Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Nun erhält das Wort für die CDU-Fraktion Frau Abgeordnete Wulf. Bitte, Frau Kollegin!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass die knapp bemessene Redezeit ausreicht, auch wenn ich die Debatte natürlich nicht künstlich in die Länge ziehen will.
Herr Bode, ich habe mich gefragt, warum Sie diese Anfrage eingereicht haben - auch wenn der Bürokratieabbau sicherlich ein wichtiges Thema ist. Aber jetzt bin ich Ihnen sogar ein bisschen dankbar dafür,
hat mir die Debatte doch gezeigt, dass die Landesregierung an diesem wichtigen Thema dran ist. Sie macht genau das, was notwendig ist. Sie handelt.
Zur A1-Bescheinigung. Dieses Thema kommt aus dem Jahr 2010. Soweit ich weiß, waren Sie da Wirtschaftsminister, lieber Herr Bode. Das heißt, Sie hätten das Thema schon abräumen können,
haben aber darauf verzichtet. Von daher wäre es vielleicht ganz gut, wenn Sie sich bei diesem Thema einmal an die eigene Nase fassen würden.
Richtig ist: Bürokratieabbau muss unser gemeinsames Anliegen sein. Eine verlässliche und neutrale Verwaltung ist ein hohes Gut; auch das wurde schon mehrfach betont. Aber wenn wir über dieses Thema diskutieren, dürfen wir nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vergessen, die in den Verwaltungen - auch in den Bauverwaltungen, über die ich gleich noch reden möchte - sitzen und sich natürlich Mühe geben, serviceorientiert, gut und effizient zu arbeiten. Aber das ist eben nicht immer möglich.
Vor dem Hintergrund der Digitalisierung erwarten Unternehmerinnen und Unternehmer heute mehr - und das zu Recht. Sie erwarten schnelle und effiziente Wege. Bürokratie kann nämlich ein Wettbewerbsnachteil und damit auch ein Nachteil für uns alle sein.
Ich möchte jetzt ganz konkret auf das Thema Bauen eingehen. Wenn ich mit gestandenen Architekten in meinem Wahlkreis spreche und sie frage, wie es mit den Genehmigungsverfahren heutzutage so läuft, dann sagen sie Folgendes: Als wir Berufsanfänger waren, hat es sechs bis acht Wochen gedauert, bis die Baugenehmigung erteilt war. Heute rechnen wir mit einem Zeitraum von sechs Monaten. - Das hat natürlich auch damit zu tun, dass viele weitere, auch sinnvolle Themen hinzugekommen sind. Ich nenne nur die Stichworte „Barrierefreiheit“ oder „Brandschutz“, auch wenn das für viele ein Ärgernis ist.
Was mich in diesem Zusammenhang immer wieder wundert, ist, dass die Unterlagen heutzutage noch in Papierform eingereicht werden müssen - jedenfalls ist das hier in Hannover so. Wenn Sie bauen wollen, dann müssen Sie den Bauantrag in fünffacher Ausführung einreichen. Wenn er meinetwegen einen Ordner umfasst, dann müssen Sie also fünf Ordner einreichen, wahrscheinlich bei verschiedenen Stellen. Und diese Unterlagen müssen unterschrieben werden; jeder einzelne Plan muss per Hand abgezeichnet werden. Das ist natürlich dann besonders aufwändig, wenn der Bauherr nicht vor Ort wohnt. Das heißt, die Ordner wandern durch die Republik, die Unterlagen werden unterschrieben, und erst dann kommen sie zum Bauamt.
An diesem Beispiel sieht man, wo die Möglichkeiten der Digitalisierung liegen. In Niedersachsen laufen auch bereits erste Versuche, Bauanträge zu digitalisieren. Dazu braucht man den elektronischen Personalausweis. Aber auch der funktioniert nicht so gut, wie es seinerzeit gedacht war. Deshalb greifen viele auf eine sogenannte Signaturkarte zurück. Die wiederum muss beantragt werden, und es dauert mindestens drei Wochen, bis sie da ist. Und um sie verwenden zu können, braucht man dann auch noch ein Kartenlesegerät. Da fühle ich mich an die 90er-Jahre und mein erstes Onlinebanking erinnert!
Wenn wir versuchen, die Herausforderungen der Gegenwart mit Methoden aus den 90er-Jahren zu lösen, werden wir sicherlich nicht erfolgreich sein, meine Damen und Herren. Dabei gibt es schon
eine ganz einfache Lösung, man muss nur einmal nach NRW schauen. Dort kann man ein Schreiben des Bauherrn einfach mit einscannen und elektronisch einreichen - das reicht, um den Bauantrag auf den Weg zu bringen. Ich glaube, solche Methoden und Lösungen wird eine Clearingstelle mit berücksichtigen.
Besser als Bürokratieabbau ist aber, erst gar keine Bürokratie aufzubauen. Von daher, finde ich, hat Minister Althusmann mit der Clearingstelle grundsätzlich einen sehr guten Vorschlag gemacht - mit dem bzw. mit dessen Umsetzung im Übrigen auch FDP-geführte Ministerien sehr zufrieden zu sein scheinen. Deshalb wundert mich Ihre Kritik, Herr Bode, an dieser Stelle schon ein bisschen. Wenn die Wirtschaft von Anfang an mit einbezogen wird und die Unternehmerverbände, die Handwerkskammer und die IHK Niedersachsen anbieten, Gesetzgebungsverfahren in diesem Sinne von Anfang an mit zu begleiten, damit keine unnötige Bürokratie aufgebaut wird und die Verfahren effizienter werden, dann ist das, wie ich finde, ein richtiger und guter Weg.
Vor diesem Hintergrund bedanke ich mich noch einmal ganz herzlich für diese Anfrage. Ich finde, die Landesregierung setzt wichtige und gute Impulse, und hoffe, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten weitere Umsetzungen sehen werden. Ich freue mich auf die weitere Auseinandersetzung darüber.
Vielen Dank, Frau Kollegin Wulf. - Für Bündnis 90/Die Grünen folgt jetzt Herr Kollege Christian Meyer. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Das wird nichts!“, titelte die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 12. Juni 2019 zur Pressekonferenz von Herrn Minister Althusmann zum Bürokratieabbau. Und auch heute haben Sie sich wieder im Zuständigkeits- und Ressortdickicht verheddert!
Es ist bezeichnend, dass auf die Frage, welche Ihrer vielen Vorschläge vom Ministerpräsidenten - der jetzt nicht da ist - unterstützt werden, geantwortet wurde: Wir reden darüber. - Da die Landes
regierung Fragen ja immer vollständig und umfangreich beantwortet, hier aber keine einzige Maßnahme genannt hat, heißt diese Antwort übersetzt: Keine einzige Maßnahme wird vom SPDMinisterpräsidenten oder von einem SPD-Minister unterstützt. Sonst hätten Sie ja anders antworten können.
Was andere Vorschläge, beispielsweise die Digitalisierung des „gelben Scheins“, also des Krankenscheins, angeht, heißt es: Dafür ist der Bund zuständig. - Nach meiner Kenntnis regiert die CDU seit 14 Jahren im Bund und stellt die Bundeskanzlerin. Aber nach Ihrer Auffassung wird es dort anscheinend immer schlimmer.
Vorhin haben Sie kritisiert, die DatenschutzGrundverordnung sei in Deutschland nicht 1 : 1 umgesetzt worden, sondern mit mehr Bürokratie. Ich frage mich: Welche Bundesregierung war das eigentlich? Ist die CDU an ihr noch beteiligt?
Und Sie schimpfen auch auf die EU. Aber soweit ich weiß, wurde Herr Stoiber - ausgerechnet Herr Stoiber! - von der Union nach Brüssel geschickt, um dort Bürokratie abzubauen. Ich, viele Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen haben davon bislang aber nichts bemerkt.
Und auch hier im Land machen Sie das Gegenteil. Ich erinnere an Ihre 100 neuen Stellen, darunter Stellen zur Ressortkoordinierung, mit denen Sie quasi eine zweite Staatskanzlei aufgebaut haben. Sie haben Stellen neu geschaffen, die Bürokratie in den Häusern auslösen. Sie haben zugegeben, dass Sie die CDU-geführten Ressorts überwachen. Sie haben eine Stelle zur Überwachung des Justizministeriums eingeführt, eine zur Überwachung von Herrn Thümler, eine zur Überwachung des Agrarministeriums und eine zur Überwachung des Finanzministeriums. Sie wollen also alle CDU-geführten Häuser aus der Schattenstaatskanzlei des Wirtschaftsministeriums heraus koordinieren.
Und Sie haben gesagt, bei dem, was Sie da geschaffen haben, gehe es auch um CDU-Koordinierung im Bundesrat.
Unter Rot-Grün gab es so etwas beim stellvertretenden Ministerpräsidenten nicht. Aber in dieser Landesregierung besteht Misstrauen und wird gegeneinander gearbeitet. Ein nicht zuständiger
Minister macht Vorschläge zur Bauordnung - aber das ist dann gar nicht, wie man vielleicht denken würde, der Vorschlag der Landesregierung, sondern der Bauminister ist entsetzt und lehnt laut Pressemeldung ab, was Herr Althusmann vorschlägt. Damit sorgen Sie eher für neues Chaos und neue Bürokratie, und keiner weiß mehr, wer noch zuständig ist.
Herr Kollege Bode hat diese neue Clearingstelle angesprochen. Auch dabei scheinen Sie sich zu verheddern. Ich habe dazu eine Kleine Anfrage gestellt, nachdem Sie am 19. Februar dieses Jahres laut der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vor Wirtschaftsvertretern Folgendes erklärt haben:
„Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hat den Unternehmen im Bundesland den Abbau überflüssiger Bürokratie versprochen - doch bei der Verwirklichung des Wahlkampfversprechens stößt er schnell an die Grenzen seiner Macht.... Als Erfolg bezeichnete Althusmann eine Clearingstelle, die inzwischen in seinem Ministerium arbeite.“
„Sie prüfe jedes geplante niedersächsische Gesetz auf zusätzliche Belastungen für den Mittelstand - und schlage, falls nötig, Alternativen vor. Außerdem gebe es in seiner Behörde mittlerweile drei Experten für den Bürokratieabbau, nachdem seine Vorgänger dem Ziel gerade einmal 0,2 Planstellen gewidmet hätten. Die rund 50 Zuschauer beeindruckte der CDU-Politiker damit allerdings kaum.“
Ich habe gefragt, was diese drei Expertinnen und Experten für den Bürokratieabbau eigentlich machen. Welche Zuständigkeit haben sie? - Die Antwort war erschreckend: Keine. Sie können in anderen Ressorts nicht mitbestimmen. Wenn also im Bildungsministerium, im Landwirtschaftsministerium, im Sozialministerium, im Kultusministerium oder im Umweltministerium irgendetwas geplant wird, was Bürokratie auslöst, dann besteht dafür keine Zuständigkeit. Und auch im eigenen Haus, im Wirtschaftsministerium, besteht diese Zuständigkeit nicht.
„Der Abbau von Bürokratie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie soll vor allem Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen entlasten, ist also zielgerichtet nach außen und konzentriert sich im Schwerpunkt gerade nicht auf ministeriumsinterne Abläufe. Maßnahmen zum Bürokratieabbau im Ministerium sind gerade daher nicht Schwerpunkt der Aufgabe der Stabsstelle.“
Es geht also auch nicht um die Beschleunigung von Verfahren im Ministerium. Ich habe gelesen, dass der Minister den Papierweg wieder eingeführt hat. Er möchte Redemanuskripte nicht mehr per EMail, sondern ausgedruckt erhalten. Das Digitalisierungsministerium scheint insoweit sehr langsam zu sein.
Aber ich habe die Antwort auf meine Frage, was er im eigenen Haus gemacht hat, noch nicht komplett zitiert, was ich nun der Vollständigkeit halber tun will:
„Zur Umsetzung des Wunsches des Ministers, Bürokratieentlastung immer ‚mitzudenken‘, wurden innerhalb des Wirtschaftsministeriums gleichwohl alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nochmals dafür sensibilisiert, gemäß der Verpflichtung aus dem Koalitionsvertrag bei Entwürfen zur Umsetzung der EU-Richtlinien grundsätzlich nicht über die europarechtlichen Richtlinienvorgaben hinauszugehen.“
Ich muss zugeben, das ist schon eine große Leistung von Herrn Althusmann für den Bürokratieabbau im eigenen Ministerium: Er hat seine Mitarbeiter sensibilisiert, mitzudenken. - Das ist schon ziemlich dreist.
In einer heutigen Schlagzeile in der Neuen Presse zum Bürokratieabbau geht es um einen Erlass des Landes, der die Stadt Hannover dazu zwingt, alle Zweirichtungsradwege umzubauen - übrigens ein Erlass des Verkehrsministeriums. Ich zitiere die Neue Presse von heute: