Protocol of the Session on May 15, 2019

Wer auf limitierten Flächen angesichts des Klimawandels und des Verlusts der Artenvielfalt diese Ziele umsetzen will, muss allerdings unserer Auffassung nach auch bereit sein, sich den Themen der Zukunft zuzuwenden: Digitalisierung, neue Züchtungsmethoden, Genome Editing, Forschung und Entwicklung von besserem Pflanzenschutz.

Zum Abschluss: Ja, Klimaschutz und Artensterben gehören wirklich zusammen in der Weise: Ein jeder möge in sich gehen und prüfen, worin sein Beitrag liegt, und nicht reflexartig mit dem Finger auf andere zeigen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben zum Schluss der Aussprache zu diesem Antrag zur Aktuellen Stunde eine Wortmeldung von Umweltminister Olaf Lies vorliegen. Bitte, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich sagen: Ich begrüße es sehr, dass wir die Aktuelle Stunde hier als Möglichkeit haben, über ein Thema zu sprechen, das ein Höchstmaß an Aktualität hat - leider immer wieder dann, wenn Studien kommen. Eigentlich ist das Höchstmaß erreicht, weil uns allen, glaube ich, klar ist, was in den letzten Jahrzehnten passiert ist. Wir sehen, glaube ich, auch die Zusammenhänge.

Ich will aber aufzeigen, was heute deutlich geworden ist. Es gibt ja im Haus Leute, die den Klimawandel leugnen, zumindest den vom Menschen gemachten. Und es gibt Leute, die das Artensterben leugnen, das wir alle kennen.

Ich finde, wir als demokratische Parteien hier im Parlament sind gut beraten, deutlich zu machen, dass wir diese Einschätzung nicht teilen. Denn das wäre, glaube ich, der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und von Dirk Toepffer [CDU])

Aber daran muss man sich wahrscheinlich gewöhnen, und vielleicht ist es auch nicht anders möglich.

Entscheidend ist dabei, tatsächlich beides zu sehen. Wir haben über die IPCC-Studie gesehen,

was das Thema Klimawandel bedeutet und warum Klimaschutz ein so entscheidender Faktor ist.

Wir haben bei der IPBES-Studie des Weltbiodiversitätsrats gesehen, welche Auswirkungen wir im Bereich des Artensterbens haben.

Was wir in dem Feld noch nicht haben, ist sozusagen die Konsequenz beim Klimaschutz. Dazu gibt es den Vertrag, das Pariser Abkommen. Davon sind wir beim Thema Artensterben noch weit entfernt.

Das Ziel muss sein, dass das, was der Weltbiodiversitätsrat ermittelt hat, in verantwortliches Handeln umgesetzt wird, auf das sich die Staaten verpflichten. Denn es ist kein Thema, das wir allein angehen können, auch wenn wir in Deutschland und in Niedersachsen bei diesem Thema mehr tun müssen - ohne Frage! Es ist aber trotzdem etwas, wozu die Staaten verpflichtet sind, weil wir sehen, dass wir nicht nur national, sondern auch international ein erhebliches Problem haben und Artensterben eben eine große Rolle spielt.

Wir sollten gerade in diesem Zusammenhang nicht nur das nehmen, was die Studie mitbringt. Aus meiner Sicht - davon bin ich übrigens zutiefst überzeugt - ist gerade die Krefelder Studie inhaltlich, aber auch in der Frage der Sensibilisierung für das Thema richtig. Der Hinweis, dass die Studie im Schutzgebiet stattgefunden hat, sollte uns noch mehr alarmieren. Denn wenn schon im Schutzgebiet der Rückgang erheblich ist, dann erahnen wir, was außerhalb der Schutzgebiete da ist. Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass die Krefelder Studie eine gute Grundlage ist.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Das ist sie eben nicht. Wenn wir im Schutzgebiet, wo wir uns bemühen, Anstrengungen zu unternehmen, schon einen erheblichen Rückgang haben, werden wir wohl nicht davon ausgehen können, dass außerhalb von Schutzgebieten, wo wir die Anstrengung nicht unternehmen, die Situation besser ist. Das würde ich für eine Fehleinschätzung halten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber sei‘s drum. Es kann jeder seine Haltung haben.

Was allerdings nicht geht, ist der Unsinn, den wir hier immer wieder hören, der immer wieder verbreitet wird, dass möglicherweise die Windenergie Einfluss hat. Es gibt überhaupt keine empirischen

Studien dazu. Da hat sich jemand aufgemacht mit der glorreichen Idee, mal ein Forschungsprojekt zu starten, ob nicht die Windenergie ein Problem für die Artenvielfalt und beim Insektensterben ist.

Das wird natürlich gern von denen benutzt, die sowieso sagen: Es gibt keinen vom Menschen gemachten Klimawandel. - Man erahnt schon, aus welcher Richtung solche Überlegungen kommen.

Ich glaube, da bedarf es einer vernünftigen Klarstellung. Die Daten, die wir haben, sind aus meiner Sicht eindeutig.

Die biologische Vielfalt, die für uns eine große Rolle spielt, haben wir in drei Bereichen. Sie sind übrigens alle drei wichtig. Es ist die Vielfalt der Arten, die Vielfalt der Lebensräume und die genetische Vielfalt, die übrigens auch angesichts des Klimawandels problematischer wird, weil wir die genetische Vielfalt nicht mehr haben. Deswegen ist das Thema Biotopvernetzung ein ganz großes Kernthema nicht nur innerhalb dessen, was wir machen können, sondern es ist insgesamt von großer Bedeutung.

Um diese Zahl noch einmal zu nennen: Wir haben nach derzeitiger Schätzung - so genau lässt es sich ja nicht sagen - zwischen 10 Millionen und 100 Millionen Arten auf der Erde. Experten gehen, um es greifbar zu machen, von ca. 15 Millionen aus, von denen bislang aber nur 1,8 Millionen bekannt und wissenschaftlich beschrieben sind. Aber mehr als die Hälfte davon sind Insekten. Die machen den größten Teil aus.

In Niedersachsen - einfach, um die Zahl zu nennen - haben wir 40 000 Tier- und Pflanzenarten in unserem Lebensraum.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Was wer- den Sie machen, Herr Minister?)

- Darauf komme ich gleich noch.

Die Vielfalt ist eine Grundlage. Das können wir, glaube ich, an verschiedenen Stellen sagen; es ist auch schon gesagt worden. Gerade auch das Thema Bienen, die Bedeutung der Insekten, das Thema Bestäubung sind genannt worden.

Ein Punkt ist genannt worden, der uns nachdenklich machen sollte. Wir sollten nicht erst anfangen zu handeln, wenn wir in Verletzungsverfahren und Strafzahlung gehen. Unser Ziel ist es nicht, Strafzahlung zu verhindern. Ich will es für diese Landesregierung noch einmal sagen: Das Ziel auch der Ausweisung und des Schutzes ist nicht, Strafzahlung zu verhindern, sondern etwas für Umwelt-

und Naturschutz zu tun. Das ist das Ziel, das uns verfolgt und uns vorantreibt.

Meine Damen und Herren, die Vielfalt, die wir gerade beschrieben haben, und das, was der Weltbiodiversitätsrat gesagt hat, nämlich die Sorge, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Arten, die aussterben, 100-fach größer ist als das, was wir in den letzten Millionen Jahren erlebt haben, das muss uns nachdenklich machen.

Das passt übrigens zu der gleichen Debatte wie der Klimaschutz und der Klimawandel. Auch das sind sich beschleunigende Effekte, gegen die wir agieren müssen, und wir müssen handeln. Das Handeln ist ein entscheidender Punkt. Dazu gehört die Analyse: Wo ist die Grundlage dessen, was da passiert?

Der Bestandsrückgang hat vielfältige Ursachen. Wir sind gut beraten, es nicht auf eine Ursache zu reduzieren. Wir würden sonst andere Lösungen auslassen. Ich nenne das Thema Herbizide gegen Wildkräuter und Pflanzenanbau, Insektizide gegen Schadenserreger direkt. Es geht natürlich auch um die Frage der Beseitigung von Randstrukturen, Brachland, die zahlreiche Mahd von Rainen, die wir haben und die auch liegengelassen wird, das Entfernen von Totholz in Waldgebieten, Feldgehölzen, Hecken, Obstwiesen, Aufgraben strukturreicher Bauern- und Siedlungsgärten sowie die zunehmende Versiegelung und Asphaltierung, die wir an allen Stellen haben, wobei wir täglich erleben, was da passiert. Das sorgt natürlich dafür, dass Lebensräume verschwinden und wir sie wieder schaffen müssen.

Gerade das Thema Wildbienen, das von Ihnen angesprochen wurde, ist deshalb ein ganz entscheidender Punkt. Insbesondere die Frage, wie wir damit umgehen, findet sich in dem Aktionsprogramm Insektenvielfalt wieder, das zum einen mit den Partnern, den gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden, erarbeitet wird.

Zum Zweiten sorgen wir, wie das bei solchen Aktionsprogrammen der Fall ist, dafür, dass alle Ressorts, wie in der Vergangenheit, zusammenkommen, Beispiele nennen und Vorschläge dazu machen, was man tun kann. Dabei ist natürlich die enge Zusammenarbeit gerade mit dem Landwirtschaftsministerium selbstverständlich.

Wir werden in diesem gemeinsamen Aktionsprogramm ressortübergreifend genau die Dinge benennen, die wir als Grundlage haben, aber eben nicht nur im Bereich der Landwirtschaft. Das gilt

genauso für den kommunalen Bereich und andere Bereiche.

Entscheidend dabei ist - das ist gerade zu Recht gesagt worden -: Wirklich wichtig wird sein, ob es uns gerade für die Landwirtschaft gelingt, einen Weg zu finden, mit der GAP-Reform dafür zu sorgen, dass die Landwirte nicht nur aus der ersten Säule das bekommen, was sie brauchen, damit sozusagen die Lebensgrundlage, die wirtschaftliche Grundlage geschaffen wird, sondern dass wir verstärkt in der Lage sind, eine zweite Säule der Leistung der Landwirtschaft zu finanzieren, nämlich das, was sie für Umwelt und Naturschutz leistet.

Die Landwirte sind - sie sind es bereits und können es noch stärker werden - unsere Partner für Umwelt und Naturschutz. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Dienstleistung, die sie für die Gesellschaft erbringen, bezahlt wird. Diesen Anspruch haben sie, und das muss für uns selbstverständlich sein.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Das, meine Damen und Herren, wird entscheidend sein. Der NLWKN, also wir als Haus, machen eine Informationsbroschüre, die sich an jeden richtet.

Das Thema ist auch benannt worden: Wir haben in den letzten beiden Jahren erstaunlicherweise trotz höchster Sensibilität für das Thema Insektensterben eine Zunahme merkwürdig angelegter Gärten erlebt. Der Begriff „Schottergärten“ ist genannt worden.

Der Schottergarten ist ein Problem. Der täglich durch den Mähroboter gemähte Rasen macht es aber auch nicht sehr viel besser. Es wäre schön, wenn es uns gelänge, deutlich zu machen, dass es der Nachbar auch wertschätzen sollte, wenn sein Nachbar einen Garten hat, der Umwelt- und Naturbewusstsein ausstrahlt.

Eigentlich finde ich die Vorstellung erschreckend, ich müsste bei den Menschen in den Garten gehen, um zu kontrollieren, was für einen Garten sie haben. Ich wünsche mir, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der auch der Letzte verstanden hat, dass er selber etwas tun muss, und dass wir diese Sensibilität wiederfinden. Das sollte ein Appell von uns allen an alle sein.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nach § 71 Abs. 3 - Erwiderung auf die Landesregierung - um zusätzliche Redezeit gebeten. Wir haben uns auf zwei Minuten geeinigt. Das gilt natürlich auch für andere Fraktionen.

Bitte, Herr Meyer!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Umweltminister sehr dankbar, dass er einige Mythen, die bei der CDU über Windkraftanlagen oder darüber kursieren, dass die Krefelder Studie nur Humbug sei, klargestellt hat.