Protocol of the Session on December 13, 2017

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Diese Maßnahmen müssen aber auch zielgerichtet sein. Die erste Frage muss also lauten: Wie sind eigentlich die Verbreitungswege? - Nur wenn man die Verbreitungswege kennt, kann man auch die richtigen Maßnahmen einleiten.

Die Afrikanische Schweinepest wird über Blut und Gewebereste weitergegeben. Ein Wildschwein kann durchaus ein Hausschwein anstecken und umgekehrt, und zwar durch Beißen, durch das Fressen von Kadavern oder rohen Wurstwaren. Das muss man eindämmen. Aber man muss auch berücksichtigen - das ist zum Teil schon angesprochen worden -, dass der Mensch selbst Überträger dieser Krankheit sein kann - also nicht dadurch, dass er selbst krank wird, aber dadurch, dass er kontaminiertes Material in Ställe einschleppt.

Das muss beachtet werden. Ich glaube, man darf dabei keine Risikogruppe auslassen. Natürlich gibt es viele Reisende und den viel zitierten Lkw-Fahrer aus dem Baltikum, der hier auf dem Rastplatz etwas ins Gebüsch werfen könnte. Aber es geht z. B. auch um Jagdtouristen, und zwar nicht nur aus Osteuropa, sondern auch aus dem Ursprungsgebiet Afrika. Diese müssen selbstverständlich beachten, was noch an ihrer Kleidung ist. Jagdtrophäen oder Jagdwaffen sind ein Problem. Die müssen im Prinzip alle dekontaminiert werden. Man darf natürlich nicht, wenn man zurück ist, im Safarianzug mit der Jagdtrophäe und der Warzenschweinsalami in den Stall des Nachbarn gehen und die Trophäe vorzeigen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das macht ja auch keiner!)

Auch wenn das vielleicht etwas konstruiert ist, ist das nicht vollkommen ausgeschlossen. Wir müssen also die Risikogruppen identifizieren.

Ich möchte noch auf den Hauptpunkt in Ihrer Rede kommen, auf die Forderung nach einer schärferen

Bejagung von Schwarzwild. Es ist richtig, dass wir sehr große Schwarzwildbestände hier in Niedersachsen haben. Aber die Frage ist, ob die Jagd wirklich dazu beitragen kann, diese nachhaltig zu reduzieren. Ich glaube, in der aktuellen Situation, in der wir sehr viele Maisfelder haben, in der z. B. die Fütterung immer noch nicht unterbunden wird, werden wir es nicht schaffen, die Bestände mit jagdlichen Methoden wirklich zu reduzieren.

Ich fände es richtig, wenn diese Fütterungen, die von Januar bis April möglich sind, tatsächlich unterbunden werden. Ausnahme muss natürlich die sogenannte Notzeit sein. Aber ich glaube, man hält absichtlich die Bestände hoch. Wir haben da einen gewissen Interessenkonflikt. Der Jagdausübende, der Revierinhaber hat ja nicht unbedingt ein Interesse, den Wildbestand in seinem Revier künstlich niedrig zu halten; denn er möchte eigentlich etwas erlegen. Deswegen ist das Thema Fütterung so unglaublich wichtig und muss auch angegangen werden. Das geht so nicht. Das ist allerdings immer von der Kirrung zu unterscheiden, bei der nur eine ganz kleine Menge zum Anlocken ausgebracht wird.

Sie haben in den letzten Tagen in öffentlichen Äußerungen schon gesagt, es müsse ganzjährig bejagt werden. Frischlinge und Überläufer dürfen ohnehin ganzjährig bejagt werden. Der Problemfall sind jetzt die Bachen. Wie will man eigentlich in der Schonzeit die Bachen unterscheiden, welche eine führende Bache ist, also sozusagen noch Frischlinge im Kessel hat? - Es ist nicht waid- und nicht tiergerecht, das Risiko einzugehen, dass die Muttertiere geschossen werden und die Frischlinge verhungern.

Ich glaube, dass man die Grundsätze der Waidgerechtigkeit nicht über den Haufen werfen und sich treiben lassen darf. Gleiches gilt für die Jagd mit Nachtzielgeräten. Nachtsichtgeräte darf man benutzen, aber Nachtzielgeräte eigentlich nicht. Ich glaube, es muss vorher an ganz anderen Stellen präventiv gearbeitet werden.

Noch ein weiterer Punkt: Das Risiko setzt sich immer aus der Eintrittswahrscheinlichkeit und dem Schadenspotenzial zusammen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

- Genau.

Durch die Sicherheitsmaßnahmen versuchen wir die Eintrittswahrscheinlichkeit zu verringern. Aber das Schadensausmaß hat natürlich auch etwas -

ich muss es jetzt sagen - mit der Massentierhaltung hier in Niedersachsen zu tun.

(Martin Bäumer [CDU]: Aha!)

Wir haben eine hohe Dichte in einigen Gebieten. Dort ist natürlich die Wahrscheinlichkeit der Übertragung größer. Wir haben sehr große Betriebe, die vielleicht sonst auch tiergerecht arbeiten können. Aber wenn ein Fall in einem großen Betrieb auftritt, dann muss natürlich auch eine sehr große Menge an Schweinen gekeult werden. Das muss man an dieser Stelle auch einmal hinterfragen dürfen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Jetzt hat sich Kollege Grupe zu einer Kurzintervention gemeldet. Aber § 77 Abs. 2 GO LT besagt, dass die Kurzintervention nicht für die Aktuelle Stunde gilt, lieber Kollege Grupe.

(Hermann Grupe [FDP]: Ja, ja! - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Einen Versuch war es wert!)

- Ein kleiner Test ist immer erlaubt.

Es folgt für die CDU der Kollege Helmut Dammann-Tamke. Bitte!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der FDP-Fraktion sehr dankbar für die Einbringung dieses Themas. Ohne Zweifel hätte der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Hausschweinbeständen in Niedersachsen verheerende volkswirtschaftliche Schäden zur Folge. Wir sprechen über Schäden in Milliardenhöhe.

Dieses Szenario bewegt sich aus der östlichen Himmelsrichtung auf uns zu. Das Ganze lief bis vor Kurzem sehr gemächlich ab. Das Virus wurde über die Schwarzwildpopulation über soziale Kontakte seitens der Wildschweine weitergetragen und hatte eine Ausbreitungsgeschwindigkeit gen Westen von im Durchschnitt 15 bis 50 km pro Jahr.

Von daher schienen das Risiko und das Szenario eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest für uns alle gemeinsam noch relativ überschaubar und weit weg. Allerdings haben wir - das klang eben schon an - in den letzten Wochen zwei Ausbrüche erlebt, die sich wesentlich weiter im Westen

ereignet hatten - das war ein Sprung um Hunderte von Kilometern -, nämlich an der tschechischösterreichischen Grenze und vor ca. vier Wochen im Großraum Warschau.

Dieses Springen des Virus über Hunderte von Kilometern ist ohne Zweifel nur durch einen Umstand zu erklären, nämlich den, dass Transitreisende - vielleicht Lkw-Fahrer - Lebensmittelreste unachtsam an den Rastplätzen freigesetzt haben und Wildschweine diese aufgenommen haben. Von daher steht außer Frage, dass wir ganz andere präventive Ansätze benötigen und auch Aufklärungsarbeit leisten müssen.

Herr Kollege Birkner, der Punkt, an dem ich nicht mitgehen kann, ist Ihr Vorwurf - Sie haben häufig in Richtung der neuen Landwirtschaftsministerin geschaut -, dass durch diese politische Verantwortung in den letzten Wochen nichts passiert sei. Die Landwirtschaftsministerin ist gerade mal seit drei Wochen im Amt. Meines Wissens hat sie einen ihrer ersten Termine mit einem externen Verband - wenn nicht gar den ersten Termin - mit der Landesjägerschaft genau zu dieser Thematik absolviert. Von daher ist das Bewusstsein um die Tragweite dieses Themas bei ihr ohne Zweifel vorhanden.

Bei ihrem Vorgänger habe ich da eine durchaus andere Einschätzung. Niedersachsen war im September Gastgeber der Agrarministerkonferenz. Die Agrarministerkonferenz hat sich dieser Problematik in drei Punkten - nämlich Situationsbericht, „Maßnahmen zum Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest“ und „Afrikanische Schweinepest: Rechtsinstrumente verbessern - Jagdstrategien weiterentwickeln“ - sehr intensiv zugewandt.

Frau Kollegin Staudte, es klang auch in Ihren Worten an. Sie haben ja nach dem Motto „Jagdstrategien sind nicht das Mittel der Wahl“ argumentiert. Zu diesem Punkt haben die Agrarminister der Länder eine bemerkenswerte Protokollerklärung abgegeben:

„Die … Länder bitten den Bund im Rahmen der Bund-Länder-Task-Force ‚Tierseuchen‘, Regulationsstrategien zur nachhaltigen Reduzierung des Schwarzwildbestandes zu entwickeln und rechtlich alle Maßnahmen voranzutreiben, die die Bejagung effizienter gestalten und den örtlichen Revierinhabern möglichst breiten Spielraum für revierspezifische Lösungen eröffnen.“

Diese Protokollerklärung wird von uns sicherlich in der ganzen Breite dieses Parlaments mitgetragen. Drei Bundesländer sahen sich allerdings nicht in der Lage, sie mitzutragen. Dabei handelt es sich zum einen um Berlin und Bremen - wo die Schweinehaltung und vielleicht auch die Wildschweinbestände und die Jagdreviere zugegebenermaßen nicht die ganz große Rolle spielen -, aber zum anderen eben auch um Niedersachsen, wo die Schweinehaltung sehr wohl eine hohe wirtschaftliche Bedeutung hat. Es war ausgerechnet Niedersachsen, das Agrarland Nummer eins, das bei dieser Protokollerklärung nicht mitgegangen ist.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Von daher haben wir in den letzten Wochen und Monaten bei diesem Thema wertvolle Zeit verloren,

(Widerspruch von Miriam Staudte [GRÜNE])

und deshalb bin ich der neuen Ministerin sehr, sehr dankbar, dass sie dieses Thema ganz nach oben auf die Agenda gesetzt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Jetzt noch einmal in die Richtung des Kollegen Dr. Birkner, den ich persönlich sehr schätze,

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Aber?)

der aber im Gegensatz zur Kollegin Staudte über eine nicht so große praktische Jagderfahrung verfügt.

Herr Dr. Birkner, es klingt charmant, über Nachtsichtzielgeräte die Jagd 24 Stunden lang, also rund um die Uhr und unabhängig vom Tageslicht, ausüben zu können. Bei dieser Überlegung machen Sie nur leider einen Kardinalfehler: Beim Wildschwein handelt es sich um eine hochintelligente Spezies. Wildschweine im Sozialverband Rotte wissen ganz genau - es dauert 14 Tage, bis die Anführerin der Rotte das erkannt hat; in der Regel sind das weibliche Tiere; dort haben die Frauen das Sagen -:

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sehr gut! - Heiterkeit)

Tageslicht oder Dunkelheit spielen keine Rolle! Du darfst dich grundsätzlich nur dort bewegen, wo du mit der Nase vorher über den Wind gesichert hast!

Damit will ich sagen: Im ersten Moment klingt der Vorschlag charmant. Er suggeriert, dass wir die Effektivität der Bejagung deutlich erhöhen können.

Aber tatsächlich läuft dieser Ansatz ins Leere. Er läuft auch in Sachen Jagdethik - da bin ich ganz bei der Kollegin Staudte - ins Leere. Deshalb müssen wir in den entsprechenden Arbeitsgruppen, in die neuerdings auch die Landesjägerschaft eingebunden ist, für strategisch gute Ansätze sorgen.

(Glocke des Präsidenten)

Eines noch zum Schluss: Wenn wir die Weiterverbreitung des Virus aus der Schwarzwildpopulation unterbinden wollen, müssen wir ihre Dichte auf 0,5 Tiere je 100 ha absenken. Das werden wir im Osten unseres Heimatlandes, in der Lüneburger Heide, aufgrund der umfangreichen Waldbestände nicht erreichen. Aber in unseren Zentren wie Cloppenburg und Vechta, wo wir eine Jahresstrecke von 200 Tieren haben, ist dieses Ziel bei einem strategisch guten Ansatz erreichbar. Ich glaube, dass wir uns gemeinsam auf einen sehr guten Weg machen werden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.