Protocol of the Session on November 14, 2018

Hinzu kommt, dass es sich meistens um verhältnismäßig geringe Summen im vierstelligen Bereich handelt. Insoweit kann man eher mutmaßen, dass ein solches Zwangsgeld dem Charakter einer nochmaligen Aufforderung an die Behörde gleichkommt, die Entscheidung des Gerichtes nun umzusetzen.

Unbenommen ist den Gerichten übrigens die Information von Aufsichtsbehörden oder von Verwaltungsspitzen. Zudem entsteht selbstverständlich durch eine Zwangsgeldfestsetzung auch ein gewisser öffentlicher Druck. Und das, meine Damen und Herren, entfaltet schon Wirkung.

Ein solches Zwangsgeld hat in jedem Fall weder einen Straf- noch einen Bußcharakter. Es dient dazu, Widerstand zu beugen und jemanden zum Handeln zu zwingen. Ob diese Wirkung erhöht werden kann, wenn, wie gesagt, das verhältnismäßig geringe Zwangsgeld nicht mehr an die Landeskasse, sondern an einen gemeinnützigen Verein gezahlt werden muss, halte ich zumindest für fraglich.

Für noch fraglicher halte ich es, wenn über die wirklichen Extremfälle hinaus tatsächlich ernsthaft über Zwangshaft gegen Behördenmitarbeiter oder gar Politiker nachgedacht wird. Das wird mindestens schon da schwierig, wo eine ganze Reihe von Behördenmitarbeitern an einer ganz konkreten Entscheidung teilgenommen hat. Hier über eine Art Massenverhaftung nachzudenken, will wohl niemand so wirklich.

Meine Damen und Herren, ich bin also für die Diskussion im Ausschuss durchaus offen, aber eher skeptisch, ob die hier geforderte Gesetzesänderung in der Form wirklich notwendig ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Glocke der Prä- sidentin)

Das war eine Punktlandung, Herr Dr. Genthe. - Für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Christoph Plett, bitte!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Der von den Grünen vorgelegte Antrag zielt auf eine Veränderung des § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung ab und ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass in einigen Fällen Urteile von Gerichten nicht oder mit einiger Verzögerung umgesetzt werden.

Welche Ziele verfolgt dieser Antrag? - Erstens. Zwangsgelder aus der Verwaltungsgerichtsordnung sollen nicht mehr an die Staatskasse fließen, sondern ausschließlich an gemeinnützige Einrichtungen. Zweitens. Die Verhängung von Zwangshaft gegen Behördenleiter, sogar auch Minister, die gerichtliche Entscheidungen ignorieren, soll gesetzlich geregelt werden.

Ob dies, wie der Antragstext nahelegt, jetzt schon möglich ist und nur konkreter gefasst werden muss, erscheint mir sehr fraglich. Aber es ist dann auch Aufgabe des Antragstellers, dies noch einmal genauer darzulegen. Eine Norm, die dann genannt werden müsste, wäre hier hilfreich.

Die übergeordnete Zielrichtung, dass der Rechtsstaat durchsetzungsfähig ist und bleibt, steht für die CDU außer Frage.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Ob die Maßnahmen, Herr Limburg, die hier die Grünen vorschlagen, die richtigen sind, erscheint der CDU allerdings fraglich. Hierzu einige Anmerkungen.

In Bezug auf Zahlungen an gemeinnützige Einrichtungen kennt man die Norm des § 153 a StGB mit der Einstellung der Verfolgung und des Strafverfahrens unter Geldauflage. Das ist auch durch meine Vorredner, insbesondere durch Herrn Dr. Genthe, schon dargelegt worden.

Wenn ein Geldbetrag nach der Strafprozessordnung gezahlt wird, dann dient dies der Bestrafung für ein zurückliegendes Verhalten. Das, was Sie hier wollen, nämlich die Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, soll die Einhaltung des Gerichtsurteils für die Zukunft zum Ziel haben. Das sind also zwei vollkommen unterschiedliche Paar Schuhe. Ich glaube, wenn man diese Dinge miteinander vermengt, müssen wir aus dem System heraus die Fragestellung beantworten, ob dies in der Zukunft das Richtige ist.

Ein weiteres Argument gegen die Veränderung ist: Ob eine Veränderung des Geldempfängers - hier die gemeinnützige Einrichtung - die Befolgung von Gerichtsentscheidungen erhöht, ist aus meiner Sicht und aus der Sicht der CDU höchst fraglich.

Das zweite Ziel, die Verhängung von Zwangshaft gegenüber Behördenleitern und Ministern, kann nicht in § 172 VwGO verankert werden; der Antragstext ist meiner Meinung nach handwerklich nicht richtig. Wenn sich das außerdem auf § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung bezieht - davon ist in der Verwaltungsgerichtsordnung überhaupt keine Rede -, soll eine weitere Norm, also der Gesetzesvorbehalt, auch eingeräumt werden. Dann muss hier genauer beantragt werden. Ich glaube, im deutschen Recht gibt es für diese von Ihnen überlegte Anspruchsgrundlage überhaupt keinen Hinweis.

Ein weiterer Punkt: Ein Antrag ist in der Regel nur so gut wie seine Begründung. Dort, Herr Limburg, muss ich schon fragen, inwieweit Sie hier die beiden Bundesminister, Herrn Gröhe und Herrn Spahn, nicht zu Unrecht in Anspruch nehmen. Sie nehmen diese als Gesundheitsminister in Anspruch mit dem Vorwurf, ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes nicht umzusetzen. Zum Inhalt wurde gesagt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Ausnahmefällen erkrankten Menschen den Erwerb eines tödlich wirkenden Betäubungsmittels nicht ermögliche. Ich meine, das ist falsch. Dieses Urteil ist verfassungs

rechtlich nicht haltbar, um nicht zu sagen: lebensgefährlich. Es kann nicht sein, Herr Limburg, dass Selbstmorde durch behördliche Erlaubnis zu unterstützen sind. Hierzu hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter, Herr Di Fabio, ein Gutachten erstellt, in dem er geraten hat, einen sogenannten Nichtanwendungserlass durchzusetzen. - Das kennen wir aus der Steuerverwaltung. - Das haben beide Minister so getan. Das hier für die Begründung Ihres Zieles anzuführen, halte ich für daneben. Das ist ein falscher Hinweis.

(Beifall bei der CDU)

Anträge auf tödlich wirkende Arzneien werden keine reellen Chancen haben. Herr Limburg, ich glaube, mit diesem Vorschlag haben Sie auch eine Wertung vorgenommen, die die Mehrheit im Deutschen Bundestag nicht teilt.

Ich zitiere aus § 217 des Strafgesetzbuches:

„Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, … wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Sie führen hier in Ihrem Antrag ein Verfahren an, das diesem genau entgegengesetzt ist. Ich glaube, dass wir mit dieser Form der Auseinandersetzung zu keinem guten Ergebnis kommen. Als CDU sind wir natürlich gehalten, im weiteren Verfahren im Ausschuss Ihre Argumente präziser zu hören.

Abschließend sei gesagt: Auch der Hinweis auf den angeblichen Leibwächter von bin Laden in Ihrer Antragsbegründung ist falsch. Denn die gerichtliche Entscheidung lag noch nicht vor. Deswegen ist das, was Sie wollen, mit der Begründung nicht zu erreichen.

Ich glaube, dass wir mit diesem Antrag nichts erreichen werden. Aus Sicht der CDU besteht im Ausschuss aber natürlich noch die Möglichkeit für Sie nachzulegen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Eine Wortmeldung des Kollegen Helge Limburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen! Er hat noch Restredezeit.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Zinke, Sie haben gerade ausgeführt, es sei doch systemfremd, wenn das Zwangsgeld ähnlich wie ein Bußgeld behandelt würde. - Ja, das ist natürlich ein Wechsel im bisherigen Verfahren; das stimmt. Aber versetzen Sie sich einmal in die Lage der Menschen außerhalb der Justiz hinein. Wie muss es denn für die Menschen draußen wirken, dass Zwangsgelder gegenwärtig denjenigen zugutekommen können, die selber für das Unterlassen verantwortlich sind? Dann müssen Sie doch einmal eingestehen, dass das auf jeden Fall systemfremd ist und in einem Rechtsstaat so nicht gedacht sein kann, Herr Kollege.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Plett, genau das ist tatsächlich der Punkt in dem von Ihnen angesprochenen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist ja völlig in Ordnung, dass Herr Spahn oder auch Herr Gröhe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kritisiert. Sie müssen sie auch nicht gut finden. Nicht in Ordnung ist aber, als Bundesminister zu sagen: Weil ich diese Rechtsprechung nicht gut finde, ignoriere ich sie. - Das geht in einem demokratischen Rechtsstaat eben nicht, Herr Kollege Plett.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke. - Für die AfD-Fraktion Herr - - - Sie melden sich zu einer Kurzintervention, Herr Plett? - Gerne.

Sehr geehrter Herr Limburg, dann müssen wir mal in die Einzelheiten eintreten.

Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Di Fabio hat hier eine Anleihe beim Steuerrecht genommen. Genau dieser Nichtanwendungserlass, der durch Minister Spahn jetzt angewendet wird, ist durch dieses Gutachten legitimiert. Man kann daraus also nicht den Vorwurf ableiten, er setze mit Vorsatz ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht um. Das ist in dieser Form, wie Sie es hier gerade ausgeführt haben, nicht richtig.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Der Kollege Limburg möchte erwidern. 90 Sekunden!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Plett, ich finde es bedauerlich, dass wir jetzt doch sehr stark über diesen Einzelfall reden und es nicht um die Intention dieses Antrags geht.

(Zurufe von der CDU)

- Darauf komme ich gleich noch.

Es geht in dem Antrag um die Grundsatzfrage. Ich hatte gehofft, dass es - das war mindestens bei der Rede des Kollegen Dr. Genthe der Fall, aber auch bei Ihrer Rede, die ich im Übrigen durchaus differenziert fand - wenigstens im Grundsatz Einigkeit darüber gibt, wie zentral es für unseren demokratischen Rechtsstaat ist, dass gerichtliche Urteile umgesetzt werden müssen.

Herr Plett, ich will Ihnen auch ganz klar sagen: Wenn Sie bessere Vorschläge haben, was den Weg angeht - denn gerade besteht viel Skepsis in Bezug auf den verfahrensrechtlichen Weg -, freuen wir uns auch auf Ihre Argumente und auf den Austausch.

Natürlich ist es so, dass Zwangshaft in einer solchen Konstellation nur das aller-, aller-, allerletzte Mittel und seltener Ausnahmefall sein kann und sein muss. In Fällen von vorsätzlichem Ignorieren von Gerichtsurteilen durch Einzelpersonen - Herr Dr. Genthe hat das in einem Nebensatz schon gesagt - sollte man das aus meiner Sicht aber schon ermöglichen.

Herr Plett, Sie haben das Gutachten angesprochen. Das ist etwas, was in einem Rechtsstaat nicht geht und nicht ausreichend ist. Wenn die Praxis einreißen würde, dass man sich zu Urteilen ein Gutachten von einer Juristin oder einem Juristen besorgt, in dem steht, man muss dieses Urteil aus diesen oder jenen Gründen vielleicht doch nicht anwenden, könnten wir das System der Gewaltenteilung in der Tat vergessen, Herr Plett. Denn ein solches Gutachten können Sie natürlich auch zu allen möglichen anderen gerichtlichen Entscheidungen, z. B. im Steuerrecht, anfordern, um mit dieser Begründung dann Ihren gesetzlichen und durch Rechtsprechung bestätigten Verpflichtungen nicht nachzukommen.

Das kann in einem demokratischen Rechtsstaat wirklich nicht zum Regelfall werden. Ich hoffe, dass auch die Bundesregierung zukünftig zu einem vernünftigen Umgang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)