrt aufgenommen hat diese wohl aus unser aller Sicht sehr unselige Debatte dann im 19. Jahrhundert, als es verschiedene Veröffentlichungen dazu gab. Der perverse, grausame, schreckliche, negative Höhepunkt waren dann die Verwendung dieses Begriffs und die zugrunde liegenden Ideologien im NS-Regime.
Die Unterteilung von Menschen in vermeintlich verschiedene Rassen, die dann auch vermeintlich verschiedene Eigenschaften und Wertigkeiten hätten, diente letztlich dem NS-Regime als ideologischer Unterbau für die Schoah, für die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden, aber auch für die Ermordung der Sinti und Roma, für die Versklavung und teilweise Ermordung schwarzer Menschen in Deutschland. Auch die Ausbeutung und Ermordung der Menschen in den Ländern Osteuropas war letztlich rassistisch fundiert. Ohne diese Rassetheorien und deren Kategorisierung hätte dem NS-Regime schlicht jegliche ideologi
Dennoch fand der Begriff nach 1945 erneut Einzug in deutsche und auch europäische Verfassungen und Gesetzestexte. Er wird im deutschen Grundgesetz verwendet. Er ist auch in die Niedersächsische Verfassung übernommen worden.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss nicht so sein. Die Verfassungen unseres Nachbarlandes Brandenburg und unseres Nachbarlandes Mecklenburg-Vorpommern und auch die Verfassung von Thüringen kommen ohne den Begriff „Rasse“ in ihren Diskriminierungsverboten aus. In Europa haben z. B. Finnland und Schweden die Verwendung dieses Begriffs in Gesetzestexten ausdrücklich geächtet. Auch Frankreich hat ihn ausdrücklich aus seiner Verfassung gestrichen. Dies zeigt: Wir benötigen diesen Begriff tatsächlich nicht, um Menschen in Gesetzestexten ausreichend vor Diskriminierungen zu schützen.
Wir meinen deshalb, es ist an der Zeit, ihn auch aus der Niedersächsischen Verfassung und aus dem Grundgesetz - darauf zielt ja unser Entschließungsantrag ab - zu streichen. Es ist schlicht und ergreifend nicht zumutbar, dass Menschen in diesem Land vor ein Gericht oder eine andere Stelle treten und sagen müssen: Ich bin aufgrund meiner Rasse - die es eigentlich nicht gibt; wir sind uns auch darüber einig, dass es die nicht gibt - diskriminiert worden. - Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir doch nicht allen Ernstes irgendjemandem zumuten. Deswegen müssen wir diesen Begriff streichen.
Es gibt verschiedene Vorschläge, wie man ohne diesen Begriff auskommen kann. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland, das diesen Begriff noch verwendet, weist in seiner eigenen Gesetzesbegründung darauf hin, dass es Rassen eigentlich nicht gibt. Diesen Hinweis findet man mittlerweile in allen gängigen Kommentaren zum deutschen Grundgesetz und zur Niedersächsischen Verfassung. Das unterstreicht doch auch nur die Absurdität der weiteren Verwendung.
Der Vorschlag, den wir hier vorlegen, den Begriff „Rasse“ durch ein Verbot von rassistischer Diskriminierung zu ersetzen, ist nicht von uns. Er basiert auf einer Empfehlung des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Es gibt andere Vorschläge. Die FDP hat z. B. in der vergangenen Wahlperiode einen entsprechenden Vorschlag gemacht, nämlich einfach auf den Begriff zu verzichten. So wird es ja auch in den von mir gerade erwähnten anderen Landesverfassungen gemacht. Ich will Ihnen sagen, warum wir dem zumindest nicht ohne Weiteres folgen wollen.
Das Problem ist doch, dass, nur weil wir uns einig sind, dass es keine Rassen gibt und dieser Begriff nicht mehr verwendet wird, rassistische Diskriminierung nicht aufhört. Denken Sie nur einmal an die Debatten in den letzten Monaten in diesem Land! Denken Sie einmal daran, dass der Kollege Kirci und der Kollege Kurku zum Teil als „Passdeutsche“ tituliert werden! Sie werden ja aber nicht wegen ihrer Herkunft aus Delmenhorst oder Hannover diskriminiert, sondern sie werden diskriminiert und angegriffen wegen einer vermeintlichen - wie soll man das sagen? - ethnischen Zugehörigkeit, wegen der Herkunft der Vorfahren, aber jedenfalls nicht wegen der eigenen Herkunft aus Delmenhorst oder Hannover. Da mag es Diskriminierungen und Anfeindungen geben, Herr Kollege Kurku. Ich habe ja auch einmal in Delmenhorst gewohnt. Aber das ist jedenfalls nicht mit dem Begriff „Passdeutscher“ gemeint.
Wir meinen, dass man rassistische Diskriminierungen, um sie zu ächten - ich unterstelle, dass wir alle hier das tun wollen -, auch aktiv benennen muss. Darauf beruht unser Vorschlag, das Verbot der rassistischen Diskriminierung ausdrücklich in die Verfassung aufzunehmen.
Dazu müssen wir über Artikel 3 ins Gespräch kommen, und so habe ich auch die sehr offenen Reden der Vertreterinnen und Vertreter von SPD und CDU im letzten Plenum verstanden. Für eine Änderung der Verfassung brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit. Da wir Grünen hier keine Mehrheit haben, ist es schon aus technischen Gründen selbstverständlich, dass wir ins Gespräch kommen wollen. Aber im Rechtsausschuss ist es ohnehin guter Brauch, zu diesem Thema konstruktive, sachliche Gespräche zu führen. In der vergangenen Legislaturperiode hatten wir dazu - wie gesagt, die Initiative kam zunächst von der FDP, danach auch von der SPD und den Grünen - eine sehr gute Anhörung sowie sehr konstruktive und sehr sachliche Debatten. Das Gesetzgebungsverfahren kam dann aber nicht mehr zum Abschluss.
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir daran anknüpfend dazu kommen, Artikel 3 umfassend zu modernisieren und an die gegenwärtigen Debatten und Erfordernisse anzupassen. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass wir mit unserem Gesetzentwurf einen Vorschlag unterbreiten. Natürlich sind wir auch für andere Vorschläge offen, wie man dieses gemeinsame Ziel, rassistische Diskriminierung zu ächten, erreichen kann, ohne hochproblematische Begriffe zu verwenden.
Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Für die CDUFraktion hat sich nun der Kollege Christian Calderone zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Limburg, wir haben uns bereits im letzten Plenarabschnitt in der Sache ausgetauscht. Auch in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses haben wir die Erwähnung des Begriffes der Rasse in Artikel 3 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung und in Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes thematisiert. Wir haben sowohl im Plenum als auch in der Rechtsausschusssitzung eine große Übereinstimmung zwischen den Fraktionen festgestellt, über diesen Begriff diskutieren zu wollen. Ich selber habe dieses Thema vor einem Monat in den Landtag eingebracht.
Der Begriff der Rasse ist nicht mehr zeitgemäß - nicht nur wegen der Vergangenheit, sondern auch, weil Wissenschaftler von einer anderen Entwicklungsgeschichte der Menschheit ausgehen, die nicht durch den Begriff der Rasse abgebildet wird. So weit, so einheitlich. Ich denke, es ist gut, dass wir als Niedersächsischer Landtag uns mit dieser Frage befassen.
Dabei stehen wir allerdings vor einer doppelten Herausforderung. Die erste Herausforderung ist, dass wir auch in einer gefühlt sich immer schneller wandelnden Welt die Verfassung nicht in gleicher Schnelligkeit stets reformieren dürfen. Aber genau das erlebe ich gerade in den Debatten, die wir im Landtag führen. Wenn es um die Reform von Artikel 3 Abs. 3 geht, wenn es um die Fragen des Klimaschutzes und der Schuldenbremse geht, dann diskutieren wir parallel gleich drei Verfassungsänderungen. Das mag in jedem einzelnen Punkt eine gewisse Berechtigung haben, aber in
der Summe halte ich das für etwas schwierig. Wir sind gegenseitig aufgefordert, politisch ein gewisses Maß an Verfassungsänderungen einzuhalten.
Die zweite Herausforderung ist zu überlegen, ob die Aufzählung in Artikel 3 Abs. 3 - Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glaube, religiöse und politische Anschauung und Behinderung - ausreichend ist und die heutige Gesellschaft abbildet oder ob man nicht in zwei Jahren sagt, dass man diese und jene Gruppe in der Aufzählung vergessen hat. Deswegen müssen wir uns Artikel 3 Abs. 3 ganz grundsätzlich anschauen. - Das zur inhaltlichen Fragestellung.
Was das Formale angeht, war ich schon recht überrascht, dass die Grünen diesen Gesetzentwurf auf Änderung der Niedersächsischen Verfassung in den Landtag eingebracht haben. Schließlich hatten wir im Vorfeld eine große Einigung in dieser Frage erzielt. Ich finde, zu der von Ihnen so sehr gepriesenen Stimmung im Rechtsausschuss gehört auch, dass wir den Weg, den wir gemeinsam beschritten haben, dann auch gemeinsam beenden.
Wie gesagt, in der Sache finde ich Ihren Gesetzentwurf durchaus diskutierenswert, vom Formalen her allerdings etwas durchschaubar, eben weil wir hier gar nicht unterschiedlicher Meinung sind und die Frage bereits im Landtag diskutiert haben.
Zu einer soliden Betrachtung einer Änderung der Niedersächsischen Verfassung in dieser Frage gehört aus meiner Sicht auch ein solider Umgang im Parlament. Die CDU-Fraktion ist dazu bereit. Vielleicht müssen die Grünen bei der einen oder anderen Frage aber erst einmal wieder aus dem politischen Schaufenster herauskommen.
Ich freue mich auf die Ausschussberatung und hoffe, dass wir in dieser Frage zu einer einvernehmlichen Lösung kommen werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Calderone. - Zu einer Kurzintervention hat sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Hamburg gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Calderone, ich habe vor einem Monat hier gestanden - Sie haben auf die Debatte verwiesen - und deutlich gemacht, dass wir bereits an einem Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung arbeiten, um dort den Begriff der Rasse zu streichen und die Frage der sexuellen Vielfalt aufzunehmen. Das möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen.
Ich fände es schade, wenn es aufgrund dessen, dass wir das, was wir letztes Mal angekündigt haben, jetzt in die Tat umsetzen, zu einer Missstimmung kommen sollte, wenn es darum geht, solche Vorschläge zu einigen. Wir haben ein großes Interesse daran, einen interfraktionellen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Wenn wir dazu kommen, sind wir sehr froh.
Sie haben recht, dass wir die Verfassung nicht am laufenden Band verändern können. Trotzdem sehen wir alle miteinander, dass einige Themen aufgelaufen sind, die es irgendwann auch politisch zu entscheiden gilt.
Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr auf konstruktive Gespräche mit Ihnen und vielleicht auch auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung, den dann alle interfraktionell einbringen.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Calderone hat das wohlwollend zur Kenntnis genommen und will nicht antworten. Deswegen hat jetzt der Kollege Genthe von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Limburg hat es eben schon gesagt: Wir als FDP-Fraktion haben in der letzten Legislaturperiode bereits einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Streichung des Begriffes „Rasse“ aus der Niedersächsischen Verfassung vorsah. Leider kam es aufgrund des, ich sage einmal, vorschnellen Endes der Legislaturperiode zu keiner Entscheidung mehr.