Protocol of the Session on November 19, 2019

Beim Kurzarbeitergeld sind wir einig. Das muss ich an dieser Stelle also nicht diskutieren.

Ich will nur einen Punkt ansprechen, der noch nicht geklärt ist. Was wir mit aufnehmen müssen, ist das Thema Artenschutz. Wir haben beim Thema Artenschutz keine vernünftige Grundlage. Außer dem Helgoländer Papier, das aus meiner Sicht keinen objektiven Maßstab darstellen kann, haben wir keine Grundlage, die mit dem vergleichbar wäre, was wir sonst kennen, beispielsweise mit der TA Lärm. Deswegen ist das Ziel, eine TA Artenschutz oder etwas Vergleichbares zu erarbeiten, damit man gerichtsfeste Grundlagen hat, nach denen entschieden werden kann. Das ist der absolut rich

tige Weg, weil damit eine Reihe von Unsicherheiten, die wir heute nach Maßgabe des Papiers haben, hoffentlich ausgeräumt werden kann.

Wir müssen den Netzausbau vorantreiben. Jetzt haben wir erreicht, dass Emden–Conneforde genehmigt worden ist. Was das Fehntjer Tief angeht, wurde eine lange Debatte geführt: Kann man überhaupt die 220-kV-Leitung im Vogelschutzgebiet durch eine 380-kV-Leitung ersetzen? - Wir haben ganz klar gesagt: Das muss so sein. Wie will man das sonst lösen? Alles andere kostet 100 Millionen Euro mehr und dauert Jahre. - Es ist am Ende auch planfestgestellt worden, und niemand hat dagegen geklagt. Das zeigt wieder: Manchmal muss man einfach Haltung bewahren und sagen, dass das der richtige Weg ist; dann kann sich das auch durchsetzen. Die Bedeutung von Repowering kennen wir.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt nennen: Wir müssen jetzt für Wettbewerbsfähigkeit bei den deutschen Unternehmen sorgen. Der Höchstpreis, der jetzt bei 6,2 ct/kWh liegt, der durch die Ausschreibungsgepflogenheiten im Zusammenhang mit den scheinbaren Bürgerenergiegesellschaften abgesunken war, muss für eine gewisse Zeit stabilisiert werden, damit wir mit den vorhandenen Ausschreibungen dafür sorgen können, dass deutsche Hersteller - so wie sie heute am Markt agieren - eine Chance haben. An dieser Stelle ergibt sich aus dem neuen Höchstpreisniveau von 6,2 ct/kWh eine Chance. Damit hat Enercon die Perspektive, Anlagen wettbewerbsfähig zu fertigen - so wie es das Unternehmen auch in der Vergangenheit gemacht hat.

Damit wäre eine schnelle Lösung erreicht und eine Chance eröffnet, damit es morgen in einer unheimlich starken Windenergieregion wie im Nordwesten Niedersachsens, in Ostfriesland, wieder Beschäftigung gibt. Daran sollten wir alle ein großes Interesse haben, auch im Sinne der Kolleginnen und Kollegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir den TOP 9 hiermit abschließen können.

Ich darf es noch einmal ansprechen: Obwohl die Saalmikrofone von hier vorne aus freigeschaltet waren, haben sie offenbar in zwei Fällen nicht funktioniert. Das wird derzeit überprüft - woran auch immer es gelegen hat. Sollte sich das wiederholen, kann ich nur anbieten, dass der jeweilige Fragesteller nach vorne geht und wir das dann so abwickeln, wie es eben ganz flexibel geschehen ist.

Bei allen Hinweisen zur Technik im Hause: Wir müssen zu TOP 9 noch die Ausschussüberweisung beschließen. Es wird vorgeschlagen, dass sich der Ausschuss für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz mit dem Antrag befasst. Wenn Sie dem entsprechen möchten, darf ich um ein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Generationengerechtigkeit (1. Nachtragshaus

haltsgesetz 2019) - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 18/5068

Einbringen möchte diesen Gesetzentwurf der Kollege Christian Grascha. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In guter Tradition legen wir Ihnen im November-Plenum einen Gesetzentwurf zur Förderung der Generationengerechtigkeit vor.

Ich möchte gleich auf die Frage eingehen, die möglicherweise im Laufe der Debatte noch kommt: Warum machen wir das eigentlich? - Das hat einen einfachen Grund. Er wird deutlich, wenn wir auf das letzte Jahr und auf das Frühjahr dieses Jahres schauen, als wir über den Abschluss für das Jahr 2018 durch die Landesregierung informiert worden sind. Selbstverständlich sind wir darüber auch im Haushaltsausschuss unterrichtet worden. Aber zunächst haben wir aus der Presseberichterstattung erfahren, wie die Haushaltsüberschüsse durch die Landesregierung verwendet worden sind.

Damals betrug der Überschuss mehr als 2 Milliarden Euro. Jetzt muss man dazu sagen: Natürlich ist klar, dass die Landesregierung bei der Aufstellung des Haushaltsplans nicht absehen konnte, dass plötzlich ein Bußgeld in Höhe von 1 Milliarde Euro von VW hinzukommt. Sicherlich sind auch die Steuermehreinnahmen zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung nicht absehbar.

Man muss sich aber durchaus die Frage stellen, ob die Landesregierung der Landeshaushaltsordnung bei derart hohen Überschüssen noch gerecht wird und den Haushalt noch nach Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit aufstellt. Daran kann man Zweifel haben. Deswegen gehört zumindest die Beratung über die Verwendung dieser Überschüsse in das Parlament. Hier ist der Ort, darüber zu befinden - und nicht am Kabinettstisch! Deswegen legen wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vor.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben in unserem ersten Nachtragshaushaltsentwurf für das Jahr 2019 zwei Veränderungen berücksichtigt. Das sind erstens die Steuermehreinnahmen in Höhe von 420 Millionen Euro. Das sind zweitens die Zinsminderausgaben in einer Größenordnung von mindestens 280 Millionen Euro. Da haben wir schon relativ vorsichtig gerechnet. In der Summe kommen wir also auf 700 Millionen Euro, für die wir folgende Verteilung vorschlagen:

Wir sind der Ansicht, dass der größte Teil dieser Überschüsse tatsächlich in den Schuldenabbau investiert werden soll.

(Zuruf von der CDU: Das ist ganz neu!)

- Genau, Herr Kollege, Sie haben es gerade gesagt: Das ist von unserer Seite etwas „ganz Neues“. Wir bleiben dabei, dass das eine sinnvolle Sache ist, obwohl wir im Moment in der Diskussion über die Schuldenbremse und den Schuldenabbau schon ein Kratzen an der Schuldenbremse erleben. Eigentlich gibt es einen Überbietungswettbewerb, was man ansonsten Sinnvolles mit den Steuermehreinahmen tun kann bzw. was man sinnvollerweise tun kann, weil wir für Schulden, die wir aufnehmen, sogar Zinsen bekommen. Da findet in der Tat ein Überbietungswettbewerb statt.

Nach unserer festen Überzeugung - nach unserer Grundüberzeugung - ist es eben nicht nur eine ökonomische oder gar eine wissenschaftliche Frage, sondern es ist eine politische Frage, wie man damit umgeht. Politisch haben wir als Bundesrepublik Deutschland und auch als Niedersachsen

eine Vorbildfunktion. Wir sollten nicht in alte Mechanismen zurückfallen und wieder neue Schulden machen, obwohl wir eine sehr gute Einnahmesituation haben und obwohl es diese Negativzinsen gibt. Es ist eine Frage der Vorbildfunktion, die wir haben, und auch eine der Generationengerechtigkeit. Deswegen halten wir den Schuldenabbau nach wie vor für eine sinnvolle Investition in die Generationengerechtigkeit öffentlicher Haushalte.

(Beifall bei der FDP)

Es wird ja immer so getan, als müssten wir über dieses Thema eigentlich gar nicht mehr sprechen, weil wir so super dastehen. In Anbetracht der tatsächlichen Lage möchte ich nur zwei Punkte ansprechen:

Der erste Punkt betrifft die Maastrichter Stabilitätskriterien. In Deutschland wird über sie kaum diskutiert. Dabei erfüllen wir sie in diesem Jahr das erste Mal wieder! 16-mal in den Jahren zuvor haben wir diese Kriterien gerissen! Es ist wahrlich nicht so, dass wir auf Rosen gebettet sind.

Der zweite Punkt - auch deswegen brauchen wir den Schuldenabbau -: Wir sollten uns Spielräume für den demografischen Wandel erarbeiten. Ich habe mir mal die Zahlen in der mittelfristigen Finanzplanung der Landesregierung zu den Versorgungsausgaben angeschaut: Wir stellen fest, dass die Versorgungsausgaben im Jahr 2040 im Vergleich zu 2020 - also 20 Jahre später - um 1,5 Milliarden Euro höher liegen werden. Auch das sind im Prinzip öffentliche Schulden. Deswegen muss man den Schuldenbegriff hier ein Stück weiter fassen. Deswegen sagen wir: Die Zeit war noch nie so günstig, jetzt endlich Schulden abzubauen.

(Beifall bei der FDP)

Unser Gesetzentwurf hat aber noch einen zweiten Aspekt, und zwar den Investitionsaspekt. Wir stehen bei unseren Universitätsklinika in Göttingen und in Hannover vor Jahrhundertprojekten. Der Landesrechnungshof hat in seinem Jahresbericht aufgezeigt, dass die 2,1 Milliarden Euro, die wir bisher für die Investitionen vorgesehen haben, bei Weitem nicht ausreichen. Er hat vorgerechnet, dass nach den Schätzungen der Landesregierung sogar 3,2 Milliarden Euro benötigt werden. Wenn wir Risiken und die Preisentwicklung einbeziehen - im Moment gibt es ja eine unfassbar dynamische Baupreisentwicklung -, dann reden wir über Kosten von fast 5 Milliarden Euro. Da sagen wir: Wir dürfen uns hierbei keine Verzögerungen erlauben. Deswegen stehen wir in der Pflicht, das Sonder

vermögen hierfür weiter zu befüllen, und zwar nicht erst 2024, wie es die Landesregierung plant, sondern jetzt schon die Handlungsspielräume zu nutzen, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen kommt.

(Beifall bei der FDP)

Die Debatte über die Überschüsse des Jahres 2019, die absehbar sind, gehört nicht an den Kabinettstisch, sodass die parlamentarische Willensbildung ausgeschlossen ist, sondern sie gehört hierher, in den Niedersächsischen Landtag. Deswegen ist es gut und sinnvoll, wenn wir hier über den Nachtragshaushalt und über die politische Prioritätensetzung beraten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Jetzt folgt die AfD-Fraktion. Herr Kollege Lilienthal, bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Diese Schuldentilgungs- und Generationengerechtigkeitsdebatten kehren ja alljährlich wieder. Sie sind auch in den letzten Monaten immer wieder geführt worden. Man hat manchmal ein kleines bisschen das Gefühl, als sei man in Oberammergau bei den Passionsfestspielen - mit dem einzigen Unterschied, dass hier am Ende niemand ans Kreuz genagelt wird. Aber im Grunde genommen ist es doch immer dasselbe: Die Opposition fordert: Mehr Schuldentilgung! Verstetigen! - Und die regierungstragenden Fraktionen sagen dann eigentlich auch immer dasselbe, was so ähnlich lautet - auch das werden wir heute, spätestens aber bei der abschließenden Beratung über diesen Antrag hören -: Nein, nein! Wir tilgen ja schon über Abschlüsse usw. usf. Läuft alles schon!

Wir führen dann hier auch immer ökonomische, manchmal auch betriebswirtschaftliche Argumente ins Feld. Ich will diese Diskussion heute um einen Blickwinkel bereichern, und zwar um einen philosophischen. Und zwar sehe ich es so, dass Schulden, also wie viel Schulden der Staat macht und wie viel Schulden der Staat vor sich herschiebt, auch etwas über das Verhältnis der heute Lebenden und zu den morgen Lebenden aussagt. Aus meiner Sicht ist es nämlich so, dass sie den morgen Lebenden - ganz besonders natürlich den morgen hier im Lande lebenden verantwortlichen

politischen Personen - die Handlungsspielräume nehmen. Denn alles, was wir heute an Schulden aufnehmen und was in der Vergangenheit an Schulden aufgenommen wurde, muss irgendwann wieder abbezahlt, also getilgt werden.

Daneben haben kommende Generationen natürlich das Problem, dass diese Schulden auch ein Entgelt kosten, den sogenannten Zins, der im Moment unglaublich niedrig ist. Man kann darauf kommen, dass er auch mal wieder steigt. Dann verengen sich die Handlungsspielräume zukünftiger Generationen noch deutlich stärker. Das ist eine Geschichte, die man - man sagt das ja immer so schön - seinen Kindern einmal erklären muss. Ich glaube - ich habe ja Kinder -, dass man irgendwann zu dem Punkt gelangen wird, dass sie uns fragen werden: Warum habt ihr eigentlich in dieser wirtschaftlich sehr guten Situation mit unglaublichen Überschüssen und einer unglaublich großen Regierungsmehrheit - Sie können hier ja im Grunde genommen alles durchziehen - nicht getilgt?

Wir kennen die Herausforderungen von morgen nicht. Es ist eben angesprochen worden. Das Thema Versorgungsempfänger wird sicherlich eines der dicksten Bretter sein, das die zukünftigen Politiker werden bohren müssen. Aber es kommt natürlich immer noch etwas on top. Wenn man in die Vergangenheit der Bundesrepublik schaut, lernt man eines: Nichts ist so beständig wie die Lageänderung. Wiedervereinigung, Hochwasser oder etwas anderes - irgendetwas kommt immer dazwischen, und irgendetwas kostet auch immer ziemlich viel Geld. Die Herausforderungen werden auf jeden Fall eines sein: teuer.

Wie fühlt sich das eigentlich an? - Man kann sich ja nur ganz schlecht in die zukünftigen Generationen hineinversetzen, man kann aber einfach einmal das Spiel umdrehen und sich überlegen, wie es sich eigentlich heute für uns anfühlt, mit - über den ganz großen Daumen - 60 Milliarden Euro Schulden zu leben. Das fühlt sich natürlich nicht gut an.

Ich gebe es ganz offen zu, ich habe damit gerechnet, dass wir in diesem Plenum - also nicht im Ausschuss, sondern im Plenum - auch über die NORD/LB sprechen und habe mich mit der Beratungshistorie zur NORD/LB auseinandergesetzt. Sie ist ja immer wieder ein großer Kostenfaktor gewesen. Und ich habe mir einmal vorgestellt, wie dankbar wir gewesen wären, wenn das früher bereinigt worden wäre, wenn also frühere Generationen von Politikern schon vor 10 oder 15 Jahren

entschieden hätten, dem Spuk ein Ende zu machen. Wie viel mehr Spielräume hätten wir gehabt!

Man kann sich das anhand eines Gedankenexperiments vor Augen führen. Wir haben im Moment, also in diesem Jahr, ganz moderate Zinsausgaben von 1,2 Milliarden Euro. Das ist nicht viel, gemessen am Gesamthaushalt. Stellen wir uns einmal kurz vor, wir hätten diese Ausgaben nicht, also dass in der Vergangenheit ganz solide auf null gewirtschaftet worden wäre und wir 1,2, Milliarden Euro mehr hätten. Vergleichen Sie das einmal mit den Ausgaben für die großen Herausforderungen unserer Zeit! Digitalisierungssondervermögen,

Schulen, die aufgebaut werden müssen - es könnten tatsächlich - und das ist keine Übertreibung - paradiesische Zustände in Niedersachsen herrschen, wenn unsere Vorfahren nicht so mit dem Geld geaast hätten. Nun stehen wir aber in der Bütt und sind aufgerufen, es besser zu machen.

Wir wollen aber nicht überheblich sein und in die Vergangenheit schauen.

(Jens Nacke [CDU]: Zu spät!)