Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind hier heute aufgrund des Artikels 114, aber dazu gleich.
Artikel 13 ist in den letzten Wochen dadurch sattsam bekannt geworden, dass er in der Öffentlichkeit sehr viele Wellen geschlagen hat: Proteste von Tausenden von Internetusern. Das Thema ist offensichtlich so neu, dass vor vier Wochen, beim letzten Plenum, kaum jemand von den Abgeordneten hier wusste, worum es bei Artikel 13 eigentlich geht. Inzwischen heißt er Artikel 17, und wir reden auch nicht mehr über den Artikel 11, der Presseveröffentlichungen angeht, sondern über den Artikel 15, und zwar beide zusammen in dem Titel 4 der Richtlinie zur Schaffung eines digitalen Binnenmarktes.
Ermächtigt hat sich die EU selber, diese Richtlinie zu verhängen. Sie tut das mit dem erwähnten Artikel 114. Das ist der Vertrag über die Arbeitsweise der EU, abgekürzt Artikel 114 AEUV, früher Artikel 95 EGV. Das sind eine Menge Artikel - keiner davon ist aus dem Grundgesetz.
Die EU befugt sich, Maßnahmen zu erlassen, die das Errichten und Funktionieren eines Binnenmarktes ermöglichen. Deshalb heißt diese Richtlinie auch „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“.
So, jetzt kam dreimal das Wort „Markt“ vor und sollte auch der Letzte im Saal begriffen haben, worum es bei dieser Richtlinie geht: Es geht um viel Geld. Das Internet soll zum Markt werden. Es geht also - das ist immer etwas verkürzt dargestellt, auch in den Anträgen, die Sie heute Nachmittag einbringen werden - per Text gar nicht um Upload-Filter. Es geht um Inhaltserkennungstechniken. Nach der Verordnung, die Ihre Parteien im EU-Parlament jetzt am Dienstag beschlossen haben, müssen die Nachweise dafür alle großen Player im Internet erbringen.
Die großen Player sind Verleger, die Onlineplattformen und eine Gattung, die es noch gar nicht richtig gibt, nämlich diejenigen, die die Lizenzen verwalten sollen, die später die Siebe und Filter liefern müssen, was eigentlich in den vielen hochgeladenen Inhalten gesucht wird, die täglich und stündlich auf YouTube und Ähnlichem landen. Zur Übersicht: In jeder Minute werden auf YouTube 400 Stunden Filmmaterial hochgeladen. Ein Mensch kann sich das gar nicht ansehen. Also sind hier automatische Techniken notwendig.
Wer liefert aber die Filter? Machen das die Plattformen selber, oder kommen neue Dienstleister ins Spiel, die ich mal „Lizenzverwalter“ nennen möchte? Und wonach sortieren die? Welcher Inhalt ist schützenswert? Wissen die Urheber überhaupt, dass ihr Inhalt geschützt wird, wenn sie von einem solchen Lizenzverwalter erfasst werden? Reicht die bloße Behauptung, dass ein Inhalt geschützt wird und schützenswert sein muss? Was passiert bei nationalen Unterschieden im Urheberrecht? Manche Länder haben beispielsweise strikte Restriktionen bei Panorama-Fotografien, manche nicht.
Alles, was dabei herauskommen wird, ist, dass die Großen im Internet noch größer werden. Und was machen die Kleinen? Wie werden die Einsteiger, die Neulinge, die Kreativen künftig überhaupt ihre Inhalte verbreiten können? Denn es ist eine zweischneidige Sache: Wenn ich im Internet bin, will ich vielleicht nicht sofort Geld verdienen, sondern
ich lebe von der Verbreitung. Die meisten YouTuber, die man kennt, leben nicht davon, dass ihnen irgendwelche Klicks irgendwelche Cents einbringen, sondern sie wollen Verbreitung haben, gesehen werden, Reichweite haben und User-Likes unter ihren Filmen haben - oder was immer sie einstellen. Mit wem verhandeln die später, um ihre Inhalte überhaupt hochladen zu können, und was passiert, wenn diese Inhalte hochgeladen sind und der Lizenzverwalter den Zugriff darauf sehr restriktiv kontrolliert, einschränkt, filtert und die großen Betreiber der Plattformen dieses einfach nur ausführen müssen?
Sie haben in der Ausschussanhörung, die relativ schnell und kurzfristig angesetzt wurde, eine eindeutige Warnung gehört: Es geht nicht nur um Artikel 13. Das ganze Problem ist wesentlich größer. Der Komplex ist ausgreifender, und mit den Anträgen, die Sie heute Nachmittag stellen, greifen Sie da zu kurz. Was passieren wird, ist, dass die Freiheit verschwindet. Sie können im Internet bezahlen, oder Sie werden blockiert. Wenn es so weitergeht, müssen Sie im Internet Eintritt zahlen. Am Ende droht die Digitalsteuer. Das ist eine Einkommensquelle, die die EU sehr gerne hätte und die sie sich mit dieser Methode wohl bald verschaffen wird.
Wenn ich das Abstimmungsverhalten im EU-Parlament sehe: Die ganze CDU war praktisch geschlossen dafür. Die SPD hat mal schnell geschwenkt; in den Vorentscheidungen sah es noch anders aus, da war die Hälfte auch noch für diese Upload-Filter und alles, was daran hängt. Auch die Grünen hatten noch ihren Anteil an denjenigen, die das begrüßen.
Edward Snowden - übrigens einer, der politisches Asyl in unserem Land bekommen würde - hat gesagt: Wählen Sie nicht die Union! - Daran sollte man sich vielleicht halten.
Aber noch etwas anderes schleicht hinterher: Andrus Ansip - er ist ein Vizepräsident der Europäischen Kommission - ist schon verantwortlich für den digitalen Binnenmarkt. Er hat etwas anderes vorgestellt, nämlich den Aktionsplan gegen Desinformation - und das, wohl gemerkt, bei legalen Inhalten. Desinformation heißt: unliebsame Inhalte und Kommentare sollen eingefangen, gefiltert und gesperrt werden. Die Technik ist dieselbe.
Ein Schnellwarnsystem soll aufgesetzt werden, ein Verhaltenskodex für die Plattformen und die Unterstützung der Qualitätspresse - und das im Hinblick auf die EU-Wahlen und 50 weitere Wahlen in den Mitgliedstaaten. Die dritte Maßnahme ist jetzt im März angesetzt: das Frühwarnsystem. Ich denke, das haben Sie bzw. Ihre Parteien vorgestern beschlossen.
Wenn Sie jetzt noch nicht wissen, was ich eigentlich meine, habe ich es Ihnen noch einmal aufgemalt.
Hier fehlen zwei Buchstaben. Ergänzen Sie ein „E“ und ein „U“ - dann steht da „Zensur“. Mit der EU wird es zur Zensur. Das ist das, was Sie beschlossen haben und - - -
Vielen Dank, Herr Kollege. Ich möchte ganz freundlich darauf aufmerksam machen: Wenn Sie Ihre Redezeit um 30 Sekunden überschritten haben und Sie dann darauf aufmerksam gemacht werden, dass Ihre Redezeit zu Ende ist, dann ist sie tatsächlich zu Ende. Das gilt selbst für Sie, Herr Kollege.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Dr. Alexander Saipa, SPD-Fraktion, vor. Bitte sehr!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Parlamentarischer Geschäftsführer Wiard Siebels hat es im Rahmen einer Pressemitteilung schon einmal angesprochen: In Ihrem ursprünglichen Antrag - das war unverständlich - hatten Sie Artikel 13 des Grundgesetzes erwähnt. So etwas kann ja jedem mal passieren; Sie haben das dann korrigiert. Die Frage ist nur: Haben da Ihre Filter
Aber wir reden ja heute nicht über AfD-Filterblasen, sondern über die Reform des Urheberrechts. Es ist tatsächlich schwer, jemanden zu finden, der die aktuelle und nun im EU-Parlament abgestimmte Version der Urheberrechtsreform richtig unterstützt. Datenschützer und YouTuber, große Unternehmen, kleine Start-ups, Bürgerrechtler und IT-Verbände - alle warnen vor Artikel 13, jetzt neu: Artikel 17.
Unsere Kritik an der Richtlinie bleibt im Kern, auch nach der Abstimmung, vollkommen richtig. Die überwiegende Anzahl an Artikeln in der Richtlinie allerdings enthält durchaus sinnvolle Änderungen, um das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. Das bestreitet auch so gut wie keiner. Doch Artikel 13 - heute 17 - ist derart verkorkst, dass der zu erwartende Schaden erheblich größer ist als der propagierte Nutzen. Dort ist nicht explizit von Upload-Filtern die Rede; das wissen wir. Aber den meisten Plattformen bleibt nichts anderes übrig, als alle Inhalte zu scannen, die Nutzer hochladen wollen. Bislang haften die Anbieter nämlich erst für Rechtsverletzungen, wenn sie darauf hingewiesen werden. Der Artikel 13 - neu: 17 - sieht eine Haftung ab dem Moment des Uploads vor.
Die Plattformbetreiber haben nun zwei Möglichkeiten: Entweder sie besorgen sich alle Lizenzen von allen Rechteinhabern der Welt - das ist so unmöglich, wie es klingt -, oder sie filtern vorab.
Warum sehen wir als SPD das nun auch als kritisch an? - Wirklich nur wenige Unternehmen haben die finanziellen und technischen Möglichkeiten, solche Filtersysteme zu programmieren. Die meisten davon sitzen im Silicon Valley. Europäische Start-ups haben damit keine große Chance gegen die Riesen. Wir hier im Niedersächsischen Landtag wären nicht so gründer- und technologiefeindlich; da bin ich mir sicher.
YouTube z. B. setzt bereits Software ein, die Urheberrechtsverletzungen erkennen soll. Dabei geht es aber nur um Musik - das ist eine technisch ziemlich einfache Aufgabe. Und obwohl Google wohl round about 100 Millionen Dollar in die Technik investiert haben soll, löscht das System auch immer wieder legale Videos, und es lässt sich auch missbrauchen.
Digitalisierung hin oder her - Maschinen haben eben keine Ahnung von Satire und Memes; sie können Parodien nicht erkennen und sind mit dem Zitatrecht heillos überfordert. Vorabfilterung greift nachweislich auch in die Privatsphäre ein und verstößt gegen das Recht auf Meinungsfreiheit. So urteilte der EuGH bereits 2012.
Bis die Richter die jetzt verabschiedete Richtlinie abschließend geprüft haben werden, wird es sicherlich noch einige Zeit dauern. Bis dahin können die Grundlagen für eine riesige Filterinfrastruktur vorhanden sein, bei der manche natürlich die Gefahr sehen, dass sie für eine Zensur missbraucht werden kann.
Natürlich wünschen wir als demokratische Parteien uns alle ein Netz ohne Hass, ohne Terrorpropaganda und auch ohne Verstöße gegen das Urheberrecht. Aber Filterung à la China ist sicherlich nicht die moderne Technik, die uns die Digitalisierung als einziges Mittel liefern kann.
Ich freue mich, dass die SPD-Abgeordneten im EU-Parlament die Richtlinie geschlossen nicht befürworten. Und die niedersächsischen Abgeordneten Tiemo Wölken und Bernd Lange haben explizit dagegen gestimmt.
- Sie können gleich noch einmal klatschen: Wir haben das Glück, dass unsere niedersächsischen EU-Abgeordneten die Positionierung gegen Upload-Filter unseres Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Stephan Weil auch in Europa stützen. Dafür gilt ihnen der besondere Dank der SPDLandtagsfraktion.
Heute Nachmittag - das wurde eben schon erwähnt - werden wir noch zwei Anträge zu diesem Thema in die Ausschüsse überweisen. Die weiteren Beratungen zu diesen beiden Anträgen sollten wir nutzen, um im Landtag eine gemeinsame demokratische Haltung zu der nun wohl unaufhaltsamen nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie einzufordern. Gemeinsam können wir daran arbeiten, die neue Zeit zu gestalten - und das auch ohne nur ideenlos auf Filterung zu setzen.
Herzlichen Dank, Herr Dr. Saipa. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun der Kollege Christian Meyer zu Wort gemeldet. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie stehen Sie zu Artikel 13? - Diese Frage wird, glaube ich, vielen Landtagsabgeordneten seit vielen Wochen von eigentlich allen Schülerinnen- und Schülergruppen hier im Landtag gestellt.
Es geht dabei nicht um Artikel 13 des Grundgesetzes. Es geht auch nicht um Artikel 13 der Düngeverordnung, die das Land nicht umgesetzt hat - darüber reden wir nachher noch. Es geht vielmehr um die alte Formulierung in der EU-CopyrightReform. Über 5 Millionen Menschen haben bereits Online-Petitionen gegen die EU-Copyright-Reform und Artikel 13 unterzeichnet. Tausende haben - auch in Niedersachsen - demonstriert. Wir Grüne freuen uns, dass sich so viele, insbesondere junge Menschen für ihre Rechte und ein freies Internet engagieren.