Protocol of the Session on October 24, 2019

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Besitzer legaler Waffen in Sport und Beruf - auch das wurde eben von Herrn Schünemann angesprochen - dürfen selbstverständlich nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. Aber umso schärfer muss der illegale Waffenbesitz verfolgt und sanktioniert werden.

Auf eine Anfrage der FDP-Fraktion Ende 2018 räumte das niedersächsische Innenministerium ein, dass ca. 80 Personen aus Niedersachsen über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen, obwohl sie als Reichsbürger gelten. Ich gehe davon aus - so habe ich den Innenminister in einem kurzen Gespräch eben auch verstanden -, dass diese Zahl aktuell schon wesentlich niedriger ist. Dennoch wird es weiterhin die Aufgabe bleiben, diese Erlaubnisse konsequent einzuziehen.

Hinsichtlich der Behörden des Landes und des Bundes muss klar sein, dass dort kein Platz für Rechtsextremismus ist. So muss insbesondere bei Neueinstellungen im Polizei- und Justizbereich

verhindert werden, dass Personen mit extremistischem Gedankengut durch das Auswahlverfahren kommen. Auch bei Verdachtsfällen innerhalb einer Behörde hinsichtlich extremistischer Tendenzen müssen unmittelbar die notwendigen dienstrechtlichen Konsequenzen gezogen werden. Gerade die Polizei und der Verfassungsschutz müssen ein zu 100 % extremismusfreier Raum sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ein weiteres erschreckendes Phänomen sind die sogenannten Todeslisten, die Rechtsextreme immer wieder veröffentlichen. In solchen Fällen ist ebenfalls konsequentes Handeln der Behörden gefordert. Das bedeutet nicht nur, gegen die Autoren vorzugehen, sondern auch, sich um die Betroffenen zu kümmern. Sie müssen möglichst unmittelbar über eine mögliche Gefährdung informiert werden. Es ist ein einheitliches Schutzkonzept von Bund und Ländern zu entwickeln, das sich auch auf gefährdete Objekte, z. B. jüdische Einrichtungen, beziehen muss.

Meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft ist frei, aber sicherlich nicht hilflos. Rechtsextremismus ist mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Man muss das nur konsequent tun, und wir sind dazu bereit.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Dr. Genthe. - Für die SPDFraktion erhält nun der Kollege Deniz Kurku das Wort.

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat, dem Titel des Antrages kann man nur zustimmen: Es reicht! Es reicht, dass Rechtsextreme, Rechtsradikale und Rechtsterroristen nicht nur versuchen, Schrecken in unsere Gesellschaft zu tragen, sondern ihren kruden Gedanken und Ideen auch in grausamer Art und Weise Taten folgen lassen.

Wir sehen, dass vermeintliche Einzeltäter durch die Möglichkeiten des Internets gar nicht so einsam sind, sondern mit Gleichgesinnten in Radikalisierungsfallen, Hassnetzwerke, Echokammern und Filterblasen geraten, sich gegenseitig hochpushen

und von diesen gemeinsam Einsamen konkrete Gefahren für uns alle ausgehen.

Wie das enden kann, wurde uns jüngst wieder auf schlimmste Weise mehrfach vor Augen geführt. Allen, die unter Drohungen gegen sich und ihre Familien leiden mussten, die Gewalt gegen Eigentum, Leib und Leben erleiden mussten, Menschen, die mutig dem Rechtsextremismus und dem Hass entgegentreten oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren - ihnen und ihrem Umfeld gilt unser aller Solidarität.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Auch denen, deren Leben sich von heute auf morgen veränderte, weil Neonazis meinten, ihre antisemitische, rassistische, islamophobe oder andersartig menschenfeindliche widerwärtige Ideologie mit Gewalt umsetzen zu müssen.

Fest steht: Wir lassen uns von niemandem einschüchtern, und wir sind uns einig, dass Waffen nicht in die Hände von Rechtsextremisten gehören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben einen Innenminister, der nicht erst seit gestern für die Niedersächsische Landesregierung daran arbeitet, dass im Kampf gegen den Rechtsextremismus und den Rechtsterrorismus eine Änderung des Waffengesetzes erfolgt, und das, verehrte Damen und Herren, schon seit Längerem. Der Kollege Schünemann hat es eben ausgeführt. Boris Pistorius ist es nämlich, der für Niedersachsen den Entwurf zur Änderung des Waffengesetzes einbrachte und die Waffenbehörden dazu verpflichten wollte, im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung Informationen bei den Verfassungsschutzbehörden einzuholen. Das

Problem blieb, und Niedersachsen bleibt weiter am Ball, auch weil wir Konsequenzen aus der NSUMordserie, aus weiteren schrecklichen Anschlagsplänen und tatsächlichen Anschlägen sowie den Gefahren durch sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter - die Kollegen haben es eben gesagt - ziehen müssen.

Die Innenministerkonferenz hat dann 2016 beschlossen, dass Waffenbehörden für eine Zuverlässigkeitsprüfung Kenntnis darüber erhalten sollen, ob Waffenbesitzerinnen und -besitzer oder diejenigen, die dies werden wollen, als Extremisten eingestuft sind und damit als unzuverlässig gelten. Gemeint sind Personen, die sich offen gegen unsere Verfassung oder den Gedanken der Völker

verständigung stellen. Eine Überprüfung erfolgt auf der Grundlage des § 5 des Waffengesetzes.

Probleme gibt es - das ist heute, glaube ich, mehrfach deutlich geworden - in der konsequenten Anwendung, auch weil ein wirklich umfassendes Bild nur dann entstehen kann, wenn neben der Auskunft aus dem Bundeszentralregister - der Auskunft aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister - und einer Stellungnahme der örtlichen Polizeidienstelle - in diesem Zusammenhang ist auch das sehr wichtig - auch die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden mit einbezogen werden. Da das bislang nicht der Fall ist, brachte der niedersächsische Innenminister zusammen mit seinem hessischen Kollegen diese Verpflichtung auf Bundesratsebene ein. Die Debatte hier und heute können wir alle gemeinsam dafür nutzen, deutlich zu machen, dass wir Niedersachsen dahinterstehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Mit diesem, ich nenne es mal: bislang noch fehlendem Puzzleteil einer Regelabfrage wären die Waffenbehörden in den Kommunen besser in der Lage, im Sinne einer wehrhaften Demokratie all denen die Waffenberechtigungsscheine abzunehmen, die eine Bedrohung darstellen. Der Bundesrat sah das mehrheitlich so und beschloss dies.

Neben diesem niedersächsischen beharrlichen Einsatz für die Gesetzesänderung - das konnten wir alle der noch fast druckfrischen Erklärung der Innenminister und -senatoren von letzter Woche entnehmen - werden die darüber hinausgehenden Bundesvorhaben in Bezug auf Beschaffung von Waffen und Sprengstoffen für terroristische und kriminelle Zwecke, bessere Nachverfolgbarkeit von Waffen- und Waffenteilen, aber auch das Verbot großer Magazine sehr begrüßt.

Zu Recht ist so einiges in der Mache. Auch die jüngsten Äußerungen des Bundesinnenministers lassen hoffen. Meine Fraktion und ich sind recht zuversichtlich, dass der Bund das Gesetz im Sinne von uns allen hoffentlich bald ändert. Wie jüngst zu hören war, verfolgt Bundesjustizministerin Lambrecht eine Verschärfung des Waffenrechtes in diesem Bereich - richtigerweise.

Eines möchte ich zum Schluss festhalten: An Niedersachsen scheitert und scheiterte es nicht, die Gesetzesgrundlagen so zu gestalten, dass erkann

te Rechtsextremisten entwaffnet werden können. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten!

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kurku. - Für die AfD-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Wichmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Grüne! Immer wenn irgendwo eine aufsehenerregende Straftat mit Schusswaffen begangen wird, fordern die Grünen eine Verschärfung des Waffenrechts. Nur leider, immer wenn die Grünen über Waffen reden, fühlt es sich so an, als ob die SPD über gesunde Finanzen spricht. Das passt irgendwie nicht zusammen.

(Beifall bei der AfD - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Das ist völlig absurd!)

Liebe Grüne, wir können uns gerne darüber streiten, ob man gewaltbereiten Gefährdern das Recht absprechen soll oder sogar muss, Schusswaffen legal zu erwerben. Wir können das auch mit Blick auf Extremisten - also die Stufe darunter - diskutieren.

Bei diesen Fragen kommt zwangsläufig immer der Verfassungsschutz ins Spiel. Da sehe ich das erste Problem, das erste rechtsstaatliche Problem.

(Ulrich Watermann [SPD]: Das glaube ich nicht!)

Denn über Verfassungsfeindlichkeit entscheiden in einem Rechtsstaat nicht Behörden, sondern Gerichte. Aber auch darüber könnte man selbstverständlich reden. Irgendwie bekommen wir da selbst zwischen AfD und Grünen einen Minimalkonsens hin.

(Widerspruch bei den GRÜNEN - Un- ruhe - Glocke der Präsidentin)

Aber was überhaupt nicht geht, ist die Forderung, ausschließlich Rechtsextremisten den Zugang zu legalen Waffen nicht zu ermöglichen. Was ist das denn bitte für eine Forderung? - Sie geben hier vor, dass Sie potenzielle Opfer schützen wollen, und dann differenzieren Sie bei der politischen Ausrichtung des jeweiligen Extremisten? Ist das

wirklich Ihr Ernst? Gibt es bei Ihnen also Opfer der ersten und der zweiten Klasse?

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das ist doch Ihre Denke und nicht unsere! Das ist abwegig! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Dann meinen Sie noch nicht einmal wirklichen Opferschutz. Sie sprechen davon, Demokraten zu schützen.

(Anhaltende Unruhe)

Einen kleinen Moment, Herr Wichmann! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es müsste etwas leiser werden.

Lesen Sie einmal Ihren eigenen Antrag! Da sprechen Sie davon, Demokraten zu schützen. Sie selbst sind doch die Ersten, die dies Menschen absprechen: Das sind doch keine Demokraten, wir sind die demokratischen Parteien! - Wie passt das denn mit Ihrem Antrag zusammen, dass eines der Opfer von Halle wohl eher Sympathien für den rechten Rand des Meinungsspektrums hatte? Gilt solchen Opfern Ihr Antrag dann nicht? - Dafür nehmen Sie dann auch noch in Kauf, pauschal eine Verschärfung des Waffenrechts zu fordern und damit völlig unbescholtene Bürger zu verunsichern.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ist das Ihr Ver- such, Halle kleinzureden, Herr Wich- mann? - Unruhe)

Einen kleinen Moment, bitte, Herr Kollege Wichmann! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, man hat Ihnen bei Ihren Beiträgen zugehört, und jetzt wird erwartet, dass es etwas leiser ist, damit Herr Wichmann zu Ende ausführen kann.

(Beifall bei der AfD - Eva Viehoff [GRÜNE]: Das ist aber schwer!)

Sie nehmen mit einer solchen pauschalen Forderung in Kauf, völlig unbescholtene Bürger zu verunsichern.

(Anja Piel [GRÜNE]: In Halle sind un- bescholtene Bürger gestorben! - Wei- tere Zurufe - Unruhe - Glocke der Präsidentin)