Meine Damen und Herren, der neu entfachte Konflikt in der ambulanten Pflege zeigt aber auch das absolute Desaster der niedersächsischen Pflegepolitik, vor allem aber auch das Versagen Ihrer verantwortlichen Ministerin. Denn während Frau Dr. Reimann mit kruden und wahrscheinlich verfassungsfeindlichen Paritätsideen durch die Lande läuft, bleiben die wahren Probleme hier ungelöst oder werden - wie bei der Pflege - erst gar nicht angepackt. Zu nennen wäre hier das Desaster mit der Pflegekammer.
Als Protest und Gegenwind aufkamen, verschwand Frau Doktor im politischen Niemandsland und wies jede Verantwortung von sich, obwohl es ihr Haus war, welches die Beiträge für die Pflegekammer damals durchwinkte. Das desaströse Ergebnis ist: Die Pflegekammer wurde an die Wand gefahren, Frau Modder.
Und jetzt die nächste Krise! Und anstatt anzupacken und sich um die Probleme im ambulanten Bereich zu kümmern, lässt Frau Ministerin lieber in der HAZ verkünden, sich erst einmal einen Lagebericht über die Situation erstellen lassen zu wollen. Ja, mit diesem Bericht wäre den Pflegekräften und den Patienten bestimmt geholfen! - Aber auch ohne Ironie: Mehr Verantwortungslosigkeit, Frau Ministerin, geht nicht!
Sie haben bereits beim Thema Pflegekammer eklatant versagt, und jetzt versagen Sie wieder beim Thema ambulante Pflege.
Anstatt die Pflege endlich zur Chefsache zu machen und einen Krisengipfel in Ihrem Ministerium ins Leben zu rufen, kommen nichts weiter als Pressemitteilungen und warme Sonntagsreden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin schon ein wenig erstaunt, wie einfach sich einige Oppositionsfraktionen dieses Thema machen und einfach nur über eine Ministerin schimpfen, die sich seit Wochen und Monaten mit keinem anderen Thema als mit der Pflege beschäftigt und im ständigen Kontakt mit den entsprechenden Pflegekassen und Pflegeanbietern steht.
Dabei geht es seit Jahren - ich glaube, das wissen wir alle, die wir hier sitzen, gut - immer wieder um die gleichen Streitpunkte zwischen den Pflegekassen und den Pflegeanbietern: seien es die anzusetzenden Personalkosten, seien es die Kosten für die Arbeitsbedingungen, sei es die Höhe der Pflegesätze, seien es Wegekosten - nur um einige Beispiele zu nennen. Bei all dem kann man sagen: Das sind doch Sachen, bei denen sich die Politik einmischen muss. - Ja, natürlich muss sich die Politik einmischen. Aber die Politiker sind nicht diejenigen, die entscheiden. Entscheidungen treffen immer noch die Organe der Selbstverwaltung. So ist es vorgeschrieben. Darauf sollten wir auch in der Diskussion achten.
Aus meiner Sicht ist es bedauerlich, dass wir über Jahre hinweg immer wieder feststellen müssen, dass sich die Organe der Selbstverwaltung an diesen Punkten zerstreiten und häufig versuchen,
diese in Schiedsstellenverfahren zu klären. Dabei glaube ich, dass eigentlich alle Seiten - egal, ob Pflegekassen, Pflegeanbieter oder auch Politik - das gleiche Ziel haben. Sie wollen hier in Niedersachsen für die Pflegebedürftigen eine qualitativ hochwertige Pflege anbieten.
Ich möchte gerne zwei Punkte etwas deutlicher beleuchten. Da ist zum einen die Anerkennung der tariflichen Bezahlung. Der Gesetzgeber auf Bundesebene hat dies vorgeschrieben. Ich glaube, das ist hier im Hause von allen Fraktionen begrüßt worden. Nichtsdestotrotz müssen wir natürlich auch die Betriebe auffordern - das Recht haben die Pflegekassen; das darf man in diesem Zusammenhang auch einmal sagen -, dass diese Personalkosten entsprechend dargelegt werden. Diese Personalkosten müssen auch dazu führen, dass dieses Geld bei den Pflegenden ankommt, dass die Stellen vorgehalten werden und es damit zur Verbesserungen in den Arbeitsbedingungen in der Pflege führt.
Der zweite Streitpunkt - bei gleicher Ausgangslage - betrifft immer wieder die Vergütung der Wegezeiten. Auch hier erwarten wir als CDU-Landtagsfraktion, dass die Pflegekassen diese Kosten bedingungslos anerkennen und refinanzieren, wenn sie von den Betrieben entsprechend dargelegt werden können.
Ich denke, bei ein bisschen mehr gutem Willen und Kompromissbereitschaft beider Seiten können und sollten wir langwierige und aufwendige Schiedsstellenverfahren vermeiden. Vielleicht wäre es auch hilfreich, wenn man diese Schiedsstellenverfahren und die daraus entstehenden Urteile oder Rechtssprüche - wie auch immer man das nennen will - offengelegt werden, damit jeder nachvollziehen kann, wie heute eine Schiedsstelle entscheidet. Das weiß von uns doch keiner! Wenn man das wüsste, würden sich, glaube ich, die Verhandlungspartner in den Verhandlungen mehr aufeinander zu bewegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir, dass das Sozialministerium vielleicht noch ein wenig stärker als bisher versucht - ich betone deutlich: als bisher; denn es hat das schon immer getan -, zwischen den Interessengruppen zu vermitteln und Lösungen mit den Partnern der Selbstverwaltung zu finden, auch wenn wir wissen, dass das nicht originär seine Zuständigkeit ist.
An die Organe der Selbstverwaltung möchte ich einen Appell loswerden: Gehen Sie einen Schritt aufeinander zu und versuchen Sie, sich zum Woh
le aller Pflegbedürftigen und der in der Pflege arbeitenden Menschen in Niedersachsen zu einigen! Denn nur gemeinsam und nicht gegeneinander können wir die Pflege in Niedersachsen sicherstellen und die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern, damit sich alle Niedersachsen auch in Zukunft darauf verlassen können, bei Pflegebedürftigkeit qualitativ hochwertig versorgt zu werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Nun hat Frau Sozialministerin Dr. Reimann das Wort für die Landesregierung. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Pflege ist für viele Menschen ein sehr wichtiges Thema, weil es uns alle unmittelbar betrifft. Wir alle haben pflegebedürftige Eltern, Familienmitglieder, Bekannte oder erleben es im Freundeskreis. Hier gute Regelungen zu schaffen, ist in vielerlei Hinsicht wichtig: für die pflegebedürftigen Menschen, damit diese gut aufgehoben sind; für die Angehörigen, damit diese sich in der schwierigen Situation darauf verlassen und darauf vertrauen können; für die Pflegekräfte, damit sie in ihrem harten und herausfordernden Job gute Arbeitsbedingungen haben; und letztlich ist es für uns alle wichtig. Denn in einer alternden Gesellschaft brauchen wir zukünftig verlässliche Lösungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle konnten seit der vergangenen Woche in den Medien verfolgen, dass die AWO und die Diakonie mit dem Ausstieg aus der ambulanten Pflege in Niedersachsen drohen. Von einem solchen Ausstieg wären 16 000 Pflegebedürftige und 5 000 Pflegekräfte betroffen. Als Grund dafür nennen die Anbieter eine zu niedrige Finanzierung der Leistungen durch die Kassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Ziel ist es, dass für alle hilfe- und pflegebedürftigen Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen auch in Zukunft eine gute Versorgung mit Pflegeleistungen sicher ist. Wir möchten, dass alle so lange wie möglich, so selbstbestimmt wie möglich zu Hause
wohnen können und ein Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung nur dann erfolgen muss, wenn es zu Hause wirklich nicht mehr geht.
Leider - das ist hier ja auch angeklungen - erreichen uns immer wieder Hinweise, dass pflegebedürftige Menschen nur schwer einen ambulanten Pflegedienst finden, der ihre Versorgung übernehmen kann. Das ist insbesondere in ländlichen Regionen ein Problem; denn hier spielen Wegezeiten eine sehr große Rolle. Ich habe deshalb Verständnis dafür, dass die AWO und die Diakonie als große Betreiber von ambulanten Pflegediensten jetzt an die Öffentlichkeit gegangen sind und auf die angespannte Situation aufmerksam gemacht haben. Aus meiner Sicht kann es aber nicht der richtige Weg sein, Pflegedienste zu schließen, wie es jetzt angedroht ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene habe ich mich für eine höhere Vergütung der Wegezeiten eingesetzt.
Dieser Einsatz hat sich gelohnt. Die Forderung wurde durch den Bund bereits umgesetzt und ist inzwischen sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Pflegeversicherung umgesetzt. Nach dem Gesetz dürfte es also überhaupt keine Probleme bei der Anerkennung von Wegezeiten geben.
Sehr geehrte Damen und Herren, in Niedersachsen haben wir uns in unserer Koalitionsvereinbarung sehr klar zu Tariflöhnen bekannt. In der Pflegeversicherung gibt es bereits seit 2017 eine Regelung, dass Tariflöhne in den Vergütungsverhandlungen als wirtschaftlich anerkannt werden müssen. Für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege, die über die Krankenversicherung, über das SGB V, finanziert werden, gibt es seit diesem Jahr mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz auch eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Die Vertragspartner sind jetzt gefordert, die gesetzlichen Vorgaben zugunsten einer guten Versorgung in Niedersachsen in den aktuellen Verhandlungen umzusetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Parlamentarier, wir haben uns als Landesregierung hier klar für die Pflegebedürftigen und für die Pflegekräfte positioniert. In unserer Konzertierten Aktion Pflege auf Landesebene arbeite ich daran, die Konflikte in der Pflege zu lösen und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Im neuen Nieder
sächsischen Pflegegesetz, das ich noch in diesem Jahr vorlegen werde, werden wir die Investitionsförderung an die Zahlung von Tariflöhnen knüpfen. Denn eines ist klar: Die Situation in der Pflege entscheidet sich daran, dass wir zu guten Arbeitsbedingungen kommen. Tariflöhne und eine angemessene Finanzierung der Wegezeiten sind dafür Grundvoraussetzungen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen zu dem Antrag der SPD-Fraktion zur Aktuellen Stunde liegen nicht vor, sodass ich diese schließen kann.
c) Filter, Sperren und Schranken im Internet? - Der Artikel 13 des Grundgesetzes und seine hässlichen Verwandten - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/3310