vation und der technische Fortschritt galoppieren der Verwaltung im Moment davon. Ich bin kein Historiker, aber das wird wahrscheinlich schon immer so gewesen sein. Ich stelle mir das so vor, dass auch zehn Jahre nach Einführung des Buchdrucks Steuerbescheide noch in Steintafeln gemeißelt und verschickt wurden. Auch 20 Jahre nach der Erfindung des Computers wurden Einspruchsentscheidungen mit der Schreibmaschine geschrieben. So ähnlich war das im Übrigen durchaus.
Es gibt zahlreiche Beispiele, an denen man erkennen kann, wie die Digitalisierung unsere heutige Welt verändert hat. Denken Sie daran, wie man heute Konsumgüter erwirbt! Ich denke da an die Windelflatrate, die ich mal bei einem großen Versandhaus bestellt habe, als meine Tochter noch klein war. Sie können heute sogar Nahrungsmittel digital bestellen. Alles können Sie über verschiedenste Modelle auch digital bezahlen. Es gibt übrigens auch Organisationen wie die Sparkassen, die an der Stelle schon einen richtig großen Schritt weiter sind, nachdem sie als staatsähnliche Institute die Digitalisierung am Anfang irgendwie verschlafen haben; sie holen jetzt richtig massiv auf.
Wer das nicht tut, ist die Verwaltung. Die Verwaltung stolpert in allen Bereichen hinterher. Was ist also zu tun? Eine Regierungskommission zu bilden, ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber nicht so, wie das hier gemacht wurde! Das muss nach unserer Vorstellung - da folgen wir der Antragstellerin - vielmehr erstens unabhängig geleitet sein. Wenn es irgendwo das Erfordernis gibt, sich von Externen beraten zu lassen, dann doch bei so etwas, wenn es um die Verwaltung selbst geht. Das kann nicht aus der Verwaltung selbst kommen! Wir wären gut beraten, das wirklich extern zu vergeben und möglicherweise - das wird auch im Antrag genannt - durch Kräfte der Fraktionen quasi begleiten zu lassen.
Die Kommission muss zweitens natürlich umfassend über die Verwaltung befinden können und nicht nur über ausgewählte Bereiche. Gerade die Bereiche, die Kernthema des Landes sind - Finanzverwaltung, Polizei usw. -, bewegen die Bürger. Auch diese Bereiche müssen mit unter die Lupe genommen werden. Gerade diese auszunehmen, ist natürlich völlig albern.
Drittens dürfen die Ergebnisse der Kommission nicht schon vorher quasi feststehen. Die Arbeit der Kommission muss völlig ergebnisoffen sein.
Der einzige Punkt, der uns am Antrag fehlt - das werden wir dann im Ausschuss beraten -, ergibt sich daraus, dass der Antrag sehr personalzentriert ist; so lese jedenfalls ich ihn. Das ist beim Vorschlagswesen aufgenommen worden. Ich finde, der Aspekt der Digitalisierung muss dabei eine größere Rolle spielen. Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, dass wir jetzt meinen, Digitalisierung bestehe einfach darin, dass aus dem früheren Brief heute eine E-Mail wird, sondern die Digitalisierung bietet weit mehr Möglichkeiten. Das besprechen wir dann im Ausschuss.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir vorab eine persönliche Anmerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Beim Titel Ihres Antrags hat es mich nämlich gleich das erste Mal durchzuckt: „Verwaltung reformieren statt aufblähen“.
Ich finde das ein Stück weit stark, gerade auch vor dem Hintergrund der vergangenen Tage, als wir darüber gesprochen haben, dass Sprache eigentlich doch einiges aussagt. Wir müssen mittlerweile auch hier bei uns im Parlament leider feststellen, dass in der Sprache hin und wieder eine Verrohung hinzugekommen ist.
Besonders durchzuckt hat es mich, als ich gelesen habe, dass der Antrag ein Antrag der FDP-Fraktion ist. Das Wort „aufblähen“ steht meiner Kenntnis nach zwar nicht auf unserem Index. Dennoch, finde ich, suggeriert es von vornherein, dass wir ganze Heerscharen von Menschen in der Landesregierung haben,
Däumchen drehen oder den ganzen Tag mit sinnlosen Aufgaben beschäftigt sind. Das ist nicht so! Gerade auch als Mensch, der selbst jahrelang in einer Verwaltung gearbeitet hat, finde ich das mehr
als unpassend und respektlos gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Landesverwaltung.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: Das hat doch nichts mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun!)
Ich finde es gut, dass Sie unseren Koalitionsvertrag regelmäßig lesen und ihn auch so gut finden, dass Sie regelmäßig auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags pochen, Herr Grascha.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Sie am liebsten selbst mit am Kabinettstisch gesessen hätten. Aber das waren zwei ganz andere Geschichten in der Vergangenheit.
Lassen Sie mich eines vorwegnehmen: Aufgabenkritik, Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung sind bei dieser Landesregierung in den allerbesten Händen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Grundsätzlich steht auch fest: Wir schließen Koalitionen, um Mehrheiten bilden zu können, um anschließend eine Landesregierung bilden zu können. Ich weiß, dass Koalitionsbildungen eine bestimmte Agenda zugrunde liegt, die abgearbeitet werden muss. Auch Sie sollten mitbekommen haben, dass das von Zeit zu Zeit der Fall sein muss, um sich dann im Verwaltungs- und Regierungshandeln daran orientieren zu können.
Dass Sie eine politisch neutrale Besetzung der Regierungskommission fordern, ist schlichtweg absurd.
Dass Sie zeitgleich der Regierung auch noch die nötige Expertise absprechen, mutet fast schon anmaßend an. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Sie sich als Opposition verhalten hätten, wenn wir für diese Aufgaben die Verantwortung komplett an Externe abgegeben hätten: wegducken, verant
wortungslos, mutlos! - Das wären die Stichworte, über die wir uns stattdessen heute im Plenum unterhalten müssten. Die Landesregierung ist gewählt und auch gewillt, die Verantwortung zu übernehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In einer weiteren Passage fordern Sie, zu priorisieren, welche Aufgaben „reorganisiert, optimiert, kommunalisiert oder privatisiert werden können“. Am Anfang des Antrags sprechen Sie vom Leitbild eines schlanken Staats; Herr Grascha hat das vorhin auch gesagt.
Ich erinnere mich nämlich noch gut an die Novelle des NKomVG in der vergangenen Legislaturperiode, mit der wir wieder eine Rückkehr zur echten wirtschaftlichen Betätigung unserer Kommunen erreicht haben. Bis dahin hat diese nämlich genau auf dem Kopf gestanden,
weil ihnen per se unterstellt worden ist - na klar, Herr Birkner! -, dass die Angebote privater Unternehmen grundsätzlich wirtschaftlicher und besser seien als die öffentliche Hand.
Ein Zustand, den unsere Kommunen mit Sicherheit nicht wieder haben wollen und wir hier in der Landesregierung auch nicht.
Was ein schlanker Staat anrichten kann, können wir aktuell beispielsweise auch bei der Deutschen Bahn beobachten. Das Stichwort heißt in diesem Zusammenhang ganz einfach „Daseinsvorsorge“. Daseinsvorsorge - das kann ich Ihnen sagen - ist mit meiner Fraktion mit Sicherheit nicht verhandelbar, verehre Kolleginnen und Kollegen.
Noch ein Wort zu unseren Kommunen: Ich finde es richtig und wichtig, dass Sie auch im Antrag genannt haben, dass die verfassungsrechtlich gesicherte institutionelle Selbstverwaltungsgarantie selbstverständlich gehalten werden soll. Schön wäre es allerdings gewesen, wenn Sie diese bei
den Forderungen nicht gleich über Bord geworfen hätten. Eine weitere Kommunalisierung von Landesaufgaben kann und darf es nicht geben, wenn man es mit der Selbstverwaltungsgarantie wirklich ernst meint, nämlich nur im absoluten Einvernehmen mit den Kommunen selbst.
In diesem Zusammenhang würde ich einfach mal ganz ehrlich darüber nachdenken, wie es mit den Bezirksregierungen war, die seinerzeit abgeschafft worden sind. Spätestens seit den Jahren 2015 und 2016, als wir eine Vielzahl von Geflüchteten bei uns in Niedersachsen unterzubringen hatten, aber auch seit 2017 mit der Hochwasserkatastrophe wissen wir, dass uns eine dezentrale Verwaltungsmittelinstanz gerade in einem Flächenland wie bei uns in Niedersachsen einiges hätte ersparen können.
Noch etwas zu der von Ihnen eingeforderten politischen Kultur, die es gebietet, dass Sie an dem Vorhaben beteiligt werden. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass, als seinerzeit die Bezirksregierungen abgeschafft worden sind, die damalige Opposition hier einbezogen worden ist. Entweder hat die von Ihnen gestützte Landesregierung seinerzeit die politische Kultur missachtet, oder sie hat es schlicht und ergreifend gar nicht gegeben.