Protocol of the Session on June 19, 2019

cher - es gibt nicht „den“ Verbraucher, aber die Masse der Verbraucher - billig. Sie kauft nicht preiswert, sondern billig.

(Ulrich Watermann [SPD]: Das ist doch das Motto der FDP!)

Und dabei hätte man gern auch noch ein reines Gewissen. Ich sage: die große Masse der Verbraucher.

Wir brauchen Maßnahmen, die wirklich dem Tierwohl dienen und die wirklich etwas verändern. Aber wir brauchen nicht etwas, was vielleicht das gute Gewissen vieler Menschen beruhigt. Wenn hier steht, heute steht die CDU an der Seite der Verbraucher, dann sage ich: an der Seite derer, die das Wahlvolk sind,

(Ulrich Watermann [SPD]: Wo steht denn die FDP?)

und denen man deswegen meint, etwas präsentieren zu müssen, was aber in der Sache wenig bringt.

Deswegen, liebe Frau Ministerin, würde uns sehr interessieren, wie Sie denn durchsetzen wollen, dass auch bei den Bauern etwas ankommt, dass nicht nur wieder Standards gesetzt werden. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter befürchtet eben, dass wieder Kosten auf die Landwirte zukommen, ohne dass irgendwelche Einnahmen generiert werden können.

Ein Wort noch zu Frau Guth von der AfD. Frau Guth, Sie haben festgestellt, dass die Menschen heute so kaufen, wie sie kaufen, weil sie arm sind. Ich verstehe das richtig? - Im Jahr 1950 haben also die Menschen 45 % für die Ernährung ausgegeben. Die waren reich? Heute geben sie 10 % dafür aus, weil sie so arm sind?

(Ulrich Watermann [SPD]: Milchmäd- chenrechnung! - Zurufe von der AfD)

Richtig ist, dass die Landwirtschaft einen großen Beitrag dazu leistet, dass der Lebensstandard in Deutschland so hoch ist, wie er ist, weil die Basis dafür durch sehr günstige Nahrungsmittel gelegt ist. Es gibt Menschen, die mit dem Geld sehr knapp sind. Aber summa summarum leben wir in einer sehr reichen Gesellschaft. Daher sollte man sich grundsätzlich überlegen, ob man bereit ist, mehr als 10 % für Lebensmittel auszugeben, ob man bereit ist, die Leistung der Landwirte zu bezahlen. Niemandem ist geholfen, wenn Sie einfach die Fronten wechseln und populistisch etwas fordern, was bei den Landwirten als Kosten ankommt

und mit dem die Landwirte in einen noch größeren Verdrängungswettbewerb getrieben werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

(Zurufe von der CDU: Kurzinterventi- on!)

Wir setzen die Aussprache fort. Das Wort hat Herr Kollege Siebels, SPD-Fraktion.

(Ulrich Watermann [SPD]: Kurzinter- vention? - Unruhe)

- Ich darf noch einmal alle um Aufmerksamkeit bitten!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurzinterventionen im Rahmen der Aktuellen Stunde gibt es nicht, Herr Watermann. - Das war die erste Vorbemerkung.

(Zurufe von der CDU)

- Wir verstehen uns gut.

Ich möchte noch zwei Vorbemerkungen machen.

Herr Grupe, eine Kritik an Ihrem Vortag habe ich tatsächlich.

(Dirk Toepffer [CDU]: Eine?)

- Sie ist allerdings eine zentrale.

Sie sprechen von Fronten zwischen Landwirten und Verbrauchern. Ich glaube, wer das Agrarland Nummer eins Niedersachsen voranbringen will, der muss genau dieses Frontdenken auflösen. Die CDU hat das begriffen. Sie haben diesen Lernprozess offensichtlich noch vor sich.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die zweite Vorbemerkung kann ich mir auch nicht verkneifen. Verehrte Frau Guth von der AfDFraktion, zu diesem Thema abermals eine Parteitagsrede zu halten und die fehlenden inhaltlichen Antworten auf diese Herausforderung durch das wiederholte Benutzen von Kampfbegriffen und Textbausteinen kompensieren zu wollen, wird der Sache nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Niedersachsen ist Agrarland Nummer eins. Wir wollen, dass das so bleibt, und wir wollen die gesellschaftliche Akzeptanz für die Tierhaltung in Niedersachsen erhalten. Das wird man nur erreichen können, wenn wir die Bedingungen nachhaltig und auf ganzer Breite verbessern.

Die jahrelange Diskussion „Hat der Verbraucher die Schuld, haben die Landwirte die Schuld, oder hat die Politik die Schuld?“ - genau das haben Sie in Ihrer Rede ja wieder markiert - gleicht der Diskussion - und das passt vielleicht ein bisschen ins Bild -, ob Henne oder Ei zuerst da gewesen ist. Dieser Widerspruch bzw. diese Frage danach muss aufgelöst werden. Die Bürger wollen mehr Tierschutz. 81 % der Verbraucher wollen das. Das hat Herr Toepffer zu Recht hier deutlich gemacht.

Die Landwirte wollen es auch, meine Damen und Herren. Sie sehen sich nur wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt und haben Angst vor Billigkonkurrenz.

(Ulf Thiele [CDU]: So ist es!)

Deshalb ist ein Tierwohllabel richtig, damit der Verbraucher an der Ladentheke entscheiden kann. „Freiwillig“ ist aber das Problem, weil Verbraucher bei den bisherigen Labels nicht sicher sein konnten, ob das Label dann auch tatsächlich ein entsprechendes Produkt nach sich zieht und sie an der Ladentheke genau das Produkt bekommen, das nach den Kriterien dieses Labels produziert worden ist. Außerdem laufen wir Gefahr, dass durch zu viele einzelne freiwillige Labels - und einen solchen Trend gibt es ja - der Verbraucher am Ende den Überblick verliert und weiterhin vor allem nach dem Kriterium „Preis“ kauft - oder vielleicht müsste man beinahe sagen: kaufen muss.

Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir Verbindlichkeit. Ich freue mich wirklich sehr darüber, dass diese Regierung, diese rot-schwarze Koalition dieses wichtige Thema jetzt in Angriff nimmt und dem Bund gelegentlich zeigt - als Agrarland Nummer eins steht uns das wohl auch zu -, wie man es macht. Ich bin unserem Ministerpräsidenten und unserer Landwirtschaftsministerin sehr dankbar für diese Positionierung. Das ist ein weiterer Meilenstein - das will ich ganz deutlich sagen - für das Agrarland Niedersachsen. Übrigens tun wir das - insofern geht ein großes Lob an den Koalitionspartner -, obwohl dieses Thema nicht im Koalitionsvertrag geregelt ist. Vielmehr machen wir es aus der Situation heraus, weil wir in der Sache gemeinsam voranschreiten wollen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Aber die Bundesregierung lehnt es doch ab!)

Dabei kommt es zunächst - aber wirklich nur zunächst - noch gar nicht im Detail darauf an, welchen höheren Level gegenüber den bisherigen gesetzlichen Vorgaben man am Ende oder jedenfalls zum Einstieg erreicht, sondern eher darauf an, den Markt möglichst weitgehend zu durchdringen - erstens, weil es nur dann eine wirkliche Verbesserung des Tierwohls geben kann, und zweitens, weil nur so vorstellbar ist, dass die dann entstehenden Mehrkosten - Herr Grupe ist ja zu Recht auf diesen Punkt eingegangen - auch tatsächlich durch den Markt erbracht werden und wir nicht einen Strukturwandel im großen Stil anheizen, den niemand, wirklich niemand wollen kann.

Nur wenn man das verbindlich regelt, schließt sich die Lücke zwischen den Preisen am Markt und den entstehenden Kosten möglichst weitgehend, wodurch der Anteil an staatlichen Mitteln reduziert wird - ich will das ausdrücklich ansprechen -, den man zusätzlich mindestens übergangsweise aufbringen muss, um den Tierhaltern für diesen Übergang eine Brücke in die Zukunft zu bauen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Das Ganze - Genehmigungsverfahren und alle diese Dinge sind angesprochen worden - muss natürlich Teil einer Gesamtstrategie Nutztierhaltung sein.

Ich will es einmal so zusammenfassen, meine Damen und Herren: Das Auto der Zukunft soll in Deutschland - wie ich finde, möglichst in Niedersachsen - vom Band rollen. Das Schnitzel der Zukunft, sofern die Leute eines essen wollen, soll unter den besten Bedingungen zu anständigen Preisen in Deutschland und am besten in Niedersachsen produziert werden. Dafür streitet die SPD. Und ich bin richtig stolz auf unsere Agrarministerin, Frau Otte-Kinast - das darf ich ganz persönlich sagen -, die hier mit uns gemeinsam voranschreitet. Das ist ein guter Tag für das Agrarland Niedersachsen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Die GroKo im Bund lehnt es doch ab!)

Vielen Dank, Herr Siebels. - Das Wort für die Landesregierung hat nun Frau Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast. Bitte, Frau Ministerin!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte eine Bemerkung vorwegschicken: Unsere Landwirtinnen und Landwirte sowie ihre Familien sind im Übrigen auch Verbraucherinnen und Verbraucher.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD und bei der AfD)

Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft und hier insbesondere die Tierhaltung steht seit Längerem in gesellschaftlicher Kritik. Umso erfreulicher ist es, dass der Bund vor einiger Zeit angekündigt hat, eine Nutztierstrategie umzusetzen, mit der das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in unsere Landwirtschaft zurückgewonnen werden soll.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Leider kein Tierschutzlabel!)

Einer der Bausteine dieser Nutztierstrategie soll das staatliche Tierwohlkennzeichen sein, dessen Eckpfeiler der Bund vor fast genau einem Jahr zum ersten Mal vorgestellt hat.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Da gab es keine Kritik von Ihnen!)

Demnach soll das staatliche Tierwohllabel drei Klassen umfassen. Es soll alle Stufen von der Geburt bis zur Schlachtung beinhalten, es soll nicht nur für Frischfleisch, sondern auch für Verarbeitungsware gelten, und es soll mehr als eine reine Handelskennzeichnung sein. So weit, so gut!