Eine solche Regelung liegt im Übrigen auch im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung. Der Rechtsstaat hat die Verpflichtung, die Bevölkerung vor Wiederholungstätern zu beschützen.
Eine Verschärfung wäre aber auch ein klares Signal an Straftäter: Eine Bewährungszeit ist ernst zu nehmen. Es wird später nicht mehr geschachert. Gesetzliche Regel ist, dass es keine weitere Bewährung mehr geben wird.
Ich will aber noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Mit einer Verschärfung der gesetzlichen Regelungen würde auch ein weiterer Umstand verbessert, den die bisherige Praxis leider immer mit sich gebracht hat und der mich auch in meiner eigenen Praxis häufig stutzig gemacht hat. Heute schieben Verurteilte oftmals eine größere Anzahl von ausgesetzten Strafen vor sich her. Erfolgt dann eine Verurteilung ohne Strafaussetzung - die kann noch so gering sein -, dann setzt ein Dominoeffekt ein. Die laufenden Bewährungen werden dann dominoartig widerrufen, sodass der Verurteil
te auch die übrigen, ausgesetzten, Strafen verbüßen muss. Das hat zur Folge, dass häufig wegen einer relativ geringen Anlasstat der Verurteilte dann mehrere Jahre in den Vollzug gerät, weil er nun alle die schon vor sich hergeschobenen Bewährungen verbüßen muss. Auch das ist ein Effekt, den ich nicht für besonders sinnvoll halte.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Eine weitere Zusatzfrage stellt für die AfD-Fraktion Kollege Emden. Bitte!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, ich will einmal ganz konkret nachfragen: Wie stellen Sie sich denn bei dieser Verschärfung zur Vermeidung der Kettenbewährungen, der ich prinzipiell positiv gegenüberstehe, konkret die Ausgestaltung vor? Denn es besteht ja das Spannungsverhältnis zwischen der richterlichen Unabhängigkeit - insbesondere auch in Zusammenhang damit, dass es einer Einzelfallbetrachtung bedarf - und der von Ihnen avisierten Verschärfung. Wie wollen Sie dieses Spannungsverhältnis auflösen?
Danke, Herr Kollege. - Frau Ministerin Havliza wird gleich antworten, aber zuvor bitte ich, hier etwas mehr Ruhe einkehren zu lassen. Es war ein Gemurmel im Saal, dass man die Frage von Herrn Emden kaum verstehen konnte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausgestaltung stellt man sich natürlich so vor, dass es eine Regelung sein muss, wonach erhöhte Anforderungen an die zweite Prognoseentscheidung zu stellen sind. Das sind ja Sollentscheidungen. Die richterliche Unabhängigkeit wird dadurch nicht angetastet. Das haben wir ja häufig, dass man
sagen muss, in der Regel soll keine zweite Bewährung gegeben werden, dass dann aber eine Ausnahme zulässig ist. Ob man dann innerhalb der Rechtsprechung diese Ausnahme bejaht oder verneint, bleibt jedem Gericht selbst überlassen. Aber in dieser Form stellen wir uns das vor, und so haben wir das BMJV auch gebeten, einen entsprechenden Entwurf vorzulegen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Jetzt folgt für die Fraktion der SPD die erste Zusatzfrage durch Herrn Kollegen Sebastian Zinke. Bitte!
Herr Präsident! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund der Ausführungen zu den Kettenbewährungen und den Beschlüssen der JuMiKo stellt sich ja die Frage, ob es künftig keine Bewährungschancen mehr für Straftäter geben soll, die während ihrer Bewährungsfrist straffällig geworden sind, oder wie so etwas ausgestaltet werden soll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich soll das noch möglich sein. Die Praxis wird nach wie vor die Möglichkeit haben, weitere Freiheitsstrafen zur Bewährung auszusetzen. Das ist klar. Das muss schon möglich sein, um Einzelfallhärten zu vermeiden.
Aber in der beabsichtigten Neufassung soll eine weitere Strafaussetzung möglich sein - das ist so, wie ich es gerade schon gesagt habe -, wenn ganz besondere Umstände den Schluss rechtfertigen, dass der Täter die Erwartung künftig straffreier Führung nicht noch einmal enttäuschen wird. Das ist im Grunde eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Wenn einmal Bewährung gegeben worden ist und man innerhalb der Bewährungszeit erneut mit einer Vorsatztat straffällig wird, dann muss ganz besonders geprüft werden, ob in diesem Fall eine Ausnahme greift und warum der Täter sich diese Strafe nicht hat zur Warnung dienen lassen. Dann ist das auch möglich, aber es soll nicht die Regel werden.
Vielen Dank, Frau Justizministerin. - Jetzt ist Kollege Limburg dran. Herr Limburg, Sie haben zwei Fragen gut. Ich stelle anheim, sie hintereinander
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen, Frau Ministerin, dass zukünftig sehr genau geprüft werden soll, ob eine erneute Strafaussetzung zur Bewährung erfolgen kann, und vor dem Hintergrund, dass Sie öffentlich erklärt haben, es werde nicht selten eine weitere Bewährung verhängt, also vor dem Hintergrund dieser drastischen Richterschelte, frage ich, ob Sie denn den Eindruck haben, dass die niedersächsischen Richterinnen und Richter bislang unter der geltenden Rechtslage nicht genau genug überprüfen, ob eine erneute Bewährung verhängt werden kann. Darauf laufen Ihre Ausführungen doch letztlich hinaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Limburg, auf Richterschelte läuft hier gar nichts raus. Sie wissen ganz genau, wie sehr ich hinter meinen Kolleginnen und Kollegen stehe.
Die derzeitige Regelung lässt das einfach zu. Und natürlich sind wir immer gehalten, im Zweifel etwas für den Angeklagten - das gilt auch für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung - zu tun. Sagen wir mal so: Die Regelung zur Härtefallprüfung, ob ein zweites Mal zur Bewährung ausgesetzt werden kann, soll ja so angezogen werden, dass man diesen ganz großen Entscheidungsspielraum nicht mehr hat und die Angeklagten - auch zur Vermeidung des gerade genannten Dominoeffekts - beim zweiten, allerspätestens beim dritten Mal die Konsequenzen zu spüren bekommen.
Mir zu unterstellen, ich hätte den Eindruck, dass das meine Kolleginnen und Kollegen bisher schlecht gemacht hätten, geht wirklich zu weit.
Wir wollen, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt wird. Ich halte es für ein gutes Signal, wenn auf Straftaten - das ist nun mal unser Signal - eine spürbare Konsequenz folgt. Das soll zukünftig auch so geschehen.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass Sie auf die Frage nach den Erhebungen und der Datengrundlage, die Ihren gesamten rechtspolitischen Forderungen zugrunde liegen, lediglich auf die Studie des BMJV - bzw. damals war es noch das BMJ - verwiesen haben, die in der Tat im Internet abrufbar ist - vielen Dank für den Hinweis; ich habe sie gerade durchgelesen - und aus der mitnichten hervorgeht, dass es zu häufig zu Kettenbewährungen kommt, sondern dort wird im Gegenteil sehr genau dargestellt, dass erstens Folgebewährungen im Regelfall nur bei sehr, sehr leichten Straftaten überhaupt vorkommen - soweit man das statistisch überhaupt erfassen kann - und zweitens Rückfalltaten ganz stark eine Frage des Alters sind - die größte Gruppe derjenigen, bei denen es zu einer erneuten Straffälligkeit kommt, wie die Studie ganz eindeutig besagt, sind Jugendliche und Heranwachsende; das ist in Wahrheit auch nichts Neues -, vor diesem Hintergrund also, dass die größte Gruppe von denen, die Sie hier kritisiert haben, die der Jugendlichen und Heranwachsenden ist, frage ich Sie, ob es Zielrichtung dieser Landesregierung, der Regierung Weil, ist, zukünftig mehr Jugendliche und Heranwachsende in Niedersachsen einzusperren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese - ich glaube - 53,3 % beziehen sich auf das allgemeine Strafrecht, nicht auf das Jugendstrafrecht - das würde ich der Studie jedenfalls so entnehmen wollen. Natürlich wollen wir, dass die Straftäter, die sich wiederholt einer vorsätzlichen Straftat schuldig
machen, auch die Konsequenzen zu spüren bekommen. Genau das ist das Ziel unseres Vorgehens. Ich bin damit ja nicht alleine; das Ziel, Kettenbewährungen zu begrenzen, haben ja viele Bundesländer vor der Brust.
Ich kann Ihnen aus der eigenen Praxis berichten: Wenn ich Vollstreckungsblätter gelesen habe, habe ich oft gedacht: Wieso hat der vier oder fünf Bewährungen laufen und ist wieder strafffällig geworden? Jetzt muss er ins Gefängnis, und zwar nicht nur vielleicht für ein Jahr, sondern jetzt muss er, weil alle Bewährungen widerrufen werden, plötzlich fünf bis sechs Jahre absitzen. - Das ist der Dominoeffekt, von dem ich gesprochen habe. Und ob das an der Stelle sinnvoll ist, darf man sich auch mal fragen.
(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Christopher Emden [AfD] - Helge Limburg [GRÜNE]: Das hatte mit mei- ner Frage aber weniger etwas zu tun!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wenn es tatsächlich zu der eben besprochenen Verschärfung der Vorschriften zur Strafaussetzung kommt, in der Folge also tatsächlich mehr Strafen vollstreckt werden, braucht Niedersachsen dann auch mehr Haftplätze und mehr Vollzugsbeamte?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dazu müsste man berechnen, was das ausmachen würde. Irgendwann rücken die ja vielleicht doch auch aufgrund von anderen Sachen ein.
beantworten. Ich weiß nicht, ob das zu mehr Vollzug führen würde. Wenn es so wäre, dann würden wir die entsprechenden Haftplätze auch zur Verfügung stellen. Und bei steigenden Gefangenenzahlen würde natürlich auch die Anzahl der JVABediensteten entsprechend angepasst werden müssen. Die Anzahl der JVA-Bediensteten werden ja - das ist immer so - nach der Anzahl der Haftplätze berechnet. Aber, wie gesagt: Erst nach diesem Schritt wissen wir, ob sich die Zahlen erhöhen.