Protocol of the Session on May 14, 2019

Die Probleme liegen also eher in der praktischen Umsetzung. Das heißt, man muss sich die Frage stellen: Haben wir genügend Polizisten, oder sind sie alle zu Hause, weil sie Überstunden abfeiern müssen? Stehen genügend Polizisten auf der Straße zur Verfügung? Ist die Justiz gut genug aufgestellt, um diese Taten schnell ahnden zu können? - An dieser Stelle, meine Damen und Herren, muss die Landesregierung nacharbeiten.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Im konkreten Fall dieser Autokorsos muss man zweigleisig fahren. Erstens muss man konsequent einschreiten. Das heißt, diese Korsos sind zu stoppen. Gegebenenfalls sind die Fahrzeuge bzw. die Personen zu durchsuchen, gefährliche Gegenstände sind zu beschlagnahmen, eventuell auch die Fahrzeuge bzw. die Fahrzeugschlüssel. Die Anzeigen über das, was vorgekommen ist, sind entsprechend zu schreiben. Und was auch nicht unwichtig ist: Die Störer sind für den Einsatz der Behörden finanziell in Anspruch zu nehmen. Sollte es zu Schüssen kommen - was ja auch tatsächlich passiert ist - wird die Polizei zunächst von Echtwaffen ausgehen müssen. Aber ich vertraue an dieser Stelle unseren Polizisten, die sehr genau wissen, wie man damit umgeht.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Das Zweite ist mindestens genauso wichtig, das ist nämlich die Aufklärung. Die Bremer Polizei hat da ein sehr gutes Projekt: Sie hat einen zweisprachi

gen Flyer entwickelt, der über die Konsequenzen solcher Taten aufklärt. Dieser wird im Kulturverein und in verschiedenen Geschäften - z. B. in Geschäften für Brautmoden - verteilt. Es muss also jedem Brautpaar klar sein, dass eine solche Feier abrupt enden kann und die Flitterwochen dann gegebenenfalls mit dem Fahrrad beginnen - und mit dem Fahrrad kann man nicht hupen, sondern nur klingeln, meine Damen und Herren.

Ich unterstütze gerne den Hinweis des Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, der sagte, dass Unbeteiligte solche Korsos sofort melden sollten, damit die Polizei die Möglichkeit hat, einzugreifen und tätig zu werden. Aber für Panikmache vor Machtdemonstrationen und Ähnlichem besteht nun wirklich kein Anlass. Meine Dame und meine Herren von der AfD-Fraktion, das Abendland wird auch an dieser Stelle nicht untergehen!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Genthe. - Es folgt für die Fraktion der CDU der Kollege Christian Calderone. Herr Calderone, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gerade in einer Plenarsitzung wie heute, die mit einer sehr beeindruckenden Rede von Prof. Stern begann, eine Vorbemerkung tätigen: Wie gut, dass es in Deutschland tatsächlich keine Sippenhaft und keinen Generalverdacht mehr gibt, sondern dass wir in einem freiheitlichen Land leben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der AfD)

Wenn meine Verwandten aus Sizilien und meine Verwandten aus dem Emsland Hochzeit feiern, dann sieht das ganz unterschiedlich aus - obwohl beide Seiten im Übrigen katholisch sind.

(Heiterkeit)

Insofern freuen wir uns doch mal darüber, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft einen besonderen Tag auf unterschiedliche Weise besonders feiern!

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Aber natürlich findet diese Freude immer dann ein Ende, wenn durch eine solche Feier die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Das ist immer dann der Fall, wenn beispielsweise im Rahmen von Autokorsos Straßen blockiert werden, Autorennen veranstaltet werden, Ampeln nicht beachtet werden, Verkehrszeichen missachtet werden, Dritte gefährdet oder sogar verletzt werden, Unfälle verursacht werden, Schusswaffen oder Schreckschusspistolen gebraucht werden oder Pyrotechnik und Feuerwerkskörper gezündet werden.

Zur Wahrheit gehört auch - die Vorredner haben es gesagt -, dass es hupende Autokorsos auch in anderen Zusammenhängen gibt. Herr Ahrends, das mag aus Ihrer Sicht eine gute Tradition sein, ist rechtlich gesehen aber auch eine Ordnungswidrigkeit. Eine Frage kann sein, ob die Tolerierung einer kleinen Grenzüberschreitung - die Sie als „Tradition“ bezeichnen - noch in unsere Zeit passt und ob diese Toleranz nicht am Ende dazu führt, dass immer größere Grenzüberschreitungen versucht werden; denn gewährte Toleranz setzt auch immer voraus, dass mit ihr verantwortungsvoll umgegangen wird.

Zugegebenermaßen haben wir es in den betrachteten Fällen türkischer und arabischer Hochzeitsgesellschaften mit einer deutlichen Überschreitung dieses bisher in unserem offenen Deutschland zumindest im Grundsatz tolerierten Verhaltens zu tun - einer Überschreitung, die eben nicht mehr zu tolerieren ist, aber gleichsam auch nicht toleriert wird. Deswegen ist es am Ende sogar gut, dass die AfD dieses Thema zur Aktuellen Stunde angemeldet hat; denn damit können wir als Niedersächsischer Landtag gegenüber der Öffentlichkeit deutlich machen, dass der Staat, hier das Land Niedersachsen, handlungsfähig ist und auch handelt.

Autokorsos sind tatsächlich keine rechtsfreien Zonen.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD und bei der AfD)

Sei es eine kulturelle Praxis, sei es eine Machtdemonstration - wie der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gesagt hat -, sei es ein Überschießen von männlichem Machoverhalten - wie es manche Soziologen bewerten -, sei es schlicht asoziales Verhalten - wie es die Integrationsstaatssekretärin aus NRW verkündet -, seien es stumpfe Dummheit oder auch ein mangelndes Ankommen in der europäischen Gesellschaft selbst in einer zweiten, dritten oder

vierten Migrantengeneration oder auch eine Mischung aus diesen Gründen - am Ende müssen sich die europäischen Gesellschaften und alle Migranten, die hier friedlich, aber mit ihren kulturellen Eigenheiten Familienfeiern begehen wollen - so wie ich -, dieser Exzesse erwehren. Denn Autobahnen und Innenstädte sind eben keine privaten Festsäle, wie Innenminister Herbert Reul aus Nordrhein-Westfalen es unlängst betonte! Und die Gesellschaft erwehrt sich dieser Exzesse auch; denn in der Vergangenheit ist es ja nicht nur bekannt geworden, dass es sie gab, sondern auch, dass die Polizei mit recht hoher Einsatzstärke recht schnell an den Tatorten präsent war, auch bei uns in Niedersachsen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie in so vielen Debatten hier im Landtag, sollten wir die Dinge nicht überdramatisieren, aber eben auch nicht herunterspielen. Gut ist, dass die Niedersächsische Landesregierung angekündigt hat, mit den anderen Länderpolizeien und mit der Bundespolizei ein konzertiertes Vorgehen in dieser Sache zu vereinbaren. Gut ist, dass wir eine Landesrahmenkonzeption „Kleinkriminalität“ haben, wobei Kleinkriminalität damit nichts zu tun haben muss, aber damit zu tun haben kann. Gut ist, dass CDU und SPD die Einsatz- und Personalstärke der Polizei aufstocken. Und gut ist, dass der Niedersächsische Landtag heute ein neues Polizeigesetz verabschiedet wird mit neuen Möglichkeiten für unsere Polizei im Bereich der Strafverfolgung, des Einschreitens der Dokumentation von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.

Schließlich werden wir dieses Phänomen der ausufernden Autokorsos weiterhin aufmerksam beobachten. Sollte die aktuelle Rechtslage nicht ausreichen, dann müssen wir sie verändern.

Dies alles, meine Damen und Herren, zeigt, dass am Ende nicht die AfD im Landtag zu erklären braucht, wie wir mit diesen Autokorsos umzugehen haben, sondern dass das bei SPD und CDU in guten Händen ist.

Punto e basta. Grazie.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Calderone. - Als Nächster spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Belit Onay. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD fragt sich, ob Autokorsos eine Machtdemonstration sind. Eigentlich sind Autokorsos insgesamt nicht erlaubt, das haben die Kolleginnen und Kollegen ja schon ausgeführt, Nach § 30 der Straßenverkehrsordnung sind unnützes Hin- und Herfahren und unnötiger Lärm verboten. - Das habe ich mir übrigens gleich markiert; denn „unnützes Hin- und Herfahren“ ließe sich auch auf andere Lebenssituationen anwenden.

Der sogenannte Kavalierstart, also das Durchdrehen von Rädern, oder das Aufheulenlassen des Motors sind verboten. Das Fahren ohne Gurt ist nur bis zum Schritttempo erlaubt. Schmuck an Autos ist teilweise erlaubt: Blumengestecke und dergleichen, die es gerade bei Hochzeitsautos gibt, sind zulässig, dürfen aber die Sicht des Fahrers oder der Fahrerin nicht behindern.

So haben wir auch hier in Hannover-Mitte immer wieder und gerade auch an den Wochenenden oder zu Feiertagen solche Autokorsos mit unterschiedlichsten Hochzeitsgesellschaften: bunt, bemerkbar und vor allem für die Bewohnerinnen und Bewohner ärgerlich, weil sehr, sehr laut. Aber das gehört schon ein Stück weit zum Stadtbild.

Ich will noch etwas zu den Autos sagen. Man kann schon an den Kennzeichen erkennen, dass die größeren Karosserien, die bei diesen Gelegenheiten gefahren werden - Audi Q7, Mercedes und dergleichen -, häufig Mietwagen sind. Insofern stellt sich da auch die Frage, was beschlagnahmt werden kann und was überhaupt Eigentum ist. Aber wir haben die Diskussion zu den Hochzeitskorsos nun einmal. In Nordrhein-Westfalen gibt es eine Ermittlungskommission „Donut“. Sie haben richtig gehört, das ist dieses amerikanische Kringelgebäck. In diesem Fall sind aber die Fahrspuren gemeint, die entstehen, wenn die Autos „durchgedreht“ werden. In NRW gibt es allerdings ganz andere Fallzahlen, und dort ist der Einsatz von Schreckschusspistolen wohl auch höher.

In diesem Zusammenhang will ich auch erwähnen: Bei E-Autos - das habe ich mir von einem Freund, der sich ein bisschen mit E-Autos auskennt, erklären lassen - lassen sich ein solches Aufheulen des Motors und auch ein Durchdrehen der Reifen nicht ohne Weiteres bewerkstelligen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Genau!)

Insofern wäre das für die AfD vielleicht eine Möglichkeit, sich für die Mobilitätswende zu erwärmen.

(Dirk Toepffer [CDU]: Porsche hat da etwas entwickelt!)

- Porsche hat da etwas entwickelt, höre ich gerade.

Die Ermittlungen verlaufen zum Glück aber auch ganz erfolgreich. Die Täterinnen und Täter liefern die Beweise ja im Grunde selber, indem sie das Ganze auf Facebook, auf YouTube oder in den anderen sozialen Netzwerken posten, damit posen und dieses Gehabe zelebrieren.

Ich will aber auch nicht unerwähnt lassen, dass es auch positive Autokorsos gibt. So gab es z. B. im Rahmen der Solidarität mit Deniz Yücel - dem Journalisten, der in der Türkei inhaftiert war - in zahlreichen Städten in Deutschland SolidaritätsAutokorsos von Journalistinnen und Journalisten und vielen Menschen, die sich dem angeschlossen haben. Aber es gibt eben auch - das wurde ja gesagt; nächstes Jahr wird uns das wieder heimsuchen - die Autokorsos zur Fußballeuropameisterschaft der Herren. - Ich weiß nicht, ob das für die AfD nicht auch eine zu große nationalistische Machtdemonstration ist.

Alles in allem glaube ich, dass unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten - gerade hier in Niedersachsen - gute Arbeit leisten, der Lage Herr werden, und wir keine größeren Schwierigkeiten zu erwarten haben, die unseren Straßenverkehr in großem Maße beeinträchtigen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Aus dem Plenum liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann wäre die Landesregierung dran. Herr Innenminister Pistorius, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle kennen diese sogenannten Hochzeitskorsos. In der ganz überwiegenden Mehrheit sind sie Ausdruck von überschwänglicher Freude, der für niemanden eine Gefahr darstellt. Entgegenkommende Fahrzeuge hupen begeistert mit und gratulieren zur Hochzeit oder was auch immer der Anlass ist. Das wird von der Gesellschaft genauso akzeptiert wie von der Polizei. Auch das

macht nämlich eine Bürgerpolizei aus: dass sie in solchen Situationen mit Augenmaß vorgeht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Ganz anders sieht es aber natürlich dann aus, wenn diejenigen, die in einem solchen Korso fahren, eine Gefahr für sich und andere darstellen. Es ist schlicht nicht hinnehmbar - darüber muss man nicht diskutieren -, wenn einzelne sich auf unseren Straßen so verhalten, als wären sie alleine unterwegs, und damit andere gefährden.

Und wenn aus diesem Korso heraus Straftaten oder andere erhebliche Ordnungswidrigkeiten begangen werden, hat das nichts mehr mit normalen Hochzeitsfeierlichkeiten zu tun. Wenn also Teile einer Hochzeitsgesellschaft in einem solchen Autokorso meinen, sie könnten mit einer Schreckschusspistole in die Luft schießen, Pyrotechnik zünden oder gar Bundesstraßen oder Autobahnen bis zum Stillstand blockieren und damit schwere Unfälle mindestens riskieren, dann kann und wird die niedersächsische Polizei dies nicht dulden und konsequent einschreiten. Darauf können Sie sich jederzeit verlassen. Dazu hätte es einer Aktuellen Stunde, beantragt durch die AfD, sicherlich nicht bedurft, meine Damen und Herren.

Die Verursacher müssen in diesen Fällen mit einem Strafverfahren rechnen. Das können Verfahren wegen Verstößen gegen das Waffenrecht, wegen Nötigungstatbeständen oder gar wegen Gefährdung des Straßenverkehrs sein.

Klar ist aber auch - um das in aller Deutlichkeit zu sagen -: Die rechtlichen Möglichkeiten, um gegen die Verursacher vorzugehen, sind komplett und vollständig ausreichend, meine Damen und Herren. Ein solches Verhalten - darauf will ich auch hinweisen - kann in schwersten Fällen beispielsweise neben der Strafe als solcher auch die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Fahrzeugs zur Folge haben, solange es im Eigentum des Täters steht.

Die niedersächsische Polizei wird es auch in Zukunft nicht hinnehmen, dass einzelne Verkehrsteilnehmer aus purem Eigensinn und Rücksichtslosigkeit andere Menschen in Gefahr bringen, ganz egal aus welcher Motivation und aus welchem Anlass.