In diesem Sinne denke ich, dass wir uns in diesem Hause - so nehme ich es wahr - sehr einig sind. Es wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen, ob sich Konsequenzen aus den Worten ergeben, die wir heute gehört haben. Denn jeder von uns hat es in der Hand, seinen Beitrag dazu zu leisten, wie die Debattenkultur sich gestaltet, wie aggressiv die Tonlage ist. Wenn es erneut zu solchen Taten kommen sollte, dann wird sich jeder fragen müssen, ob er womöglich einen Beitrag dazu geleistet hat.
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Pistorius das Wort. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße sehr, dass wir heute einmal über politisch motivierte Gewalt, aber vor allen Dingen - im Vorfeld davon - auch über die Sprache in der politischen Auseinandersetzung sprechen.
Ich möchte aber vorweg sehr deutlich sagen - das wird Sie nicht überraschen -: Das Ausüben von Gewalt zur Durchsetzung politischer Interessen ist in keiner Weise zu rechtfertigen. Da gibt es keine Zwischentöne. Gewalt als Mittel ist nicht vereinbar mit den Prinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Wir als Landesregierung und auch ich persönlich verurteilen politische Gewalttaten aufs Schärfste.
Das Gewaltmonopol des Staates geht allein vom Staate aus. Wer meint, das Recht in die eigenen Hände nehmen zu dürfen, wer meint, sich nicht an die Spielregeln unserer parlamentarischen Demokratie halten zu müssen, der wird mit aller Konsequenz unseres Rechtsstaates rechnen müssen.
Meine Damen und Herren, leider erleben wir insbesondere in den Bereichen Links- und Rechtsextremismus sowie Islamismus, immer häufiger aber auch bei den Reichsbürgern eine erkennbare Be
reitschaft zur Gewalt. Diese richtet sich insbesondere und meistens gegen das politische Gegenüber, zunehmend aber auch gegen Vertreterinnen und Vertreter des Staates als solche. Die Anschläge, die Attentate auf Kommunalpolitiker in Nordrhein-Westfalen oder zuletzt in Bremen machen das deutlich.
Ich sage in aller Unmissverständlichkeit: Egal, wie sehr man die politische Gesinnung eines anderen ablehnt, Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Gewalt löst niemals Probleme oder Meinungsverschiedenheiten. Sie gießt Öl ins Feuer und verschärft die Lage.
Unsere Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden schöpfen daher alle verfügbaren und rechtlich zulässigen Instrumente aus, um solche Taten konsequent aufzuklären und zu verfolgen.
Auch wenn der Eindruck vieler Menschen möglicherweise ein anderer ist: Die Zahl der politisch motivierten Straftaten war im Jahre 2017 rückläufig. Das hängt natürlich auch mit der sehr guten Arbeit der Sicherheitsbehörden zusammen, für die ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken möchte.
In Niedersachsen konnten wir erfreulicherweise einen sehr deutlichen Rückgang der politisch motivierten Gewaltdelikte verzeichnen: Im Jahr 2017 sank die Zahl gegenüber dem Vorjahr - 2016 - um fast 60 %. Damit liegt Niedersachsen klar über dem Bundestrend, wo es einen Rückgang um lediglich knapp 13 % gab. Für das Land Niedersachsen war das übrigens im Zehnjahresvergleich der absolute Tiefstand.
Für das Jahr 2018 gehen wir von einem leichten Anstieg aus. Die genauen Zahlen werden gerade von LKA und BKA erhoben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jede politische Gewalttat ist eine zu viel. Deshalb ist es uns als Landesregierung ein zentrales Anliegen, solche Taten von vornherein zu verhindern. Dazu gehören repressive, aber auch präventive Ansätze. Der Verfassungsschutz und die Polizeibehörden arbeiten hier seit Jahren eng vernetzt zusammen. Sie haben alle Extremismusbereiche sehr genau
Ich habe es hier und anderswo schon öfter betont: Gesellschaftlicher Frieden, gesellschaftlicher Zusammenhalt in einer pluralen, freiheitlichen Demokratie - das ist die gemeinsame Aufgabe von uns politisch Verantwortlichen.
Wenn AfD-Politiker nun davon sprechen, dass die etablierten Parteien das politische Klima aufgeheizt hätten, dann mutet das, diplomatisch formuliert, etwas merkwürdig an, und es verdreht die Zusammenhänge. Wir müssen es leider benennen - es ist hier deutlich geworden -: Sie sind es in den letzten Jahren immer wieder gewesen, die mit Anfeindungen gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger und gegen Vertreterinnen und Vertreter der von Ihnen so genannten Altparteien dieses Klima verschärft und vergiftet haben.
Meine Damen und Herren, Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Partei stigmatisieren und beleidigen ganze Bevölkerungsgruppen - Frau Weidel: „Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner“ - und wollen damit einen Keil in die Gesellschaft treiben. Deswegen sage ich noch einmal: Es kommt auf die eigene Wortwahl, auf die eigene Diktion an. Die Worte sind sorgfältig zu wählen.
Herr Wichmann, ich stimme an dieser Stelle Herrn Birkner ausdrücklich zu - das ist im Verhältnis zu ihm anders als in seinem zu Herrn Watermann; ich stimme ihm öfter mal zu -: Es reicht nicht, zu sagen: Wir dürfen verbal aufeinander eindreschen, solange wir nur die Grenze zur körperlichen, physischen Gewalt nicht überschreiten. - Das ist ein Irrtum. Sprache ist der Ausgangspunkt von Gewalt.
Es gibt keine Gewalt, ohne dass vorher eine Sprache zu hören war, die Gewalt überhaupt erst ermöglicht, sie verharmlost oder den Weg zu ihr bereitet.
Wenn Sie davon sprechen, dass Gewalt zu verurteilen ist, dann sind wir uns an diesem Punkt einig. Aber wer permanent andere Menschen stigmatisiert, ausgrenzt, beleidigt - einschließlich des politischen Gegners -, der sorgt dafür, dass andere, die nicht so differenziert damit umgehen wie wir in der parlamentarischen Auseinandersetzung, den
Das ist die gefährliche Entwicklung, auf die wir achtgeben müssen. Wir haben die Verantwortung dafür, welche Worte wir im Umgang mit dem politischen Gegner, aber erst recht mit denjenigen wählen, über die wir reden: Flüchtlinge, Minderheiten usw.
Das ist unsere Verantwortung und nicht zuletzt auch Ihre, meine Damen und Herren von der AfD, nach den Auseinandersetzungen der letzten Jahre.
Wenn wir also den Titel der Aktuellen Stunde „Politische Gewalt nicht unterstützen“ ernst nehmen, dann muss das zwingend bei der Sprache und bei der Wortwahl anfangen. Ja, man darf zuspitzen, und gerade wir in der politischen Auseinandersetzung dürfen das in der Tat, auch um Unterschiede deutlicher erkennbar werden zu lassen - aber eben nicht auf dem Rücken Dritter, nicht auf dem Rücken anderer Menschen.
Meine Damen und Herren, wir alle haben ein Interesse daran und müssen dafür sorgen, dass wir und auch unsere Kinder und Enkelkinder in Zukunft in einer Gesellschaft leben können, in der politische Gewalt keinen Platz hat. Wir als Niedersächsische Landesregierung nehmen das sehr ernst und verfolgen politische Gewalttaten, wo immer sie auftreten, und werden das auch in Zukunft tun.
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Meine Damen und Herren, zur Debatte als solcher liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.
Allerdings hat sich der Kollege Harm Rykena, Fraktion der AfD, zu Wort gemeldet. Er möchte eine persönliche Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung abgeben. - Sie wissen, dass das u. a. voraussetzt, dass Sie persönlich angegriffen worden ist.
Ja. Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Limburg hat eben in seiner Rede fälschlicherweise behauptet,
auf der Demo in Chemnitz, an der ich teilgenommen habe, sei es am Ende zu Gewalttaten gekommen. Das kann Herr Limburg noch so oft wiederholen, es entspricht nicht der Wahrheit. In Chemnitz habe ich an einem Schweigemarsch teilgenommen.
Wir sind 500 m weit gekommen. Wir haben zwei Stunden lang geschwiegen. Nichts weiter hat dort stattgefunden. Das Fernsehen hat zugegeben, dass es von anderen Veranstaltungen Bilder hineingeschnitten hat, weil es in Chemnitz keine Bilder gab, die Entsprechendes belegt hätten - obwohl überall Fernsehkameras waren.
Es ist eine Falschbehauptung und ein gutes Beispiel für manche Verdrehung, die wir leider eben in den Redebeiträgen hören mussten.
(Miriam Staudte [GRÜNE]: Jetzt zitie- ren Sie noch den ehemaligen Verfas- sungsschutzpräsidenten - dann wird es ganz verrückt!)
Meine Damen und Herren, bitte keine Zwischenbemerkungen! - Jetzt erhält ebenfalls zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 der Geschäftsordnung der angesprochene Kollege Limburg das Wort.