Protocol of the Session on October 23, 2019

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Dana Guth [AfD])

Aber Sie haben längst die Kontrolle verloren über Ihre Partei, weil diejenigen, die so reden, wie ich es gerade beschrieben habe, längst die Diktion der AfD bestimmen, das Erscheinungsbild der AfD bestimmen und maßgeblich dazu beitragen, dass das Klima in dieser Gesellschaft immer giftiger wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN - Klaus Wichmann [AfD]: Und daran sind Sie unschuldig!)

Ihr heutiger Antrag, meine Damen und Herren, ist deshalb an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Ausgerechnet Ihre Fraktion ruft zur Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf.

(Dana Guth [AfD]: Ja, das tun wir!)

Herr Ahrends, ich bin Ihnen ja geradezu dankbar, dass Sie hier noch das Wort ergriffen haben, weil Sie genau das bestätigen, was ich gerade gesagt habe: Ihre Partei hat nicht zwei Gesichter, sondern 500 000. Sie kommen überhaupt nicht mehr klar mit Ihrer eigenen Darstellung.

Ich will nur einmal ein Zitat von Ministerpräsidentin Malu Dreyer bringen, die es gestern in ihrer Regierungserklärung wunderbar auf den Punkt gebracht hat. Sie hat gesagt:

„Die permanente Hetze gegen Muslime und Migranten macht die AfD nicht zu einem Freund von Jüdinnen und Juden.“

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schutz jüdischen Lebens in Niedersachsen ist eine wichtige Aufgabe für uns alle. Wir als Landesregierung stehen besonders in der Verantwortung, jüdisches Leben in Deutschland zu erhalten und zu fördern, und wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst. Erst am vergangenen Dienstag hat die Niedersächsische Landesregierung Herrn Dr. Franz Rainer Enste zum Niedersächsischen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens berufen. Die Stelle wird dem Niedersächsischen Justizministerium zugeordnet. Rainer Enste ist ab dem 1. November dieses Jahres der zentrale Ansprechpartner der Landesregierung für die jüdischen Verbände, Fürsprecher der Verbände gegenüber der Landesregierung und zentraler Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger zum Thema Antisemitismus. Das, meine Damen und Herren, ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rechtsradikalismus.

Meine Damen und Herren, wir hier in Niedersachsen haben die rechtsextremen Strukturen nicht erst seit Kurzem, sondern schon lange sehr genau im Blick. Klar ist: Wir müssen den Rechtsextremismus weiter auf allen Ebenen bekämpfen, präventiv genauso wie repressiv, und wir müssen das in engem Austausch mit allen anderen Behörden des Bundes und der Länder tun.

Am vergangenen Freitag haben wir in Berlin im Kreis der Landesinnenminister und -senatoren gemeinsam mit dem Bundesinnenminister die sicherheitspolitische Lage und mögliche Konsequenzen nach dem Anschlag von Halle besprochen. Mit einem Zehn-Punkte-Plan werden wir noch gezielter und effektiver als bisher gegen Rechtsextremismus vorgehen. Wir haben u. a. beschlossen, durch weitere Sicherungsmaßnahmen Synagogen und jüdische Einrichtungen zu schützen. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden wollen wir gerade in Bezug auf die Internetauswertekompetenz verbessern, und wir wollen das Waffenrecht verschärfen. Endlich - ich bin froh darüber - hat auch die Union in Berlin eingelenkt und befürwortet eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz vor Erteilung einer Waffenerlaubnis. Die entsprechende Gesetzesänderung ist auf dem Weg.

(Beifall bei der SPD)

Auf meine Initiative wurde in das Papier außerdem aufgenommen:

Erstens. Die Identifizierbarkeit von denjenigen, die im Internet hinter anonymen Accounts Hass und Hetze verbreiten, muss beschleunigt und vor allen Dingen erleichtert werden.

Zweitens. Der Jugendschutz im Internet muss ausgebaut werden. Anbieter von Spieleplattformen müssen Hasskommentare wie in den sozialen Netzwerken binnen 24 Stunden löschen bzw. melden - das ist bislang nicht geregelt -, und auch für Spieleplattformen muss natürlich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gelten.

Drittens. Die Server großer Internetplattformen wie Facebook müssen in Zukunft in der Europäischen Union stehen. Das muss das gemeinsame Ziel sein, damit die Sicherheitsbehörden im Zweifelsfall auch Zugriff haben. Die Sicherheitsbehörden müssen auch Zugriff auf die Kommunikation von Terroristen im Internet haben. Wir müssen Internetplattformen zur Rechenschaft ziehen, wenn dort Hass verbreitet wird oder sogar Attentate live übertragen werden.

Außerdem haben wir noch einmal unmissverständlich klargemacht: Rechtsextremisten, Nationalisten und Menschen mit völkischer Gesinnung haben im öffentlichen Dienst nichts verloren, und dazu zählt für mich auch der sogenannte Flügel der AfD.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein Mann wie Björn Höcke darf nie wieder als Lehrer arbeiten. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben in BadenWürttemberg gesehen: Beamte können für Verletzungen der politischen Mäßigung und der Neutralität aus dem Amt entfernt werden. Wir stellen allerdings - das sage ich auch sehr deutlich - unsere Beamtinnen und Beamte nicht unter Generalverdacht. Niemand von uns will einen Radikalenerlass. Es geht nicht um die bloße Mitgliedschaft in der AfD, in anderen Vereinigungen oder Parteien, sondern es geht immer um konkrete Einzelfälle, um öffentliche Äußerungen, die die Grenzen überschreiten. Da werden und da müssen wir konsequent handeln.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe das schon öfter gesagt und sage es heute wieder: Ich mache mir seit einiger Zeit ernsthaft Sorgen um dieses Land, um seine Freiheit, seine Pluralität und seine Rechtsstaatlichkeit.

(Dana Guth [AfD]: Wir auch!)

Unsere Demokratie ist in Gefahr wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.

Wer das immer noch nicht verstanden hat, der träumt. Staat und Gesellschaft müssen ihre Wehrhaftigkeit jetzt unter Beweis stellen. Wir haben die Instrumente. Wir haben die Möglichkeiten. Aber wir müssen sie auch nutzen.

(Dana Guth [AfD]: Wie in Göttingen!)

- Beurteilen Sie keine Einsatzlagen! Davon verstehen Sie nichts, Frau Guth.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Geschichte wiederholt sich nicht. Das stimmt. Aber Fehler aus der Geschichte können sich wiederholen. Dafür, meine Damen und Herren, tragen wir die Verantwortung, dass das nicht passiert. Der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer hat es so formuliert:

„Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“

Dieser Satz, meine Damen und Herren, ist ein flammender Appell. Er ist ein Handlungsauftrag an uns alle, an alle Anständigen in diesem Land. Die Sicherheitsbehörden leisten dazu ihren Beitrag. Wir werden nicht nachlassen und dem Rechtsextremismus und jeder Form der Menschenverachtung weiter entschlossen entgegentreten.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich kann die Beratung schließen.

Der Herr Abgeordnete Ahrends hat noch einmal um das Wort zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung gebeten. Herr Ahrends, Sie sind mit dem Inhalt vertraut. Bitte!

Danke, Frau Präsidentin. - Ich fühle mich durch die Äußerungen des Innenministers persönlich angegriffen. Er hat in Verbindung mit meinem Namen über permanente Hetze gegen Migranten gesprochen. Das weise ich zurück.

(Zustimmung bei der AfD)

Das Zitat, das ich Ihnen in meiner Rede nannte, war von Rafael Korenzecher, dem Chefredakteur der Jüdischen Rundschau. Das habe ich Ihnen wortgetreu wiedergegeben.

(Ulf Thiele [CDU]: Das haben Sie sich zu eigen gemacht!)

So gesehen, ist es die Meinung eines jüdischen Mitbürgers über die Politik, die Sie machen, und nicht meine persönliche Meinung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Christian Meyer [GRÜNE]: Distanzieren Sie sich von Ihrer Rede?)

Vielen Dank.

Die Fraktion der AfD hat zu ihrem Antrag im Ältestenrat signalisiert, die zweite Beratung und damit die Entscheidung über den Antrag sofort anzuschließen. Soll es dabei bleiben, Herr Abgeordneter? - Ja, ich sehe ein Nicken.

Der Landtag kann dies beschließen, sofern nicht gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung mindestens 20 Mitglieder des Landtages für eine Überweisung des Antrages an einen Ausschuss stimmen.

Ich frage deshalb nach, ob eine Ausschussüberweisung beantragt wird. - Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung in der Sache. Wer den Antrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 18/4820 annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit wurde der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

(Stefan Henze [AfD]: Wie kann man so etwas ablehnen?)

- Ich darf Sie bitten, die Kommentierungen einzustellen. Wir sind in der Abstimmung.