Protocol of the Session on September 12, 2019

An Hauptschulen, Oberschulen und integrierten Gesamtschulen werden Durchschnittswerte von bis zu 30 % der Lehrersollstunden zur Deckung der Zusatzbedarfe erreicht. An Gymnasien und Realschulen sehen wir dagegen deutlich geringere Anteile von weniger als 10 %.

Was dies im Einzelnen bedeutet, möchte ich kurz skizzieren: Nach Aussage des Kultusministers werden für die Gewährleistung des Ganztags allein in Niedersachsen 86 000 Lehrerstunden eingesetzt. Das sind, grob geschätzt, etwa 3 300 Lehrervollzeitstellen, die nicht zur Gewährleistung des Fachunterrichts dienen. So etwas kann man auch Verschwendung von Personalressourcen nennen. Wir bezahlen Lehrer nicht für Betreuung, sondern für die Erteilung von Unterricht.

Haben wir also zu wenig Lehrer? - Die Antwort lautet: Nein. Wir haben bereits heute genügend Lehrer, um den Regelunterricht an den Schulen zu gewährleisten.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Es ist aber nicht nur Regelunterricht! Wann waren Sie das letzte Mal in einer Schule?)

Die lückenlose Erteilung des Fachunterrichts sollte aber im Zentrum unserer Bemühungen stehen, weil vor allem dieser Wissensvermittlung garantiert.

Was müssen wir also tun, um den Regelunterricht an den allen niedersächsischen Schulen wieder zu gewährleisten? - Wir sehen anhand der nackten Zahlen, dass das eigentlich möglich wäre und lediglich der politische Wille fehlt. Auch der Kultusminister hat eben immer wieder deutlich gesagt, er will keine Kürzung vornehmen, um den Regelunterricht zu gewährleisten.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das hat er eben nicht gesagt!)

- Die Grünen hätten das gerne noch deutlicher. - Wir von der AfD sehen das anders.

Da sich der Kultusminister und die anderen hier anwesenden Parteien also der Realität widersetzen, müssen viele Eltern und Schüler damit leben, dass die Umsetzung schulpolitischer Utopien dafür sorgt, dass der Regelunterricht an sehr vielen Schulen weiterhin nicht ausreichend erteilt wird.

Sie müssen sich damit abfinden, dass ihre Kinder schlecht vorbereitet die Schule verlassen werden, und sie müssen sich damit abfinden, dass es keine Ausweichmöglichkeiten auf bessere Schulen geben wird.

Unter diesen Umständen können diese Eltern nur noch eins tun: AfD wählen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der AfD - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wir sind hier nicht auf einer Wahlveranstal- tung!)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die FDP-Fraktion hat sich nun der Kollege Björn Försterling gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, lassen Sie mich kurz feststellen, dass der Kollege Rykena von der AfD gerade Ganztagsschule infrage gestellt hat, Zusatzbedarfe für Sprachförderung infrage gestellt hat, Zusatzbedarfe für Inklusion infrage gestellt hat.

Herr Kollege Rykena, Schule im Jahr 2019 ist halt anders als Schule zwischen 33 und 45.

(Anhaltender Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Die Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, sind tatsächlich: Wie kann Schule gut funktionieren? Und warum wird eigentlich immer über 100-prozentige Unterrichtsversorgung diskutiert? - Weil das eben ein Indikator dafür ist, ob Schule gut funktionieren kann oder nicht.

Alle in diesem Raum wissen, dass selbst eine statistisch 100-prozentige Unterrichtsversorgung nicht vor Unterrichtsausfall schützt. Nur vom Ziel 100 % zu sprechen, ist aus unserer Sicht also etwas wenig. Denn wir alle wissen, dass 100 % bedeuten würden, dass alle Lehrkräfte gesund sind, dass alle Lehrkräfte das komplette Schuljahr zur Verfügung stehen - beispielsweise nicht schwanger werden, in Mutterschutz und Elternzeit gehen - und dass die Lehrkräfte keine Fortbildungen besuchen. Es wäre schon ein Problem, wenn Lehrkräfte mit einer Klasse auf Klassenfahrt fahren, weil dann an anderer Stelle Unterricht ausfällt.

Die 100 % können einen also nicht zufriedenstellen, aber die 100 % sind eben ein Indikator dafür, ob Schule funktionieren kann oder nicht. Und aktuell hat man den Eindruck, dass Schule eben nicht so funktioniert, wie sie eigentlich funktionieren sollte, weil es zu wenige Lehrkräfte im System gibt. Dabei machen genau die Lehrkräfte gute Schule aus.

Jetzt können wir darüber streiten, ob tatsächlich für jede Schule, die einen Bedarf an einer Lehrkraft angemeldet hat, eine Stelle ausgeschrieben worden ist. Wir werden das einmal abfragen. Dann können wir schwarz auf weiß sehen, ob das tatsächlich stattgefunden hat.

Aber die Frage ist doch: Wie bekommen wir mehr Lehrkräfte? - Wir werden mehr junge Menschen für den Lehrerberuf begeistern können, wenn wir die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte an den Schulen verbessern.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dann reden wir eben über kleinere Klassen. Wir reden über A 13. Wir reden auch über eine Altersermäßigung ab 55. Das sind genau die Ressourcen, die man schaffen müsste, die Freiräume, die gute Schule braucht.

Aber für einen Großteil dieser Maßnahmen braucht man erst einmal mehr Lehrkräfte. Wenn ich über 55-jährige Lehrkräfte entlasten will, brauche ich dafür erst einmal mehr Lehrkräfte. Genau da fehlt uns der Plan der Landesregierung.

Das wurde im Wissenschaftsausschuss noch einmal sehr deutlich, als die hier schon mehrfach angesprochene Arbeitsgruppe von Wissenschaftsministerium und Kultusministerium den Bedarf der nächsten Jahre skizziert hat. Ich klammere einmal den Fakt aus, dass das nicht auf die Fachlehrer heruntergebrochen werden konnte. Aber da fehlte jegliche Ambition. Es fehlten jegliche Zielmarken: Wann wollen wir die Altersermäßigung einführen? Wann wollen wir kleinere Klassen einführen? Wann wollen wir in der Grundschule beispielsweise Teamteaching mit zwei Lehrkräften pro Klasse ermöglichen? - Genau diesen Bedarf gilt es jetzt schon auszuweisen.

Da sollte man nicht am Ende dieser Legislaturperiode haltmachen. Da können wir gerne interfraktionell über das Ende der Legislaturperiode hinausdenken. Wir sind gerne dazu bereit, einen solchen Plan mit auf den Weg zu bringen.

Fakt ist: Sie tun aktuell zu wenig. Sie müssen mehr machen, um die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen sicherzustellen. Gute Schule funktioniert mit guten Lehrern, und gute Lehrer funktionieren, wenn sie genügend Ressourcen dafür haben, sich intensiv um die Schülerinnen und Schüler zu kümmern.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Ich möchte darauf hinweisen, dass der Vergleich der Schulen von heute mit den Schulen von 1933 bis 1945 zumindest sehr grenzwertig ist. Es war kein direkter Vergleich, aber ich denke, das sollten wir uns ersparen.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Eine Frechheit war das!)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion hat der Kollege Bratmann das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir einen kurzen Seitenhieb auf die AfDFraktion. Herr Kollege Rykena, entschuldigen Sie bitte, dass ich mich jetzt nicht an Sie wende, sondern an die Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD, weil diese - bei aller Unterschiedlichkeit und allem Streit um gute Unterrichtsversorgung - die Erkenntnis teilen, dass die Welt sich verändert, dass die Gesellschaft sich verändert und Schule mit ihren Rahmenbedingungen mitverändert werden muss.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN - Klaus Wichmann [AfD]: Als ob Veränderung ein Wert an sich wäre!)

Von daher bin ich der Fraktion der Grünen durchaus dankbar für diese Anfrage. Denn sie zielt nicht nur auf eine Beschreibung des Zustandes der Unterrichtsversorgung ab, sondern sie stellt auch die Frage: Was macht gute Qualität an Schulen aus? - Ich glaube, es ist richtig, dass wir uns diese Frage hin und wieder stellen.

Was macht gute Schule aus? - Gute räumliche Bedingungen natürlich, gute Ausstattung, ein gutes Ganztagskonzept, pädagogische Unterstützung durch Schulsozialarbeit beispielsweise, die Möglichkeit der Differenzierung zur Umsetzung der

Inklusion - und ausreichend motivierte und gut qualifizierte Lehrkräfte; das ist ein ganz entscheidender Faktor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe eben von der Erkenntnis gesprochen, dass die Welt sich verändert und Schule heutzutage unter anderen Rahmenbedingungen stattfinden muss. Wir müssen uns gemeinsam eines vorwerfen - das hat die Kollegin Hamburg durchaus selbstkritisch gesagt -: Wir haben in Niedersachsen zu lange gebraucht, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass Schule sich verändern muss.

Andere Länder in Europa waren schneller beim Ganztag, bei der Inklusion, bei der Digitalisierung und auch bei Schulsozialarbeit und Schulpsychologie. Wir müssen einiges aufholen. Das macht die Sache schwieriger. Wir können nicht alles von heute auf morgen umstellen. Vielmehr brauchen wir ein ganzes Maßnahmenbündel, wie es jetzt auf den Weg gebracht wurde. Dazu aber später mehr!

Ein Wert, an dem deutlich wurde, dass Schule heute unter veränderten Bedingungen stattfindet, ist der Wert der Lehrkräftesollstunden pro Schülerin oder Schüler. Dieser Wert hat sich in den letzten sieben Jahren noch einmal deutlich erhöht, von 1,5 auf 1,7. Das liegt in erster Linie natürlich daran, dass es Zusatzbedarfe im Bereich der Inklusion und im Bereich des Ganztages gibt; im Bereich der Digitalisierung kommen die noch hinzu.

Die Tatsache, dass in Niedersachsen wie in allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland Lehrkräfte fehlen, hat eben damit zu tun, dass man an der einen oder anderen Stelle nicht besonders vorausschauend war. Denken wir einmal zurück! Wer vor 20 Jahren SchuIe erlebt hat, ganz gleich, ob als Schülerin oder Schüler oder als Lehrkraft oder als Eltern, der weiß: Damals waren die Schlagworte „Digitalisierung“, „Inklusion“ und selbst „Ganztag“ noch Fremdwörter. Man hatte damit relativ wenig zu tun. Vor 10 Jahren hatte man das bereits auf dem Schirm; es wurde aber noch kaum - nur an einzelnen Schulformen - umgesetzt.

Damit wird deutlich, dass in der Vergangenheit insgesamt zu wenige Lehrkräfte ausgebildet wurden. Es bringt uns aber nicht weiter, immer wieder nach früheren Verantwortlichkeiten zu suchen. Vielmehr müssen wir nach vorn schauen und die richtigen Weichen stellen.

Der Kultusminister hat ausgeführt, dass für das aktuelle Schuljahr 2019/2020 eine Unterrichtsver

sorgung von 99,8 % prognostiziert wird. Das ist erst einmal ein guter Wert. Noch viel wichtiger ist, dass der Saldo positiv ist. Im Kalenderjahr 2019 wurden 800 Lehrkräfte mehr eingestellt, als pensioniert wurden. 1 770 der 1 900 Lehrkräftestellen konnten besetzt werden. Das sind insgesamt ordentliche Zahlen. Daher verstehe ich die Rhetorik der Kollegin Hamburg nicht, die sie hier an den Tag gelegt hat. Wir haben nie behauptet, dass damit alle Probleme beseitigt sind, aber wir sind auf einem sehr guten Weg. Dafür bin ich dem Kultusministerium außerordentlich dankbar.

(Beifall bei der SPD)

Klar ist: Wir brauchen zukünftig mehr Lehrkräfte. Das bedingt, dass wir auch mehr Studienkapazitäten brauchen. Der Kollege Weritz hat es schon ausgeführt: Das Wichtigste ist: Der Arbeitsort Schule muss attraktiv sein, und zwar in allen Schulformen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Hierzu ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. Das ist richtig so; denn schnelle, einfache Lösungen, wie es die Opposition zum Teil suggeriert, gibt es nun einmal nicht.

Hervorzuheben ist das Programm „Starke Sek ISchulen“. Schon bei der Ankündigung wurde wieder gesagt, dass das alles viel zu kurz greife. Ich sage: Wir müssen eine Lanze für unsere Haupt-, Real- und Oberschulen brechen. Sie machen eine außerordentlich wichtige Arbeit, insbesondere an einigen Standorten in Niedersachsen. Die Haupt-, Real- und Oberschulen sind von entscheidender Bedeutung, nicht nur im Sinne der Bildungsgerechtigkeit, sondern auch, weil dort unser Fachkräftenachwuchs ausgebildet wird. Deswegen müssen wir diese Schulen auf dem Schirm haben und besser ausstatten, als es bisher der Fall war.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem ist die Personalgewinnungsprämie - um nicht zu sagen: „Dorflehrerprämie“ - angesprochen worden. Ich war ganz überrascht, liebe Kollegin Hamburg, welches Bild Sie von Lehrkräften haben. Sie haben nur auf den Neidfaktor abgezielt und gesagt, dass Kollegien neidisch sind, wenn Lehrkräfte an die Schulen kommen, die diese Prämie einheimsen. Ich habe ein anderes Bild von Lehrkräften. Das bedingt auch eigene Erfahrung. Ich glaube, sie sind froh, wenn es Entlastung von außen gibt, und sind deshalb außerordentlich positiv eingestellt, wenn diese Prämie dazu führt, dass sie besseren Unterricht machen können, weil einfach mehr Personal vorhanden ist.

Ich will noch auf einige Punkte eingehen, die hier genannt wurden und dem Ansatz folgen, man müsse eine Lösung haben und dann Probleme dafür schaffen, so wie es die Kollegin Hamburg hier vorgemacht hat. Insbesondere die Unterstellung, wir würden beim Ganztag kürzen, ist wirklich an den Haaren herbeigezogen, liebe Kollegin.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe ge- sagt, Sie schließen es nicht aus!)