Protocol of the Session on October 24, 2019

Meine Damen und Herren, da wir heute Vormittag die Tagesordnungspunkte 24 und 25 schon behandelt haben, rufe ich jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 26: Abschließende Beratung: Verantwortlichkeiten für Minderheiten innerhalb der EU-Kommission verbindlich regeln - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/3669 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung - Drs. 18/4603 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bünd

nis 90/Die Grünen - Drs. 18/4616

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt auf eine Annahme des Antrages in einer geänderten Fassung.

(Unruhe)

- Wir treten erst dann in die Beratung ein, wenn Ruhe eingekehrt ist. - Jetzt ist es so weit.

Die erste Wortmeldung kommt aus der Fraktion der CDU. Kollegin Editha Westmann hat das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland leben vier anerkannte autochthone nationale Minderheiten. Die Dänen in Südschleswig, die Friesen an der Küste, die deutschen Sinti und Roma sowie die Lausitzer Sorben bereichern unsere Gesellschaft auf vielfältige Weise. Sie unterscheiden sich von der Mehrheitsgesellschaft durch eine eigene Sprache, eine eigene Kultur und durch ihre Geschichte. Es gilt, die eigene Identität der Minderheiten zu bewahren, sie vor Diskriminierung zu schützen sowie ihnen Freiheit und Gleichheit zu garantieren.

In Europa gibt es mehr als 400 Minderheiten. Wir müssen allerdings feststellen, dass nicht jeder Staat in der EU die Existenz seiner Minderheiten anerkennt. Nicht überall ist der Minderheitenschutz in der gebotenen Sorgfalt zu erkennen. Das hat unterschiedliche Folgen und stellt die Betroffenen, aber auch die EU vor besondere Herausforderungen.

Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) fordert seit Jahren einen besseren Schutz der Minderheiten auf europäischer Ebene. Unterstützt wird die Forderung der FUEN durch die Bürgerinitiative „Minority SafePack“. Dieser Bürgerinitiative ist es gelungen, europaweit mehr als 1 Million Unterstützer für ihr berechtigtes Anliegen zu gewinnen.

Meine Damen und Herren, Minderheitenpolitik muss auf europäischer Ebene einen höheren Stellenwert bekommen und verbindlich geregelt werden. Die Einhaltung des Minderheitenschutzes muss auf höchster Ebene sichergestellt werden und für alle Staaten der EU bindend sein. Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt dürfen nicht der Beliebigkeit zum Opfer fallen. Um diese Forderung jedoch auch praktisch durchsetzen zu können, muss die Zuständigkeit für den Minderheitenschutz auf einen Kommissar in der Kommission übertragen werden. Unsere Minderheiten brauchen einen Ansprechpartner, der die unterschiedlichen Bedürfnisse der Minderheiten in der EU kennt, ihre Sorgen und Belange versteht und den zum Teil

problematischen Situationen entgegenwirkt. Ein Gleichgewicht zwischen Minderheit und Mehrheit in Europa ist die Grundlage für ein konfliktfreies Miteinander. Alles das braucht einen verbindlichen Rechtsrahmen.

Wenn wir uns vor Augen führen, dass jede siebte EU-Bürgerin bzw. jeder siebte EU-Bürger einer Minderheit oder autochthonen Volksgruppe angehört, wird deutlich, dass die Forderung nach einer größeren Beachtung dringend geboten ist. Nehmen Sie die Sprachenvielfalt: Es kann und darf doch nicht in unserem Interesse liegen, dass die traditionellen Sprachen der Minderheiten immer weiter zurückgedrängt werden. Stattdessen sollten wir die Sprachenvielfalt auch stärker wirtschaftlich nutzen, insbesondere in grenznahen Regionen. Es darf auch nicht sein, dass die einzigartige kulturelle Vielfalt unserer Minderheiten, ihre Traditionen und Bräuche nach und nach verloren gehen.

Meine Damen und Herren, für die Minderheiten in der EU ist es überwiegend ganz selbstverständlich, sich als Europäer zu verstehen und die europäische Einigkeit zu unterstützen. Das ist mir insbesondere bei den Gesprächen mit der deutschen Minderheit in Polen sehr deutlich geworden. Leider, meine Damen und Herren, erleben unsere deutschen Landsleute in Polen zurzeit, dass sich die Unterstützung Polens eher negativ entwickelt.

Daher ist es natürlich auch wichtig, dass wir uns aus unserer nationalen Verantwortung heraus um diese Gruppe kümmern. Doch das allein wird nicht ausreichen, um den berechtigten Anliegen dieses Personenkreises dauerhaft gerecht zu werden.

Ich freue mich sehr darüber, dass auch unser ehemaliger Ministerpräsident, der heutige Europaabgeordnete David McAllister, dieses Thema im Rahmen einer Anfrage an die Kommission aufgegriffen hat und unser Anliegen unterstützt. Leider steht die Antwort der Kommission noch aus. Ich hätte sie Ihnen sonst gerne genannt.

Meine Damen und Herren, wir sollten heute geschlossen für unseren Antrag stimmen, um die Einsetzung eines eigenen Kommissars für Minderheitenpolitik bzw. die Übertragung der Minderheitenpolitik auf den Aufgabenbereich eines Kommissars zu erreichen. Lassen Sie uns ein deutliches Signal an die Europäische Kommission richten, so wie es auch schon andere Landtage tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dieser Antrag bezieht sich einzig und allein auf eine Stärkung der Minderheitenpolitik auf EU

Ebene durch die Befassung eines Kommissars mit diesem Thema. Sie haben in Ihrem Änderungsantrag viele zum Teil sicher auch sehr sinnvolle Änderungen eingebracht und Forderungen artikuliert. Lassen Sie uns erst einmal dafür eintreten, dass die Grundforderung der FUEN erfüllt wird. Alles andere wird dann an geeigneter Stelle und in geeigneter Form zu diskutieren sein.

Darum bitte ich auch Sie heute ganz herzlich um Ihre Unterstützung. Stimmen Sie bitte für diesen Antrag. Wir sollten unsere Minderheiten - ganz egal, wo auch immer in Europa - nicht aus den Augen verlieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Westmann. - Jetzt rufe ich Herrn Dragos Pancescu, Bündnis 90/Die Grünen, auf. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident Bernd Busemann! Meine Damen und Herren! Wir bedauern sehr, dass unser herausragender Änderungsantrag keine Mehrheit gefunden hat;

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist ja Trump-Rhetorik!)

denn nur er greift die Forderungen der europäischen Bürgerinitiative auf.

Was die Große Koalition hier beantragt, ist dagegen leider nur eine Luftnummer, die lediglich auf die Schaffung einer weiteren EU-Kommissarsstelle ausgerichtet ist.

(Editha Westmann [CDU]: Nein! Sie haben nicht zugehört!)

Die neun Forderungen der Bürgerinitiative „Minority SafePack“ wurden durch 1,2 Millionen Unterschriften unterstützt. Diese kann man nicht einfach unter den Tisch kehren, zumal es zahlreiche Möglichkeiten auf Landesebene gibt, die Anliegen einzubeziehen und aufzugreifen.

Warum lehnen Sie unseren Änderungsantrag ab? Die Forderungen sind doch gut.

Es geht um den Schutz und die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt, um Förderprogramme für kleine Sprachgemeinschaften, um ein Zentrum für Sprachenvielfalt, um die Aufnahme

des Schutzes nationaler Minderheiten und Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt in die Ziele des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, um Forschung über den Mehrwert von Minderheiten in unserer Gesellschaft und Europa, um Gleichheit für staatenlose Minderheiten, z. B. Roma, um ein übergreifendes europäisches Urheberrechtsgesetz, damit Medien und Dienstleistungen in der Muttersprache wahrgenommen werden können, um die Freiheit der Leistung und Inanspruchnahme audiovisueller Inhalte in den Minderheitenregionen und um die bedingungslose Einbeziehung der Minderheiten in regionale und staatliche Förderprogramme zur Erhaltung von Kultur, Medien und Kulturerbe.

Deshalb fordern wir, die Gelder für Sinti und Roma wieder auf das Niveau des Haushalts von 2018 aufzustocken und insbesondere die Teilhabe der Sinti und Roma an Bildung in Kindertagesstätten und Schulen zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Umgang dieser Gesellschaft mit Sinti und Roma ist immer noch erniedrigend und ausgrenzend. Sie haben über die Jahrhunderte so viel Ablehnung und Ausgrenzung erfahren, dass ganz klar unsere Gesellschaft am Zug ist, eine Annäherung anzugehen, Angebote zu machen und mit Verständnis und Offenheit aufeinander zuzugehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu gehört auch, Strategien gegen Antiziganismus zu entwickeln und mit den Landesverbänden der Sinti und Roma in vertragliche Verhandlungen zur Sicherung ihrer Minderheitenrechte - wie in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg bereits geschehen - einzutreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das würde eine wirkliche Annäherung bedeuten und tragfähige Grundlagen für ein gemeinsames Miteinander schaffen.

Ein weiterer zentraler Punkt unseres Änderungsantrags - der sehr gut ist - sind Förderprogramme für kleine Sprachgemeinschaften, insbesondere das Saterfriesische, das Niederdeutsche und Romanes. Wir haben vorhin hier auch noch einmal wunderbare Reden der Kollegin Meta Janssen-Kucz und des Kollegen Uwe Santjer gehört. Unterstützen Sie uns bitte! Hier könnten die Aktivitäten der Landesregierung noch deutlich ausgeweitet, und es könnte auch auf europäischer Ebene mehr getan werden.

Wir werden uns zu Ihrem Antrag, Frau Westmann, enthalten. Aber ich habe von dem geschätzten Wissenschaftsminister Björn Thümler gehört und gelernt, dass eine Enthaltung keine Ablehnung ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Pancescu. - Es folgt für die FDP Kollege Thomas Brüninghoff. Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits sowohl in der ersten Beratung als auch im Ausschuss von uns erläutert wurde, ist der von SPD und CDU gestellte Antrag zum Thema „Verantwortlichkeiten für Minderheiten innerhalb der EU-Kommission verbindlich regeln“ im Grunde eine Zustimmung wert.

Allerdings - auch das wurde schon anlässlich der Einbringung bei der ersten Beratung im Plenum durch unsere Fraktion deutlich gemacht - geht uns der Antrag in dieser Form nicht weit genug. Vielmehr greift er nur einen Einzelaspekt aus dem „Minority SafePack“ auf und klärt nicht die Frage, wie man denn regionale Minderheiten konkret stärkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Spracherwerb und kulturelle Angebote finden in diesem Antrag leider keine Berücksichtigung, was das Wie angeht.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Instrumente wie die Notwendigkeit von Sanktionen gegenüber Staaten, welche den Minderheitenschutz nicht ernst nehmen, werden ebenfalls nicht angeführt.

Benachteiligungen bis hin zu Diskriminierungen, wie es u. a. bei Sinti und Roma der Fall ist, finden keine konkrete Berücksichtigung.